ISABEL SCHALTENBRAND-STRÄULI (1922–2013)

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2014 von Peter Weiss
 

Ein Leben im Dienst der Öffentlichkeit

Isabel Schaltenbrand-Sträuli wurde ihren Eltern Louis und Margrit Sträuli-Dietliker am 5. März 1922 in Malaga geschenkt. Ihr Vater, Dr. chem. der ETH Zürich, leitete dort eine Ölraffinerie. Isabels Grossvater mütterlicherseits war der bekannte und erfolgreiche Wädenswiler Baumeister Alfred Dietliker-Holzach, der Grossvater väterlicherseits Carl Sträuli-Hausamann, der der Seifenfabrik Sträuli in dritter Generation vorstand und während 18 Jahren der Kirchenpflege Wädenswil diente, wovon sechs Jahre als Präsident.
An Weihnachten 1922 kehrte Louis Sträuli, genannt «Loulou», mit seiner Gattin und Isabel auf dringenden Wunsch seines Vaters nach Wädenswil zurück und übernahm in vierter Generation die Leitung der Firma.

JUGENDZEIT

Isabel wuchs in der «Schwanau», dem Türmlihaus zwischen Bahn und Seestrasse, zusammen mit ihrem um drei Jahre jüngeren Bruder Fred auf. Sie war ein überaus aufgewecktes und lebhaftes Kind und erlebte eine abwechslungsreiche und heitere Jugendzeit. «Ich bi käni gsii für Laggschüeli und Sideröckli». Mit den andern Kindern des Quartiers auf der Florhofstrasse vor der Kanzlei Fussball spielen oder zuoberst aufs Dach des grossväterlichen Baumagazins zu klettern, gefiel ihr. «Ich bin es Verussechind gsii und ha miini Jugend voll ggnosse.» Ein starkes Selbstvertrauen war ihr eigen und meist konnte sie sich durchsetzen und erreichen, was sie wollte. Als sich ihre Mutter beim Hausarzt Doktor Felix einmal über den Wirbelwind Isabel beschwerte, sagte er ihr: «Schicked si dä Goof nu id Schuel, dä mues öppis ztue haa. Es besseret dä vor em sälber.» So wurde Isabel knapp sechsjährig eingeschult. Die Unterstufe besuchte sie im neuen Eidmattschulhaus bei Vater Oskar Schudel, den sie sehr verehrte, die 4. bis 6. Klasse im Glärnischschulhaus bei Karl Müller, genannt «Spatzekarli».
Als die Eltern beschlossen, 1933 an die Schlossbergstrasse umzuziehen, war Isabel gar nicht erfreut. Vater: «Weisch, du häsch dänn deet en schööne Gaarte.» Isabel: «Ich wott e kän Gaarte, ich bi lieber uf der Gass!»
Neben der Schule trieb Isabel viel Sport und erhielt Klavierunterricht bei Heinrich Funk, Organist und Chorleiter in Wädenswil, und bei Volker Andreae am Konservatorium in Zürich. Ihr Vater spielte im Orchesterverein Wädenswil Geige und musizierte oft zusammen mit seiner Tochter. Durch Konzert- und Theaterbesuche wie durch verschiedene Reisen wurde in Isabel früh der Sinn für Stil und Kultur geweckt. Auch sang sie begeistert im Kirchenchor Wädenswil mit.
Vertraut geworden mit dem christlichen Glauben im Elternhaus, der Sonntagschule und im kirchlichen Unterricht wurde Isabel am Palmsonntag 1938 in der Kirche Wädenswil von Pfarrer Karl Otto Hürlimann konfirmiert und erhielt als Spruch: «Selig sind, die Frieden stiften, – sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.» (Matthäus 5,9)
Kirchengesangsverein Wädenswil am 75-Jahr-Jubiläum, 1963. Isabel Schaltenbrand zwischen dritter und vierter Sängerin der ersten Reihe von rechts.
 

