Eine Viehschau vor hundert Jahren

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1978 von Peter Ziegler


Holzlöffel des 18.–20. Jahrhunderts (Ortsmuseum Wädenswil).

Ausschnitt aus einem Plakat «Kant. Landwirtschaftsausstellung in Wädenswil», 1885 (Ortsmuseum Wädenswil).

Seit Jahrhunderten spielte die Viehzucht in der Gemeinde Wädenswil eine bedeutende Rolle. Gezielte Förderung erfuhr sie seit dem 19. Jahrhundert. 1803 wurde ein Viehmarkt eingeführt, den man um 1863 mit dem Jahrmarkt verband, und seit 1859 prämierte man alljährlich die schönsten Zuchtstiere. Viele Initiativen gingen vom Landwirtschaftlichen Verein aus. Dieser setzte sich zum Beispiel im Sommer 1870 dafür ein, dass der Gemeinderat die Prämierung von Zuchtstieren mit einer Subvention aus dem Gemeindegut unterstützte.
Ende Oktober 1878 machte der Vorstand des Landwirtschaftlichen Vereins die Bauern der Umgebung mit einem Inserat im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» darauf aufmerksam, dass am 7. November in Wädenswil ein Viehmarkt stattfinde, welcher mit einer Viehausstellung und mit einer Prämierung von Zuchtstieren, Kühen und Rindern verbunden werde. Er munterte «die hiesigen Herren Landwirte» freundlich «zu recht zahlreicher Beschickung dieser Ausstellung» auf, welche morgens um zehn Uhr auf der Wiese des Herrn Eschmann zur alten Kanzlei stattfand, also im Bereich des nachmaligen Fabrikareals der Seidenweberei Gessner.
Zwei Tage nach der Viehschau konnte man einer kurzen Notiz in der Lokalzeitung entnehmen: «Die Viehschau und Viehprämierung fiel bedeutend lebhafter aus als früher. Schaulustige von allen Seiten waren herbeigeströmt. Es ertönte aber auch der Viehkenner allgemeines Lob über die teilweise prachtvollen Viehstücke.»
Ein ausführlicher Bericht mit Rangliste erschien am 12. November 1878. Darin hiess es unter anderem: «Nach den neuesten statistischen Erhebungen ist unsere Gemeinde diejenige im Kanton Zürich, welche am meisten Rindvieh aufzuweisen hat. Darum hat der Landwirtschaftliche Verein schon seit vielen Jahren eine Prämierung von Zuchtstieren abgehalten, und um zur Hebung der Viehzucht das möglichste beizutragen und damit das Bild ein möglichst anschauliches werde, wurde für das Jahr 1878 zum erstenmal eine Prämierung von Kühen und Rindern damit verbunden. Wie zu erwarten war, haben sich denn auch unsere Landwirte recht lebhaft an dieser Ausstellung beteiligt und den anwesenden Fremden gezeigt, dass durch ein richtiges Verfahren auch in dieser Branche der Landwirtschaft ganz Erhebliches geleistet werden kann.»
Die drei Preisrichter – Kantonsrat Schärer im Ferneck/Schönenberg sowie die Herren Bachmann im Müsli/Schönenberg und Stäubli im Ebnet/Horgen – hatten keine leichte Aufgabe. Schliesslich wurden 30 von 87 Stück Vieh ausgezeichnet, und zwar mit einer Gesamtsumme von 1215 Franken.
Von 21 aufgeführten Zuchtstieren wurden 10 prämiert. Preise 1. Klasse mit 130 Franken erhielten Herr Rudolf Hottinger, Büelen und J. Höhn, Rötiboden; Preise 2. Klasse mit 90 Franken die Herren Raab im Steinacker, Heinrich Höhn, Rötiboden, J. Treichler, Kalchtaren; Preise 3. Klasse mit 60 Franken die Herren A. lsler, Bachgaden; Heinrich Hauser, Unter­mosen; Blattmann, Neugut; Gebrüder Hottinger, Oedischwend; Hauser im Hänsital.
Aufgeführt wurden 16 Rinder, prämiert 8. Für Rinder erhielt einen Preis 1. Klasse mit 25 Franken Herr A. Isler, Bachgaden. Preise 2. Klasse mit 20 Franken bekamen die Herren A. Isler, Bachgaden (Ehrenmeldung); Heinrich Höhn, Rötiboden; Blattmann, Neugut; Hauser, Hänsital. Preise 3. Klasse mit 15 Franken wurden vergeben an die Herren Haab im Burstel, Zollinger im Neuhaus-Feld; Höhn, Mugeren; Treichler, Kalchtaren.
Von 50 aufgeführten Kühen wurden 12 prämiert. Für Kühe erhielten Preise 1. Klasse mit 25 Franken die Herren Höhn, Mugeren; Isler, Bachgaden; Höhn, Rötiboden; Johannes Hauser, Fuhr. Preise 2. Klasse von 20 Franken bekamen die Herren Brändli, Sagenrain; Schnyder, Gwad; Heinrich Höhn, Rötiboden; Temperli, Kotten. Preise 3. Klasse von je 15 Franken gin­gen an die Herren Hottinger, Büelen; Rhyner, Stoffel; Rellstab, Lehmhof; Brändli, Brunnenhof.
Anlässlich der Preisverteilung entschuldigte sich der Präsident des Landwirtschaftlichen Vereins, die Prämien seien klein. Dennoch ermunterte er die anwesenden Bauern zu rastlosem Streben, damit in den nächsten Jahren die Prämien grösser und zahlreicher abgegeben werden könnten. Dass die Kaufkraft des Geldes vor hundert Jahren grösser war, die Preise also nicht mit unserer heutigen Währung verglichen werden dürfen, zeigt ein Blick in Inserate des gleichen Zeitabschnittes. Im Herbst 1878 kosteten im Einwohnerverein 50 Kilogramm Kartoffeln Fr. 5.60, zwei Kilogramm Weissbrot 83 Rappen, und für eine kleinere Wohnung oberhalb des Dorfes zahlte man einen Jahreszins von 100 Franken. Ein Kilogramm Zwetschgen galt 60 Rappen, ein Hektoliter ungarischer Wein 65 Franken. Der Appenzeller Kalender wurde für 40 Rappen verkauft.
Die erste Prämierung von Rindern und Kühen in Wädenswil vor hundert Jahren endete mit einem Fest. Nach der Prämierung zogen die Bauern mit ihren Tieren am späten Vormittag bei strahlendem Himmel durchs Dorf, damit «jung und alt ihre Schaulust befriedigen konnten». Dann begab man sich zum Fest in den Saal des Gasthauses zur «Sonne», wo laut Zeitungsbericht «beim trefflichen Mittagsmahl manches ernste und witzige Wort oder auch die Klänge der Musik die Gemüter der Gäste erheiterten».




Peter Ziegler


Butterfass zum Drehen (Ortsmuseum Wädenswil).