150 JAHRE MÄNNERCHOR EINTRACHT WÄDENSWIL 1851 – 2001


Quelle: Festschrift zum Jubiläum 2001 von Peter Ziegler

VEREINSGRÜNDUNG UND ERSTE JAHRE

Im Jahr 1849 kamen jeden Sonntagnachmittag zwölf Männer im Schulhaus Ort in der Au zusammen, um unter Lehrer David Streuli im Gesang Erholung nach ernster Wochenarbeit zu suchen. An der Fasnacht 1850 trat der kleine Männerchor erstmals öffentlich auf. Bald setzte sich der Verein mehrheitlich aus Sängern zusammen, die im Dorf wohnten. Darum verlegte man die Proben vom Mittelort ins Zentrum.
Die ersten Statuten, mit Datum 21. Februar 1851, umschrieben folgenden Vereinszweck: «Ausbildung des moralischen und gesellschaftlichen Volksgesanges. Jeder rechtliche Einwohner, der ein Freund des Gesanges ist und musikalische Fähigkeiten besitzt, kann Mitglied werden.» Als Gründer und erste Mitglieder unterzeichneten: Präsident Johannes Hauser, Rudolf Steiger, Johann Jakob Hottinger, G. Pfister, Johannes Streuli, K. Eschmann, G. Helbling, Jean Strickler, J. Knabenhans, J. Eichmüller und Gottfried Rein. Diese Männer versammelten sich jeweils am Montagabend im Sekundarschulzimmer in der alten Gerbe bei der Brauerei zu einer zweistündigen Probe unter der Leitung des Schlossers Johannes Fleckenstein. Das Lokal war jedoch zu klein, und so bezog man noch im Gründungsjahr 1851 den geräumigeren Saal im Gasthof «Sonne» bei der reformierten Kirche. Die Gründer tauften ihren Männerchor «Liederkranz». Dann vernahmen sie, dass sich schon früher der Wädenswiler Handwerkerverein so genannt hatte. So änderte man den Namen auf «Eintracht».
Unter Schlosser Fleckenstein leistete der junge Verein in gesanglicher Beziehung wenig. Der Sängerschar fehlte die innere Festigkeit. Nachdem der Direktor gemäss Protokoll öfter nicht zur Probe erschienen war und man «mutlos auseinander ging», meldeten sich 1853 mehrere Mitglieder und wünschten eindringlich, Dirigent Fleckenstein möge dem Verein etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Dieser war dazu nicht bereit und trat 1854 zurück.
 

UNTER DER DIREKTION VON GUSTAV BINDSCHÄDLER

Als Nachfolger von Johannes Fleckenstein übernahm der gebürtige Appenzeller Gustav Bindschädler (1824 – 1857), seit 1853 Primarlehrer an der Schule Wädenswil, die gesangliche Leitung des Männerchors Eintracht und brachte frischen Zug in die musikalische Arbeit. Der neue Dirigent war ein Freund heiterer Gesellschaftslieder. Um das Repertoire auszuweiten, bestellte er eine Musikkommission, welche Noten zu suchen hatte. So kam eine Sammlung von 25 Liedern zusammen, die jedes Vereinsmitglied in der Folge selber abschreiben musste!
Unter der Direktion von Gustav Bindschädler stieg die «Eintracht» bald zu Wädenswils führendem Männerchor auf. «Mit grosser Hingebung, Liebe und Pünktlichkeit» – so das Protokoll – «leitete er den Gesang, jedem war er ein guter, lieber, aufrichtiger Freund.» 1855 erfolgte der Beitritt der «Eintracht» zum Sängerverein am Zürichsee. Im selben Jahr wurde die erste Fahne angeschafft und am Sängerfest in Zürich eingeweiht. Die Geselligkeit kam ebenfalls nicht zu kurz. Damit auch die «Aktiven-Frauen Genuss hätten vom Verein» veranstaltete man im Winter 1855/56 einen Ball. Eine «Vergnügungskommission» sorgte für gutes Gelingen des mit dem Theater «Der sächsische Schulmeister» eröffneten Anlasses.
Ein tragisches Geschick entriss der «Eintracht» ihren jugendlichen musikalischen Leiter. Am 15. Februar 1857 führte Gustav Bindschädler seine Familie auf dem zugefrorenen Zürichsee spazieren. Dabei brach er im Eis ein und ertrank mit seinem älteren, fünfjährigen Knaben im See.

