NEUE BAULICHE AKZENTE IN WÄDENSWILS KERN

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1993 von Paul Huggel

Wesentliche Planungsarbeiten für wichtige Neuüberbauungen im Kern von Wädenswil sind in den vergangenen Jahren bei noch guter Konjunkturlage mit viel Glauben an eine weiterhin prosperierende Zukunft vorangetrieben worden.
Beinahe alle diese grösseren Bauprojekte haben die Planungsphase erfolgreich durchlaufen und sind baubewilligt. Auch die Phase der Baurekurse − Rechtsmittel werden heute immer häufiger ergriffen! − ist ausgestanden. Die Projekte sind heute also mit rechtskräftiger Baubewilligung ausführungsreif.
Die inzwischen eingetretene Rezession hat aber die Bauherren zu erneuten Rentabilitätsüberlegungen gezwungen. Die meisten dieser grösseren Neuüberbauungen sind zumindest aufgeschoben worden. Die Gründe sind offensichtlich: In der heutigen Rezessionsphase ist es sehr schwierig geworden, Mieter für Ladengeschäfte und Gewerbe- oder DienstIeistungsräume zu finden. Dennoch müssen aus wohnhygienischen Gründen die entlang wichtiger Verkehrsachsen liegenden Erdgeschosse gewerblich genutzt werden. Aber auch die Nachfrage nach Wohnungen − vor allem der höheren Preisklasse − ist stark zurückgegangen. Wohnraum in Neubauten in der Kernzone und an guter Verkehrslage kann aber nicht billig erstellt werden! Aus diesen Gründen wird sich das vertraute Ortsbild wohl etwas weniger rasch ändern als ursprünglich angenommen. Bei Realisierung aller bewilligten Objekte würde sich Wädenswil aber doch nachhaltig verändern, so dass es angezeigt ist, die wesentlichsten Bauvorhaben kurz vorzustellen und die untergehenden Bauten noch im Bilde festzuhalten. Ohne zu werten, soll dabei der West-Ost-Richtung gefolgt werden.

NEUE EINFAHRT INS BÜELENQUARTIER

Bekanntlich hat die alteingesessene Firma Ehrsam ihren Sitz aus Wädenswil verlegt. Überbauungsstudien gingen von Anfang an vom Abbruch aller alten Fabrikteile aus. Das im Inventar der möglicherweise zu schützenden Gebäude aufgeführte Bürogebäude neben der Kapelle der Heilsarmee durfte − gemäss Stadtratsbeschluss − ebenfalls in die Gesamtüberbauung einbezogen werden. Die Lösung für die heute mangelhafte Erschliessung musste über eine verlegte neue Neudorfstrasse gesucht werden. Mit dieser Neuanlage soll gleichzeitig auch die Zufahrt zum Neudorf-/Büelenquartier verbessert werden. Als Lärmschutz für ein mehrstöckiges, kräftig strukturiertes Wohnhaus entlang der nach Westen verlegten Neudorfstrasse wird ein etwas monumental wirkender Gewerbebau entlang der Zugerstrasse dienen. Ein grüner, gut besonnter, lärmgeschützter Innenhof wird durch den in diesem Abschnitt wieder offengelegten Krähbach bereichert sein und hohe Wohnqualität bieten.
Die für den Abbruch freigegebenen Fabrikbauten der Firma Ehrsam. Ansicht vom «Stampf-Areal» aus, 1993.
 

GROSSÜBERBAUUNG IM DREIECK ZUGERSTRASSE – OBERDORFSTRASSE – ROSENBERGSTRASSE

In diesem Gebiet lädt eine relativ grosse unüberbaute oder nur mit Lagerschuppen überstellte Fläche geradezu ein, eine grosszügige Gesamtüberbauung zu realisieren. Das Gebiet ist städtebaulich wichtig und war deshalb in der Vergangenheit auch Objekt politischer Auseinandersetzungen. Meist ging es um die Frage, ob nur mit einem durch das Parlament zu genehmigenden Gestaltungsplan dort gebaut werden könne oder ob die Bestimmungen des kantonalen Planungs- und Baugesetzes und die Bau- und Zonenordnung unserer Stadt genügen könnten. Das heute bewilligte Projekt sieht eine einzige, zentrale Einfahrt ab der um eine Linksabbiegespur aufgeweiteten Zugerstrasse in zwei unterirdische Parkebenen vor. Folglich ist die gesamte restliche Fläche den Fussgängern vorbehalten. Es sind drei grössere Gebäudeteile geplant, angeordnet um einen attraktiven Innenhof.
Blick aus dem 1907 erbauten Haus Zugerstrasse 37 (Bild unten) gegen Rosenberg- und Oberdorfstrasse. Die Lagerschuppen und das Haus des Baumeisters Ferrari werden verschwinden; der Platz wird überbaut. Aufnahme von 1993.
In dem als Randbebauung längs der Zugerstrasse konzipierten Gebäudeteil muss das Erdgeschoss aus Lärmgründen zwingend gewerblich, also vorzugsweise für Verkaufsläden genutzt werden. Auch um den Innenhof sind weitere Läden geplant, und auch ein Tea Room/Restaurant ist vorgesehen.
Die zwei rückwärtigen Gebäudeteile enthalten vorwiegend Wohnungen. Auf gute Fussgängerbeziehungen ist grosser Wert gelegt worden. Das Bauvorhaben überzeugt durch klare Anordnung der Bauteile, überlegte Verkehrsführung und symmetrische Gestaltung.
 

