Foto Hoffmann, Wädenswil

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2004 von Peter Ziegler

Am 27. März 2004 hat Georges Hoffmann sein im «Schwanen» an der Zugerstrasse 25 geführtes Foto- und Optik-Fachgeschäft für immer geschlossen. Nach der Aufgabe des Fotogeschäfts Langendorf an der Schönenbergstrasse 8 verschwindet bereits das zweite Fotoatelier aus Wädenswil. Dieser Rückblick hält die Geschichte des 1937 von Marcel Hoffmann gegründeten Geschäfts fest und gibt zugleich Einblick in den Wandel, dem die Fotobranche seit je ausgesetzt ist.

GESCHÄFTSERÖFFNUNG IN DER «FORTUNA»

Marcel Hoffmann (1904–1968) absolviert in Neuenburg eine Fotografenlehre und arbeitet anschliessend in Lugano-Paradiso und Davos. Dann wird er Angestellter im Fotogeschäft Meusser an der Oberdorfstrasse in Wädenswil, im Gebäude, in dem sich später die Buchdruckerei Villiger einrichtet.
Um 1927 macht er sich selbständig und eröffnet in Dietikon ein Fotogeschäft. Zwei Jahre später verheiratet er sich mit Fausti Manganotti. Im Juli 1937 zieht die Familie nach Wädenswil, das Marcel Hoffmann von seiner Tätigkeit in der Firma Meusser kennt.
Im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» publiziert der Fotograf am 7. August 1937 sein erstes Geschäfts-Inserat. Darin empfiehlt er «einem geschätzten Publikum von Wädenswil und Umgebung» sein soeben in der «Fortuna», im Schuhhaus Dosenbach am Bahnhofplatz, eröffnetes «Porträits- und Amateur-Geschäft».
Als Spezialhaus für alle Zweige der Fotografie kann Hoffmann innert kürzester Zeit auch Atelier-Aufnahmen für Industrie, Reklame, Kataloge, Vereine sowie Passaufnahmen herstellen. Das Atelier ist selbst am Sonntag geöffnet, und zwar von 10 bis 12 Uhr. Und was in Wädenswiler Geschäften damals nicht die Regel ist:
Marcel Hoffmann (1904-1968).
Bei Hoffmann wird man auch fremdsprachig bedient: «On parle français» und «Si parla italiano», heisst es in der Bekanntmachung in der Wädenswiler Lokalzeitung.
Marcel Hoffmann ist neben den Firmen Langendorf an der Zugerstrasse 6 und Thévenaz an der Seestrasse 123 der dritte Berufsfotograf in Wädenswil. Die Familie Hoffmann wohnt im Nordteil des Hauses Fortuna (Seestrasse 106) gegenüber von Bahnhof und Post. Als Atelier dient die Stube mit Plüsch- und Velourvorhang als Hintergrund. Die Dunkelkammer liegt im feuchten Keller. Während der Mann in der Dunkelkammer arbeitet, führt die Ehefrau den Laden. Dieser ist auch über Mittag geöffnet und abends bis 19 Uhr. Selbst am Sonntag kann man in der Wohnung Filme kaufen. Spezialität von Foto Hoffmann sind Hochzeitsaufnahmen, Porträt- und Familienbilder, Sachaufnahmen (zum Beispiel Schmuck) und Aktfotos. Verwendet werden Perutz- und Agfa-Filme sowie Telko-Papier.
 