UNTER DER DIREKTION VON JOHANN CASPAR WILLI

Am 11. Mai 1857 wählte der Männerchor Eintracht den jungen Wädenswiler Lehrer Johann Caspar Willi (1829−1903) zu seinem musikalischen Leiter. Obwohl sich der neue Dirigent anfänglich über schwachen Besuch der Proben beklagen musste, wurde beschlossen, am Eidgenössischen Sängerfest in Zürich teilzunehmen. Und man hatte Erfolg: Mit dem Lied «Die freien Schweizer» von Klauer errang der Chor am 18. Juli 1858 in der «1. Abteilung Volksgesang» unter 18 wettsingenden Vereinen den sechsten Preis: die Festgabe des Männerchors Rapperswil. Kanonendonner begrüsste die heimkehrenden Sänger in Wädenswil, wo die Frauen und Töchter der Männerchörler die Haabe festlich geschmückt hatten. Am selben Abend noch wurde der gewonnene Becher gebührend «verschwellt».
Die Geselligkeit kam auch sonst nicht zu kurz. Im Oktober 1858 war die «Eintracht» beim Männerchor Rapperswil zu Gast, und am Pfingstmontag begab man sich auf eine Sängerfahrt ins Glarnerland. Laut Protokoll wurde beschlossen, «die Reise bis Rapperswil zu Fuss zu machen, die süssen Liebchen aber sanft auf einem Leiterwagen nach Pfäffikon zu spedieren».
Um die Sängerreisen zu finanzieren, gründete man im Jahre 1884 eine Reisekasse. Dies vor allem deshalb, «weil in Reisejahren die sparsame Hausfrau scheeläugig die vielen Franken ansah, die der Mann auf ein Mal verbrauchte». Fortan konnte man die vereinseigene Reisekasse plündern und musste die Hauskasse kaum mehr belasten. 1894 druckte man für die Reisekasse Statuten.
Im Zentrum der Tätigkeit des Männerchors Eintracht standen indessen nicht Wanderungen und Familienausflüge, sondern harte Proben, Konzerte aller Art und die Teilnahme an regionalen, kantonalen und eidgenössischen Sängerfesten. 1870 bezog der Verein für die Proben den Singsaal im 1868 eingeweihten neuen Sekundarschulhaus bei der «Sonne».
Unter Johann Caspar Willi entwickelte sich die «Eintracht» zu einem Konzertverein, der jährlich ein- bis zweimal auftrat. Die Eintrittsgelder oder die erhobene Kollekte wurde vielfach wohltätigen Institutionen überwiesen. Als Konzertlokal diente bis 1870 fast ausschliesslich der «Engel», ausnahmsweise die Kirche. Seit 1877 stand der «Engel»-Saal im neu erstellten Anbau zur Verfügung. Neben Konzerten gab es Ständchen an Sonntagen, mit frohem Gesang bei Wein und Bier. Im Sommer 1880 veranstaltete der Verein die erste seiner «Liedertafeln», die bei der Wädenswiler Bevölkerung rasch grossen Beifall fanden.
In Wädenswil wirkte der Männerchor Eintracht mit seinen Liedvorträgen immer wieder an festlichen Anlässen mit. So 1865 am Dienstjubiläum des Dekans Friedrich Häfeli, 1867 an der Hundertjahrfeier der reformierten Kirche, 1882 am Fest zum 25-Jahr-Jubiläum des Dirigenten Willi, 1888 an der Wahlfeier für Bundesrat Walter Hauser, 1890 an der Einweihung des Neuen Eidmattschulhauses und 1894 an den Feiern zum 40-jährigen Wirken Johann Caspar Willis sowie zum Amtsjubiläum von Pfarrer Jakob Pfister, der auf 25-jährige Tätigkeit in Wädenswil zurückblickte.
Gesungen wurden anfänglich vor allem einfache Volkslieder, besonders Kompositionen von Hans Georg Nägeli, Franz Abt, Friedrich Silcher, Heinrich August Marschner, Conradin Kreutzer (Das ist der Tag des Herrn) und Wilhelm Baumgartner (O mein Heimatland). In den 1870er Jahren schwand das patriotische Hochgefühl. Im Liede wurden nun Liebe, Wein und Natur verherrlicht. Ignaz Heim (Vineta), Gustav Weber und Carl Attenhofer («Frühlingslied», «Mein Schweizerland, wach auf», «Am Rhein») beherrschten jetzt die Programme. Dazu kamen Lieder von Wilhelm Sturm («Mailied», «Frühlingsstürme») und seit 1890 von Richard Wiesner («Frühlingslied», «Sehnsucht») und Angerer («Eidgenossen»). Die Konzertprogramme zeigen, dass Johann Caspar Willi durch solistische Einlagen Abwechslung in die Aufführungen brachte.
Zum beliebten Repertoire des Männerchors Eintracht gehörten Kompositionen ihres Dirigenten Johann Caspar Willi. 1861 trat Willi erstmals mit seinen eigenen Liedern «Abschied vom Walde» und «Gute Nacht» hervor. Dann folgten weitere Männerchorlieder:

