75 Jahre Gemischter Chor Stocken

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1981 von Ernst Hitz
 
Am Abend des 16. Mai 1981 versammelte sich eine grosse Schar ehemaliger Sängerinnen und Sänger auf dem Pausenplatz des zur Feier des Tages reich beflaggten Schulhauses Stocken. Von nah und fern strömten sie herbei, um den 75. Geburtstag des Gemischten Chors zu feiern. Und seine Gründer hätten sich sicher gefreut an dem bunten Gewoge, dem fröhlichen Hin und Her und an dem Lachen und Händeschütteln. Lange hatten sich viele nicht mehr gesehen. Freudiges Wiedererkennen huschte über älter gewordene Antlitze und grüsste aus leuchtenden jungen und alten Augen. Gläser kreisten in der Runde; selbstgebackene Köstlichkeiten lockten zum Zugreifen.
Angeführt von der Vereinsfahne, marschierte oder spazierte dann die Festgemeinde dem Neubüel zu. Im blumengeschmückten Saal begrüsste der Präsident, Ernst Brändli, die vielen Ehemaligen, ganz besonders seine sechs Tanten. Leider durfte die siebte und jüngste, Marti Ruh-Brändli, diesen Tag nicht mehr erleben. Altvertraute Lieder erklangen, und nach dem Nachtessen weckte ein Rückblick in Prosa und Versen, begleitet am Klavier von der unermüdlichen Ida Schär, die dem Verein schon viele Male bei musikalischen Feuerwehrübungen hilfreich zur Seite stand, Erinnerungen an vergangene schöne Zeiten.
Auf der Leinwand erschienen die Gründer des Gesangvereins, die am 1. April 1906 im alten Schulhaus Stocken zusammengekommen waren, um das heutige Geburtstagskind aus der Taufe zu heben. Schnäuzige Jünglinge und Töchter mit hochgesteckten Zöpfen und langen Röcken schauten feierlich auf uns nieder. Nicht mehr alle auf dem Foto konnten mit Namen genannt werden, zu viele Jahre sind seither verflossen. Doch stolz durfte der Präsident verkünden, dass von den ehemaligen Gründungsmitgliedern Heinrich Aeppli, August Hitz und Arnold Staub noch heute Nachkommen aktiv im Verein mitsingen.
Gesangverein Stocken im Gründungsjahr 1906.
 
Gemischter Chor Stocken im Jubiläumsjahr 1981.
 
Seit dem 1. April 1906 gibt es also den Gemischten Chor Stocken. Voll Schwung wurde er damals am Anfang eines neuen Jahrhunderts von jungen Stöcklern gegründet und hat sich seither durch Höhen und Tiefen durchgerungen. Man denke nur an die beiden Weltkriege, während denen der Gesang oft verstummte, weil vor allem die Bässe und Tenöre und dann wieder der Dirigent fehlten.
Am Anfang war der Verein aufgeteilt in einen Männer- und einen Töchterchor, die einzeln und nicht immer zusammen probten. Es wurden daher jährlich 60 bis 70 Gesangsproben abgehalten, und der jeweilige Dirigent marschierte öfters zweimal in der Woche auf den Berg. Diese Chorform behauptete sich bis Mitte der 1920er Jahre. Wohl aus Mangel an einem «gängigen» Dirigenten wurde fortan auf das getrennte Proben verzichtet; dadurch entstand der eigentliche Gemischte Chor Stocken.
Generalversammlungen fanden abwechslungsweise im «Neubüel» und in der «Schönegg» statt. Stets wurden dazu auch die Passivmitglieder eingeladen, und diese erschienen recht zahlreich. Denn anschliessend an den geschäftlichen Teil folgten theatralische Unterhaltungen, die sich bis weit nach Mitternacht hinzogen, und zwischen den verschiedenen Darbietungen wurde wacker getanzt.
Auch die alljährliche Reise nach dem Heuet hatte ihren festen Platz im Vereinsgefüge, und mit lautem Geknalle wurde deren Durchführung frühmorgens allen Reiselustigen verkündet. In den ersten Jahren reiste man noch mit dem Zug, auf Schusters Rappen oder mit Pferdefuhrwerken. Erst im Jahre 1919 anvertraute man sich zum ersten Mal einer Benzinkutsche der Firma Welti-Furrer in Zürich. Eingestiegen wurde noch in der Enge, und von dort ging es in flottem Tempo dem Hallwiler- und Baldeggersee entgegen. Doch nach Hause kamen die Stöckler mit dieser neuesten Errungenschaft der Technik nicht früher als mit den altvertrauten Hafermotoren. Geselligkeit und Verweilen standen eben schon damals hoch im Kurs. Tugenden, die sich bis auf den heutigen Tag in unserem Verein erhalten haben!
Zu erwähnen sind an dieser Stelle auch noch die Geschwister Elise, Aline und Arnold Huber in der Mittleren Chalchtaren. Schon früh verhalfen sie dem Verein durch ihre vielseitigen musikalischen Begabungen zu eigentlichen kulturellen Höhepunkten. Fanden doch alle Jahre im Spätherbst kleine Konzerte im neuen Schulhaus statt, zu deren Durchführung von der Schulpflege einmal eigens neue Bänke angeschafft wurden.
Die jährliche Abendunterhaltung für die Passivmitglieder, die anfänglich anschliessend an die Generalversammlung stattfand, ist längst zu einem selbständigen Anlass geworden und geht heute in der ersten Hälfte des Monats Januar über die Bühne. Dass die Stöckler gut Theater spielen, ist weitherum bekannt. Der Neubüelsaal dürfte ruhig etwas grösser sein, um alle Schaulustigen aufzunehmen.
Einem Sängerverband ist der Gemischte Chor Stocken bis heute nicht beigetreten. Man blieb bescheiden und begehrt, wie die Gründer, keine Lorbeeren zu sammeln an grossen Festen. Dennoch treten die Stöckler hie und da als Gastverein an Sängertreffen auf. Und laut den Kritiken soll es um unser sangliches Können, sehr zu Ehren der tüchtigen Dirigentin Friedel Liniger, nicht so schlecht bestellt sein. So wollen wir hoffen, dass der Gemischte Chor Stocken, dem die moderne Zeit bis heute nichts anhaben konnte, auch in Zukunft gesellige und sangesfreudige Mitglieder findet.




Ernst Hitz