HISTORISCHE GESELLSCHAFT WÄDENSWIL, HGW

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2016 von Mariska Beirne

Seife und Hochschule

Fast alle Tätigkeiten des HGW-Vorstandes hatten im Herbst 2015 in irgendeiner Form mit den Vorbereitungen für die Eröffnung der Kulturgarage und der ersten Veranstaltung darin zu tun. Eine Ausnahme stellte die Einweihung einer kleinen Seifen-Sträuli-Ausstellung im Neubau der ZHAW am 23. September 2015 dar, die sich am ursprünglichen Standort des Seifenherstellers befindet. Objekte wie alte Seifen-Gussformen, Sammelbildchen, die sich in den Waschmittelpackungen befanden, Fotografien und Texte nehmen die Betrachter mit auf eine kleine Zeitreise. Peter Sträuli und die Hochschule hatten zusammen mit der HGW zu diesem Anlass eingeladen. HGW-Vorstandsmitglied Adrian Scherrer hielt einen informativen Vortrag über die Geschichte des Seifen-Unternehmens im Kontext der Wädenswiler Industriegeschichte, anschliessend konnten die Gebäude besichtigt werden.
Seifenfabrik Sträuli an der Einsiedlerstrasse.
Als kleines Geschenk auf den Heimweg erhielt jeder Gast ein Stück türkisfarbener Fenjal-Duschseife an einer Kordel, die durch Aussehen und Geruch wohl bei manchem nostalgische Gefühle auslöste.

Die Kulturgarage wird eröffnet

Mit dem Ende der Bauarbeiten im November 2015 lud der Trägerverein Kulturgarage die Öffentlichkeit zur Begehung der neuen Räumlichkeiten ein. Der Tag der offenen Türen, an dem auch die neuen Studentenstudios im angrenzenden Gebäude angeschaut werden konnten, stiess auf breites Interesse. Fredy Fischli, Präsident des Trägervereins Kulturgarage, das 2m-Architekten-Team Corinne und Stefan Müller sowie Peter Weber und Mariska Beirne, die beiden Vertreter des Volkstheaters Wädenswil (VtW) und der HGW, hielten über den Tag verteilt kurze Vorträge und erzählten über die Entstehung der Kulturgarage, ihre baulichen Besonderheiten und die zukünftige Nutzung des Raumes. Dazwischen spielte zur Auflockerung die Gypsy-Swing-Band «The Hot Club of Wädenswil».

Geheimnisse hinter gezogenen Vorhängen

In den letzten Wochen des Jahres arbeiteten die Mitglieder der beiden Vereine HGW und VtW, die beiden Hauptmieter der Kulturgarage, auf Hochtouren an den Vorbereitungen für ihre geplante Co-Produktion «Wädenswil 1916 – eine Inszenierung». Theater und historische Ausstellung wurden in diesem Konzept miteinander verschmolzen. Bereits im Sommer hatten Mariska Beirne (Kuratorin) und Christian Winkler (Historische Recherche) viele Stunden im Archiv zugebracht und 13 Protagonisten aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ausgewählt, die Wädenswil vor hundert Jahren geprägt hatten. Ihre Resultate leiteten sie an die Autorin und Regisseurin Esther Huss weiter, welche aus diesen Informationen acht unterhaltsame Spielszenen schrieb. Wer Ende November an der Kulturgarage vorbeispazierte, sah die Schauspieler des Volkstheaters unter ihrer Leitung proben. Wie sich die Kulturgarage aber vor Weihnachten immer mehr zu füllen begann, wurden die Rollos und die Vorhänge geschlossen, um das Geheimnis von Bühne und Ausstellung zu wahren. Unterstützt von vielen freiwilligen Helfern ging das Hämmern, Sägen und Streichen weiter bis ins neue Jahr, Vitrinen, Stühle, Tische und Ausstellungsobjekte wurden hineingetragen und mehr und mehr verwandelte sich die Kulturgarage von einem modernen Ausstellungsraum in eine Beiz um 1916.
Fenjal, ein Produkt der Seifenfabrik Sträuli.
Mit dem Grafiker Ueli Schuwey wurden die Ausstellungstafeln ein letztes Mal korrigiert, Leihgaben wurden angeliefert und die Schauspieler waren inzwischen in die Kostüme aus dem reichen Fundus von Esther Huss geschlüpft, die grösstenteils tatsächlich aus den 1910er-Jahren stammten.