HANDELSSCHULE UND STUDIUM DER WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN

Nach drei Jahren Sekundarschule trat Isabel Sträuli in die Handelsschule Abteilung II der Töchterschule der Stadt Zürich ein, die sie im Frühjahr 1941 mit der Matura abschloss. Sie war überaus begabt in den Sprachfächern und in der Mathematik und interessierte sich als Unternehmers-Tochter besonders für Fragen der Wirtschaft, des Rechts und der Buchführung. Sie verliebte sich in ihren Lehrer, der Wirtschaft unterrichtete, und als sie 20-jährig war, verlobte sie sich mit ihm. «Er isch en überuus gschiide und scharmante Maa gsii. Vo imm han ich unglaublich vil gleert.» Sie war in dieser Zeit sehr glücklich und ihr Wunsch, Mittelschullehrerin für Wirtschaftsfächer zu werden, erhielt neuen Auftrieb. So begann sie ein Wirtschaftsstudium an der Universität Zürich.Mit der Zeit aber spürte sie, dass die Liebesbeziehung ihr doch nicht entsprach – war ihr Verlobter doch auch fünfzehn Jahre älter als sie – und löste das Verlöbnis auf.
Um etwas Distanz zu gewinnen, zog sie nach einem Semester in Zürich nach Genf, wo sie in der Bank Lombard ein Praktikum auf der Vermögensverwaltung absolvierte. Die Stadt wie auch die welsche Lebensart sagten ihr sehr zu. Es sei eine lustige Zeit gewesen.
1943 begann Isabel ihr Studium für Wirtschaftsfächer an der Handelshochschule St. Gallen. Dort lernte sie Hans Schaltenbrand, einen gütigen, offenen und frohmütigen Mitstudenten kennen. Die beiden genossen das heitere Studentenleben, fanden Freunde fürs Leben und gewannen einander lieb. 1946 schlossen beide miteinander ihr Studium mit dem Lizenziat in Wirtschaftswissenschaften ab.
 
Isabel und Hans Schaltenbrand an einem Fest der akademischen Verbindung «Amicitia San Gallensis».

ZURÜCK IN WÄDENSWIL

Isabels Mutter engagierte sich sehr in sozialer Hinsicht, vor allem bei der Verteilung und Betreuung der 60 Kriegskinder, die 1944 in Wädenswil aus Belfort eintrafen und von Wädenswiler Familien aufgenommen wurden, auch war sie Präsidentin des Frauenvereins Wädenswil. Das Vorbild ihrer Mutter trug viel zu Isabels Verständnis für sozial Schwache und Notleidende bei und förderte ihre Bereitschaft zu tätiger Hilfe.
Da ihre Mutter an Nierenkrebs erkrankte, kehrte Isabel nach Studienabschluss nach Wädenswil zurück und widmete sich der Betreuung und Pflege der schwer Leidenden.
Sie übernahm in dieser Zeit nur Vikariatsstellen. Im Frühling 1951 starb die Mutter, sagte aber vor ihrem Tod noch: «Soo, jetzt hürated er, er händ jetzt gnueg Opfer praacht.» So feierten Hans und Isabel Schaltenbrand-Sträuli am 25. April 1951 in der Kirche Schönenberg Hochzeit.
Sie zogen nach Olten, wo Hans die Direktion der Hefefabriken übernahm, kehrten aber jedes Wochenende nach Wädenswil zurück.
Im Juni 1959 bezogen sie ihr von Architekt Max G. Sütterlin, der zur selben Zeit den Landgasthof Halbinsel Au erstellte, erbautes Haus im oberen Leihof, einen grosszügigen Bau von klassischer Schönheit im Zürcher Landhausstil mit wundervoller Sicht über Dorf und See, und nahmen Vater Louis zu sich auf, der ihnen im Jahre 1962 durch einen Hirnschlag entrissen wurde.
 
Haus Schaltenbrand, Speerstrasse 54.

WUNSCH NACH EIGENEN KINDERN

Gerne hätten Hans und Isabel Schaltenbrand eigene Kinder gehabt. Sechs Knaben waren Isabels Wunsch gewesen. Sie kündigte ihre Stelle, um Mutter werden zu können.
Doch als Folge einer eingekapselten Tuberkulose stellte man auf dem Röntgenbild einen Eileiterverschluss fest, der allerdings operativ geöffnet werden konnte. Doch Monate später überfielen Isabel heftige Krämpfe und Bauchschmerzen. Die Ärzte diagnostizierten eine Eileiterschwangerschaft, die man operativ entfernen musste. Drei Wochen lag Isabel in der Klinik Hirslanden und man eröffnete ihr, sie werde keine Kinder mehr haben können.
Das war ein unglaublicher Schock für sie und ihren Gatten. Mehrere Tage konnte sie keine Nahrung mehr zu sich nehmen und ihr Zustand gab Anlass zu äusserster Besorgnis.
Da stellte sich eines Tages Dr. Glatthaar vor sie hin und sagte: «Soo, jetzt wird ggässe! Säged si mir, was si wänd und ich laa das augeblickli us der Chuchi la choo.» Da sagte Isabel: «Bündnerfleisch, Brot und Anke und es Glaas Burgunder.» Dr. Glatthaar blieb bei ihr, bis sie fertig gegessen hatte. Von diesem Zeitpunkt an ging es wieder aufwärts.
Mit den beiden Töchtern Ruth und Käthi Rhyner aus Schönenberg sind junge Menschen zu Hans und Isabel Schaltenbrand gestossen, die sie ins Leben hinein begleiten und denen sie in reichem Masse ihre elterliche Liebe und Fürsorge zuwenden konnten. So entstanden beglückende familiäre Beziehungen, die sich, als sich die beiden jungen Frauen verheirateten und eigene Kinder hatten, noch vertieften.
Isabel Schaltenbrand mit den beiden Töchtern Käthi und Ruth Rhyner aus Schönenberg, 1970.

