ALLIANZWAPPEN AN WÄDENSWILER HÄUSERN

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2002 von Peter Ziegler

GENEALOGISCHE QUELLEN

Angehörige der Wädenswiler Oberschicht pflegten in 17. und 18. Jahrhundert ihre neu erstellten Häuser mit Allianzwappen – den Familienwappen von Mann und Frau –, Initialen und dem Baujahr zu kennzeichnen. Die Steinhauerarbeiten finden sind meist im Sturz der Eingangstüre und bisweilen auch auf Fensterstürzen. Vier Quellen erlauben es, die Familienwappen zu identifizieren und die Initialen des Auftrag gebenden Bauherrn zu deuten.
Auf den Kirchenstühlen der reformierten Kirche Wädenswil, die 1767 zu Erb und Eigen erworben wurden, brachte man zur Kennzeichnung der Besitzer deren farbige Familienwappen an. Bei der Innenrenovation von 1950/51 fügte man in die Lehnen der neuen Stühle auf beiden Emporen die restaurierten Wappentafeln von 48 einheimischen Geschlechtern in alphabetischer Reihenfolge wieder ein.1 Mit Hilfe dieser Darstellungen können die Wappen mancher männlichen Hauseigentümer auf Tür- und Fensterstürzen gedeutet werden. Denn die Männer stammten durchwegs aus einheimischen Familien. Gehörte auch die Frau einem Wädenswiler Geschlecht an, kann ihr Wappen ebenfalls mühelos aufgeschlüsselt werden. Nur wenn die Frau von auswärts ins Dorf eingeheiratet hatte, müssen andere genealogische Quellen beigezogen werden, um den Familiennamen zu bestimmen.
Da über Türen oder Fenstern in der Regel die Wappen von Mann und Frau und zudem deren Initialen angebracht wurden, kann die Allianz ermittelt werden. Durch die Wappen ist zum Beispiel eine Verbindung Theiler/Rellstab belegt; die Initialen HGT und SR deuten auf Hans Georg Theiler und Susanna Rellstab hin. Das vermerkte Baujahr 1688 besagt, dass die Ehe spätestens 1688 geschlossen wurde. Dies lässt sich im Staatsarchiv Zürich anhand der Bevölkerungsverzeichnisse2 und/oder der Ehebücher3 überprüfen. In obigem Fall wurde die Ehe am 12. September 1687 eingegangen.4
Als vierte Quelle sind die Grundprotokolle zu erwähnen, welche über Landerwerb, Bau und Kauf von Häusern, Liegenschaften- und Erbteilungen informieren.5
Durch die Kombination der verschiedenen Quellen können die meisten Personen, die ihre Allianzwappen an Wädenswiler Häusern anbrachten, einwandfrei bestimmt werden. Die Forschungsresultate über elf mit Wappen geschmückte Gebäude seien hier in chronologischer Abfolge vorgestellt.

SCHELLERSTRASSE 5, VERS.-NR. 1645

Der älteste datierte Hinweis auf eine Besitzer-Allianz findet sich am Haus Schellerstrasse 5 in der Au. Die Rundbogentüre in der Hauptfassade zeigt im Sturz die Jahreszahl 1642 und zwei in Sandstein gehauene Schilde, zwar ohne Wappen, aber mit den Initialen «CST» und «BH». Das Bevölkerungsverzeichnis von 1637 vermerkt «Am Schoren» die Familie von Caspar Sträuli und Barbel Hänslerin mit den Kindern Verena (*1621), Barbeli (*1624), Susann (*1626), Caspar (*1630) und Hans (*1636). Barbara Hensler stammte aus Richterswil; die Heirat fand am 17. März 1635 statt.6 
Haus Schellerstrasse 5. Türsturz von 1642 mit Initialen «CST» und «BH».