1874 «Ich möchte froh singen»
1880 «Das schöne Lied»
1885 «Trinklied»
1887 «Lacrimae Christi»
1890 «Mein Vaterland»
1895 «Hoho, schwarzbraunes Mädel» und «Das erste Lied»
1896 «Heimat und Vaterland».

Beliebt war der Besuch von Eidgenössischen Sängerfesten, von Kantonal- und Sektionsfesten. Hier konnte man sich vor fremdem Publikum bewähren, sich mit den Leistungen anderer Männerchöre messen sowie die Freundschaft und Geselligkeit mit Gleichgesinnten pflegen.
Zu allen Festen rückten die Sänger des Männerchors Eintracht mit ihrer 1855 eingeweihten Vereinsfahne aus und kehrten oft mit Lorbeer- oder Eichenkranz zurück. Sonne und Regen, Wind und Festfreude hinterliessen mit der Zeit Spuren auf dem Fahnentuch. 1872 war eine Restaurierung nötig, und 1881 erhielt der Verein eine prächtige neue Fahne. Regierungsrat Walter Hauser überreichte sie am 23. Oktober im Namen edler Spender und Spenderinnen im Rahmen eines Festes im «Engel»-Saal. Freudig begrüssten die Sänger ihre Fahne mit dem «Fahnenlied», das Direktor Willi eigens zu diesem Anlass komponiert hatte. Just als es durch den Saal rauschte: «Dir, Dir folgen wir», brach die Bühne ein, auf welcher die Sänger standen. Aus dem Trümmerhaufen aber erschollen weihevoll und ernst die Klänge des Begrüssungsliedes».
Ende Januar 1875 feierte der Männerchor Eintracht sein 25-jähriges Bestehen. Nach einem Festkonzert in der Kirche versammelten sich alle Vereinsmitglieder mit ihren Angehörigen im «Engel»-Saal. Hier begrüsste Direktor Willi mit schwungvoller Rede, und Präsident Henri Brupbacher schilderte das Werden und Wachsen des Vereins: Bei der Gründung hatte man 12 Mitglieder gezählt. Bis 1858 stieg diese Zahl auf 38 Aktive an. Sie sank 1860 auf 20 bis 24 und wuchs bis zum Jubiläum auf 46 aktive Sänger.
 

