HISTORISCHE GESELLSCHAFT WÄDENSWIL

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2010 von Dorothee Gysi

PROVISORISCHES MUSEUM IM ALTEN FEUERWEHRHAUS

Die Stadt Wädenswil bot der Historischen Gesellschaft Wädenswil (HGW) in einem Brief vom 14. September 2009 das alte Feuerwehrhaus an der Schönenbergstrasse 21 von Herbst 2009 bis Herbst 2010 für einen zeitlich befristeten Museumsbetrieb kostenlos an. Lage, Grösse und die zum Teil vorhandene Infrastruktur waren für einen Museumsbetrieb gegeben und für die HGW eine willkommene Gelegenheit, einmal mehr einen Einblick in die reichhaltige Geschichte Wädenswils zu geben und historische Exponate aus dem städtischen Fundus zu präsentieren. Weiter wollte die Historische Gesellschaft auf ihr Anliegen, einen dauerhaften Museumsbetrieb zu führen, aufmerksam machen. Nach Ende der beiden Ausstellungen wurde das ehemalige Feuerwehrgebäude in die künftige Stadtbibliothek umgebaut.
Unter grossem Zeitdruck erarbeitete der Vorstand der HGW ein Konzept mit zwei Ausstellungsprojekten. Mit Bezug auf die zeitlich begrenzte Nutzung und den provisorischen Charakter der Räumlichkeit wurde das übergreifende Thema «temporär» gewählt. Während die erste Ausstellung den Wandel in Wädenswil ins Zentrum stellte, widmete sich die zweite Ausstellung dem «Heimgang». Objekte aus dem Fundus sollten diese beiden Themen illustrieren und gleichzeitig den Lokalbezug herstellen. Um einen professionellen Auftritt zu gewährleisten, wurden Fachpersonen für die Konzeption und Einrichtung der beiden Ausstellungen engagiert. Das errechnete Budget diente als Grundlage für die Sponsorensuche, die sich als schwierig erwies. Die Stadt Wädenswil jedoch unterstützte das Vorhaben finanziell grosszügig und leistete auch praktische Hilfe.
 

TEMPORÄR – DER WANDEL IN WÄDENSWIL

Vom 10. April bis 13. Juni 2010 zeigte die Historische Gesellschaft ihre erste Ausstellung im alten Feuerwehrhaus. Im Rahmen von vier Themenbereichen richtete sich der Blick aus der Vergangenheit in die Gegenwart und bis in die Zukunft: Wie sich das Seeufer vom Arbeitsplatz zum Vergnügungsort gewandelt hat, oder wie sich der Gürtel von Hochstammbäumen rund um Wädenswil durch den Kampf gegen den Alkoholismus und durch Baulandnachfrage reduzierte, wie Stoffe erst in Heimarbeit, später in der Fabrik entstanden und was heute in Wädenswil noch hergestellt wird. Oder wie sich der Galgenrain vom zeitweiligen Hinrichtungsplatz bis zum heutigen Einfamilienhausquartier gewandelt hat. Die Themen wurden den Besucherinnen und Besuchern mit zahlreichen Ansichten und Objekten aus dem Fundus der Historischen Gesellschaft und mit Leihgaben aus privaten Sammlungen nähergebracht. In der Mitte der Ausstellung hatte die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) eine begehbare Installation realisiert, einen «Wandelpfad». In einem weiteren Raum, einem Kino, waren zu den vier Themenbereichen Ausschnitte aus historischen Filmen zu sehen. Mit dieser gut gegliederten und eindrücklichen Ausstellung konnte der Wandel Wädenswils im Laufe von zwei Jahrhunderten vom Bauerndorf über die Industriegemeinde bis hin zum Bildungsstandort gezeigt werden. Dank dem klaren Konzept und der überzeugenden Einrichtung von Meike Nau, Kulturmanagerin, die als Kuratorin dieser Ausstellung wirkte, wurde «der Wandel in Wädenswil» ein Erfolg. Viele Besucherinnen und Besucher, darunter auch Oberstufenschulklassen, besuchten die Ausstellung und verfolgten Wädenswils Veränderungen im Laufe der Zeit.