MEHR PARKPLÄTZE BEIM MMM AN DER OBERDORFSTRASSE?

Durch Rekurse verzögert, jedoch inzwischen rechtskräftig geworden, ist auch die Baubewilligung für eine Erweiterung des Parkgeschosses des Grossverteilers Migros rückwärtig in den Hang gegen die Fuhrstrasse. Sichtbar wäre von diesen zusätzlichen Parkierungsbauten mit annähernd hundert zusätzlichen Standplätzen gar nichts. Lediglich zwei Einfamilienhäuser, erschlossen ab der Fuhrstrasse, würden in Erscheinung treten.
Weil sich die Genossenschaft Migros Zürich inzwischen mit der sehr grosszügigen Erweiterung der Filiale in Horgen und dem Neubau in Einsiedeln selbst sehr starke Eigenkonkurrenz in unserem Einzugsgebiet geschaffen hat, wird auch die Realisierung dieses baubewilligten Proiekts erneut sorgfältig geprüft, sicher aber aufgeschoben. Bereits definitiv abgeschrieben sind die Pläne einer Ladenerweiterung unter der Oberdorfstrasse hindurch.

MEHR SICHERHEIT FÜR DIE FUSSGÄNGER BEIM FLORHOF

Im Gebiet Florhof / «Linde», also längs der Zugerstrasse zwischen Florhofstrasse und ABM, ist ebenfalls ein wichtiges Bauvorhaben bewilligt. Während die Besitzerin des Hauses «zur Linde», die Sparcassa 1816, ihren Hauptsitz ganz an die Zugerstrasse verlegen möchte und zu diesem Zweck das unter Schutz stehende Gebäude nur innen für ihre Zwecke umbauen möchte, ist an der Ecke Florhofstrasse/Zugerstrasse ein Neubau bewilligt. Dieser soll − obschon modern konzipiert − sich dennoch der «Linde» anpassen. Aus städtebaulichen Gründen sollen die Fassaden nicht auf die Baulinien zurückgenommen werden, sondern ungefähr auf die heutige Fluchtlinie gestellt werden. Das bedingt, dass für die Fussgänger Arkaden vorzusehen sind. Zusätzlich ist als Schutz beim Fussgängerübergang über die Zugerstrasse eine Mittelinsel geplant.
Rückwärtig verbindet ein zweigeschossiger Annexbau die beiden Gebäude. Eine Rampe ab der Florhofstrasse führt in eine Tiefgarage. Einige oberirdische Parkplätze werden bestehen bleiben, weil es wohl nicht jedermanns Sache ist, mit dem abgehobenen Geld das Auto in der Tiefgarage zu besteigen. Auf einen möglichen Kreisel bei der Einmündung der Schönenbergstrasse in die Zugerstrasse nimmt der Neubau Rücksicht.

MODERNER AKZENT BEIM BAHNHOF?

An der Seestrasse zwischen der «alten Post», dem geschützten Haus «zum Friedberg», dem modernen Bau der SKA und der Baugruppe mit dem Haus «Talgarten» liegt das Abbruchobjekt «zum Zyt» (Seestrasse 107). Wichtig ist auch der dazwischen liegende Platz, heute mit kleinen, kunststeinbewehrten Hügeln gestaltet, aber noch nicht ganz verkehrsfrei.
Ein Ersatzbau darf und kann sich an dieser Lage nicht an die Umgebung «anbiedern». Er muss eigenständig sein. Der Architekt wollte denn auch einen eigenwilligen, modernen Akzent setzen. Ein Platz der Begegnung − völlig autofrei − sollte entstehen. Das Ladengeschoss soll unter den neuen Platz zu liegen kommen, mit Zugang von der Bahnunterführung her, welche so ebenfalls aufgewertet würde. Schwierig zu lösen war − wie so oft − auch das Problem der Pflichtparkplätze. Die Parkierung erfolgt über die Garage der SKA, mit der gleichen Zufahrt, auf zwei unterirdischen Parkebenen.
Heute ist auch dieser Bau bewilligt, die Konzession für das unterirdische Ladengeschoss in Aussicht. Die kantonale Denkmalpflege hat allerdings zusätzliche Gestaltungswünsche angemeldet. Deshalb ist die erteilte Baubewilligung noch nicht rechtskräftig.

