Hundert Jahre Molkereigenossenschaft Wädenswil

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2008 von Peter Ziegler

Mit einem Festakt im Landgasthof Halbinsel Au und anschliessender Schifffahrt mit Mittagessen auf dem Zürichsee feierte die Molkereigenossenschaft Wädenswil-Horgen am 11. April 2008 das hundertjährige Bestehen. Streng genommen wurde nicht der Gründung gedacht − diese erfolgte bereits im Jahre 1901 −, sondern eher der Aufnahme des eigenen Betriebs am 1. November 1907, bzw. des ersten erfolgreichen Geschäftsjahres 1907/08.

LANDWIRTSCHAFT IM UMBRUCH

Zwischen 1870 und 1900 vollzogen sich in der Landwirtschaft tief greifende Veränderungen. Auf den neu erstellten Bahnlinien kamen billige ausländische Agrarprodukte in die Schweiz: zuerst Getreide, dann Importfleisch, Schweineschmalz, Butter und Käse. Unter anderem geriet dadurch der Milchpreis unter Druck.
Die Bauern auf jenen Höfen, die weiter vom Dorf Wädenswil entfernt lagen, gehörten einer Hüttengenossenschaft an und verkauften ihre Milch dem Senn, der sie meist zu Magerkäse und Butter verarbeitete. Als dies nicht mehr rentierte, wurden die Sennhütten zu reinen Milchsammelstellen. Während die Senntengenossen gemeinsam handelten und auch eine einheitliche Preispolitik betrieben, waren die Bauern in Dorfnähe bis um 1900 nicht organisiert. Jeder verkaufte die Milch einzeln einem Milchträger, der sie zu den Kunden brachte.
Sennhütte Schluchtal von 1875. Foto 1976.
Dieses System funktionierte indessen nicht allzu gut. Die Bevölkerung wuchs, der Milchkonsum stieg, und dies wiederum führte in Wädenswil zu einer Neuorganisation der Milchzustellung.

Sennhütte Ödischwänd von 1870. Foto 1976.
Sennhütte an der Tiefenhofstrasse. Foto 1975.

MOLKEREI STOCKER

Walter Stocker-Hauser (1859–1947), Landwirt im Himmeri Wädenswil, gründete im Jahre 1892 eine eigene Molkerei. Im April 1896 erwarb er das Wohnhaus Nr. 497 mit Zinnenanbau hinterhalb dem Farbhof und im Dezember 1896 Wiesland beim Töbeli ob der Schönenbergstrasse. Hier entstand nun ein grösserer Betrieb, der im Jahre 1907 im Grundbuch wie folgt beschrieben wurde: «Ein Wohnhaus mit einem Anbau für Molkerei, nebst einem Dampfkessel, eiserner Dampfleitung und einer Turbine, alles unter Nr. 497 für Fr. 57'200.- assekuriert. Eine Scheune mit Einfahrt, unter Nr. 1037 für Fr. 12’000.- assekuriert, nebst 60 Aren 71 Quadratmeter Gebäudegrundfläche, Hofraum, Strassenanlagen, Garten und Matten dabei, zur Molkerei, an der Schönenbergstrasse gelegen.»
Ein Inserat in der Broschüre zur Wädenswiler Gewerbeausstellung von 1905 gibt Einblick in die Geschäftstätigkeit der «Molkerei Stocker & Cie. Wädenswil». Täglich wurden 8000 Liter Milch zu Tafel- und Einsiedebutter, Tilsiter- und Rahmkäschen sowie zu Magerkäse verarbeitet. Ausserdem handelte die Molkerei mit verschiedenen Kraftfuttermitteln, mit «Hafer, Mais u. Gerste, ganz und gemahlen oder gequetscht».


Molkereibesitzer Walter Stocker (1859−1947), Himmeri, mit Gattin Susanna, geb. Hauser (1865−1924)

GRÜNDUNG DER MOLKEREIGENOSSENSCHAFT

Bereits in den 1890er Jahren prüften weitsichtige Landwirte in der Umgebung des Dorfes Wädenswil verschiedene Massnahmen zu verbesserter Milchverwertung und Milchversorgung. Erwogen wurde ein Zusammenschluss − mit oder ohne Einbezug der lokalen Milchhändler −, um den Milchpreis im Dorf besser regulieren zu können. Ein provisorischer Vorstand lud Interessenten auf den 13. April 1901 zur konstituierenden Versammlung in den Gasthof Sonne ein. Vorgelegt wurden Statuten, die unter anderem Folgendes bestimmten:

«§1 Unter der Firma Molkereigenossenschaft Wädenswil bildet sich mit Sitz in Wädenswil auf unbestimmte Dauer eine Genossenschaft, bestehend aus Milchproduzenten der Gemeinde Wädenswil zum Zwecke möglichst rationeller Verwertung der Milch.
§2 Mitglied kann jeder Milchproduzent in Wädenswil werden.
§3 Die Mitgliedschaft kann erworben werden durch in geheimer Abstimmung erfolgten Aufnahmebeschluss der Genossenschaftsversammlung nach erfolgter schriftlicher Anmeldung an den Vorstand der Genossenschaft und durch eigenhändige Unterschrift der Statuten.

Sennhütte Scheller von 1843. Foto 1975.

§4 Zum Eintritt ist ferner erforderlich die Übernahme von mindestens einem Anteilschein à Frs. 100 auf jede durchschnittlich gehaltene Kuh. Die Anteilscheine werden zu 4% verzinst. …
§8 Die Mitglieder sind nicht verpflichtet, ihre Milch an die Genossenschaft zu verkaufen, dagegen verpflichtet sich die Genossenschaft, ihren Mitgliedern die Milch zu den festgestellten Bedingungen abzunehmen.
§9 Die Milch wird den Genossenschaftern monatlich laut am Anfang jedes Geschäftsjahres zu bestimmendem Preis bezahlt. Der Nettogewinn wird am Schluss des Jahres nach erfolgter festgesetzter Amortisation und Verzinsung der Anteilscheine zu 4% an die Mitglieder auf die gelieferte Milch verteilt.»
Neun Landwirte erklärten sofort den Beitritt zur neuen Molkereigenossenschaft Wädenswil. Insgesamt 48 Landwirte bekundeten Interesse und dokumentierten dies mit ihrer Unterschrift. Die Mitglieder des provisorischen Vorstandes, welche die Geschäfte vorbereitet hatten, wurden ehrenvoll bestätigt. Es waren dies: Emil Rellstab, Leihof, Präsident; Rudolf Hottinger, Büelen, Quästor; Jakob Vollenweider, Hangenmoos, Aktuar.

ERSTE AKTIVITÄTEN

An der zweiten Genossenversammlung vom 14. Oktober 1901 im «Hirschen» waren 12 von 13 Mitgliedern anwesend. Zur Diskussion stand die Frage, ob der Milchpreis pro Liter von 19 auf 20 Rappen angehoben werden solle. Auf 20 Uhr 30 waren auch die Milchhändler eingeladen. Sie erschienen zahlreich und konnten offensichtlich bewirken, dass der Milchpreis nicht erhöht wurde. Ausschlaggebend war das Argument, in den Nachbargemeinden Horgen und Richterswil schlage die Milch nicht auf.
Die Genossenversammlung vom 17. Oktober 1902 nahm die erste Jahresrechnung ab. Diese schloss bei Fr. 65.- Einnahmen und Fr. 63.70 Ausgaben mit einem Gewinn von Fr. 1.30 ab. Ab 1. November 1902 galt ein Milchpreis von 20 Rappen pro Liter. Der Produzent erhielt Fr. 14.50 pro 100 Kilogramm Milch.
Die Genossenversammlung vom 9. Februar 1906 beschloss den Beitritt zum Nordostschweizerischen Milchverband und wählte zwei Delegierte. Damit der Jahresbeitrag an den Verband die Vereinskasse nicht belastete, hatte jeder Genossenschafter vom 1. November 1906 an pro hundert Kilogramm verkaufter Milch zehn Rappen abzuliefern.

Emil Rellstab, Präsident 1907−1922.