UNTER DER DIREKTION VON FRITZ STÜSSI

In den 41 Jahren seines begeisternden Wirkens hatte Johann Caspar Willi den Männerchor Eintracht zu einem Chor geformt, der 1898/99 276 Aktiv- und Passivmitglieder zählte und in der Lage war, auch anspruchsvolle Werke aufzuführen. Dies sollte unter dem Nachfolger so bleiben. Der am 1. September 1898 gewählte, konservatorisch gebildete Musikdirektor Fritz Stüssi (1874−1923) bot dafür Gewähr. Da er zugleich den Kirchengesangverein dirigierte und seit 1902 die Organistenstelle an der reformierten Kirche versah, begann für das Musikleben der Gemeinde Wädenswil eine neue Epoche. Mit Vorträgen führte Stüssi in die Werke grosser Meister ein, und durch gediegene Abonnements- und Vereinskonzerte weckte er in der Bevölkerung das Verständnis für musikalischen Kunstgenuss.
Am Eidgenössischen Sängerfest 1899 in Bern bestand der neue Direktor mit der «Eintracht» die Feuerprobe. Mit Angerers «Abendlied im Felde» errangen die 57 Sänger den 12. Lorbeer in der 2. Kategorie und damit den Becher der «Helvetia Zürich». Dem schönen Anfang folgten fast Jahr für Jahr weitere Höhepunkte auf regionaler, kantonaler oder gar eidgenössischer Ebene.
Bis 1905 pflegte die «Eintracht» – wie bereits in den 1890er Jahren – das Volkslied, das mittelschwere Lied und das einfache Kunstlied. Dann wagten sich die Sänger an anspruchsvollere Werke. Zusammen mit den Damen des Kirchengesangvereins Wädenswil gestaltete der Männerchor in der reformierten Kirche ein Wagner-Konzert. Zwischen 1907 und 1922 bildeten Balladen den Mittepunkt der gesanglichen Aufführungen.
Von Zeit zu Zeit führte der Männerchor Eintracht auch eine Eigenkomposition ihres Direktors auf. Zum 50-Jahr-Jubiläum (1901) komponierte dieser eine «Frühlingskantate» für Gemischten Chor, Soli und Orchester, und aus dem gleichen Jahr stammte Stüssis «Normannenzug». Hierauf folgten als neue Lieder 1906 «Mein Zürichsee», 1907 «Morgengruss» für Männerchor mit vier Hörnern und Klavier, 1910 «Fahnenlied», 1914 «Reveille» und «Reiterliedchen», 1919 «Heimat“ für Männerchor, Sopransolo und Klavier.
Einen beliebten Gesangsstoff schuf Stüssi mit seinen für vierstimmigen Männerchor arrangierten «Röseligartenliedern».
Auch in Wädenswil war der Männerchor Eintracht unter Fritz Stüssis Leitung immer wieder zu hören. So anlässlich der Einweihung der Konzerthalle Glärnisch im Frühling 1909 und an einem Kirchenkonzert im Advent 1912, gemeinsam mit dem Orchesterverein. 1910 weihten die Sänger eine neue Fahne ein, und im selben Jahr bezogen sie das neue Vereinslokal im «Du Lac».
Der Erste Weltkrieg schränkte die Aktivitäten des Männerchors ein. Viele Sänger leisteten Grenzdienst. Trotz Einschränkungen, Not und Gefahr verstummte der Gesang nicht ganz. Zusammen mit dem Kirchengesangverein veranstaltete die «Eintracht» 1914 eine vaterländische Abendfeier in der Kirche, mit Ansprache von Dekan Jakob Pfister. Im Juni 1916 beteiligte sich der Chor zusammen mit Orchesterverein und Kirchengesangverein an der Aufführung von Haydns „Schöpfung», und im Herbst trat er mit eigenem Konzertprogramm an die Öffentlichkeit, unter anderem mit dem Hegar-Chor «In den Alpen». Mit dieser erfolgreichen Darbietung war der Schritt zu Anspruchsvollerem getan. Und so setzte man auch in den folgenden Jahren schwierigere Werke auf die Konzertprogramme.
Wer durch all die Jahre so viel Lob geerntet hatte, wie der Männerchor Eintracht und sein engagierter Dirigent Fritz Stüssi, hatte einen Misserfolg besonders schwer zu verkraften. Und dieser trat am Eidgenössischen Sängerfest 1922 in Luzern ein. «Wie ein geschlagenes Heer» wurde der Männerchor Eintracht in Wädenswil von einer ungeheuren Volksmenge empfangen. Es war Fritz Stüssis letzter öffentlicher Auftritt. Am 14. März 1923 erlag er seiner schweren Krankheit.
 

