850 Jahre Wädenswil 1130 – 1980

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1979 von Peter Ziegler

Am 22. Januar 1980 werden 850 Jahre vergangen sein, seit jene heute noch erhaltene Urkunde ausgestellt wurde, in welcher der Ortsname Wädenswil zum ersten Mal Erwähnung findet. Das im Stiftsarchiv Einsiedeln aufbewahrte Dokument betrifft einen Rechtsakt, der keinen direkten Bezug zu Wädenswil hatte. Es handelt sich nämlich um den Stiftungsbrief des Frauenklosters Fahr an der Limmat. Die Besitzer und Bewohner der Burg (Alt-)Regensberg am Katzensee, Freiherr Lütold II., seine Gemahlin Judenta und der Sohn Lütold III. schenkten ihren Grundbesitz in Fahr samt der darauf stehenden Kapelle und allem Zubehör dem Benediktinerstift Einsiedeln zu rechtmässigem Eigentum. An die Schenkung war aber die Bedingung geknüpft, dass Abt Werner – möglicherweise aus dem Hause Lenzburg stammend – an diesem Ort ein Frauenkloster des Benediktinerordens errichte. Als Vorbild sollte das Frauenkloster Hermetschwil bei Muri oder das Stift Berau südöstlich von Sankt Blasien im badischen Schwarzwald dienen. Der jeweilige Stammhalter der Stifterfamilie, welcher die Burg Regensberg innehatte, sollte Vogt der Stiftung Fahr sein. Er hatte sich aber den Anordnungen des Abtes und der Brüder zu fügen und durfte nicht gewalttätig handeln.

Hielt er sich nicht an diese Bestimmungen, konnte er sechs Wochen nach erfolgter dreimaliger Warnung abgesetzt werden. Dann sollte das Amt dem Zweitältesten des Geschlechts zufallen. Diese und weitere Bestimmungen wurden am 22. Januar 1130 in Fahr auf einen Streifen Pergament geschrieben, und zwar in Anwesenheit des Abtes von Einsiedeln, einiger seiner Mönche, des Grafen Ulrich von Lenzburg-Baden – in dessen Grafschaft Fahr lag – sowie in Gegenwart von 51 Zeugen.

Urkunde vom 22. Januar 1130 mit der ersten Nennung von Wädenswil: «Waldhere de wadinswilere». Stiftsarchiv Einsiedeln.
 
Was bewog die Regensberger zur Schenkung? Die Stiftungsurkunde nennt den Grund: Es war die Sorge um das Seelenheil des Stifters, seiner Angehörigen und seiner Vorfahren. Weshalb erfolgte die Vergabung gerade an Einsiedeln? Dies mag damit zusammenhängen, dass an dieser Stelle eine für die Wallfahrt nach Einsiedeln wichtige Fähre über die Limmat bestand, worauf heute noch der Name Fahr hinweist.
Unter den Zeugen, welche dem Rechtsakt beiwohnten, befanden sich auch «Waldhere de Wadinswilere» und seine Brüder «Eberhart» und «Burchart». Die drei, welche hier in vornehmer Gesellschaft als Zeugen auftraten, gehörten dem Freiherrenstande an. Sie waren die ältesten urkundlich bekannten Inhaber der Herrschaft Wädenswil und der gleichnamigen Burg ob dem Reidholz. Ob sie auch die Erbauer der Burg waren, lässt sich nicht beweisen. Die neuere Burgenforschung ist indessen zur Erkenntnis gelangt, dass die früher für sehr alt gehaltenen Burgtürme mit megalithischem Mauerwerk weit jünger sind als einst angenommen worden ist. Sie werden neu dem beginnenden 12. Jahrhundert zugewiesen, was auch für die älteste Bauetappe der Burg Wädenswil durchaus zutreffen könnte. Vielleicht werden archäologische Untersuchungen im südwestlichen Burggraben vor dem Freiherrenturm einmal Fundmaterial zutage fördern, das genauere Datierungen zulässt.
Weshalb wurden die Brüder Walter, Eberhard und Burkart von Wädenswil im Jahre 1130 als Zeugen nach Fahr gebeten? Aus späteren Aufzeichnungen weiss man, dass die Freiherren von Wädenswil gute Beziehungen hatten zum Kloster Einsiedeln. Im Namen des Klosters übten die Herren von Wädenswil die Gerichtsbarkeit über jene Einsiedler Gotteshausleute aus, welche in der Herrschaft Wädenswil ansässig waren, das heisst im Gebiet der heutigen Gemeinden Wädenswil, Richterswil, Hütten, Schönenberg, Uetikon und im Raume Spitzen bei Hirzel. Um in diesen Verhältnissen eine Kontinuität zu sichern, verlieh Einsiedeln den Freiherren von Wädenswil zur Vogtei hinzu noch das Amt des Truchsessen beim Fürstabt, also das Ehrenamt des Küchenmeisters. Diese Beziehungen zu Einsiedeln, die sich zwar aktenmässig erst für das 13. Jahrhundert belegen lassen, aber durchaus auf frühere Zeiten zurückgehen dürften, mögen es mehr als gerechtfertigt haben, dass die dem Kloster rechtlich und örtlich nahen Wädenswiler dem für Einsiedeln wichtigen Stiftungsakt beiwohnten. Sie trafen hier übrigens weitere Bekannte. So Angehörige des Hauses Eschenbach-Schnabelburg, mit denen die Wädenswiler möglicherweise schon in dieser Zeit verwandt waren, ferner «Werin de Naglinchoven», ihren Gefolgsmann aus Naglikon bei der Halbinsel Au, dessen Wohnturm man auf dem Hügel Sandbühl zwischen Unterort und Steinacker vermutet.
Durch die Anwesenheit der Freiherren bei der Stiftung von Fahr ist schon für recht frühe Zeit der Ortsname Wädenswil – Wadinswilere – überliefert. Das besagt nun aber nicht, dass Wädenswil erst 850 Jahre alt ist. Die Ortsnamenforschung vermag die Ortsbezeichnung aufgrund der Endung -wil ins Frühmittelalter zu datieren, das heisst ins 8. bis 10. Jahrhundert. Die althochdeutsche Form -wilare ist ein Lehnsuffix aus dem lateinisch-romanischen villare (Weiterbildung zu villa) und bedeutet etwa «Gutshof, Hofgruppe, Einzelhof, Weiler». Wem dieser Hof gehörte, wird im ersten Teil des Wortes Wadinswilere gesagt, der den Personennamen Wadin enthält.
Kunde von noch früherer Besiedlung unserer Gegend geben Bodenfunde. In diesem Zusammenhang sei erinnert an die jungsteinzeitlichen Funde bei Naglikon aus dem frühen 3. Jahrtausend vor Christus, an die bronzezeitlichen Siedlungen bei der Hinteren Au aus der Zeit um 1100/1000 vor Christus (vgl. Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1978), an die römischen Ziegel- und Keramikfragmente aus der Zeit um 100 nach Christus, die 1962 bei den archäologischen Untersuchungen auf dem Kirchhügel entdeckt worden sind, ferner an die Alemannengräber, die im Oktober 1922 am Ostfuss des Rosenberghügels zutage kamen.




Peter Ziegler