ERWERB DER MOLKEREI STOCKER

Dass die Molkereigenossenschaft Wädenswil über keinen eigenen Produktionsbetrieb verfügte, erwies sich immer mehr als Mangel. Männedorf und Stäfa hatten im Mai 1906 die Milchversorgung durch Zentralisierung neu geregelt. Auch in Wädenswil verhiess ein solcher Weg Erfolg. Anfang Februar 1907 fand im Hotel Engel eine Aussprache mit Delegierten sämtlicher Sennereigenossenschaften der Gemeinde Wädenswil statt. Die grosse Mehrheit stimmte einem Zusammenschluss zu. Nur die Sennereien Chalchtaren und Unterort wollten selbständig bleiben.
Seit Herbst 1906 befassten sich Vorstand und Genossenversammlung mit der Frage, ob die Genossenschaft in Wädenswil ein eigenes Molkereigebäude erstellen solle oder ob die Molkerei Stocker erworben werden könnte.
Zwei Molkereien in Wädenswil, das stand bald fest, konnten nicht im Sinne der Milchproduzenten sein. Zu Recht befürchtete man Preisdruck durch Konkurrenzsituation.
Kaufverhandlungen mit der Zentralmolkerei der Gebrüder Stocker scheiterten vorerst an unterschiedlichen Preisvorstellungen. Erst nach wiederholten Gesprächen mit den Besitzern konnte der Kauf zum Preis von Fr. 150’000.- abgeschlossen werden. Mit Kaufantritt am 1. November 1907 übernahm die Molkereigenossenschaft Wädenswil die Liegenschaften beim Farbhof sowie alle Maschinen und Gerätschaften.
In der Wädenswiler Bevölkerung hatte die Handänderung offenbar Unruhe und Zweifel hervorgerufen. Der Vorstand der Molkereigenossenschaft orientierte daher am 11. November 1907 im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» unter dem Titel «Zur Aufklärung» unter anderem wie folgt:

Sennhütte Untere Chalchtaren von 1897. Aufnahme von 1976.

«Die irrtümlichen Anschauungen zu berichtigen, welche glauben, unser Institut sei dazu geschaffen, den Detailpreis zu steigern, geben wir anmit die bestimmte Versicherung ab, dass der Milchpreis in hier nie höher sein wird als im Durchschnitt in den benachbarten industriellen Seegemeinden. Wir empfehlen unser Geschäft dem Wohlwollen der geehrten Einwohnerschaft von Wädenswil.»

RATIONELLERE MILCHABGABE

Im selben Zeitungsinserat hiess es, man habe die Molkerei Stocker gekauft, «um den Detailverkauf der Milch in rationellere Bahnen zu leiten». Die Genossenschaft habe es sich zur Aufgabe gestellt, in Wädenswil eine Milchversorgung einzuführen. Man hoffe, «damit in absehbarer Zeit Wädenswil in den Stand zu setzen, eine der besten bestehenden Milchversorgungen zu haben».
Zwei Massnahmen waren hiefür nötig: der Erwerb der Geschäfte der bisherigen Milchführer und die Aufteilung des Dorfgebietes in Versorgungskreise. Sämtliche Milchträger in Wädenswil waren bereit, ihre Milchgeschäfte samt Inventar auf 1. November 1907 der Molkereigenossenschaft zu verkaufen. Zwei Milchträger − Siebert im Neudorf und Imhof am Sagenrain − gaben mit der Einführung der Neuerung ihren Milchhandel auf. Neu war die Gemeinde in sieben Kreise eingeteilt. Jedem Kreis stand ein bisheriger Milchführer vor, der für den Detailverkauf verantwortlich war. Nur er durfte innerhalb des Rayons Milch zu den Konsumenten bringen.
Neu verfügte die Molkerei, dass die ihr von den Bauern gelieferte Milch ab 1. Dezember 1907 nicht mehr wie früher ausgemessen, sondern gewogen werde. Gekauft wurde die Milch von den Senntengenossenschaften Rüti, Ödischwänd, Herrlisberg, Gisenrüti und Waggital zu Fr. 16.50 per 100 Kilogramm. Die Sennte Mülistalden lieferte für Fr. 16.30 pro 100 Kilo, die Sennte Stollen zu Fr. 16.20. Der Grund für den niedrigeren Ankaufspreis: anfallende Kosten für das Abholen der Milch mit dem molkereieigenen Fuhrwerk.
Sennhütte Waisenhaus, Anfang des 20. Jahrhunderts.
Sennhütte Herrlisberg von 1874. Aufnahme von 1976.

AUSBAU DER LIEGENSCHAFT

Nach dem Erwerb der Molkerei Stocker hatte sich der Vorstand mit drei wichtigen Geschäften zu befassen, die mehrere Sitzungen nötig machten. Zum ersten mussten die Statuten von 1901 den neuen Verhältnissen angepasst werden. Sie wurden in der Versammlung vom 6. Februar 1908 genehmigt. Zum zweiten galt es personelle und organisatorische Entscheide zu treffen − zum Beispiel den Milchführern beim Ausmessen der Milch das Rauchen zu verbieten.
Mit dem ersten Verwalter namens Schürch hatte man kein Glück. Er verbreitete Unwahrheiten über den Vorstand und wurde daher Ende Oktober 1909 entlassen. Gottfried Koch, vorher Chef des Milchgeschäftes des Konsumvereins Winterthur, trat die Nachfolge an.
Drittens drängten sich bauliche Massnahmen auf. Mitte Dezember 1907 wurde der Ankauf des Wohnhauses Freudenberg (Schönenbergstrasse 28) beschlossen und ebenso der Einbau von Schweineställen auf dem Heuboden der Scheune. Im September 1908 kam die Nachbarliegenschaft Farbhof auf die Gant. Zum Preis von 56’510 Franken erhielt der Vorstand bei der Steigerung den Zuschlag.
Besuche bei der Kontrollmolkerei Davos und der Konsummolkerei Luzern hatten gezeigt, dass die Molkerei Wädenswil den Anforderungen eines modernen Betriebes nicht genügte.
Der Neubau für Futtermittel, erstellt 1909.
Die Generalversammlung vom 2. Januar 1909 genehmigte daher einen Kredit zur Planung einer neuen Molkerei. Ungünstige Rechnungsergebnisse zwangen allerdings bald zur Reduktion des Bauvorhabens: zur Beschränkung auf ein Futtermittel- und Müllereigebäude mit Käsekeller gegenüber dem Molkereigebäude. Es wurde im Jahre 1909 erstellt und durch Mitglieder, die Obligationen zeichneten, finanziert.

MILCHPREIS, MILCHABSATZ UND KRIEG

DIE 1910ER Jahre
Ein Haupttraktandum an den Vorstandssitzungen und Generalversammlungen war und blieb der Milchpreis. Welchen Betrag soll die Molkerei den einzelnen Hüttengenossenschaften für die gelieferte Milch bezahlen? Wie viel bezahlt man den Lieferanten im Dorf und wie viel jenen im Berg? Wie gross darf die Differenz sein? Wie viel Aufschlag kann auf die Konsumenten abgewälzt werden?
Da in den einzelnen Monaten unterschiedliche Milchmengen geliefert wurden, führte die Generalversammlung auf Herbst 1911 zwei Milchpreise ein. Von Oktober bis Dezember bezahlte die Molkerei den Lieferanten mehr als in der übrigen Zeit. Zum Problem konnte die Verwertung überschüssiger Milch in den Sommermonaten werden. Zwar verfügte man neuerdings über eine Tiefkühlanlage und bezog Eis von der Brauerei Wädenswil, aber man konnte nicht alle Milch zu Butter oder Käse verarbeiten. Die Molkerei Wädenswil verkaufte daher einen Teil davon nach auswärts: 1911 an die Milchsiederei Cham, und jährlich bis 1930 an die Kontrollmolkerei Davos. Besonders gross waren die Lieferungen nach Graubünden im Sommer 1913, als dort die Maul- und Klauenseuche grassierte.
Sennhütte Burstel, 1910.
Im Dezember 1913 stellte der Vorstand fest, dass der Milchabsatz im Dorf Wädenswil rückläufig war. Gegenüber früher konnte man täglich bis 400 Liter weniger Konsummilch verkaufen. Begründet wurde dies mit der Konkurrenz durch den Allgemeinen Konsumverein, der die Milch aus dem Wägital und von Wollerau bezog, und mit dem Konkurrenten Einwohnerverein, der Butter der Molkerei Pfäffikon vertrieb.
Neue Probleme brachte der Weltkrieg 1914–1918. Vorübergehend mussten Angestellte zum Dienst einrücken, und Pferde wurden requiriert. Vor allem aber brach der Handel mit Futtermitteln wegen hoher Preise ein, und für Milchlieferungen ans Militär erhielt man nur 20 Rappen pro Liter und nicht 23 Rappen, wie für Lieferungen nach Graubünden.
Der alte Dampfkessel, «ein arger Kohlefresser», konnte 1915 durch einen neuen, elektrisch betriebenen aus der Kesselschmiede Richterswil ersetzt werden. Nachdem die Molkereigenossenschaft Horgen im selben Jahr mit einem Elektromobil gute Erfahrungen gemacht hatte, schaffte auch die Molkerei Wädenswil ein solches Fahrzeug an. Hergestellt wurde es von der Firma Tribelhorn in Feldbach.
1917 gelang es dem Vorstand, einen Konkurrenten auszuschalten. Für 2000 Franken verkaufte der Allgemeine Konsumverein sein Milchgeschäft an die Molkereigenossenschaft Wädenswil. Dafür vermietete die Molkerei dem ACV ab Mai 1918 den Laden im Zinnenanbau zum Farbhof und verpflichtete sich, zwei Arbeiter im Molkereibetrieb zu beschäftigen.
 