PORTRÄTFOTOGRAFIE

Seiner Kundschaft, die mit der Fotografie in der Regel noch wenig Erfahrung hat, kann Marcel Hoffmann ein grosses Zeigbuch mit eigenen Aufnahmen präsentieren. In schöner Handschrift schildert er eingangs die Vorzüge der Porträtfotografie:
«Das photographische Portrait verlangt neben einwandfreier Beherrschung der Technik ein intuitives physiognomisches Einfühlungsvermögen in das zu photographierende Objekt. Nun soll das gute photographische Portrait das des Kunstmalers weder verdrängen noch ersetzen, sondern vor allem die Möglichkeiten der Ausdrucksarten auf diesem Gebiete erweitern. Der Kunstmaler als Portraitist wird in den meisten Fällen gezwungen sein, dem Auftraggeber schmeichelnd Konzessionen zu machen, um mit seiner Arbeit Anerkennung zu finden. Der Photograph als Portraitist unterscheidet sich hierin grundsätzlich dadurch, dass seine Arbeit durch die Benützung eines Objektives sozusagen ein automechanischer Vorgang ist. Die künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten liegen beim Photographen in der richtigen schönwirkenden Verteilung von Licht und Schatten, eine dem Wesen des Modells entsprechende Stellung und Raumverteilung. Die Glatze eines Herrn soll so beleuchtet werden, dass sie auf dem Bilde nicht als störender Blickfang wirkt. Ebenso falsch wäre es, eine junge Frau mit ausgesprochen runder Gesichtsform direkt en face zu photographieren, weil dadurch das Bild einen mondigen Charakter erhält, sondern man wird vorteilhafterweise einen etwas profilen Bildwinkel mit entsprechender Beleuchtung wählen. Einen männlichen Charakterkopf auf Rötelpapier zu machen, ist bestimmt widersinnig. Bei grundsätzlicher Berücksichtigung all dieser und anderer Punkte soll ein Portrait dennoch das Abbild bleiben und darf die naturgetreue Wiedergabe des Photographierten nicht durch die Retouche geschmälert oder verwischt werden, wie dies leider vielerorts der Fall ist.

Marcel Hoffmann spezialisierte sich auf Akt- und Porträtaufnahmen. Beispiele aus den 1940er-Jahren.

Das Wesentliche, Vorteilhafte, Angenehme, überhaupt das Spezifische einer Person durch die photographische Technik bildlich zum Ausdruck zu bringen, darin muss das künstlerische Ziel eines guten Portraitphotographen liegen, und gelingt ihm dies vollkommen, so verdient er dennoch das Prädikat Künstler nur halbwegs, eben weil seine Arbeit in der Hauptsache doch ein mechanischer Vorgang bleibt und nicht schöpferisch ist.
Seit vielen Jahre pflege und fördere ich das Portrait, in dem Bewusstsein, dass das Lichtbild nicht nur ein Mittel zur Wiedergabe der Natur, sondern eine künstlerische Ausdrucksart sein kann. Darüber hinaus hat die Portraitphotographie auch kulturhistorischen Wert, welcher dem der alten Portrait-Meister in nichts nachsteht, dies besonders auch im Hinblick einer gepflegten Familienchronik.
Möge Ihnen nun das vorliegende Album einen kleinen Einblick in mein photographisches Schaffen vermitteln, um im Bedarfsfalle sich meiner zu erinnern.
M. Hoffmann, Fotograf.»

Porträtaufnahme von Marcel Hoffmann aus den 1940er Jahren.

UMZUG AN DIE SEESTRASSE 89

Anfang 1940 erfolgt der Umzug von der «Fortuna» ins Haus Seestrasse 89, wo Laden, Atelier und Arbeitsräume günstiger gemietet werden können. Der grosse Raum Richtung Seestrasse wird unterteilt und als Laden genutzt, wo man Filme und Fotoapparate verkauft. Der rückwärtige Raum, gegen die Luftstrasse orientiert, enthält auf der Südostseite die Dunkelkammer, auf der Nordwestseite ein Arbeitszimmer.

Fototasche aus dem Jahre 1950 (links) und von 1960 (rechts).

Bis 1954 arbeitet Fausti Hoffmann im Geschäft ihres Mannes mit. 1954 wird mit Bruno Stopper erstmals ein Fotograf eingestellt; dann macht hier der spätere Tauchfotograf Kurt Amsler die Lehre. Zu dieser Zeit bildet sich der 1937 geborene Sohn Georges Hoffmann bei Brillen-Uhl an der Linth-Escher-Gasse in Zürich zum Optiker aus. In der freien Zeit hilft er dem Vater im Laden. 1957/58 erlernt Georges Hoffmann zudem den Beruf des Fotografen.
Ab 1954 ist das Fotogeschäft Hoffmann an der Seestrasse 89 am Mittwochnachmittag geschlossen. Der Inhaber ist dann auf Kundenbesuch bis in den Raum Solothurn, Baselland und Rotkreuz. Pro Tag werden nun bei Hoffmann bis 100 Filme entwickelt und kopiert, für über hundert kleinere Fotogeschäfte und Drogerien.
In den 1950er Jahren hält Marcel Hoffmann mit der Technik Schritt. Seine Söhne schenken ihm eine Rechenmaschine der Marke Precisa, und 1956 wird aus Amerika ein automatischer Pako-Printer angeschafft. Verwendet wird fortan Rosé-Papier, welches «weisseres Weiss» garantiert. Vorher sind als Fotopapiere Chamois und Weiss bevorzugt worden. Porträts entstehen ab Negativen in den Formaten 12x17 und 18x24 auf Gavalux-Papier und werden auch retouchiert.