UNTER DER DIREKTION VON KARL MATTHAEI

Fritz Stüssi, der in Personalunion den Kirchengesangverein und den Männerchor Eintracht geleitet und in der Gemeinde als Organist gewirkt hatte, war der grosse Förderer des Wädenswiler Musiklebens. Das von ihm geweckte musikalische Interesse sollte weiter gepflegt werden. Reformierte Kirchenpflege, Kirchengesangverein und Männerchor einigten sich daher erneut auf eine gemeinsame Nomination: auf den 26-jährigen Berufsmusiker Karl Matthaei (1897−1960). Er wurde am 12. Mai 1923 als Chorleiter der «Eintracht» gewählt.
Unermüdlich wurde gearbeitet. Nach dem Misserfolg in Luzern galt es, in den Sängerkreisen die allgemeine Achtung zurückzugewinnen. Dies gelang 1924 am Sektionsfest des Seeverbandes in Thalwil mit Paul Fehrmanns «Lied des Lebens». Das Kampfgericht attestierte dem Chor starken künstlerischen Willen und überschäumendes Temperament. Solches Lob musste gefeiert werden. Im «Du Lac» fand der Tag bei Rheinwein und Gesang einen frohen Ausklang.
1925 vereinigten sich Kirchengesangverein, Vereinshauschor (der nachmalige Posaunenchor), Orchesterverein und Männerchor Eintracht zur gemeinsamen Aufführung von Händels «Messias». Zu weiteren Aufführungen mit Karl Matthaei kam es nicht mehr. Ende Januar 1926 nahm er einen Ruf als Direktor der Musikschule Winterthur an und gab in Wädenswil – wo er auch als virtuoser Organist gewirkt und gediegene Abonnementskonzert veranstaltet hatte – alle Verpflichtungen auf.

UNTER DER DIREKTION VON DR. MAX FREY

Da die reformierte Kirchenpflege die Organistenstelle nach dem Wegzug von Karl Matthaei mit Heinrich Funk besetzte und der Männerchor Eintracht am 17. Dezember 1925 den Berufsmusiker Dr. Max Frey (1898 – 1963) zu ihrem Dirigenten wählte, musste die von Fritz Stüssi begründete einheitliche Leitung des Wädenswiler Musiklebens preisgegeben werden. Der neue Direktor trat sein Amt anfangs Februar 1926 an und begann den Chor sofort auf die Jahrhundertfeier des «Sängervereins am Zürichsee» sowie auf das im Herbst des gleichen Jahres stattfindende Schubert-Konzert zum 75-jährigen Bestehen des Männerchors Eintracht vorzubereiten. Beiden Anlässen war grosser Erfolg beschieden.
Die Proben waren nicht lauter Genuss, erforderten viel Geduld und guten Willen. Da und dort wurde gar der Vorwurf laut, man singe keine Volkslieder mehr, sondern strebe oben hinaus. Dabei waren von 22 Konzerten, die unter der Führung von Max Frey stattfanden, zwölf ausschliesslich dem Volkslied gewidmet. Da die meisten Konzerte Verlustgeschäfte waren, schränkte sich der Männerchor Eintracht beim Zuzug von auswärtigen Solisten ein. Dafür waren vermehrt einheimische Kräfte zu hören: Else Stüssi, Heinrich Funk (Klavier), Hermann Treichler, Betty Zürrer (Alt) und Ernst Fleckenstein (Bass). Mehrmals wirkte auch ein Schülerchor der Sekundarschule Wädenswil-Schönenberg mit.
Unter der Leitung von Dr. Max Frey wahrte der Männerchor Eintracht ein vornehmes künstlerisches Niveau. Die Konzertprogramme verrieten einen feinen musikalischen Geschmack. Erfolg krönte die gemeinsame Arbeit. Aber kam dabei nicht der «gesunde Männergesang» zu kurz? Und überdies: Die rein ästhetische Lebenseinstellung des Dirigenten wurde von den Sängern zunehmend als fremd empfunden. Trotz erfolgreicher Arbeit während anderthalb Jahrzehnten blieb man sich fremd. Die Disziplin begann sich zu lockern, was Chor und Leiter gleichermassen entmutigte. Im Juni 1940 reichte Dr. Max Frey seine Demission ein.
 