LEHRERIN FÜR WIRTSCHAFTSFÄCHER

1947 wurde Isabel Schaltenbrand, nachdem sie schon als 21-Jährige wegen Militärdienst-Abwesenheit der ordentlichen Lehrer Vikariate übernommen hatte, als Lehrerin für Wirtschaftsfächer an die Kantonsschule Hottingen berufen und 1959 zur Hauptlehrerin mit Teilpensum gewählt. Diese Tätigkeit, die sie bis zu ihrer Pensionierung 1984 ausübte, erfüllte sie mit grosser Freude und Genugtuung, verstand sie es doch, komplizierte Sachverhalte klar und verständlich darzustellen und ihre Schülerinnen durch ihr zugängliches, gradliniges Wesen zu gewinnen. Viele ihrer damaligen Schülerinnen waren mit ihr zeitlebens freundschaftlich verbunden.
Zu ihrem 80. Geburtstag schrieb Donatella Casetti, ihre ehemalige Schülerin und spätere Kollegin, Folgendes in die Zeitschrift «Schule + Leben» der Kantonsschule Hottingen:
«Wisst ihr noch, wie Frau Schaltenbrand, die wir unter uns liebevoll Isabel nannten, unzufrieden war, wenn wir nur eine 4,5 hatten, d.h. nicht richtig gut, aber auch nicht richtig schlecht waren? Und wenn wir einmal so richtig gut waren, sie uns sofort ermahnte: „Jetzt nur nicht nachlassen!“
Wisst ihr noch, wie sie uns innert kürzester Zeit in kaufmännischem Rechnen auf ein annehmbares Niveau brachte, nachdem der vorherige Lehrer dies zwei Jahre lang versäumt hatte?
Wisst ihr noch, wie die Buchungssätze für die meisten plötzlich klar waren?
Erinnert ihr euch noch an die berühmten Schaltenbrandschen Worte: „Lochen und einreihen“?
Klassenlehrerin Isabel Schaltenbrand mit ihrer Klasse 3c, 1964. Stehend von links: Marianne Isler und Denise Landolt (später Gattin des Zürcher Stadtpräsidenten Dr. Thomas Wagner) und sitzend, Zweite von links: Donatella Casetti, die mit ihr zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb.

Wisst ihr noch, wie viele gute praktische Ratschläge sie uns auf den Lebensweg gab, wie z.B. „Hüten Sie sich vor Neid im Büro!“
Wisst ihr noch, wie grosszügig sie uns bei sich zu Hause empfangen hat nach einem unvergesslichen Marsch über den zugefrorenen Zürichsee?
Frau Schaltenbrand war für uns der Inbegriff der tüchtigen Frau, in der Schule, zu Hause, überall. Sie verstrickte sich nie in grosse Theorien und verlor nie den Bezug zur Praxis. Sie stand mit beiden Füssen im Leben.
Und sie hatte auch Verständnis für diejenigen Schülerinnen, die trotz ihren klaren Erklärungen die Buchhaltung nicht verstehen wollten. Wir sind uns heute alle einig: Sie war eine ausgezeichnete Lehrerin.
Später habe ich sie im Lehrerzimmer der Kantonsschule Hottingen wieder getroffen. Auch hier sorgte sie, ohne viel Aufhebens zu machen, nur mit der einfachen Bemerkung: „Macht doch kä Gattig!“ für Ordnung und Sauberkeit. Frau Schaltenbrand, wenn Sie die Kaffee-Ecke heute sähen, würden Sie merken, wie sehr Sie hier fehlen!»
Dieser überaus träfen Schilderung habe ich nichts mehr beizufügen. Sie zeigt, was für ein guter Stern über Isabels Wirken als Lehrerin gestanden hat.
 