Von 1940 bis 1972 befand sich das Fotogeschäft Hoffmann an der Seestrasse 89.

FARBFOTOS UND BLITZ

Auf einer Italienreise macht Marcel Hoffmann 1948/49 in Venedig erstmals Farbfotos mit dem neuen Agfa-Color Negativfilm 120. Je nach Kamera werden acht Bilder im Format 6x9 exponiert oder zwölf Bilder im Format 6x6 mit der Rollei-Kamera, für die Marcel Hoffmann Spezialist ist. Von 1955 bis 1960 verwendet er die deutschen Adox- oder Perutz-Filme, ab den 1960er Jahren die Marke Gevaert. Beliebte Motive von Marcel Hoffmann sind in diesen Jahren Blumen, Sonnenuntergänge, Tiere und Aufnahmen aus dem Ausland.
Das Fotografieren mit Blitz ist ebenfalls stetem Wandel unterworfen. Um 1948 verwendet Foto Hoffmann den elektrisch gezündeten Pulverblitz. Pro Meter Aufnahmedistanz muss ein bestimmtes Quantum Pulver zusammengeschüttet und dann mit Zündstein gezündet werden. Um 1950/52 setzt sich der Kolbenblitz durch, mit Glühlampen Edison 27 und Bajonett 15 auf M-Sockel. Mitte der 1960er Jahre kommt der Würfelblitz auf. Er wird später vom Elektronenblitz mit Gasentladung abgelöst.
Mitte der 1950er Jahre vergrössert Marcel Hoffmann seinen Betrieb. Im Keller des Wohnhauses Luftstrasse 7 wird ein neues Labor eingerichtet, wo auch der 1956 angeschaffte Printer steht. Um 1960/62 wird dieses Labor an die Rebbergstrasse 4/6 verlegt, in die Räume der ehemaligen Wäscherei und Glätterei Jörg. In Rekordzeiten können hier täglich bis zu 3500 Bilder verarbeitet werden.

UMZUG IN DEN «SCHWANEN»

Mit der Fertigstellung des Wohn- und Geschäftshauses Schwanen im Jahre 1972 verlegt Georges Hoffmann das Geschäft, das er 1968 nach dem Tod des Vaters übernommen hat, von der Seestrasse 89 an die Zugerstrasse 25. Was 1937 klein begonnen hat, ist zum modernen Foto-Fachgeschäft mit Optik-Studio, Audio-visual-Abteilung und Portrait-Atelier geworden, wie es 1975 das Inserat im ersten Jahrbuch der Stadt Wädenswil beschreibt.
Bewährtes wird so lange als möglich weitergeführt, Neues innovativ aufgenommen. Zum Bewährten zählen ab Mitte der 1950er Jahre die Hochzeitsreportagen: Am gleichen Abend noch erhält das Brautpaar ein Fotoalbum mit Bildern seiner Hochzeit, und die Hochzeitsgäste können ein Erinnerungsbild mit nach Hause nehmen: ein Service, der Bewunderung erheischt und Freude auslöst! Bis um 1970 enthält das Fotoalbum Schwarzweiss-Aufnahmen, dann geht Foto Hoffmann konsequent zum Farbbild über.

Hochzeitsreportagen: eine Spezialität von Foto Hoffmann. Vor dem Standesamt und der Reformierten Kirche Wädenswil.

Chilbi 1997 in Wädenswil - eine von vielen Aufnahmen des auch als Pressefotograf tätigen Georges Hoffmann.

Das neue Fotogeschäft im «Schwanen», eröffnet 1972.