«Wädenswil 1916 – eine Inszenierung»

Ziemlich genau zehn Monate nach der ersten gemeinsamen Sitzung zwischen HGW und VtW, am 15. Januar 2016, trafen die ersten geladenen Gäste in der Kulturgarage ein und zum ersten Mal hiess es: «Herzlich Willkommen in Wädenswil im Jahr 1916, was Sie heute hier sehen, ist weder Theater noch Ausstellung, sondern eine Mischung aus beidem.» Konkret bedeutete dies, dass jede der 32 Veranstaltungen mit einer der folgenden acht Spielszenen eröffnet wurde:
Nr. 1 Ein Vorkriegsbier für den Schiffli-Gattiker
Nr. 2 Die Baronin – eine Mörderin?
Nr. 3 Nacktbaden am Wädenswiler Berg
Nr. 4 Eine Bank gegen die persönliche Gewinnsucht
Nr. 5 Mit oder ohne Alkohol?
Nr. 6 Ein Hut verrät viel
Nr. 7 Walzer und eine Wette in der Kirche
Nr. 8 Stramme Turner und Liebe durchs Telefon
 
Insgesamt 1324 Besucher zog es von Januar bis April in die Kulturgarage, und nicht wenige hatten eine «Mehr-Szenen-Karte» gelöst. Einige Stammgäste schafften es, alle acht Szenen zu sehen. Am meisten Zuschauer zog jeweils die Szene 3 an. Ob es an der beliebten Spielzeit am Sonntagnachmittag, an den zwei mitwirkenden Kindern, der interessanten Protagonistin Gisela Lucci-Purtscher oder am Wort «Nacktbaden» im Titel lag, bleibt offen. Nach jeder Spielszene bot sich den Besuchern, die im Zuschauerraum an alten Beizentischen auf den Stühlen der Glärnischhalle von 1909 sassen, die Gelegenheit, anhand der 13 Ausstellungsstationen weiter ins Jahr 1916 einzutauchen oder in der Beiz sitzenzubleiben und die Stimmung auf sich wirken zu lassen. Die Inhalte des Ausstellungsteils finden sich in dieser Jahrbuchausgabe unter dem Titel: «Wädenswil 1916 – eine Zeitreise». Die Reaktion von Presse und Besuchern fiel während der gesamten Veranstaltungszeit erfreulich positiv aus und die HGW kann zusammen mit dem VtW auf einen geglückten Einstand in den neuen Räumlichkeiten zurückblicken.
Ausstellung Wädenswil 1916 in der Kulturgarage.

«Spenden, stiften, schenken. Macht Geben glücklich?»

Inzwischen arbeitet der HGW-Vorstand an der kommenden Ausstellung, die im Januar 2017 in der Kulturgarage eröffnet wird: «Spenden, stiften, schenken. Macht Geben glücklich? Vom Geldgeben und Geldsammeln in Wädenswil früher und heute.» Viele uns vertraute Wädenswiler Institutionen entstanden, weil sich eine Gruppe von Bewohnern und Bewohnerinnen aus privater Initiative zusammenfand, Geld sammelte, wenn nötig eine Trägerschaft gründete und die Idee schliesslich umsetzte. So beispielsweise beim Bau der Reformierten Kirche, der Kinderkrippe, der Eisbahn, Weihnachtsbeleuchtung, Gasversorgung oder dem Spital. Jedes dieser Projekte und viele mehr erzählen die Geschichten ihrer Epochen und einige davon überdauerten die Zeit und prägen Wädenswil bis heute. Uns interessieren die verschiedenen Arten, wie Geld gesammelt wurde, von der Almosenbüchse über den Wohltätigkeitsbazar bis hin zum professionellen Fundraising oder Crowdfunding von heute. Wir möchten zudem etwas über die Motivation der Geldgeber erfahren. Warum geben Menschen Zeit und Geld für gemeinnützige Projekte? Für die Beantwortung solcher Fragen sollen auch Experten aus der Verhaltensökonomie und der Glücksforschung zu Wort kommen. Die Themen werden wir wie gewohnt anhand von Objekten aus dem historischen Fundus der Stadt Wädenswil sowie mit vielen Bildern und kurzen Texten anschaulich darstellen. Wir freuen uns darauf, wieder viele Wädenswilerinnen und Wädenswiler in der Kulturgarage begrüssen zu dürfen!
Aufführung des Volkstheaters Wädenswil. Szene 5: Mit oder ohne Alkohol?




Mariska Beirne
Präsidentin Historische Gesellschaft Wädenswil