Die Familie ist im Bevölkerungsverzeichnis von 1649 letztmals aufgeführt. Im Türsturz lebt die Erinnerung an sie in den Initialen fort. 1654 hausten «Am Schoren» der Sohn Hans, der sich am 14. November 1648 mit Elisabeth Zolliker von Egg verheiratet hatte, sowie der Sohn Caspar, der am 12. September 1654 mit Barbara Hotz getraut worden war.7
 

RÖTIBODEN VERS.-NR. 880

Der Türsturz auf der Südostseite des Hauses weist zusätzlich zum Baujahr 1679 die Wappen der Familien Hauser – ein Hauszeichen – und Eschmann – zwei konzentrische Ringe – auf, dazu die Initialen HIH SAE. HIH ist aufzulösen als Hans Jakob Hauser, SAE als Susanna Aeschmann (= Eschmann). Hans Hauser, geboren am 2. Dezember 1632, wurde am 15. Juli 1662 mit Susanna Eschmann, geboren am 2. Mai 1641, getraut.8 Zehn Jahre nach dem Hausbau wohnten die beiden nicht mehr auf Rötiboden. Dort hatten sich gemäss Bevölkerungsverzeichnis 1687 Hans Jakob Hauser (1649–1718) und Regula Eschmann (1664–1719) niedergelassen. Die beiden hatten am 22. Juli 1687 geheiratet.9 Regula Eschmann war die Tochter des Landschreibers und Rittmeisters Hans Jakob Eschmann (1634–1694). Sie stammte aus vornehmer Wädenswiler Familie, die mit der Landschreiberei ein wichtiges Amt der Landvogtei Wädenswil innehatte. Kein Geringerer als Landvogt Hans Georg Werdmüller, der Bruder des Generals, war Regulas Pate.10
Haus Rötiboden. Türsturz von 1679 mit Allianzwappen Hauser/Eschmann.

TÜRGASS 10/12A, VERS.-NR. 578

Am 17. Januar 1687 verkaufte Wachtmeister Hans Blattmann an der Türgass dem Meister Rudolf Theiler, dem Krämer, ein Stück Matten zwischen ihren beiden Häusern.11 Darauf wurde im folgenden Jahr das heutige Haus Türgass 10/12a erbaut. Das Allianzwappen Theiler/Steffan findet sich im Rundbogen aus Sandstein der Kellertüre in der gassenseitigen Giebelfassade, zusammen mit dem eingemeisselten Baujahr 1688. Das Theiler-Wappen zeigt über einem Dreiberg den aufrecht gestellten Schlüssel, gekreuzt mit einem Kleeblatt. Zu beiden Seiten des Schlüssels stehen im Schildhaupt die Initialen R T. Das Steffan-Wappen, ein aufrecht stehendes Hauszeichen, beseitet von Blume und Blatt, ist nicht identisch mit dem knapp hundert Jahre jüngeren Wappen auf dem Kirchenstuhl.
Die Ehe zwischen dem Krämer Rudolf Theiler, geboren am 21. Oktober 1638, und Anna Steffan, geboren am 17. November 1633, wurde am 28. Juni 1668 geschlossen.12 «Anna Steffen, Meister Rudolf Theilers geliebte Hausfrau», starb am 17. Mai 1688.13 Das Bevölkerungsverzeichnis von 1689 bezeichnet ihn deshalb als Witwer. Er selbst fiel am 18. September 1690 von einem Nussbaum und starb innerhalb weniger Stunden.14
Die Eingangstüre im bergseitigen Teil des Doppelwohnhauses, Türgass 12a, weist im Sturz das Baudatum 1689 auf. Dazwischen sind in hochovalen Schilden die beiden Wappen einer Allianz angebracht. Links steht das Wappen Theiler mit Schlüssel und überlegtem Kleeblatt. Das Wappen rechts, jenes der Frau, weist mit steigendem Einhorn über Dreiberg, wie es sich auch auf einem Kirchenstuhl in der reformierten Kirche Wädenswil findet, auf das Geschlecht Brupbacher hin. Es ist anzunehmen, dass es sich um die Wappen von Jakob Theiler und Verena Brupbacher handelt, die am 25. April 1656 geheiratet hatten.15 Ihre Ehe ist die einzige Allianz der beiden Familien, die im 17. Jahrhundert in die Wädenswiler Kirchenbücher eingetragen wurde.

Haus Türgass 10. Türsturz von 1688 mit Allianzwappen Theiler/Steffan.