Das alte Feuerwehrhaus - ein temporäres Museum.

Meike Nau, Kuratorin der Ausstellung «temporär» und Dorethee Gysi, Präsidentin der HGW.
 
Obstverwertung in Wädenswil einst und heute.

«Wandelpfad» uns Stoffe aus Heimarbeit und Fabrik.

HEIMGANG – WIE WÄDENSWIL DEM TOD BEGEGNETE

In ihrer zweiten Ausstellung im alten Feuerwehrhaus setzte sich die Historische Gesellschaft Wädenswil vom 18. August bis 10. Oktober 2010 mit der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens auseinander. Der Umgang der Menschen mit dem Sterben und der Trauer hat sich in den letzten 200 Jahren stark gewandelt. Noch im 19. Jahrhundert war der Tod allgegenwärtig; man war unheilbaren Krankheiten und frühzeitigen Todesfällen hilflos ausgeliefert. So zeigen die Statistiken, dass noch 1870 jedes fünfte Neugeborene bereits vor seinem ersten Geburtstag starb.
Kuratiert wurde die Ausstellung von der Kunsthistorikerin Anna-Maria Papadopoulos und dem Historiker Adrian Scherrer, Vorstandsmitglieder der Historischen Gesellschaft Wädenswil. Die Ausstellung war in fünf farblich unterschiedlich gekennzeichnete Bereiche gegliedert, welche die Besucherinnen und Besucher durch die Räume führten. Im Zentrum der Ausstellung stand der historische Leichenwagen von 1876. Um ihn herum waren Objekte zur Kultur des Abschiednehmens gruppiert: Zum Beispiel das schwarze Seidenkleid einer Witwe und aufwändig gearbeiteter Grabschmuck aus Perlen, aber auch Objekte, mit denen man für das Diesseits und Jenseits vorsorgte. Insgesamt zeigte die Historische Gesellschaft über 120 einzigartige Objekte, die aus den eigenen Beständen stammten oder als Leihgaben aus mehreren schweizerischen Sammlungen und aus Privatbesitz den Weg nach Wädenswil gefunden hatten. Die Ausstellung schilderte, nach welchen Regeln das letzte Geleit ablief und wie man einst öffentlich trauerte. So waren reich verzierte Andenken aus dem Haar Verstorbener zu sehen, die in jeder Stube an die eigene Sterblichkeit erinnerten. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts verschwand der Tod weitgehend aus der Öffentlichkeit. Der Friedhof wurde vom Dorfkern an den Dorfrand verlegt. Originaldokumente und historische Fotografien illustrierten, wie heikel diese Verlegung war. Sie erhitzte die Gemüter jahrelang. Jenseitsvorstellungen, wie sie vor allem im katholischen Brauchtum üblich waren, wurden mit einigen bildlichen Darstellungen veranschaulicht. Auch die Ausstellung «Heimgang» fand grosse Beachtung, wie die Medienberichte dokumentieren. Die beiden Kuratoren verstanden es, eine gut konzipierte und ergreifende Ausstellung zu präsentieren.
Die hohen Besucherzahlen der beiden Ausstellungen belegen einmal mehr, dass bei den Wädenswilerinnen und Wädenswilern ein Bedürfnis besteht, sich mit historischen Themen auseinanderzusetzen. Die Historische Gesellschaft erbrachte den Beweis, diesem Bedürfnis zu entsprechen.
Museum heimatlos – heute hier, morgen wo?
 
Statistiken dokumentieren den Rückgang der Sterblichkeit und höhere Lebenserwartung.

Der Wädenswiler Leichenwagen aus dem Jahre 1876 in der Ausstellung «Heimgang».

Während Monaten trug man früher schwarze Trauerkleidung.

Fotos und Gemälde erinnern an Verstorbene.



Dorothee Gysi
Präsidentin Historische Gesellschaft Wädenswil