EHRENAMTLICHE TÄTIGKEITEN

Neben ihrem Beruf setzte sich Isabel Schaltenbrand ehrenamtlich für gemeinnützige Aufgaben ein. Von 1959 bis 1976 führte sie als umsichtige und engagierte Präsidentin den Frauenverein Wädenswil, der sie anlässlich ihres Rücktritts zur Ehrenpräsidentin ernannte. Besondere Erwähnung verdient, wie sie Kontakte zu den andern Frauenvereinen knüpfte und – nach Einführung des Frauenstimmrechts – Kurse für die staatsbürgerliche Weiterbildung der Frauen organisierte, die auf grosses Interesse stiessen. Für diese Kurse hat Bundesrat Dr. Hans Streuli dem Frauenverein ein Legat von 10‘000 Franken gestiftet. Auch die Verantwortung für die Jubiläumsfeier zum 75-jährigen Bestehen des Vereins im Jahre 1975 lag in ihren Händen.
Mit der ihr eigenen Hingabe diente sie ebenso dem Krankenpflegeverein Wädenswil. 1964 in den Vorstand berufen, wurde sie 1983 zur Präsidentin gewählt. Grossen Einsatz erforderte der stetige Ausbau der Gemeindekrankenpflege und die von ihr initiierte Zusammenführung von Kranken- und Hauspflege in einem gemeinsamen Spitex-Zentrum im Haus «Zur Gerbe» mitten in Wädenswil, die kurz vor ihrem Rücktritt im Frühjahr 1997 erfolgreich vollzogen werden konnte.
Als Vorstandsmitglied, Protokollführerin und Mitglied der Baukommission des Asylvereins wirkte sie in den Jahren 1981 bis 1994 massgeblich am vollständigen Umbau des Alterszentrums Fuhr mit.

MITGLIED DER KIRCHENPFLEGE

Dank der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen durch das neue Kirchengesetz 1963 konnten 1966 erstmals drei Frauen in eine Wädenswiler Behörde gewählt werden. Zu ihnen gehörte Isabel Schaltenbrand, die während acht Jahren das Aktuariat der reformierten Kirchenpflege versah, die gesamte Korrespondenz zu Hause in ihre Schreibmaschine tippte, tatkräftig die Jubiläumsfeierlichkeiten «200 Jahre Kirche Wädenswil» im Jahre 1967 vorbereiten half, ein Kirchensekretariat einrichtete und bei zwei Pfarrwahlen mitwirkte. Ihrer Initiative ist auch zu verdanken, dass in den Weihnachtsgottesdiensten die Kirche mit einem Christbaum geschmückt werden durfte und dass bei sonntäglichen Gottesdiensten ein Blumenstrauss den Taufstein ziert.
In den Jahren 1990 bis 1998 wirkte sie zudem als Stiftungsratspräsidentin des Kirchgemeindehauses Rosenmatt, das einer aufwändigen Innenrenovation unterzogen werden musste. Sowohl ihr Verhandlungsgeschick mit der Denkmalpflege wie auch ihre bauliche Erfahrung und Stilsicherheit führten zu einem gelungenen Ergebnis.
 
«Zweihundert Jahre Kirche Wädenswil». Mit Hilde Christoffel als Verkäuferin am Bazar, 30. Juni/1. Juli 1967.

ALS STADTRÄTIN VORSTEHERIN DER ABTEILUNG «SOZIALES»

1974 wurde Isabel Schaltenbrand in den Stadtrat gewählt, wo sie die Verantwortung für das Sozialamt übernahm. Die starke Zunahme der Arbeitslosen infolge der einsetzenden Krise bedeutete eine besondere Herausforderung. Vormundschaftliche Aufgaben, Schutzmassnahmen für einzelne Kinder wie ganze Familien, Gespräche mit Ratsuchenden und Unterstützungsbedürftigen erforderten ein einfühlsames Verstehen, aber auch Entscheide, die – durch rechtliche Bestimmungen eingeengt – nicht immer zugunsten des Herzens getroffen werden konnten. Über ihre Tätigkeit im Sozialamt sagte sie einmal in einem Interview: «Zusammenfassend kann ich feststellen, dass man im Sozialamt nicht nur andern helfen kann, sondern für sein eigenes Leben sehr viel Wertvolles erfährt. Praktisch jeden Tag wird man mit der zentralen Lebensfrage konfrontiert: „Wie lerne ich Schicksal annehmen?“»