Haus Türgass 12a. Türsturz von 1689 mit Allianzwappen Theiler/Brupbacher.

SCHÖNENBERGSTRASSE 3, VERS.-NR. 473

Ein mit Jahreszahl 1690 versehenes, in Sandstein gehauenes Allianzwappen der Familien Theiler und Huber über einem Kellerfenster auf der Südseite des Hauses datiert wohl den vier Fensterachsen breiten, gegen die heutige Schönenbergstrasse gerichteten Kernbau des Gebäudes. Dieser gehörte damals einem Hans Theiler, der in den Wädenswiler Gemeinderechnungen von 1699 als Schmied bei der Kirche erwähnt wird.16 Gemäss Darstellung auf dem Kirchenstuhl auf der Eidmatt-Empore der reformierten Kirche zeigt das Theiler-Wappen in Blau einen schräggestellten goldenen Schlüssel, gekreuzt mit einem grünen Kleeblatt. Beim Wappen am Haus Schönenbergstrasse 3 handelt es sich vermutlich um einen neuen Wappentyp der Familie Theiler – aufrecht gestellter Schlüssel, überlegt mit zwei gekreuzte Kleeblättern –, komponiert mit alten Formelementen aus dem hergebrachten Wappen. Der gespaltene Schild des Huber-Wappens weist in der rechten Hälfte (vom Betrachter aus links) drei Schräglinksbalken auf.
Hans Theiler, geboren am 1. September 1650, und Katharina Huber, geboren am 18. November 1656, wurden am 20. Mai 1679 in Wädenswil getraut.17 Nach dem Tod seines 31-jährigen Sohnes Konrad im Januar 1731 entschloss sich Vater Theiler, den Schmiedebetrieb aufzugeben. In Färber Johannes Hotz fand er einen Käufer für sein «Hus im Dorf Wedenschwill underhalb dem Gmeindhus gelegen, darinn bis anhin ein Schmidten gewesen». Die Handänderung erfolgte am 8. August 1733.18

Haus Schönenbergstrasse 3. Sturz eines Kellerfensters von 1690 mit Allianzwappen Theiler/Huber.


BURSTEL, VERS.-NRN. 1465/1467

Auf der Nordwestfassade des Bauernhauses im Burstel zeigen beide Stürze der gekoppelten Schildbogenfenster das Baujahr 1690 und dazu je ein Wappen. Sie sind nicht, wie sonst üblich, gegeneinander gestellt, sondern zieren je die Mitte eines einzelnen Fensters. Dennoch handelt es sich auch hier einwandfrei um ein Allianzwappen. Das seeseitige Fenster zeigt im Schild einen sechsstrahligen Stern und darüber die Initialen EBH, das bergseitige das Wappen Höhn mit den Initialen HH.
Eine mit 1690 datierte Allianzkachel mit ausgeschriebenen Namen – «Hans Hön, Elsbet Hurttyn» –, eingefügt in den mit 1789 datierten jüngeren Kachelofen des Hafners David Kölliker im Haus Burstel, erlaubt die Auflösung der Initialen und die Deutung der beiden Wappen auf den Fensterstürzen. HH bedeutet demnach Hans Höhn, EBH Elisabeth Hurter. Hans Höhn, geboren am 10. März 1646, wurde am 23. Januar 1683 mit Elisabeth Hurter von Uerzlikon/Knonau getraut.19 Diese Familie ist auch im Bevölkerungsverzeichnis von 1689 verzeichnet. Als Herkunft der Frau steht dort «Elsbeth Hurterin von Knonau». Aufgeführt sind sodann die Kinder Heinrich (*10.10.1686) und Hans (*12.4.1688).
Die Höhn-Wappen im Fenstersturz und auf der Ofenkachel unterscheiden sich leicht. Das Hauszeichen über gestürztem Halbmond ist auf beiden Darstellungen identisch. Auf der Kachel sind zusätzlich ein Dreiberg und beidseits des Hauszeichens je ein sechsstrahliger Stern angebracht worden. Auch das Wappen Hurter ist auf der Kachel reicher gestaltet. Der Schild weist hier ebenfalls einen Dreiberg und zwei zusätzliche sechsstrahlige Sterne auf.
 

