Felix Schudel 40 Jahre Dirigent des Kammerorchesters Wädenswil

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2016 von Markus Kellerhals
 
Der in Wädenswil aufgewachsene und wohnhafte Felix Schudel übernahm Ende August 1976 die musikalische Leitung des Kammerorchesters Wädenswil (KOW). Als vielseitig ausgebildetem Orchestermusiker (Geige, Gesang, Schulmusik; er unterrichtete fast 30 Jahre lang Musik an der Kantonsschule Küsnacht) gelang es ihm, eine erfolgreiche Orchester- und Konzertarbeit aufzubauen. Schudel bringt die nötige Ausdauer, Geduld und hohe Kompetenz mit, um mit einem Laienorchester beachtliche Erfolge zu erzielen. Seine Tätigkeit ist geprägt durch Neugier, Risikobereitschaft und Konsequenz. Er reitet nicht ausschliesslich auf einer Welle der eingängigen Klassik-Ohrwürmer, sondern fordert das Orchester und das Publikum mit eingestreuten unbekannten oder neueren Kompositionen. Vereinzelt vergibt das Orchester auch Kompositionsaufträge, wie dieses Jahr zum 40. Dirigierjubiläum eine Auftragskomposition an den Zürcher Musiker und Komponisten Samuel Langmeier, dessen Werk «Die vier Elemente» am 11. Dezember 2016 im Rahmen des Jubiläumskonzertes vom KOW unter Felix Schudel uraufgeführt wird. Schudel gelingt es, hochkarätige, darunter junge, manchmal auch ihm selbst noch unbekannte Solistinnen und Solisten zu engagieren. Diese bringen öfters eigene Werkvorschläge ein. Immer wieder neue Herausforderungen anzunehmen, das Orchester zu begeistern und seriöse Aufbauarbeit hin zu den Konzerten und Auftritten zu leisten, ist sein Credo.
Ab 1992 führt Felix Schudel die Sommerkonzerte des Kammerorchesters Wädenswil im Hof oder im Innern des Schlosses in der Hinteren Au auf.

Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte waren die Musikwochen im Gwatt-Zentrum am Thunersee. Alle 1½ Jahre wurden diese von Mitgliedern des KOW gemeinsam mit dem Kirchen- und Oratorienchor durchgeführt, den Schudel ebenfalls seit langen Jahren erfolgreich leitet. Die intensive, tägliche musikalische Werkstattarbeit ermöglichte es, den üblichen wöchentlichen Orchesterbetrieb in ein völlig anderes Umfeld zu stellen. Das Orchesterspiel in neuer Zusammensetzung, auch mit externen Musikern, die täglich mehrstündige Probenarbeit und individuelles Üben sowie intensive soziale Kontakte ergaben hoch konzentrierte Tagesabläufe. Immer waren auch Familienmitglieder und Kinder mit von der Partie, sodass der musikalische Nachwuchs angeregt und gefördert wurde. Den Abschluss der Gwatt-Musikwochen bildete jeweils ein Konzert in Thun und normalerweise eine Woche später in der reformierten Kirche in Wädenswil. Aufgrund der zunehmenden Schwierigkeit, genügend Mitwirkende speziell in einzelnen Stimmen des Orchesters zu finden, wurde die Serie der Gwatt-Musikwochen im Jahr 2010 beendet.
Felix Schudel ist die Pflege der Kirchenmusik ein wichtiges Anliegen. Das Kammerorchester Wädenswil wirkt regelmässig an Gottesdiensten der reformierten Kirche mit, allein oder gemeinsam mit dem Kirchen- und Oratorienchor. Werke von Johann Sebastian Bach spielen dabei eine wichtige Rolle, doch das Spektrum ist breit. Die Aufführungsorte der Konzerte des Kammerorchesters in Wädenswil sind die reformierte Kirche, speziell für die Weihnachts- bzw. Adventskonzerte, und das Schloss Au für die Sommerkonzerte. Beide Konzerträume ermöglichen es Schudel, abgestimmt auf die akustischen Verhältnisse besondere Konzertprogramme zu realisieren. In früheren Zeiten wurden die Au-Konzerte auch im Freien aufgeführt. Ein bezauberndes Ambiente, dennoch führte die zunehmende Geräuschkulisse im Freien (Bahn etc.) zum Entschluss des Dirigenten, die Konzerte dem Klangbild zuliebe auf den Innenraum des Schlosses zu konzentrieren. Bevor das Schloss Au im Jahr 1992 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, konzertierte das Orchester jeweils im Simongut in der Vorderen Au im Freien und bei schlechtem Wetter in der Kapelle der ETG. Unvergesslich der Stromausfall beim Jubiläumskonzert 1987 in der Vorderen Au auf einem speziellen Podium, wo die Konzertbesucher den Blick über das Orchester auf den See schweifen lassen konnten. Mitten in Händels «Wassermusik» fiel der Strom aus, die Pultlämpchen erloschen und das Orchester verstummte notgedrungen nach wenigen Takten. Nach einigen Minuten Unterbruch war das Problem behoben und das Konzert ging weiter. Auch die Stechmücken und Falter forderten dem Orchester alles ab, manchmal wurde ein totes Exemplar in den Noten archiviert. Gelegentlich und speziell für Klavierkonzerte wird auch die Kulturhalle Glärnisch für Konzerte genutzt.
Dirigent Felix Schudel, 2015.