FUTTERHANDEL UND MILCHLÄDEN

DIE 1920ER Jahre
Seit 1921 verfügte die Molkerei Wädenswil für die Milchtransporte über ein Lastauto. Probleme bereitete die Lagerung der Futtermittel, nachdem der Landwirtschaftliche Verein Wädenswil den Handel mit Kunstdünger und Raufutter an die Molkerei abgetreten hatte. Im Jahre 1923 wurde das Magazin durch ein Gebäude in armiertem Beton erweitert, gemäss Plänen des Landwirtschaftlichen Bauamtes in Brugg. Nun konnte man das Sortiment ausbauen und vor allem rationell einkaufen. Die Molkerei führte jetzt folgende Futtermittel: Hafer, Mais, Gerste, Kopfmehl, Weizen, Erdnussmehl, Haferspreuer, Leinkuchen, Hafermehl, Erbsmehl, Hirse, Flachssamen, Saatkorn, Fischmehl, Roggen, Krüsch. Das Sortiment Raufutter umfasste Heu, Emd, Stroh, Streue, Torfmull, Roggenschaub, Bodenrüben, Runkeln, Rübli, Räben, Kabis, Kartoffeln. An Dünger führte man Thomasmehl, Kalisalz, Düngkalk, Chilisalpeter und Schwefelsaures Ammoniak.
Der Stolz der jungen Molkerei Wädenswil, ein Lastauto.
 
Auf die Magazinerweiterung folgte die Renovation des Molkereigebäudes, und am Haus Freudenberg ersetzte man eine defekte Zinne durch einen Dachaufbau. Zur Finanzierung der Bauten beschloss die Generalversammlung am Berchtelistag 1924 den Verkauf von Land oberhalb der Zufahrtstrasse zur Scheune, «vom ehemaligen Sonnenbad bis zum Töbeliweg». Für die drei Bauplätze galten damals Quadratmeterpreise zwischen 7 und 15 Franken.
Seit 1908 verfügte die Molkereigenossenschaft über einen Verkaufsladen im Molkereigebäude. Um den unteren Dorfteil besser mit Milchprodukten zu versorgen, richtete die Genossenschaft im Jahre 1928 im Haus zum Talgarten an der Gerbestrasse einen zweiten Milchladen ein.
Gertrud Hunziker führte ihn während 42 Jahren, bis zur Schliessung Ende Oktober 1970. 1929 folgte ein weiterer Laden im Steg, Ecke Stegstrasse/Grünaustrasse.
Dass der Handel mit Futtermitteln weiter ausgebaut werde, machte man 1929 mit einer Ergänzung im Zweckartikel der Statuten deutlich. Dies erlaubte dann 1934 auch die Übernahme des Futterhandels vom Landwirtschaftlichen Verein Richterswil.
In den 1920er Jahren traten Milchmänner in den Dienst der Molkerei, die über lange Zeit im Dorf die Milch ausmassen und darum vielen Bewohnern bekannt waren: Karl Heusser, Franz Manser, Theodor Schönbächler, Robert Vogelbacher, Edwin Wälti.
Die Geschäftsberichte aus den 1920er Jahren geben Aufschluss über die Lieferungen und die Verwertung der Milch. Es musste festgestellt werden, dass sich die Familien während des Krieges an einen kleineren Milchkonsum gewöhnt hatten. Für den Dorfkreis stellte man trotz Bevölkerungswachstum folgenden Rückgang im Jahresverbrauch fest:

1922/23: 1'471'252 Liter
1923/24: 1'469'499 Liter
1925/26: 1'418'145 Liter
1926/27: 1'400'817 Liter

Rudolf Scherer, Präsident 1922−1932.
Im Jahre 1921/22 zum Beispiel wurden im Durchschnitt täglich 8127 Liter Milch angeliefert. Davon verkaufte man in Wädenswil pro Tag 4262 Liter. Nach auswärts gingen im ganzen Jahr 1'066'328 Liter, nach Davos 163'040 Liter. Die Molkerei selbst verarbeitete 114'732 Liter Milch zu 3856 Kilogramm Butter und 38782 Kilogramm Käse.
Erfreuliches war 1926/27 von der Schweinemast zu berichten. Jedes Tier hatte täglich 278 Gramm an Gewicht zugelegt. Im Ganzen konnten 124 Schweine verkauft werden, mit einem Lebendgewicht von 13'456 Kilogramm.
 

SCHULMILCH, MOTORISIERUNG UND MILCHKONTINGENTE

DIE 1930ER JAHRE
Zu Beginn des Jahres 1930 warb die Molkereigenossenschaft mit folgendem Inserat:
«Trinkt Milch und verwendet Milchprodukte! Sie erhalten damit ihre Gesundheit und sparen Geld! Mit höflicher Empfehlung Molkereigenossenschaft Wädenswil». Bei stets wachsender Produktion war der Milchabsatz weiterhin rückläufig. Im Dorf und Berg betrug der Minderabsatz 165 Liter pro Tag. Und die Tendenz setzte sich fort, wie die Statistik über den Jahresverbrauch im Dorfkreis zeigt:
1932/33: 1'270'159 Liter
1933/34: 1'265'869 Liter
1934/35: 1'232'578 Liter
1935/36: 1'226'811 Liter
1936/37: 1'215'892 Liter
1937/38: 1'183'598 Liter
1938/39: 1'140'108 Liter
 
1932 suchte der Vorstand den Kontakt zur Schulpflege und offerierte die Abgabe von Znünimilch in den Schulen, wie dies in Meilen, Horgen und Herrliberg bereits Brauch sei. «Wir müssen darauf dringen, dass die Milch wieder mehr Volksnahrungsmittel wird und die Schleckwaren dadurch mehr und mehr verdrängt werden», lauteten die Argumente. Im Februar 1932 wurde die Schulmilch eingeführt, im November auch für Sekundarschüler. Die im Winter 1932/33 an die Schulkinder abgegebenen 69'061 Glas Milch entsprachen einem Quantum von rund 14'000 Litern. Im folgenden Jahr konnte die Menge gar auf 72'674 Glas gesteigert werden. 1935 fand in Wädenswil ein kantonaler Schwingertag statt. An diesem Anlass gab die Molkerei erstmals Flaschenmilch ab. Der Absatz war aber mässig, etwas besser am Jugendriegentag in Wädenswil im selben Jahr. Eine Milchaktion an der Springkonkurrenz 1935 erwies sich als Flop. «Milch und Kavallerie scheinen nicht zusammenzupassen», vermerkt der Jahresbericht. Auch an der Sekundarschule erlahmte das Interesse an Schulmilch; die Abgabe wurde 1936 eingestellt. Und abermals keinen Erfolg verbuchte man mit dem Milchverkauf am Kantonalturnfest 1938 im Ödischwänd.
Andere Zweige der Molkerei hatten indessen Erfreulicheres zu melden. Der Absatz von Futtermitteln, Landesprodukten und Dünger liess sich im Geschäftsjahr 1936/37 auf 276 Wagen zu 10 Tonnen oder 18 Wagen mehr als im Vorjahr steigern. Auch die Schweinezucht rentierte. 1937/38 konnten 235 Mastschweine mit total 21'094 Kilogramm Lebendgewicht verkauft werden.
Ausblick vom Turm der reformierten Kirche gegen den Furthof, 1935. Im Vordergrund das Areal der Molkerei. Dahinter links der Untere Leihof.