Bauernhaus Burstel. Fenstersturz von 1690 mit Wappen Höhn.

Bauernhaus Burstel. Fenstersturz mit Wappen Hurter.

Bauernhaus Burstel. Ofenkachel von 1690 mit Allianzwappen Höhn/Hurter.

TÜRGASS 14, Vers.-Nr. 576

Über der Eingangstüre das Hauses Türgass 14 ist seit einer Renovation die Kopie des ursprünglichen Türsturzes mit Allianzwappen und Baujahr 1711 angebracht. Das Original wird im Hausinnern aufbewahrt. Das Wappen zur Linken zeigt das Theiler-Wappen. Wieder erscheinen die Motive Schlüssel und Kleeblatt, analog der Darstellung am Türsturz von 1689 im Nachbarhaus Türgass 12a. Das Wappen zur Rechten, ein Hauszeichen über Dreiberg, beseitet von je einem sechsstrahligen Stern, ist jenes der Familie Rellstab. Die Initialen HGT bzw. SR erlauben es, das Bauherren-Ehepaar zu identifizieren. Es handelt sich um Hans Georg Theiler (27.9.1663–19.4.1714) und Susanna Rellstab (18.4.1669–21.1.1732).20 Das Paar wurde am 12. September 1687 getraut. Hans Georg Theiler war der Sohn von Meister Rudolf Theiler und Margaretha Steffan (*12.4.1640) und hatte den Wädenswiler Landvogt Hans Georg Werdmüller zum Paten.21 Alt Hauptmann Hans Georg Theiler starb drei Jahre nach der Vollendung seines Hauses an der Türgass. Die Witwe überlebte ihn um beinahe 18 Jahre.

Haus Türgass 14. Türsturz von 1711 mit Allianzwappen Theiler/Rellstab.

ROTWEG 12, VERS.-NR. 867

Das Fachwerk-Reihenhaus Rotweg 12/12a entstand in zwei Bauetappen. Der untere, seeseitige Hausteil wurde 1717 erstellt, der obere 1725 angefügt. Über der Eingangstüre in der gemauerten Südfront des Kernbaus sind ein Allianzwappen und die Inschrift «17 H B  A I 17» angebracht. 1717 bedeutet das Baujahr. Das Wappen links – ein Hauszeichen – ist jenes der Familie Blattmann, wie es auch auf einem Stuhl in der reformierten Kirche Wädenswil erscheint. Der Totenkopf im Wappen rechts dagegen ist als Familienwappen sonst nicht überliefert. Die Initialen A I aber lassen sich als Anna Isler deuten, deren Familie üblicherweise einen sechsstrahligen Stern im Wappen führte. Die Initialen H B stehen für Hans Blattmann. Die Ehe zwischen den Beiden wurde 1717 geschlossen, im gleichen Jahr, da man das Haus erstellte. Hans Jakob Blattmann aus der Linie der Blattmann vom Leihof, wurde 1688 geboren und starb 1738.22 Seine Frau, Anna Barbara Blattmann-Isler, kam am 25. November 1688 zur Welt und lebte bis am 29. März 1734.23 Was den Hausbesitzer Blattmann veranlasste, im Allianzwappen einen Totenschädel über gekreuzten Gebeinen anzubringen, wird wohl immer ein Rätsel bleiben.

Haus Rotweg 12. Türsturz von 1717 mit Wappen Blattmann und ungedeutetem Wappen mit Totenkopf.

