Gedanken und Erfahrungen eines Ratspräsidenten

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1996 von Ueli Rusterholz

Das Amt des Präsidenten des Wädenswiler Gemeindeparlamentes ist eine schöne Aufgabe, verbunden allerdings mit einem nicht unbeträchtlichen Zeitaufwand. Neben der allgemeinen Ratsarbeit hat sich der Vorsitzende natürlich zusätzlich auch mit den Vorbereitungen für einen möglichst reibungslosen Ablauf der Ratssitzungen zu befassen. Mit Vorteil besucht er daneben die Sitzungen der entsprechenden Kommissionen, um sich über deren Argumente und Entscheidungsfindungen ins Bild zu setzen und so auf die verschiedenen Probleme, die sich im Laufe der Ratssitzungen ergeben können, möglichst gut gewappnet zu sein.
Das Parlamentspräsidium ist nicht nur und eine grosse Ehre – der Vorsitz bleibt schliesslich einigen wenigen Ratsmitgliedern vorbehalten -, es ist auch eine spannende und interessante Tätigkeit, gibt gute Einblicke in die vielfältigen Aufgaben unseres Gemeinwesens und vermittelt an Einladungen und Anlässen, an Vernissagen und Jubiläen, wertvolle Kontakte zu den verschiedensten Kreisen und Gruppierungen unserer Stadt. Die bei solchen Gelegenheiten sich ergebenden Gespräche und Kontakte bestätigen denn auch die Wichtigkeit eines regen und vielfältigen Vereinslebens und zeigen zudem die damit verbunden Möglichkeiten für die Erfüllung bestimmter sozialer Aufgaben.
Der neue Kreisel am Zentral behebt Verkehrsstaus auf der Seestrasse und der Zugerstrasse. Aufnahme vom Oktober 1996.

Dass einige Ratssitzungen aus Mangel an behandlungsreifen Geschäften ausfallen mussten, ist ohne Zweifel auf die Rezession zurückzuführen, in der sich unser Land und unsere Wirtschaft immer noch befinden. Wenn diese Entwicklung auch schmerzlich ist – sie bedeutet doch für alle Parlamentsmitglieder einen Fingerzeig, auf unbegrenzte Forderungen zu verzichten und den Einsatz der spärlicher vorhandenen Geldmittel auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Ohne diese Einsicht wird unser ganzes Staatsgefüge in Frage gestellt. Die Möglichkeiten und Grenzen des Machbaren zu finden, bedingt aber – über alle Parteigrenzen hinweg – nach vertretbaren Lösungen zu suchen, wie das zum Beispiel im Poz Wädi geschehen ist. Unsere Verkehrsplanung wird bekanntlich immer schwieriger und wird nur dann gelingen, wenn wir alle am gleichen Strick ziehen, vielleicht sogar unter persönlichen Opfern oder unter Verzicht auf politische Ziele und Standpunkte.
Zu den erfreulichen Aufgaben unseres Parlamentes gehören die Einbürgerungen, bei denen im vergangenen Amtsjahr eine Zunahme zu verzeichnen war. Es handelt sich dabei um Menschen, die schon viele Jahre in Wädenswil oder anderen Gemeinden gewohnt und gearbeitet haben und mit dem Erwerb des Schweizerpasses ihre Zugehörigkeit zu unserem Land und unserem Volk dokumentieren möchten.
Ueli Rusterholz, Gemeinde-ratspräsident 1995/96.
Zu meinen ganz persönlichen Anliegen, die während meines Präsidialjahres die Bevölkerung beschäftigten, gehören vor allem zwei Probleme: Einerseits sind es die stark veränderten Strukturen unseres sozialen Versicherungsnetzes, deren endgültigen finanziellen Belastungen noch nicht abzusehen sind, andererseits die Zukunft der Landwirtschaft, die durch ein starkes ökologisches Umdenken, durch ungewisse finanzielle Schwierigkeiten und schliesslich durch einen zunehmend perfekteren Beamten-Kontrollapparat geprägt und verunsichert wird.
Auch in Zukunft gilt es, unter Wahrung der demokratischen Strukturen, die Konkurrenzfähigkeit sowie die wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften unseres Landes und unserer Gemeinde zu erhalten und – wenn nötig – zu verteidigen. In diesem Sinne wird auch weiterhin unsere Parlamentsarbeit geleistet, werden die anstehenden Aufgaben angepackt und gelöst werden müssen. Ich hoffe, dies werde in gegenseitigem Vertrauen und Respekt auch in Zukunft möglich sein.




Ueli Rusterholz
Gemeinderatspräsident 1995/96