In den Dreissigerjahren tätigte die Molkereigenossenschaft, die um die 120 Mitglieder zählte, verschiedene Anschaffungen: Ein 1930 gekaufter Pasteurisierapparat erlaubte auch die Herstellung von Joghurt. Das vernickelte Milchbassin mit Kupferrohren und Dampfleitungen erhöhte unter anderem die Hygiene. 1937 ersetzte man es durch einen mit Rührwerk versehenen 2500-Liter-Tank aus rostfreiem Stahl.
1931 wurde bekannt, dass andere Genossenschaften die Milch mit dem Auto in die Stadt Zürich liefern; Wädenswil tat das immer noch mit dem 8-Uhr-Zug. Geprüft wurde nun die Anschaffung eines neuen Lastwagens, der Kauf eines Stewards 1932 vollzogen. Dies bedingte die Erweiterung der Garage in der Scheune, und zwar auf Kosten von Pferde- und Schweinestallungen. 1936 vergrösserte ein Occasions-Wagen den Fahrzeugpark.
Der Entscheid von 1932, Milch in Flaschen abzugeben, bedingte die Anschaffung einer Flaschenreinigungsmaschine, einer Abfüllvorrichtung sowie von Harassen und Kisten.
An der Generalversammlung 1938 war zu erfahren, an verschiedenen Orten werde die Butter in Aluminiumpapier verpackt und sei dadurch haltbarer. Auch die Molkerei Wädenswil führte die Neuerung ein, kaufte eine «Mödeli-Einwickelmaschine» und stellte sie im Butterraum auf, den Architekt Heinrich Kübler aus einem Teil des Kohlenraums geschaffen hatte. Man rechnete mit einer Amortisation in drei Jahren, wenn man die Mödeli fünf Gramm leichter mache und zum gleichen Preis verkaufe. Auf Druck der Kundschaft mussten aber schon nach wenigen Wochen wieder 100 Gramm schwere «Ankemödeli» geliefert werden.
Lastwagen lösen die Transporte mit Pferdefuhrwerken ab.

Im September 1931 bot Herr Glättli sein im Buck gelegenes Haus, in dem sich ebenfalls ein Milchladen befand, der Molkerei zum Kauf an. Auf ein Angebot von 55'000 Franken trat der Eigentümer vorerst nicht ein. Schliesslich konnte die Genossenschaft das Haus mit vier Wohnungen und dem Laden doch für diese Summe erwerben. Gekauft wurde mit dem Argument, sonst könnte ein Katholik Besitzer werden. «Dies wäre Konkurrenz, weil diese Leute sehr zusammenhalten.»
In den Dreissigerjahren regelte der Molkereivorstand die Zusammenarbeit mit den Senntengenossenschaften detaillierter. Jede Sennte war mit einem Mitglied im Grossen Vorstand vertreten. Für die Sennten bezahlte die Molkerei Hüttenzinse und übernahm die Hälfte der Kosten für das Weisseln. Dagegen kamen die Sennten für die Milchwaage, die Eichgebühren und die Brandassekuranz auf.
Personell ergaben sich in den 1930er Jahren einige Wechsel. 1932 verschied Landwirt Rudolf Scherer in der Holzmoosrüti, der den 1922 verstorbenen Gründungspräsidenten Emil Rellstab abgelöst hatte. Nachfolger wurde Jakob Vetterli zur Langen Stege. Er führte die Molkereigenossenschaft bis 1948. 1930 wurde «ein zweites Bürofräulein» eingestellt, besonders zum Nachführen der statistischen Erhebungen. Die Dame hatte den Buchhalter Jakob Leuthold zu entlasten. Dieser vollzog 1931 einen Wechsel in der Buchführung, indem er das Kardex-System einführte. J. Leuthold trat 1939 nach dreissigjähriger Tätigkeit in den Ruhestand. Nachfolger wurde Buchhalter Emil Stiefelmeier, der eine Kaution von 10'000 Franken zu leisten hatte.
Sennhütte Untermosen von 1843. Foto 1976.
Bis 1935 war es Tradition, die Generalversammlung am 2. Januar abzuhalten. Da die am 31. Oktober abgeschlossene Jahresrechnung immer umfangreicher wurde, verlangten die Prüfer eine längere Frist. So verschoben sich die Versammlungen in den Februar oder März. Getagt wurde abwechselnd im «Engel», im «Du Lac», im «Hirschen», in der «Eintracht» und im «Neubüel».
Die Statuten von 1909 unterschieden bei den Organen der Genossenschaft zwischen dem Gesamtvorstand und einem engeren Vorstand. Diese Bezeichnungen galten bis zur Statutenrevision von 1931 und wurden dann durch die Bezeichnungen Grosser und Kleiner Vorstand ersetzt. Die Vorstandssitzungen fanden statt in den Gaststätten Du Lac, Eichmüli, Eintracht, Engel, Feld, Gerenau, Hirschen, Krone, Neubüel, Schmiedstube, Schönegg, Sonne und Volkshaus.
Viel zu reden gab im Vorstand nebst der Festsetzung des Milchpreises vor allem die Milchkontingentierung. 1932 galten folgende Mengen pro Hektare: 4000 Liter im Dorfkreis, 3800 Liter für die Sennte Waisenhaus und 3000 Liter für die Region Berg. Begründet wurde die ungleiche Kontingentierung von Dorf und Berg damit, dass die Grünfütterung am See früher einsetze und im Herbst länger hinausgeschoben werden könne als im Berg. Wer das Kontingent überschritt, erhielt pro Liter zwei Rappen weniger ausbezahlt.
Schon unter Präsident Rudolf Scherer hatten sich die anfänglichen Defizite verringert. Die gut fundierte Genossenschaft erzielte nun Reingewinne. Und diese erlaubten nebst Neuanschaffungen auch Abschreibungen auf Mobilien und Liegenschaften. Bereits 1931 gründete der Gesamtvorstand mit dem Grundbetrag von 5000 Franken eine Pensionskasse. Sorglos konnte man daher 1933 im Hotel Engel das 25-Jahr-Jubiläum begehen.
Gross war stets der Wasserbedarf der Molkerei Wädenswil. Wiederholt versuchte der Vorstand das Wasser der Bühlquelle zu erwerben. Diese auch das Reservoir Bühl speisende Quelle lag nur wenige Meter von der Druckwasserleitung entfernt, die zur Molkerei führte. Ein Verkauf der Quelle kam von Seiten des Kinderheims Bühl nicht in Frage. Man war aber bereit, Wasser mietweise abzutreten, unter Mitbenützung des Reservoirs Bühl.
Auch mit Wasser, aber anderer Art, hatte sich der grosse Vorstand 1939 zu befassen: mit Milchlieferanten, die der Panschung überführt wurden. Dank einer Änderung der Statuten wurde es möglich, sie mit maximal 500 Franken zu büssen.

RATIONIERUNG, RENOVATIONEN UND ANSCHAFFUNGEN

DIE 1940ER Jahre
Die sechs Jahre des Zweiten Weltkrieges brachten der Molkereigenossenschaft Wädenswil etwelche Einschränkungen und Probleme. Kohle und Benzin wurden massiv teurer und belasteten die Jahresrechnung. Da man die Milch bei heissem Wetter mit dem Pferdefuhrwerk zu wenig schnell transportieren konnte und sie Schaden litt, liess der Vorstand 1941 den grossen Lastwagen und 1942 ein weiteres Auto mit Holzvergasern ausrüsten. Um das mit Holzgas betriebene Fahrzeug pünktlich einsatzbereit zu haben, musste Chauffeur Pfister eine Stunde früher antreten. Dafür erhielt er eine Lohnaufbesserung von einem Franken pro Tag.
Die Rationierung von Milch, Butter, Rahm, Käse und Eiern brachte spürbare Einbrüche im Warenumsatz. Dazu waren immer wieder grössere Schwankungen bei den Milchlieferungen auszugleichen. Die Ausdehnung des Ackerbaus auf Kosten des Wieslandes verringerte den Futterertrag, was zur Reduktion der Kuhbestände zwang.
Vor dem Krieg hatte man in Wädenswil 1714 Kühe gezählt; 1943 waren es nur noch 1382.
Der Vorstand hatte für die im Militärdienst stehenden Angestellten die Wehrmannsentschädigung zu regeln, und zudem erhielt das Personal eine Teuerungszulage von 30 Franken pro Monat und von fünf Franken für jedes Kind unter 18 Jahren. Nach langen und heftigen Diskussionen beschloss die Generalversammlung 1944 mit grossem Mehr die Gründung der Stiftung für Altersfürsorge. Als Gründungskapital entnahm man dem Pensionsfonds 33'000 Franken.
Im Laufe der Jahre hatte die Molkereigenossenschaft Wädenswil in der Stadt Zürich sechs Milchgeschäfte erworben. Diese trat sie auf 1. November 1944 entschädigungslos an den Nordostschweizerischen Milchverband in Winterthur ab. Als Gegenleistung bezog der Verband fortan von der Genossenschaft täglich 3000 Liter tiefgekühlte Milch, franko Wollishofen geliefert zum Vorzugspreis von 34.40 Franken pro hundert Liter. Die mit der Bahn transportierte Milch musste um vier Uhr morgens in Wollishofen greifbar sein. Im Sommerhalbjahr wurde Abendmilch, im Winterhalbjahr Morgen- und Abendmilch abgegeben. So bestimmte es der auf zehn Jahre, bis 31. Oktober 1954, abgeschlossene Vertrag, der sich dann automatisch um ein weiteres Jahr verlängern sollte.
Ab 1945 musste der Vorstand Aufgaben anpacken, die der Krieg verhindert hatte. Der Verkaufsladen auf dem Molkereiareal bedurfte dringend der Modernisierung.