MEIERHOFSTRASSE 24, VERS.-NR. 102

Das Doppelwohnhaus Meierhofstrasse 24/26, der herausragende Bau des Weilers Meierhof, wurde im Jahre 1722 errichtet. Der gerade Türsturz in der südlichen Trauffassade des oberen Hausteils Vers.-Nr. 103 trägt die Inschrift «17 HW 22», jener des unteren Hausteils Vers.-Nr. 102 die Inschrift «17 HRW SB 22» und dazu zwei Wappen. HW bedeutet Hans Wild; HRW Hans Rudolf Wild und SB Susanna Blattmann. Die gleiche Aussage macht auch das in Stein gehauene Allianzwappen: das Familienwappen Wild mit dem Wilden Mann und das Familienwappen Blattmann mit halbem Mühlrad und Hauszeichen.
Die Familie Wild lässt sich seit 1557 auf dem Meierhof nachweisen.24 Die Bauherren Hans und Rudolf Wild waren Söhne aus der Ehe von Hans Caspar Wild mit Verena Hottinger. Hans Wild, Besitzer des oberen Hausteils, starb 1735 als Junggeselle im 75. Altersjahr. Dies die Erklärung, weshalb im Sturz der oberen Türe Initialen einer Ehefrau und Allianzwappen fehlen.25
Die Allianz von Rudolf Wild mit Susanna Blattmann ist in den Kirchenbüchern belegt. Rudolf Wild auf dem Meierhof Wädenswil wurde am 15. August 1673 geboren. Am 9. Dezember 1690 verheiratete er sich mit Susanna Blattmann, geboren am 23. September 1666 in Richterswil. Im Jahr 1722, da das neue Haus im Meierhof fertiggestellt wurde, starb Rudolf Wild-Blattmann am 4. März im Alter von 49 Jahren. Seine Witwe verschied am 30. November 1732.26

Haus Meierhofstrasse 24. Türsturz von 1722 mit Allianzwappen Wild/Blattmann.

LEIGASS 21, VERS.-NR. 238

Am einstigen Waschhaus und Metzgereigebäude gegenüber dem Gottfriedhaus bergseits der Leigass findet sich im Türsturz von 1726 das Allianzwappen Blattmann/Schärer. Das Blattmann-Wappen links ist identisch mit jenem am Haus Rotweg 12, dessen Erbauer aus dem gleichen Familienzweig stammte. Es findet sich in ähnlicher Form auch auf einem Stuhl in der reformierten Kirche Wädenswil. Das Wappen rechts, jenes der Familie Schärer, ist in dieser Form auf den Kirchenstühlen nicht überliefert. Es zeigt über einem Dreiberg einen Stab mit Griff und rechts einen sechsstrahligen Stern. Beide Wappen tragen Initialen: KB im Blattmann-Wappen und BSH im Schärer-Wappen. Die Kürzel sind aufzulösen als Kaspar Blattmann und Barbara Schärer. Kaspar Blattmann, Sohn des Schuhmachers Andres Blattmann aus der zweiten Ehe mit Anna Strickler, wurde am 30. Juli 1670 geboren.27 Am 15. Oktober 1695 liess er sich mit Barbara Schärer, geboren am 18. August 1672, trauen.28
 

Waschhaus Leigass 21 . Türsturz von 1726 mit Allianzwappen B lattmann/Schärer.

STEINACHER VERS.-NRN. 1597/1598

Im Jahre 1936 verfasste Gottlieb Haab eine Chronik seines Hofes Steinacher. Darin hielt er fest: Bis 1705 war das Geschlecht Hottinger im Steinacher. In dieser Zeit zog ein J. Eschmann als Tochtermann ein. Er stammte ab der Egg Schönenberg. Aus dieser Ehe entsprossen vier Söhne. Sie erstellten 1730 das Doppelwohnhaus Steinacher.29
Über den beiden Haustüren in der südlichen Giebelfassade des Doppelbauernhauses Steinacher hat sich je ein in Sandstein gehauenes Wappen erhalten. Dabei handelt es sich offensichtlich nicht um ein Allianzwappen, sondern um die Wappen der männlichen Erstbesitzer der beiden Hausteile. Das Wappen über dem Eingang in den südlichen Hausteil – ein Ring mit eingeschriebenem sechsstrahligem Stern – weist auf die Familie Eschmann hin, jenes über der Türe des nördlichen Hausteils auf die Familie Hottinger.
Das Bevölkerungsverzeichnis von 1723 registriert als Bewohner des Hofes Steinacher – des schon 1518 bezeugten Vorgänger-Hofes – Heinrich Eschmanns Witwe Barbara Hottinger (*27.11.1677) mit den vier Söhnen Heinrich (*2.2.1704), Hans (*11.10.1705), Jakob (*8.1.1708) und Heinrich (*27.7.1721).30 Der Sohn Hans Eschmann (11.11.1705 – 9.4.1782) verheiratete sich am 17. Juni 1732 mit Anna Streuli (*29.7.1708) aus der Riedwies/Horgen und wohnte ebenfalls im Steinacher.31
Ausserdem wohnte im Steinacher auch die Familie Hottinger. Heinrich Hottinger (*20.2.1653) verheiratete sich am 12. Mai 1705 mit Susanna Eschmann (*9.10.1666).32 Ein Jahr nach dem Bau des neuen Doppelwohnhauses starb am 6. September 1731 Susanna Eschmann, Heinrich Hottingers Frau im Steinacher.33 Und am 16. August 1732 verschied auch deren Gatte, Heinrich Hottinger, im Alter von 79 ½ Jahren.34
Über jedes Familienwappen zieht sich ein Spruchband. Die Schrift über dem Wappen Eschmann ist stark verwittert. Lesbar war 1963 nur noch: «In dominum ... nostrum anno 1730». Die lateinische Inschrift über dem Familienwappen Hottinger lautet: «Mordus (morbus!) est hodie mihi, cras tibi» (Die Krankheit ist heute mir, morgen dir). Die Schriften wurden anlässlich einer Renovation erneuert, ergeben aber in der zweifelhaften Ergänzung keinen logischen Sinn.