STADTRÄTIN FÜR DAS RESSORT «SCHULE UND JUGEND»

Nach ihrer Wiederwahl 1978 übernahm sie auf Bitten verschiedener Parteien das Ressort «Schule und Jugend». Rasch arbeitete sie sich in den neuen Aufgabenkreis ein und führte das Schul- und Jugendamt während zwölf Jahren kompetent und klug. Vor allem zahlreiche Bauten und Renovationen galt es an die Hand zu nehmen: Anbau des Schulhauses Ort, Neubau des Primarschultraktes Steinacher II, Erneuerung zweier Kindergärten und zuletzt die umfassende Renovation der Kulturhalle Glärnisch. Ihr vorbildliches Pflichtbewusstsein, ihre menschliche Zuverlässigkeit und ihr vermittelndes Wesen verschafften ihr bei der Lehrerschaft nicht nur Achtung, sondern eigentliche Sympathie. Interessiert kümmerte sie sich auch um die Musikschule, das Jugendzentrum, die Freizeitanlage und um die Geschicke des Kinderheims Bühl, in dessen Baukommission sie mitarbeitete.
Stadtrat Wädenswil 1986:
Vordere Reihe von links: Hans Schulthess, Trudi Rota, Walter Höhn (Stadtpräsident), Isabel Schaltenbrand, Abri Bislin, Hintere Reihe von links: Jakob Hauser (Stellvertreter des Stadtschreibers), Paul Huggel, Ernst Hitz, Hans Ruedi Maurer (Stadtschreiber) Bruno Lang, Bruno Ern, Jakob Züblin (Stellvertreter des Stadtschreibers).
 
Sie hat sich ihre Entscheide jeweils gut überlegt und auch andere Meinungen mit einbezogen. «S Organisazionstalänt han ich vo miinere Mueter, di vermittelndi Art vo miim Vatter geerbt.» Oft ergriff sie die Initiative, konnte aber auch delegieren. «Ich ha lieber ghaa, wenn öppis gloffe isch i der Politik weder wänns e so lauwarm zue und her ggange isch.» «Ich han au fürs Läbe gern poue, warschiinli es Erb vo miim Grosvatter müeterlichersiits.» Eine stehende Wendung im Stadtrat habe gelautet: «Isabel, chunnsch scho wider mit eme Bou?»
Johannes Zollinger, der Isabel Schaltenbrand als Schulpfleger erlebt hat und ihr übernächster Nachfolger im Schulamt wurde, schreibt: «Isabel Schaltenbrand konnte mit hartnäckigem Charme ihre Ziele verfolgen. Sie verstand es sehr gut, ihre Vorstellungen so zu formulieren, dass jeder/jede, der zuhörte, am Schluss überzeugt war, das sei jetzt seine Idee. Sie war eine hervorragende Motivatorin mit aussergewöhnlichen Führungsqualitäten.»
Schulbesuch im Kindergarten Stocken, 1990.
Als Abschiedsgeschenk erhält Isabel Schaltenbrand im März 1990 aus den Händen von Johannes Zollinger ein Bild der Glärnischhalle.

WEITVERZWEIGTES BEZIEHUNGSNETZ

Trotz der enormen Spannweite ihres Wirkens pflegte sie zusammen mit ihrem Gatten Hans, der als Präsident des Spitals Wädenswil wie des Tennisclubs sich ebenfalls für die Anliegen der Gemeinschaft einsetzte und Mitglied des Rotary- und eines Kegelklubs war, einen weit verzweigten Freundeskreis.
Isabel war eine charmante Gastgeberin mit einem offenen Haus und eine treue, jederzeit hilfsbereite Freundin. Ihre Mutter habe jeweils gesagt: «Weisch, Hüüser törfed nu die haa, wo si au uuftüend für anderi.»
Die Freisinnig-Demokratische Partei, deren liberale Gedanken der Selbstverantwortung und Freiheit, Leistungsbereitschaft und Einsatz für das Gemeinwesen Isabel sehr nahe standen, und an deren Vorstands- und Fraktionssitzungen sie engagiert teilnahm, profitierte öfter von ihrem enormen Beziehungsnetz, wenn es galt, jemanden für ein öffentliches oder für ein Ehrenamt zu gewinnen.