Jakob Vetterli, Präsident 1932−1948.

Die Inneneinrichtung war veraltet, und es fehlte eine automatische Kühlung des Lokals. Aber sollte man nicht besser einen neuen Laden im Haus Freudenberg einrichten? Oder sollte man sich gar im Neubau der Schmiedstube – der Altbau war 1944 abgebrannt – einmieten? Schliesslich entschied man sich für den bisherigen Standort. 1946 wurde das Molkereigebäude einer Aussenrenovation unterzogen, und gleichzeitig erfolgte der Ladenumbau. 1949 gewährte die Generalversammlung die Kredite für den Bau eines neuen Labors, die Erweiterung der Büros und der Kühlräume, für den Umbau des Milchannahmelokals sowie für die Fassadenrenovation des Molkereigebäudes.
An der Generalversammlung 1948 stand die Schweinemast zur Diskussion. Während des Krieges war sie aufgegeben worden. Da nur Schweinezuchtbetriebe Gewinne erzielten und der Standort bei der Molkerei ungeeignet war, verzichtete man fortan auf die eigene Mast und vermietete die Ställe an P. Geisseler, welcher sich verpflichtete, die Magermilch abzunehmen.
1948 übergab Jakob Vetterli das Präsidium der Molkereigenossenschaft an Gemeindepräsident und Kantonsrat Heinrich Brändli. Auf ihn, den Vorstand, den 1948 gewählten Verwalter Walter Strickler – Nachfolger von Hans Schöni, der von 1922 bis 1948 geamtet hatte – warteten in den folgenden Jahren anspruchsvolle Aufgaben. Geplant war zunächst ein Neubau auf dem Molkereiareal. Aus Kostengründen kam dann aber nur eine Erweiterung und Renovation des bestehenden Molkereigebäudes in Frage. Durch den Anbau in Richtung der Schweinestallungen liessen sich im Erdgeschoss neue Kühlräume einrichten und darüber ein Lokal für das Abfüllen der Magermilch. Die seeseitige Hälfte des Neubaus diente zur Milchspedition. Die Butterei konnte in die ehemaligen Kühlräume erweitert werden. Für die grossen Bauvorhaben erteilte die ausserordentliche Generalversammlung vom 27. Dezember 1949 einen Kredit von 220'000 Franken.
Neuanschaffungen halfen den Betrieb modernisieren und erleichtern. Eine Milchwaage Fabrikat Busch aus Chur ersetzte 1945 die 17-jährige Milchwaage «Astra». 1946 gab man das Pferdefuhrwerk endgültig auf und stellte ganz auf Autobetrieb um. An die Stelle der Kohlefeuerung trat die im Betrieb billigere Ölheizung.
Heinrich Brändli, Präsident 1948-1963.

PASTMILCH, EXPANSION UND ENDE DER SCHWEINEZUCHT

DIE 1950ER JAHRE
Anfang Februar 1948 wurde die auf 1. November 1942 verfügte Rationierung aufgehoben. Dies ermöglichte es, zwei Produkte besonders zu fördern: den Verkauf von Ice-Creme und Frisko-Produkten in den Wädenswiler Molkereiläden und von Joghurt und Pastmilch aus der Eigenproduktion. Vorerst war bei den Konsumenten Joghurt in rahmartiger Konsistenz sehr beliebt. Als an vielen Orten gallertartiger Joghurt hergestellt wurde, verlangten auch die Wädenswiler Kunden das neue Produkt; die Molkerei musste 1954 umstellen und eine Homogenisiermaschine anschaffen. Diese konnte auch zur Herstellung von pasteurisierter Flaschenmilch benützt werden. Im Geschäftsjahr 1953/54 verarbeitete die Molkerei 24'397 Liter Milch zu Joghurt. Der Jahresbericht 1958/59 nennt die Jahresumsätze:
Milch: 4'550'938 Liter
Rahm: 23'759 Liter
Butter: 53'144 Kilo
Käse: 27'518 Kilo
Kaffee-Rahm: 7191 Liter
Joghurt: 104'219 Glas
Pastmilch: 69'907 Liter
Haus Hoffnungsweg 7, Ansicht von Südosten, kurz vor dem Abbruch im Jahre 1993.

In den 1950er Jahren erweitete die Molkereigenossenschaft ihren Liegenschaftenbesitz über Wädenswil hinaus. Mit dem Kauf des Milchgeschäftes der Gebrüder Bossert sicherte sie sich 1956 einen Absatzmarkt in Thalwil. 1957 wurde das Geschäft der Milchgenossenschaft Gattikon übernommen.
Auch in Wädenswil war man aktiv: Durch den Kauf der Liegenschaft Rotweg 7 konnte das Molkereiareal im Jahre 1951 erweitert werden, und man verfügte über einen Bauplatz für die Zukunft. 1954 eröffnete die Molkerei Wädenswil im Gebäude der Landwirtschaftlichen Konsumgenossenschaft in der Au einen Milchladen, und seit Februar 1960 verfügte sie über einen Molkereiladen im westlichen Dorfteil: im neuen Wohn- und Geschäftshaus Krähbach an der Zugerstrasse. Finanziert wurden die Aufwendungen teils aus Eigenmitteln, mit Darlehen, Bankkrediten und durch den Verkauf von Land oberhalb des Molkereiareals, 1951 zum Preis von 20 Franken pro Quadratmeter.
Grosse Pläne gab es für das Farbhof-Areal. Der dem Allgemeinen Konsumverein (ACV) vermietete Laden Farbhof entsprach seit langem nicht mehr neuzeitlichen Anforderungen. Die Molkereigenossenschaft entschied sich daher für einen Ladenneubau an der Oberdorfstrasse, unterhalb des Magazingebäudes. Der unterkellerte einstöckige Ladenbau, 1957 erstellt nach Plänen des Wädenswiler Architekten Heinrich Kübler, wurde weiterhin dem AVC vermietet und neu als moderner Selbstbedienungsladen geführt. Da der alte Laden Farbhof nun nicht mehr benötigt wurde, erwog der Grosse Vorstand, das Gebäude abzubrechen und durch ein grosses, modernes Geschäftshaus zu ersetzen. Wegen der angespannten Lage auf dem Geldmarkt ruhte die Angelegenheit im Jahre 1958, und 1959 nahm der Vorstand endgültig Abschied vom Überbauungsprojekt Farbhof mit der Begründung, man wolle «keine leichtfertige Spekulation vornehmen».
Üble Gerüche aus den vermieteten Schweinestallungen in der Scheune der Molkerei gaben wiederholt zu Klagen Anlass. Im Frühling 1954 wurde das der politischen Gemeinde gehörende neue Sekundarschulhaus Fuhr bezogen. Die Schulpflege und die Gesundheitskommission drangen daher auf die Stilllegung der Schweinemast. Die Molkereigenossenschaft erklärte sich dazu bereit, als ihr die Gemeinde eine Entschädigung von 25'000 Franken anbot.
Auch in den 1950er Jahren waren wichtige Anschaffungen zu tätigen. Vor allem der Fahrzeugpark musste erneuert werden. Ein Austin-Lieferwagen löste 1951 den Lieferungswagen De Soto ab, der seit 1933 im Dienst stand. 1955 wurde ein Diesel-Kleinlastwagen Marke Fiat und 1958 ein 5-Tonnen-Frontlenker Marke Ford angeschafft, Ersatz für den 1928 gekauften Lastwagen FBW, der mehr als 200'000 Kilometer zurückgelegt hatte und nicht mehr repariert werden konnte. Es folgten je ein VW-Lieferungswagen in Thalwil und Wädenswil und ein Leuthard Motorkarren mit Schrank (1958).
Nicht nur im Molkereibetrieb, auch im Büro gab es Neuerungen: im Geschäftsjahr 1955/56 die Anschaffung einer Adressier- und einer Rechenmaschine und 1956/57 einer Vervielfältigungsmaschine. Bisher waren die Geschäftsberichte im Format A5 bei der Firma Stutz gedruckt worden. Mit dem 50. Jahresbericht eröffnete man die Folge der selbst hergestellten Berichte im Format A4.
1954 traten die Sennten Gwad, Mittelort und Unterort der Molkereigenossenschaft Wädenswil bei. Diese verarbeitete fortan auch die Milch, welche auf den Höfen Oberort, Stoffel, Zopf; Haldenhof, Brunnenhof, Appital, Steinacher, Langwis, Obstgarten, Grundstein Vorder Au; Seegut, Unterort, Schönbüel und Langacher gemolken wurde.
Sennhütte Gwad von 1979, Foto 1975.
Am 23. April 1959 feierte die Molkereigenossenschaft, die nun 164 Mitglieder zählte, im Hotel Engel das 50-jährige Bestehen mit folgendem Programm:
Begrüssung durch den Präsidenten, Nationalrat Heinrich Brändli
Kapelle Alpengruss
Gesangsdarbietungen Molkerei-Männerchor
Chronik 50 Jahre MGW, von Alfred Hauser, Feldheim
Nachtessen
Farbfilm: Mensch und Arbeit in der Landwirtschaft
Kaffee und Dessert
Einlagen, Theater, Lieder, Musik
Tanz bis zum Morgengrauen
Für «Angestellte mit Frauen» gab es am 23. Mai 1959 ein eigenes Fest im Volkshaus, mit Nachtessen, Zauberkünstler, Südamerikafilm der Swissair, einem Film über den Krüger Nationalpark und mit Gesellschaftsspielen.
 