Bauernhaus Steinacher. Türsturz von 1730 mit Wappen Hottinger.

Bauernhaus Steinacher. Türsturz von 1730 mit Wappen Eschmann.

GAMBRINUS, SEESTRASSE 85, VERS.-NR. 156

Aus dem Grundprotokoll geht hervor, dass Johannes Höhn «im Luft» seinem Bruder Heinrich Höhn am 21. November 1778 die obere Hälfte eines neu erbauten Hauses «im Luft» verkaufte.35 Bei dieser Liegenschaft handelt es sich um das heutige Haus Seestrasse 85, das Restaurant Gambrinus. Am Sturz eines Kellerfensters findet sich die Inschrift «17 I H I 77»; sie belegt das Baujahr 1777. Über der Eingangstüre in der südöstlichen Trauffassade hat sich ein in Sandstein gehauenes Allianzwappen erhalten. Die Schrift im Spruchband, das sich über beide ovalen Schilde hinzieht, ist leider so stark verwittert, dass sie nicht mehr entschlüsselt werden kann. Das Wappen links – jenes des Mannes – ist eindeutig als Familienwappen Höhn zu identifizieren. Es entspricht weitgehend der Darstellung auf der Ofenkachel im Bauernhaus Burstel. Rätsel gibt das Familienwappen der Frau auf. Das dargestellte Hauszeichen findet sich auf den Kirchenstühlen in der reformierten Kirche Wädenswil nicht. Es könnte sich folglich um das Wappen eines nicht in Wädenswil beheimateten Geschlechts handeln. In Frage käme dabei die Familie Schmid in Horgen. Denn der Sohn des Landrichters und Batzenvogts Hans Heinrich Höhn-Strickler (15.10.1702–7.7.1773), Johannes Höhn (30.10.1740 – 13.1.1814) «im Luft» – wohl der Erbauer des Hauses – verheiratete sich am 9. Oktober 1770 mit Verena Schmid (4.9.1746–4.9.1806) von Horgen.36 Und nach Auskunft von Hans Ueli Pfister, Staatsarchiv Zürich, handelt es sich um ein Familienwappen Schmid, das in ähnlicher Darstellung in verschiedenen Zürcher Gemeinden nachzuweisen ist.
Besitzer des unteren Hausteils war 1778 Konrad Höhn (1750–1822), ein Bruder des Johannes Höhn.37 Auch seine Frau könnte im Allianzwappen auftreten. Doch Konrad Höhn verkaufte sein Eigentum am 21. November 1778 seinem Bruder, dem Geschworenen Heinrich Höhn, der sich am  19. Mai dieses Jahres mit Elisabeth Hauser von Schönenberg verheiratet hatte.38 Und Konrad selbst verehelichte sich erst vier Jahre nach dem Hausbau, am 13. Februar 1781 ebenfalls mit einer Elisabetha Hauser.39
 

Haus Seestrasse 85. Türsturz von 1777 mit Allianzwappen Höhn/Schmid.