TONBILDSCHAUEN UND REPORTAGEN

Einen weiteren Kundenkreis findet Hoffmann bei Industrie und Gewerbe in Wädenswil und Umgebung. Diese Auftraggeber wünschen professionelle Industrie-Reportagen und Werbeaufnahmen für ihre Produkte. Als neues Medium bietet sich hiefür auch die Tonbildschau an, wie sie Georges Hoffmann seit dem Umzug in den «Schwanen» realisieren kann. Zu seinen frühen Kunden zählen die Stadt Wädenswil für den Zonenplan 1972, die Brauerei Wädenswil, die Seidenweberei Gessner AG, die Ingenieurschule und von auswärts beispielsweise die Unternehmen «De Sede» für Polstermöbel oder «Gretag» für Densitometrie (Dichtungsmessung).
Bis in die 1990er Jahre hinein ist Georges Hoffmann zudem als Pressefotograf für den «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» unterwegs. Er liefert Bilder für Reportagen über die Fasnacht, die Chilbi, den Chlauseinzug, das Wädifäscht 1987... Er fotografiert Konfirmation und Kommunion, wird aber auch zur Dokumentation von Verkehrsunfällen, Bränden und Unwetterschäden gerufen. Seit 1975 hilft er das Jahrbuch der Stadt Wädenswil illustrieren, und für den Veranstaltungskalender bzw. das WädiInfo des Verkehrsvereins schiesst er bis heute jeden Monat das Titelbild.
 

OPTIK

Die Übersiedlung in den Neubau «Schwanen» an der Zugerstrasse 25 bringt viele Vorteile. Das Labor an der Rebbergstrasse kann aufgegeben werden, da hinter dem geräumigen Laden ein neues Schwarzweiss-Labor zur Verfügung steht. Die weiterhin gepflegte Porträtaufnahme entsteht nun im eigens eingerichteten Porträt-Atelier, zunächst noch als Schwarzweiss-Bild, dann bald ausschliesslich als Farbfoto. Der gelernte Optiker Georges Hoffmann schliesst seinem Fotofachgeschäft 1972 eine Optik-Abteilung an, stellte auf Rezept Brillen her und verkauft optische Instrumente wie Feldstecher, Thermometer und Barometer.
Zu Beginn der 1990er Jahre wird der Sektor Optik ausgebaut: Es entstehen ein Refraktionsraum und eine eigene Werkstatt. Auch im Bereich Fotografie hat sich wieder einiges getan. Als erstes Geschäft in der Region verfügt Foto Hoffmann seit 1995 über ein Minilab für Farbfotos und kann seiner Kundschaft einen Stundenservice bieten. Die Farbaufnahme hat sich nun durchgesetzt; das Labor für Schwarzweiss-Aufnahmen wird 1999 aufgegeben.

Fotograf Georges Hoffmann in Aktion.

Sigrid Hoffmann bedient die Kundschaft.

EINSCHNEIDENDE VERÄNDERUNGEN

Das Entwickeln von Filmen und die Herstellung von Schwarzweiss- und Farbfotos haben bei Foto Hoffmann lange Zeit den Hauptumsatz ausgemacht. Nach 1990 bricht dieses Geschäft mehr und mehr ein. Die Kameras sind noch perfekter, leichter bedienbar und auch preisgünstiger geworden und erlauben dem Amateur immer bessere Bilder. An Hochzeiten, Familienfesten und in den Betrieben wird deshalb häufig auf den Beizug des Fachfotografen verzichtet. Dazu droht dem Fachgeschäft scharfe Konkurrenz von Grossverteilern und Billigpreis-Labors. Diese Tendenz verschärft sich ums Jahr 2000 mit dem Siegeszug der Digitalkamera. Sie bringt nicht nur den Verzicht auf den Film; mit der Möglichkeit des digitalen Ausdrucks auf dem Printer fällt auch das Kopieren weg.
Der Markt bricht zusammen. Gesamtschweizerisch sind in den letzten fünf Jahren rund ein Drittel aller Fotofachgeschäfte geschlossen worden. Dazu gehört seit Ende März 2004 auch jenes von Georges Hoffmann in Wädenswil.




Peter Ziegler