JOGHURT UND MILCHPACKUNGEN

DIE 1960ER JAHRE
In den 1960er Jahren wurde Joghurt immer beliebter. Von 110'513 Glas im Geschäftsjahr 1960/61 konnte die Produktion 1965/66 auf 136'490 Glas und 1968/69 auf 237'702 Glas gesteigert werden. Ab Betriebsjahr 1969/70 gelangte Joghurt nicht mehr im Glas, sondern im Becher in den Verkauf. Abgesetzt wurden 290'493 Becher. Anderseits ging der Milchverkauf im Ortsbereich weiter zurück. Bemerkbar machte sich die Konkurrenz durch den Grossverteiler Migros, der ebenfalls Milch-Drink, Pastmilch und Milchspezialitäten verkaufte. Um das Pastmilch-Geschäft zu fördern, nahm die Molkerei 1967 eine Zupackanlage in Betrieb, welche das rationellere Abfüllen in Wegwerfpackungen ermöglichte. 1969/70 erhöhte sich der Absatz der Pastmilch von 482'422 Litern auf 838'939 Liter.
Zu den grossen Milchabnehmern zählte 1961 nebst der Verbandsmolkerei Zürich mit 1'109'900 Litern neu auch die Molkerei Horgen mit 438'360 Litern. Für die Verteilung der Produkte mussten in den 1960er Jahren neue Fahrzeuge beschafft werden: für die Filiale Thalwil ein VW-Bus, für Wädenswil ein Pfander Elektrokarren, ein Fiat 600, ein VW 61, ein Renault Kastenwagen, ein Motorkarren Leuthard, ein Lastwagen Opel-Blitz, ein Lastwagen Mercedes Benz, ein VW-Lieferwagen und zwei Kastenwagen.
Auch die Geschäftstätigkeit wurde ausgeweitet: 1964 durch den Erwerb der Milchtour der Sennerei Grüenfeld, 1965 durch die Eröffnung eines Molkereiladens in der früheren Metzgerei Rusterholz im Gasthof Hirschen und 1966 durch die mietweise Übernahme des Ladens der Landwirtschaftlichen Genossenschaft in der Au. Die Ladenlokale erhielten moderne Registrierkassen. Im Büro stand neu ein Buchungsautomat Burroughs zur Verfügung.
Milchladen (vorne links), im Gasthof Hirschen.

1961 beschlossen die Mitglieder den Erwerb der Sennereiliegenschaft Gattikon mit Mehrfamilienhaus, Schopf und acht Aren Land, und an der Generalversammlung 1966 fiel der Entscheid für einen Neubau auf der Liegenschaft Feldhof in Thalwil. Die 22 Wohnungen im Wohn- und Geschäftshaus mit Molkereiladen waren am 1. April 1967 bezugsbereit. Dies waren wichtige Schritte, hin zu einer neuen Aufgabe, dem Immobilienmarkt.
Personell ergaben sich einige Wechsel. 1963 trat Heinrich Brändli nach 18-jähriger erfolgreicher Amtszeit vom Präsidium zurück. Landwirt Ernst Stocker im Himmeri stellte sich als Nachfolger zur Verfügung und führte die Geschäfte ebenso zielstrebig weiter, unterstützt von den andern 18 Vorstandsmitgliedern. Unter anderem galt es, sich auf neue Bedingungen auszurichten. Am 1. Juli 1963 stellte die Molkerei die eigene Butterherstellung ein und am 1. November 1963 den Zustelldienst am Sonntag.
Auf Ende Februar 1964 erklärte Walter Strickler seinen Rücktritt. Während 43 Jahren hatte er sich in den Dienst der Molkerei Wädenswil gestellt, davon 18 Jahre als Verwalter. Walter Lehmann wurde sein Nachfolger.
Ernst Stocker, Präsident 1963−1990.