Peter Ziegler


ANMERKUNGEN

1 Empore Seite Schönenbergstrasse, beginnend an der Westecke, Wappen Baumann bis Huber; Empore Seite Eidmatt, beginnend an der Ostecke, Wappen  Isler bis Zollinger.
2 StAZ, E II 700.116. Vorhanden sind Bevölkerungsverzeichnisse für die Jahre 1634, 1637, 1640, 1643, 1647, 1649, 1654, 1670, 1678, 1689, 1708, 1723.
3 StAZ, E III 132.1–8, 1597–1696, 1701–1875.
4 StAZ, Db 401.9, Ehen im Kanton Zürich 1525–1700, S. 2669.
5 StAZ, B XI Wädenswil 1–22, Grundprotokolle 1654 bis 1839.
6 StAZ, Db 401.9, S. 2589.
7 StAZ, E II 700.116. Bevölkerungsverzeichnis 1654.
8 StAZ, E II 700.116, Bevölkerungsverzeichnis 1670. StAZ, Db 401.4, S. 995.
9 StAZ, E III 132.2, S. 26; E III 132.3, S. 595, 596.
10 StAZ, E III 132.2, S. 94.
11 StAZ, B XI Wädenswil 3, S. 133a.
12 StAZ, E II 700.116, Bevölkerungsverzeichnis 1670. StAZ, Db 401.9, S. 2671.
13 StAZ, E III 132.2, S. 290.
14 StAZ, E III 132.2., S. 293.
15 StAZ, Db 401.9, S. 2670.
16 Peter Ziegler, Das Gewerbehaus in neuem Glanz. «Zürichsee-Zeitung», linkes Ufer, 30. Dezember 1997.
17 StAZ, E II 700.116, Bevölkerungsverzeichnis 1689. StAZ, Db 401.9, S. 2669.
18 StAZ, B XI Wädenswil 5, S. 286a.
19 StAZ, Db 401.4, S. 3128. – Meine Ausführungen in «Häuser und Höfe im Wädenswilerberg», Kleine Schriften zur Zürcher Denkmalpflege Heft 2, Zürich 1999, S. 54/55 sind zu korrigieren.
20 StAZ, E III 132.2, S. 91, 113, 587, 623.
21 StAZ, E III 132.2, S. 91.
22 StAZ, E II 700.116, Bevölkerungsverzeichnis 1723. StAZ, E III 132.3, S. 644.
23 StAZ, E III 132.2., S. 213; E III 132.3, S. 629.
24 StAZ, C II 15, Nr. 209b.
25 Peter Ziegler, Häuser und Höfe im Wädenswilerberg, S. 68.
26 Diethelm Fretz. Die Blattmann, Bd. 1, Zürich 1934, S. 60.
27 StAZ, E III 132.2, S. 118.
28 StAZ, E II 700.116, Bevölkerungsverzeichnis 1723. StAZ, Db 401.1, S. 239.
29 StAZ, Dc W 1.2a, Gottlieb Haab, Beschreibung über die Bewohner im Steinacker aus mündlicher Überlieferung und schriftlichem Nachlass derselben. Manuskript 1936.
30 StAZ, E II 700.116, Bevölkerungsverzeichnis 1723.
31 StAZ, E III 132.3, S. 56, E III 132.4, S. 585, E III 132.9, S. 28.
32 StAZ, E III 132.3, S. 18.
33 StAZ, E III 132.3, S. 622.
34 StAZ, E III 132.3, S. 625.
35 StAZ, B XI Wädenswil 12, S. 397.
36 StAZ, DB 401.59, S. 3773. StAZ, E III 132.4, S. 447; E III 132.9, S. 284.
37 StAZ, B XI Wädenswil 12, S. 397. StAZ, E III 132.9, S. 284.
38 StAZ, B XI Wädenswil 12, S. 399. StAZ, Db 401.29, S. 1783. StAZ, E III 132.4, S. 456.
39 StAZ, E III 132.9, S. 284.