Felix Schudel mit Musikerinnen des Kammerorchesters Wädenswil im Dezember 2015.

Am Jubiläumskonzert 1987 in der Vorderen Au.

Dass der Einsatz von Schudel mit dem KOW nicht immer auf gleich grosses Publikumsinteresse stiess, betrachtet er als Herausforderung und Zeiterscheinung. Das Orchester muss sich in einem zunehmend kompetitiven Umfeld behaupten, wo ähnliche Grundsätze gelten wie in der Wirtschaft. Dies gelingt nicht zuletzt dank einem treuen Stammpublikum. Gegenwärtig ist der Publikumsaufmarsch erfreulich. Typisch für Schudel ist sein Werbeeinsatz für die Konzerte, legendär sein mit Konzertplakaten bestücktes Auto, natürlich nur in parkiertem Zustand.
Über das «Laienmusizieren heute» hat sich Felix Schudel an der Generalversammlung des Orchesters vom 10. April 2015 Gedanken gemacht. Er bezeichnet es als Spannungsfeld mit vier Ecken:
- Erwartungsdruck des Publikums. Die Ohren des Publikums sind auf hohes Niveau getrimmt.
- Zusammenarbeit mit professionellen Solisten und Zuzügern ist nur erspriesslich, wenn diese ein Grundniveau feststellen, welches sie animiert, sich mit ihrem Können einzubringen.
- Anforderungen der Werke: Jede Musik ist in ihrer Art anspruchsvoll, soll sie ins Publikum hinübergelangen.
- Der unterschiedliche technische Stand der verschiedenen Akteure in einem Laienorchester ist für die Zielsetzung bzw. für den Dirigenten eine riesige Herausforderung.
Felix Schudel im Jahr 2001.

Felix Schudel am Au-Konzert 2014.

Schudel weiter: «Überblickt man nach dieser Analyse des Spannungsfeldes die sich zeigenden Rahmenbedingungen, erkennt man, dass sich ein Orchester wie das KOW eigentlich in hartem Gegenwind befindet. Der Schlüssel könnte aber im Wort Amateur liegen. Amare heisst ja ‚lieben‘. Die Orchestermitglieder lieben das musikalische Tun an den Proben, beim Üben zuhause, an den Konzerten. Diese Fähigkeit trägt bei zu einer positiven und emotionalen Gesamtwirkung, sie hilft mit zur Kreation von Ambiance, Atmosphäre, erzeugt Ausstrahlung. So macht es Freude, etwas Gutes entstehen zu sehen und als Gärtner im hortus musicus, dem musikalischen Garten, zu wirken.»
Bezeichnend für Schudel ist seine ausserordentliche mentale und physische Präsenz bei der Probenarbeit und in den Konzerten. Er leitet alle Proben selber, nimmt kritische Passagen und einzelne Stimmen genau unter die Lupe, um dann eine Gesamtwirkung des Werkes auf höherem Niveau zu erhalten oder zumindest zu hoffen, dass sich diese bei einer nachfolgenden Probe und im Konzert entsprechend einstellt. Er vermittelt Begeisterung und Einsatz, ist aber nicht verbissen und hat den nötigen Humor. Zumindest äusserlich bewahrt Schudel auch Ruhe bei Konzerten. Reisst einer mitspielenden Person noch bei Konzertbeginn eine Saite, hilft er seelenruhig diese zu ersetzen. Er ist sich auch nicht zu schade, Instrumente herumzuschleppen, Ständer aufzustellen oder wegzuräumen und anzupacken, wo es nötig ist. Schudel geniesst aber auch die Feier nach einem Konzert, die Gemeinschaft sowie bildende Ausflüge, welche das Orchester jährlich durchführt. Er ist ein offener und guter Zuhörer mit Blick fürs Detail, aber auch fürs Ganze. Mit Felix Schudel hat Wädenswil einen Musiker und Dirigenten, der mit herausragendem Engagement, mit Begeisterung, Professionalität und Ausdauer das kulturelle Leben in der unweit der Kulturmetropole Zürich gelegenen Stadt Wädenswil in der Sparte der klassischen Musik bereichert. Wir danken ihm für seinen grossen Einsatz im hortus musicus wadenswilensis.



Markus Kellerhals


Das Kammerorchester Wädenswil unter der Leitung von Felix Schudel beim Adventskonzert 2015 in der reformierten Kirche Wädenswil mit der Solistin Bridget Greason-Sharp.