RÜCKHALT BEI IHREM GATTEN

Hans und Isabel Schaltenbrand verstanden und ergänzten sich ausgezeichnet. «Schang», wie sie ihn nannte, war ein überaus liebeswürdiger, humorvoller und gütiger Weggefährte, der seine zielstrebige, unermüdlich tätige und politisch aktive Frau in ihren vielseitigen Tätigkeiten interessiert begleitete und vollumfänglich unterstützte. «Ich ha vo im vil Chraft überchoo.»
Den Sonntag hielten die beiden jeweils für sich frei. Sie verbrachten ihn miteinander auf dem See oder auf ausgedehnten Wanderungen in der näheren Umgebung. Schang erzählte einmal, auf diesen Spaziergängen, vor allem in Zeiten vor den Wahlen, habe er, wenn Isabel die Leute links und rechts und auf alle Seiten freundlich gegrüsst habe, gewusst, jetzt sind wir wieder auf Wädenswiler Boden.
Ein schwerer Schlag, der Isabel Schaltenbrand zutiefst erschütterte, war, als ihr ihr geliebter Gatte im 70. Lebensjahr wegen Komplikationen nach einer Herzoperation am 25. Dezember 1991 völlig überraschend entrissen wurde, ohne dass sie von ihm hätte Abschied nehmen können.
Als ich Jahre später Isabel einmal mit dem Auto nach Hause brachte und vom Rötiboden Richtung Leihof fuhr, zeigte sie auf ein hell erleuchtetes Fenster an ihrem Haus. «Das isch am Schang siis Zimer gsii. Won immer ich amene Aabig gsii bi, wie lang e Sitzig au tuuret hed, er isch uufblibe und hed uf mich gwartet. Sid er nüme da isch, zünd ich jedes Mal, wen ich am Aabig furt gaa, deet s Liecht aa, das es hell isch, wenn ich hei chume, wie zu siine Ziite.»
 
An einer Geburtstagsfeier in Vitznau, 1985.
Ein weiteres Geschenk von Schulpflege und Lehrerschaft: Eine Gartenbank mit der Inschrift «I. Schaltenbrand Schulvorstand 1978-1990».
 

AUSKLANG

Nach einer intensiven Trauerzeit kehrte ihr Lebensmut allmählich wieder zurück. Sie liebte es, Besuche zu empfangen und von Freundinnen und Freunden eingeladen zu werden. Gerne nahm sie an den Zusammenkünften der ehemaligen Stadtratsmitglieder, des «Stöckli», teil oder traf sich mit befreundeten Ehepaaren zu einem Jass.
Zusammen mit den Familien ihrer beiden Töchter aus Schönenberg feierte sie regelmässig Weihnachten und die Kinder und Enkelkinder schätzen das «Schwümmbedli-Grosi», wie sie sie nannten, und von dem sie immer wieder grosszügig beschenkt wurden, sehr.
Verschiedene Kulturreisen mit Konzertbesuchen führten sie zusammen mit ihrer Freundin Maria Christener nach Hamburg, Lübeck, Dresden und Berlin, wobei ein eigentlicher Höhepunkt für sie das Erleben einer Aufführung der Matthäuspassion an der Wirkungsstätte Bachs, der Thomaskirche in Leipzig, war.
Sie freute sich, mit ihren Angehörigen, Freunden und Freundinnen und einigen ihrer ehemaligen Schülerinnen in ihrer geräumigen Stube ihren 90. Geburtstag feiern zu können, und auch am einundneunzigsten war ihr Haus für alle Gratulanten und Gratulantinnen weit offen.
Abgesehen von einer leichten Gehbehinderung erfreute sie sich bis fast zuletzt ihrer bekannten geistigen Frische und nahm lebhaft Anteil am Geschick und Ergehen der ihr Vertrauten wie am Geschehen in der nahen und weiten Welt.
Sie war dankbar für alle Hilfe, die ihr in den letzten Jahren von Angehörigen, Freundinnen und ihrer treuen Haushälterin und auch der Spitex zuteil wurde, behielt aber bis zuletzt, was ihre Person betraf, die Entscheidungsbefugnis in der eigenen Hand.
Am 16. Oktober 2013 trat sie wegen eines Schwächeanfalls ins Seespital Horgen ein und wurde am 24. Oktober in die Pflegeabteilung des Tertianums verlegt. Dort ist sie in der Nacht auf den 21. November für immer heimgerufen worden.



Peter Weiss