NEUE LIEGENSCHAFTEN UND HOFKÜHLUNG

DIE 1970ER JAHRE
Die Generalversammlung vom Februar 1970 stimmte verschiedenen Änderungen in den 1942 letztmals revidierten Statuten zu. Neu konnte sich die Molkerei an sie interessierenden Unternehmungen beteiligen, das heisst auch vermehrt im Immobiliengeschäft tätig werden. Verwaltungsrat (vormals Grosser Vorstand) und Ausschuss erhielten höhere Finanzkompetenzen, und der Verwalter trug fortan den Titel Direktor.
Zu Beginn der 1970er Jahre wurde die zwischen Buck- und Schlossbergstrasse gelegene Strumpffabrik Wellinger abgebrochen. Die Molkereigenossenschaft beteiligte sich an der Neuüberbauung des Areals. Nebst Wohnungen und Autoabstellplätzen kam die Genossenschaft in den Besitz eines Ladens mit Lager und eröffnete hier Anfang Oktober 1972 den neuen Quartierladen Buck.
Ende Oktober 1970 musste der Molkereiladen im «Talgarten» und am 1. Mai 1973 jener im «Hirschen» schliessen. Anderseits übernahm die Molkerei auf 1. März 1971 mietweise den ehemaligen Milchladen Hauser an der Türgass 4/6. Ebenfalls 1971 eröffnete Coop das neue Einkaufszentrum an der Zugerstrasse nahe dem Zentral. Deshalb kündigte der zur Coop-Gruppe gehörende Allgemeine Konsumverein Wädenswil den Mietvertrag für den Laden im Farbhof. Da sich kein Nachmieter fand, übernahm die Molkerei den Laden selber. Sie liess ihren Molkereiladen auf dem Areal Farbhof eingehen und führte ab 24. November 1971 im umgebauten Farbhofladen ein Lebensmittelgeschäft mit Milchprodukten als Schwerpunkt. Ein weiteres Verkaufsgeschäft folgte 1972 in der Überbauung Matte an der Johannes-Hirt-Strasse 1. Am 1. Juli 1972 übernahm die Molkereigenossenschaft mietweise einen Milchladen an der Dorfstrasse in Richterswil.
Laden von Ernst Hauser an der Türgass.
Mitte Februar 1975 schloss die Molkereigenossenschaft Wädenswil den Milchladen in Gattikon. Nach durchgeführtem Quartierplanverfahren erklärte sich die Genossenschaft bereit, für die Überbauung Obstgarten das Land im Baurecht abzugeben, entschloss sich aber 1980 zum Verkauf der Liegenschaft.
Wichtige Ereignisse der 1970er Jahre waren die Neuorganisation der Milcheinsammlung und die engere Zusammenarbeit mit der Molkereigenossenschaft Horgen. Der Beschluss, auf Hofkühlung System Etscheid umzustellen, fiel an der ausserordentlichen Generalversammlung vom 3. August 1973. Dies bedeutete, dass die Abendmilch auf jedem Hof in einem Behälter gekühlt und erst am nächsten Tag zusammen mit der Morgenmilch im Tankwagen abgeführt wurde. Das System verhiess Vorteile für die Bauern: frei zu bestimmende Melkzeiten am Abend, einmaliger Hüttenweg, Wegfall der Wasserkühlung, bessere Milchqualität dank Tiefkühlung. Die Molki stellte die Tauchkühler gratis zur Verfügung. An die Hofbehälter – je nach Milchmenge 200 oder 260 Liter fassend –, leisteten die Bauern einen Beitrag von 40 Prozent. Die Genossenschaft erwarb drei Aluminiumtanks zu je 2500 Liter und ein Tankfahrzeug. Mitte März 1974 begann Chauffeur Hugo Rhyner die Milcheinsammlung mit dem Tankwagen, und zwar auf zwei Touren. Die erste Tour, mit Start um 6.30 Uhr im Kräh, führte über Burstel – Mugern – Gisenrüti – Beichlen – Feld – Herrlisberg – Ödischwänd – Chalchtaren – Stocken ins Waggital. Die zweite Tour startete um 8.30 Uhr im Hofacher und bediente die Höfe Himmeri, Mülistalden, Sunft, Sennweid, Felsen und Hänsital.
Am 1. August 1971 übernahm Direktor Walter Lehmann auch die Geschäftsführung der Molkerei Horgen mit dem Fernziel, die beiden Betriebe zu fusionieren. Auch die Molkereigenossenschaft Horgen war ein traditionsreiches Unternehmen, auf dessen Anfänge kurz zurückgeblendet wird:
Am 13. Oktober 1912 beschlossen 72 Milchproduzenten im Meierhofsaal die Gründung einer Molkereigenossenschaft Horgen. Aufgenommen wurden die Sennten Hinterdorf, Bergli, Geren, Allmend, Bocken, Badenmatt, Rietwies, die Bergsennten Moorschwand, Wührenbach und Klausen sowie einige Einzelpersonen im Dorfkreis und in Käpfnach, total 130 Mitglieder. Die Milchhändler traten ihre Kunden an die neue Genossenschaft ab und wurden dafür als Milchführer angestellt. Bis 1924 belegte das Unternehmen, das bereits über verschiedene Fahrzeuge verfügte, Räumlichkeiten in der Sennhütte Hühnerbühl. Dann konnte an der Zugerstrasse die neu erbaute Milchzentrale bezogen werden, die über einen Elektrokessel, vier Milchsammelbassins aus Aluminium und über Kühlräume verfügte. 1937 brauchte Horgen mit 9200 Einwohnern täglich 4520 Liter Konsummilch.
Im Jahre 1972 führte der Verwaltungsrat die Verhandlungen über einen Zusammenschluss mit Horgen weiter. Da eine Fusion hohe Steuerbelastung gebracht hätte, vereinigten sich die beiden Genossenschaften auf 1. November 1974 zu einer «Betriebs AG». Die Molkereien Wädenswil und Horgen behielten ihre Liegenschaften, vermieteten aber die Räumlichkeiten an die neue Gesellschaft.
An der Generalversammlung 1971 war zu erfahren, dass die Pastmilch immer beliebter werde. Im Vorjahr hatte man 482'000 Liter verkauft, jetzt bezifferte sich der Absatz auf 839'000 Liter. Die Molkerei war im Aufschwung; der Umsatz konnte von 6,4 Millionen auf 7,3 Millionen Franken gesteigert werden. Die Milcheinlieferungen schwankten in den 1970er Jahren stark. Die Zahl der Milch liefernden Bauern und die Bedeutung der Sennten nahm in den 1970er Jahren weiter ab. 1954 lebten in der Au 31 Milchproduzenten, 1972 waren es noch deren fünf. Die Sennte Burstel musste 1971 durch Verfügung der Kantonalen Lebensmittelkontrolle als Verarbeitungsbetrieb geschlossen werden. Auch viele andere Sennten wurden zweckentfremdet, sodass die Genossenschaft 1974 alle Beiträge strich.
1974/75 betrugen die Milchlieferungen 4'410'000 Liter oder 6,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Davon wurden 2'912'399 Liter (67%) selber verarbeitet. Wichtig war der Kontakt zu Grossverteilern wie seit 1973 zum Regionallager Coop in Hinwil für die Abnahme von Pastmilch oder zum Milchverband, der im Geschäftsjahr 1975/76 1’203'000 Liter Milch bezog.

FUSION MIT DER MOLKEREI HORGEN

DIE 1980ER JAHRE
Im Frühjahr 1984 wurde die Fusion mit der Molkerei Horgen rechtskräftig. Der Verwaltungsrat der Molkerei Wädenswil-Horgen zählte 20 Mitglieder, der Verwaltungsausschuss 5 Personen. Die Zahl der Genossenschafter stieg auf 223. Im ersten gemeinsamen Geschäftsjahr 1984/85 wurden 6'214'000 Liter Milch angeliefert. Der Gesamtumsatz der neuen Genossenschaft stieg auf 17'485'000 Franken. Mit Erfolg lancierte man die regionale Milchmarke «Milch vom Zimmerberg».
Gegen Ende der 1980er Jahre sank der Betriebsertrag, dafür stiegen die Erträge aus den bisherigen Liegenschaften in Thalwil und Wädenswil. Neu dazu kamen in Horgen nebst Molkerei- und Lagergebäude die Liegenschaften Wührenbach (Horgenberg), Wagnerberg, Bergli (Oberdorfstrasse 76) und Zugerstrasse 92.
1982 stellte der Verwaltungsrat fest, der Betriebsgewinn sei ungenügend. Er ordnete daher rigorose Sparmassnahmen an und verzichtete auf Milchnachzahlungen. Mit der Pensionierung von Hans Hauser gab man 1982 in Wädenswil die letzte Hauslieferungstour auf. Hugo Rhyner übernahm das Milcheinsammeln auf privater Basis und finanzierte auch den Lastwagen für den Milchtransport. In Wädenswil und Horgen seit 1986 eingesetzte Verkaufswagen – beschafft im Verkauf-Mietevertrag – erreichten die erwarteten Umsätze bei weitem nicht und wurden bald wieder zurückgegeben. In Wädenswil schloss die Genossenschaft 1983 den Quartierladen Buck und 1989 jenen im Boller. In Horgen kam es 1985/86 zur Schliessung der defizitären Filialen Bocken, Geren und Wührenbach. Das Haus im Wührenbach konnte gut vermietet werden.
1989 analysierte der Verwaltungsrat die Zukunftsaussichten der Molkereigenossenschaft Wädenswil-Horgen. Die technischen Anlagen waren veraltet. Die Weiterführung der Produktion wäre nur nach Investitionen von über zwei Millionen Franken möglich. Anderseits hatten die Erträge der Liegenschaften zu guten Geschäftsergebnissen geführt. Sollte man den Molkereibetrieb schliessen und ganz ins Immobiliengeschäft einsteigen?
Gebäude der Molkerei Wädenswil, 1983.
 
Lager für für Futtermittel und landwirtschaftliche Produkte.