UNTER DER DIREKTION VON HEINRICH FUNK

An der Generalversammlung vom 17. August 1940 wählte der Männerchor Eintracht den Organisten Heinrich Funk (1904–1977) zu seinem Direktor. Ihm war damit wieder die Gesamtleitung des Wädenswiler Musiklebens anvertraut, die 1926 mit der Wahl von Dr. Max Frey verloren gegangen war. Die Personalunion verband Orchesterverein, Kirchengesangverein, Männerchor und Organistenstelle. Heinrich Funk kannte den Männerchor bereits bestens, hatte er doch die Sänger immer wieder am Flügel begleitet.
Mit der «Eintracht» trat Heinrich Funk mit zwei Konzerten vor die Öffentlichkeit. Jenes vom 25. Mai 1940, an welchem auch Orchesterverein und Kirchengesangverein mitwirkten, brachte Opernwerke von Wolfgang Amadeus Mozart (aus «Die Entführung aus dem Serail»), Carl Maria von Weber (Jägerchor aus «Der Freischütz») und von A. Lortzing (aus: «Der Waffenschmied») zur Aufführung. Damit erschloss er Wädenswil eine neue musikalische Welt. Im zweiten Konzert sang der Männerchor Melodien aus dem 16. und 17. Jahrhundert in neuerer Bearbeitung.
Die Zusammenarbeit mit Heinrich Funk, welcher einen gesunden und dennoch gepflegten Gesang anstrebte, war leider von kurzer Dauer. Am 1. Oktober 1942 setzte er den Verein von seinem bevorstehenden Rücktritt in Kenntnis, bedingt durch die Wahl zum Fraumünster-Organisten und zum Lehrer am Konservatorium Zürich.

UNTER DER DIREKTION VON RUDOLF SIDLER

Der scheidende Dirigent Heinrich Funk bemühte sich, einen Nachfolger zu finden, der die musikalische Tradition weiterführen konnte. Im Thalwiler Organisten Rudolf Sidler (1914–1978), welcher am 26. November 1942 zum Direktor der «Eintracht» bestimmt wurde, fand man diese Persönlichkeit. Kurz zuvor hatte ihn die reformierte Kirchenpflege Wädenswil als Heinrich Funks Nachfolger zum Organisten gewählt. Und wenig später übertrug man Sidler auch die Leitung des Kirchengesangvereins Wädenswil. Damit lagen die wichtigsten Funktionen des lokalen Musiklebens wieder in einer Hand. Die erste Arbeit des neuen Direktors galt der Vorbereitung des Gesamtchorkonzertes des «Sängervereins am Zürichsee» vom 4. Juli 1943 in der Tonhalle Zürich. In seiner Expertise lobte Direktor Lavater die gewissenhafte Arbeit.
Rudolf Sidler pflegte beides: Das einfache Lied aus den drei «Eidgenossen» – so nennen die Sänger das dreibändige «Liederbuch des Eidgenössischen Sängervereins» – und Anspruchsvolleres aus Werken grosser Meister. Zunächst studierte man Chöre von Franz Schubert ein: «Ständchen», «Nachtmusik», «Das Dörfchen». Dann folgten Anton Bruckners «Um Mitternacht» und «Trösterin Musik», Johannes Brahms «Rhapsodie», der «Postillon» von Othmar Schoeck und dessen neue Komposition «Zimmerspruch». 1947 standen unter anderem Johannes Zentners «Für ein Gesangfest im Frühling» und Hermann Suters «Der Wächter» auf dem Programm. Zu verschiedenen Aufführungen wurden Solistinnen und Solisten zugezogen, so zwischen 1943 und 1950 Maria Helbling (Alt), Maria Stader (Sopran), Lotte Michel-Widmer (Sopran), Else Stüssi, die Tochter des früheren «Eintracht»-Dirigenten Fritz Stüssi, (Violine), Marcel Saillet (Oboe), Lisa della Casa (Sopran), Erwin Tüller (Tenor), Emil Fanghaengel (Klarinette), Werner Wyssenbach (Bass), ) Mia Sidler (Klavier, Orgel). Dass solche Bereicherung der Konzerte trotz Krieg und Geldentwertung möglich war, verdankte der Männerchor der finanziellen Unterstützung durch dessen Präsidenten Paul Blattmann.
Einen musikalischen Höhepunkt bildete die Aufführung von Hermann Suters Oratorium «Le Laudi», des Sonnengesangs des Hl. Franz von Assisi, am 30. November 1947 in der bis auf den letzten Platz gefüllten reformierten Kirche Wädenswil, zusammen mit dem Kirchengesangverein Wädenswil und dem verstärkten Stadtorchester Winterthur. In derselben Verbindung wirkte der Männerchor 1964 abermals bei der Aufführung von «Le Laudi» mit und 1970 bei Joseph Haydns «Schöpfung». Unter Rudolf Sidlers Leitung nahm der Männerchor Eintracht sodann an verschiedensten Sängerfesten teil und wurde für seine hervorragenden Leistungen wiederholt mit höchsten Auszeichnungen geehrt.
In der Direktionszeit von Rudolf Sidler feierte der Männerchor Eintracht drei Jubiläen. 1951 gedachte man der vor hundert Jahren erfolgten Vereinsgründung. Die eigentliche Jubiläumsfeier fand am 17. November statt, und eine Woche später wurde als Jubiläumskonzert in der reformierten Kirche Wädenswil «Die Schöpfung» von Joseph Haydn aufgeführt. Zur Hundertjahrfeier schenkte Adolf Stutz-Hauser, Vereinsmitglied seit 1916 und Präsident von 1925 bis 1931, dem Chor eine von Max Greutert verfasste Festschrift.
1968 blickte Rudolf Sidler auf 25 Jahre Dirigententätigkeit beim Männerchor Eintracht zurück. Vorstand und Sänger ehrten ihn im «Engel»-Saal mit einer besonderen Liedertafel. Sie stand unter dem Motto «Vo Luzern gäge Wätti zue» und erinnerte daran, dass Rudolf Sidler seinerzeit von Luzern an den Zürichsee kam.
Unter der Leitung des Präsidenten Emil Länzlinger feierte der Männerchor Eintracht am 8. Mai 1976 das 125-jährige Bestehen. Am Jubiläumskonzert in der Glärnischhalle wirkten auch der Musikverein Harmonie (Direktion Franz Honegger), der Frauen- und Töchterchor Wädenswil (Frau Eggenberger) sowie der Schülerchor Fuhr (Peter Friedli) mit.