NEUBAU AUCH BEIM ROSENMATTPARK

An der Eidmattstrasse 3, 5, 7, 9 stehen noch − verwinkelt und malerisch wirkend, aber gefährlich baufällig − vier zusammengebaute Häuser. Nach längeren Verkaufsverhandlungen kann heute ein einziger Bauherr das ganze Grundstück mit einer Gesamtüberbauung neu gestalten. Dabei muss die im Zonenplan durch das Parlament festgelegte (heutige) Fassadenlinie gegenüber der Eidmattstrasse beibehalten werden. Das bewilligte Projekt übernimmt auch weitgehend Stellung, Volumen und Firstrichtung der alten Baugruppe.
Die im Kern aus den 1670er Jahren stammenden baufällige und darum dem Abbruch geweihte Häusergruppe Eidmattstrasse 3, 5, 7, 9. Ansicht von Osten, 1993.
 

WEITERE GRÖSSERE BAUPROJEKTE IM KERNBEREICH

Eine Architektengruppe befasst sich gegenwärtig auch mit der heute wenig attraktiv wirkenden Nordeinfahrt in unsere Stadt. Gegenüber der Einmündung des Sagenrains in die Seestrasse befindet sich noch ein Werkgelände mit wenig Bausubstanz. Eine Neuüberbauung hat hier hohe Anforderungen bezüglich guter Gestaltung zu erfüllen. Die Projektierung hat auch Rücksicht zu nehmen auf die vom Kanton mittelfristig geplante Streckung der Seestrasse mit verkehrstechnisch verbesserter Einführung des Sagenrains.
Baubewilligt ist sodann ein Neubau zwischen Seestrasse und Bahnlinie westlich angrenzend an den Parkplatz Weinrebe. Dieser selbst stellt natürlich ebenfalls eine Baulandreserve dar, welche dereinst unter Berücksichtigung der besseren Ausnützung in Gebieten mit guter Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr (= Verdichtung) wertvoll sein könnte. Studien existieren im weiteren für eine zweite Etappe des Geschäftshauses Zweidler ob dem «Jakobshof» in nordwestlicher Richtung.
Gesamtüberbauungsstudien bestehen sodann im Gebiet der Zentrum-Garage. Sie sind bereits bis zu einem positiven behördlichen Vorentscheid vorangetrieben worden. Viele Einzelentscheide spielen dabei zusammen oder bedingen sich gegenseitig. So wurde bei der Planung des Kreisels an der unfallträchtigen Kreuzung der Seestrasse mit Zuger- und Engelstrasse im Zusammenhang mit dem nötigen Landerwerb eine Verlegung der Tankstelle an die Engelstrasse, eine allfällige Aussiedlung des Garagenbetriebs, die Aufhebung der Altpoststrasse und damit eine Gesamtüberbauung unter Einbezug der ehemaligen Liegenschaft Elektro-Brupbacher (Bahnhofstrasse 11) studiert. Der Vorentscheid würde eine eindrückliche Blockrandüberbauung mit eventuell überdachtem Innenhof erlauben. Selbstverständlich ist das Projekt den östlich gelegenen Bauten am Bahnhofplatz angepasst. Weil dem Kanton als Bauherr des Kreisels zurzeit das Geld für dessen Erstellung zu fehlen scheint, wird wohl auch die Realisierung dieses Bauvorhabens auf sich warten lassen.
Ruhig geworden ist es um einen Neubau an städtebaulich sehr wichtiger Stelle: das Dosenbach-Gebäude am Bahnhofplatz. Es ist also nicht nur der Finanzknappheit von Wädenswil zuzuschreiben wenn der heute lediglich provisorisch gestaltete Bahnhofplatz noch einige Zeit bestehen bleiben wird.
Am Zentral wird ein weiterer Neubau geplant. Alle auf dem Bild sichtbaren Gebäude sollen abgebrochen werden. Aufnahme von 1993.
 
Ein weiteres Gebiet an der Grenze der Wädenswiler Kernzone hat einst zu politischen Auseinandersetzungen geführt: das Molkerei-Areal. Auch hier ist die Forderung nach einem Gestaltungsplan erhoben worden. Inzwischen ist ein Neubau für das kleine Dreieck zwischen altem und neuem Rotweg baubewilligt worden. Die Planungsarbeiten für das ungleich grössere Gebiet zwischen Rotweg und Schönenbergstrasse werden − rezessionsbedingt − vorerst nicht beschleunigt. Das vertraute Bild bei «Volkshaus» und «Schmiedstube» wird also wohl noch einige Zeit erhalten bleiben.
Die Tage des zwischen den beiden Rotwegen stehenden ehemaligen Bauernhauses aus dem 18. Jahrhundert sind gezählt. Ansicht von Südosten, 1993.
 
Obige Zusammenstellung, welche keineswegs den Anspruch erhebt, vollständig zu sein, soll zeigen, welch grosses Bauvolumen in Wädenswils Kern noch in den Zeiten der Hochkonjunktur geplant wurde. Es ist bereinigt, baubewilligt und könnte bei wieder verheissungsvolleren wirtschaftlichen Bedingungen jederzeit in Angriff genommen werden. Ein grosses Arbeitsvolumen könnte somit ausgelöst werden. Vertrautes würde verschwinden, Neues entstehen: Nichts ist so stetig wie der dauernde Wandel.




Paul Huggel, Hochbauvorstand