STILLLEGUNG DES BETRIEBS UND NEUAUSRICHTUNG

DIE 1990ER JAHRE
An der Generalversammlung vom 24. Februar 1989 im Landgasthof Halbinsel Au beschlossen die Genossenschafter, die Milchverarbeitung mit Datum 30. April 1991 einzustellen. Mit der Firma Hirz AG im Hirzel wurde ein Milchkaufvertrag abgeschlossen, basierend auf einer zweitägigen Hofabfuhr. Die Umstellung hatte zur Folge, dass auf den Bauernhöfen Milchhäuschen erstellt werden mussten. Diese Massnahme löste die bisherige, auf tägliche Abfuhr ausgerichtete Hofkühlung ab. Ende des Geschäftsjahres 1993/94 waren alle 86 neuen Hofkühlanlagen in Betrieb. Die ganze Molkereieinrichtung konnte en bloc verkauft werden; sie wurde in Polen neu installiert.
Die Molkereigenossenschaft Wädenswil-Horgen nach der Stilllegung des Betriebs in eine neue Zukunft zu führen, war die Aufgabe von Landwirt Godi Pfister, der 1990 von Ernst Stocker das Präsidium übernommen hatte und es 1998 an Landwirt Walter Brändli übergab, ferner von Direktor Felix Waldmeier, seit 1. Juni 1991 Nachfolger des Geschäftsführers Walter Lehmann.
Nachdem sie den Molkereibetrieb aufgegeben hatte, brauchte die Genossenschaft die bisherigen Lokale nicht mehr. Georg Gysel erwarb 1990 im Baurecht das Areal der Molkerei Horgen. Der Laden Au wurde Ende 1990 geschlossen, der Laden Richterswil am 30. April 1991. Den Laden Farbhof übernahm mietweise die Detailhandels AG Volg. Der Laden Matte konnte an ein Italiener-Ehepaar weitergegeben werden.
Der Molki-Express an der Walther-Hauser-Strasse in den 1980er Jahren.
Im vermieteten alten Molkereiladen richtete Noldi Zollinger 1991 ein Geschäft für Weinspezialitäten ein. Für die nicht mehr benötigte Quelle Untermosen bekundete das Kinderheim Bühl Interesse.
Auf eine Überbauung des gesamten Molkereiareals in Wädenswil wurde wegen unsicherer Wirtschaftslage verzichtet. Dagegen begann im Januar 1994 der Abbruch des Hauses Rotweg 7. Nach den Plänen von Heinrich Th. Uster entstand hier das Mehrfamilienhaus Oberdorfstrasse 13 mit sieben Mietwohnungen und einem Laden. Auch in Horgen wurde gebaut. Die Generalversammlung 1996 beschloss den Um- und Anbau des Hauses Bergli an der Oberdorfstrasse 76. Die drei neuen 4½ -Zimmerwohnungen waren auf Anfang Februar 1997 bezugsbereit.
Der Neubau Oberdorfstrasse 13 auf dem Areal des abgebrochenen Hauses Rotweg 7.
Die Molkereigenossenschaft Wädenswil-Horgen war im Laufe der 1990er Jahre zur erfolgreichen Immobiliengesellschaft und Liegenschaftsverwaltung geworden. Bereits Ende des Geschäftsjahres 1992/93 waren 54 Wohnungen, 13 Geschäftsräume, 21 Garagen, 22 Autoabstellplätze und 6 Bastelräume vermietet. Weiter in Betrieb blieb das Lagerhaus Wädenswil, das seinen Umsatz von 1990 bis 1994 um 89 Prozent zu steigern vermochte. 1994/95 stieg der Umsatz nochmals um 23 Prozent, vor allem wegen der Übernahme der Verkaufsvertretung von Verwo Containern für die ganze Schweiz.
Der Landi-Laden in der Gewerbezone Hintere Rüti.

NEUERUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT

Landi-Laden
Dank konstanter und sehr erfreulicher Entwicklung stiess der Landi-Laden an der Schönenbergstrasse 28 in Wädenswil an seine Kapazitätsgrenzen. Rechtzeitig suchte die Geschäftleitung daher nach einer Lösung des Raumproblems. Die ausserordentliche Generalversammlung vom 2. Oktober 2001, geleitet vom Präsidenten Walter Brändli, hiess das Projekt eines neuen Landi-Ladens mit deutlichem Mehr gut und bewilligte einen Kredit von 3,9 Millionen Franken für den Kauf und Umbau einer Industriehalle in der nahe der Autobahnausfahrt gelegenen Gewerbezone Hintere Rüti. Noch vor Weihnachten erteilte die Stadt Wädenswil die Baubewilligung; am 3. Mai 2002 konnte die vom Geschäftsführer Felix Waldmeier geleitete moderne Verkaufsstelle mit einem Sortiment von 7500 Artikeln eröffnet werden. Bereits im ersten vollen Betriebsjahr resultierte ein Umsatz von über 3,7 Millionen Franken. 2004 vergrösserte man den Landi um eine neue gedeckte Aussenhalle zur Erweiterung des Sortiments im Grünbereich, und im folgenden Jahr vermehrte man die Zahl der Parkplätze vor dem Landi. Der Umsatz im Laden Hintere Rüti ist höchst erfreulich. Im Geschäftsjahr 2007 stieg er bereits auf über 8 Millionen Franken.
 
Wirtschaft Neubüel
Auch in die Amtszeit des jetzigen Präsidenten Gottfried Gachnang fielen wichtige Geschäfte und Entscheide. Anfang 2006 entschloss sich der 80-jährige Fredy Stocker, Besitzer der seit 1920 von der Familie geführten Wirtschaft Neubüel, seine Liegenschaft zu verkaufen. Die Molkereigenossenschaft Wädenswil-Horgen war am Erwerb der traditionsreichen Gaststätte mit Saal interessiert. Ohne Gegenstimme bewilligten die Genossenschafter in der ausserordentlichen Generalversammlung vom 26. April 2006 den Kauf des Restaurants Neubüel zum Preis von 2,6 Millionen Franken. Die Eigentumsübertragung fand am 15. Dezember 2006 statt. Anschliessend begannen Umbau und Renovation von Saal, Restaurant, Küche, Kegelbahn, Treppenhaus und beider Säli im Obergeschoss. Am 23. Januar 2007 eröffnete das Pächterpaar in der neu gestalteten Gaststätte den Betrieb. Im Jahre 2008 erfolgte die Aussenrenovation des Gebäudes.
Wirtschaft Neubüel, seit Dezember 2006 im Besitz der Molkereigenossenschaft-Wädenswil-Horgen.
 
Emmi kauft die Molki-Milch
Im Frühling 1999 unterzeichnete die Molkereigenossenschaft Wädenswil-Horgen mit der Nestlé Hirz AG einen Milchkaufvertrag. Mit dem Verkauf der Produktionsstätte Hirzel an den Milchkonzern Emmi ergab sich eine neue Situation. Der Vertrag mit Nestlé wurde auf den 30. April 2004 gekündigt. Am 1. Mai 2004 trat der neue Milchkaufvertrag mit der Luzerner Firma Emmi in Kraft. Seither übernimmt Emmi die Milch der 50 Milchbauern der Molki Wädenswil-Horgen. Das Gebiet der ehemaligen Hirz-Lieferanten blieb zusammen, was sich günstig auf die Sammelkosten auswirkt. Die Produktion in Hirzel wurde 2005 eingestellt. Im gleichen Jahr beschlossen die Genossenschafter den Ausstieg aus der Milchkontingentierung und den Beitritt zur Produzenten-Milchverarbeiter-Organisation Zenos Emmi ab Mai 2006.
Im Jubiläumsjahr 2008 ist die Molkereigenossenschaft in drei Bereichen erfolgreich tätig: erstens in der Milchwirtschaft, zweitens im Handel mit Treibstoffen, Futtermitteln, Hilfsstoffen und Geräten für die Landwirtschaft, für Hobby-Gärtner und Heimwerker und drittens in der Bewirtschaftung des Liegenschaftenbesitzes in Wädenswil, Horgen und Thalwil.




Peter Ziegler


Präsidenten:
1907–1922 Emil Rellstab, Leihof
1922–1932 Rudolf Scherer, Holzmoosrüti
1932–1948 Jakob Vetterli, Lange Stege
1948–1963 Heinrich Brändli, Leihof
1963–1990 Ernst Stocker. Himmeri
1990–1998 Godi Pfister, Sunft
1998–2004 Walter Brändli, Ödischwänd
Seit 2004 Gottfried Gachnang, Horgenberg
 
Verwalter/Geschäftsführer
1908–1909 Schürch
1909–1918 Gottfried Koch
1918–1922 Fritz Lauper
1922–1948 Hans Schöni
1948–1964 Walter Strickler
1964–1991 Walter Lehmann
Seit 1991 Felix Waldmeier
 

Quellen- und Literaturnachweis

Staatsarchiv Zürich, B XI Wädenswil 326, Grundprotokoll Wädenswil Bd. 26, S. 243,485;
B XI Wädenswil 328, Grundprotokoll Wädenswil Bd. 28, S. 469;
B XI Wädenswil 331, Grundprotokoll Wädenswil Bd. 31, S. 306.
Protokolle der Molkereigenossenschaft Wädenswil 1901 bis 1997.
Geschäftsberichte der Molkereigenossenschaft Wädenswil 1919/20 bis 1977/78.
Jahresberichte 1983 bis 2007.
25 Jahre Molkereigenossenschaft Horgen, 1912–1937, Horgen 1937.
75 Jahre Molkereigenossenschaft Wädenswil, 1908–1983, Wädenswil 1983. Mit Beiträgen von Albert Hauser, Ernst Stocker und Walter Lehmann.
Landi: «Zürichsee-Zeitung», 21.2.2000; 5.10.2001; 15.3.2002; 3.4.2002; 25.4.2002; 4.5.2002; 24.2.2003;13.2.2004; 11.5.2004.
Neubüel: «Zürichsee-Zeitung», 3.5.2006; 20.9.2006; 23.1.2007.