UNTER DER DIREKTION VON URS W. HAUBOLD

Nach dem unerwarteten Tod des beliebten Chordirigenten und Organisten Rudolf Sidler am 10. September 1978 galt es, einen versierten Nachfolger zu suchen. Im Anschluss an die Probelektion vom 8. November erkor die Sängerversammlung den Berufsdirigenten und -musiker Urs W. Haubold (*1947) in Hadlikon-Hinwil einstimmig zum neuen musikalischen Leiter. Dirigent und Chor kamen rasch zu furchtbarem gemeinsamem Musizieren. Und die Resultate blieben nicht aus: Der erste Auftritt unter Urs Haubolds Leitung am Luzerner Kantonal-Sängerfest vom 24. Juni 1979 in Hitzkirch gelang mit dem Lied «Der Spielmann» von Emil Krauner recht gut. Auch das klassische Novemberkonzert in der Glärnischhalle erntete gute Kritiken. Die über das Jahr verteilten Ständchen und die an Gottesdiensten und Liedertafeln dargebotenen Lieder bewiesen gleichfalls, dass der Männerchor Eintracht mit Urs W. Haubold eine gute Wahl getroffen hatte.
Im Jahre 1980 veranstalteten «Eintracht» (Leitung: U. W. Haubold) und Posaunenchor Wädenswil (Leitung: Rudolf Geiger) in der reformierten Kirche Wädenswil ein gemeinsames Konzert. Geschickte Werkwahl und gekonnte Darbietung trugen den Sängern viel Lob in Rezensionen und im Dorfgespräch ein. Dass nicht immer alles nach Wunsch gerät, musste der Männerchor Eintracht Ende Mai 1981 am Seeverbands-Sängerfest in Lachen erfahren. Wetter und Stimmung in Lachen waren brillant, nicht so der Vortrag des Schuberlieds. Doch die Wädenswiler fingen sich bald wieder auf und genossen weiterhin Freude und Spass beim gemeinsamen Singen.
Auf Ende 1983 gab Urs W. Haubold die musikalische Leitung des Männerchors Eintracht ab. Neue Aufgaben reizten ihn: den grösseren Männerchor Rüti und den vielseitigeren Gemischten Chor Oberer Zürichsee zu dirigieren.
 

UNTER DER DIREKTION VON RICHARD DOMENI

Der Dirigentenwechsel gab Anlass zu einer Standortbestimmung. Nach fünf Jahren anspruchsvollen Singens mit dem Musikpädagogen und Berufsmusiker Urs W. Haubold wünschte der Chor, vermehrt dem Trend anderer Chöre zu folgen und nebst den Standardliedern auch solche aus Musicals und der leichten Muse, Seemannslieder und Negro-Spirituals einzuüben. Nicht zuletzt liessen sich damit auch jüngere Sänger gewinnen und anderes Publikum ansprechen. In Richard Domeni aus Männedorf konnte nach einem Probesingen am 13. Oktober 1983 der gewünschte Chorleiter gefunden werden.
Nebst Auftritten bei kirchlichen Anlässen und gut besuchten Singabenden in den Alterssiedlungen und Betagtenheimen bereitete der Männerchor für 1985 ein Gemeinschaftskonzert Meilen – Wädenswil vor. Das Lieder- und Opernkonzert «Von Silcher bis Verdi» – mit Klavierbegleitung von Opernhaus Chor-Dirigent Erich Widl und vier Solisten des Opernhauses Zürich – stiess am 27. Oktober in der reformierten Kirche Wädenswil und am 10. November in der reformierten Kirche Meilen auf grosses Interesse.
Ein besonderes Erlebnis für den Männerchor Eintracht bedeutete die Teilnahme am «Wädi-Fäscht» von 1987. Während zehn Tagen herrschte im Gewölbekeller des Ortsmuseums Hohle Eich, wo die Sänger ein «Zürcher Wiistübli» führten, Hochbetrieb. Höhepunkt war aber der Festumzug, wo die sangesfreudigen kostümierten «Einträchtler» das «Seesängerfest von 1826 in Wädenswil» darstellten. Aus sämtlichen zehn Ehrenpokalen, ersungenen zwischen 1858 und 1905, wurde dabei wacker getrunken.
Auch dies schätzte man im Männerchor Eintracht: Richard Domeni war ein geselliger Mensch. Nach getaner Arbeit pflegte er die Kameradschaft, setzte sich zum abendlichen Umtrunk in die Runde oder nahm an sonstigen Anlässen teil. Und der Dirigent war bereit, auf Wünsche einzugehen: Eine vom Chor angeregte Noten- und Harmonielehre an acht Donnerstagen vor der Probe fand regen Zuspruch.
Unter der Direktion von Richard Domeni sang der Männerchor Eintracht zügige Lieder aus dem allgemeinen Repertoire, aber auch aus dem neueren Fundus zeitgenössischer Männerchorliteratur. Trotz etlicher Höhepunkte im Vereinswesen schwand indessen mit der Zeit die Sangesfreude bei Chor und Leiter. Auf den 30. September 1990 reichte Richard Domeni seine Demission ein. Wieder musste der Vorstand nach einem würdigen Ersatz Ausschau halten.




Peter Ziegler


Die Vereinspräsidenten von 1851 bis 2001

1851–1874 Johannes Hauser, Kreisrichter
1874–1887 Henri Brupbacher, Graveur
1887–1889 Abraham Sigg, Lehrer
1889–1894 R. F. Hug, Goldschmied
1894–1895 Albert Sidler
1895–1896 Gottlieb Schnyder, Bankprokurist
1896–1898 Adolf Stutz, Buchdrucker
1898–1902 R. F. Hug, Bijoutier
1902–1904 August Weber, Kaufmann
1904–1910 Wilhelm Zürrer, Lehrer
1910–1912 Jakob Eugster, Sekundarlehrer
1912–1914 Emil Römer, Malermeister
1914–1917 Hans Hofer, Elektrotechniker
1917–1925 Max Greutert, Sekundarlehrer
1931–1935 Eugen Riff
1953–1961 Josef Widmer
1961–1963 Fritz Gerber
1963–1972 Paul Zwicky
1972–1973 Bernhard Mantel
1973–1983 Emil Länzlinger
1983–1987 Räto Möhr
1987–1995 Max Steck
1995–1999 Toni Rigoni
seit 1999 Bruno Eith
 

Die Direktoren von 1851 bis 2001

1851–1854 Johannes Fleckenstein
1854–1857 Gustav Bindschädler
1857–1898 Johann Caspar Willi
1898–1923 Fritz Stüssi
1923–1926 Karl Matthaei
1926–1940 Dr. Max Frey
1940–1942 Heinrich Funk
1943–1978 Rudolf Sidler
1979–1983 Urs W. Haubold, Hinwil
1984–1990 Richard Domeni, Männedorf
1990–1997 Daniel Ungermann, Rapperswil
seit 1998 Jan Hrabek, Pfäffikon ZH