Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2004 von Peter Schuppli
Welches Ziel hast Du in den drei Guggenmusiken, in denen Du spieltest, verfolgt?
Einen eigenen Stil zu spielen. Das hat sich immer als hundertprozentig richtig erwiesen. Das Ziel war nie, andere zu kopieren, sondern ein bekanntes Musikstück auf unsere Art zu spielen. Als ich die Wadin-Schränzer gründete, war es zudem mein Credo, jedes Jahr ein anderes Gwändli mit Grind herzustellen. Das taten wir auch in jedem der 23 Jahre, in denen ich dabei war.
«Cheesy» – einmal weiblich. Schnitzelbankfest Fasnacht 1979.
Du bist auch als eingefleischter und begnadeter Schnitzelbänkler bekannt, der kein Blatt vor den Mund nahm und damit zuweilen auch aneckte. Wie beurteilst Du als langjähriger Mitwirkender das Schnitzelbankfest? Welche Bedeutung hat es in der heutigen Zeit?
Das Schnitzelbankfest ist meines Erachtens ein fester Bestandteil der Wättischwiler Fasnacht. Es muss weiterleben. Für mich stand die Schnitzelbank immer im Vordergrund, egal, in welcher Formation ich auftrat. Schlecht finde ich Selbstdarstellungen, also Mitwirkende, die von Geltungssucht getrieben sind. Die auftretende Person sollte sich selbst zurücknehmen und das Produkt ins Zentrum stellen. Zu bedauern ist, dass das politische Element fast gänzlich aus den Schnitzelbänken verschwunden ist. Einen Witz aufzugreifen, den etwas abzuwandeln und sich so einen Lacher zu sichern, ist nicht das, was ich unter Schnitzelbank verstehe. Lacher allein machen noch lange kein Schnitzelbankfest aus.
Was wäre zu tun?
Eine Schnitzelbank muss hintergründig, provozierend, direkt sein. Darum hiess die mit Ennio Maspero zusammen gebildete Schnitzelbankclique auch «Zmitzt i d Schnurre». Unter keinen Umständen darf ein Reim zurecht gebogen werden, nur dass es sich reimt. Auch braucht es den Mut, am Schluss eines Verses einen Kraftausdruck zu verwenden. Eine Pointe darf nicht abgeschwächt werden, weil der Mut fehlt, ein deftiges Wort zu verwenden, sonst wird die ganze Schnitzelbank verwässert. Zurzeit hat das Schnitzelbankfest etwas zu viel Wasser und zu wenig Blut. Den Verantwortlichen und Mitwirkenden des Schnitzelbankfestes müsste der Rücken gestärkt werden, denn das Ganze darf ruhig etwas mehr gepfeffert sein. Die Schnitzelbänkler müssten unbedingt ihre Narrenfreiheit auf der Bühne wieder mehr nutzen, was nicht heisst, dass sie persönliche Angelegenheiten austragen oder unter der Gürtellinie agieren. Aber es darf absolut «züritüütsch» sein, hat der Wädenswiler doch nun einmal eine kernige Sprache.
Damit das Schnitzelbankfest weiterlebt, braucht es Nachwuchs. Das Problem ist jedoch, dass viele nicht wagen, den Schritt auf die Bühne zu tun. Wie liesse sich dieses Problem lösen?
Die Jungen sind nicht anders als wir es früher waren: Etwas revoluzzen, gelegentlich über die Stränge schlagen. Das ist auch richtig so, es muss so sein. Leider sind wir eine reine Konsumgesellschaft geworden. Nur noch wenige sind bereit, sich beispielsweise für eine Fasnacht zu engagieren. Auf sie muss man setzen. Es gibt in Wädenswil genügend Junge, die das Talent haben und fähig wären für das Schnitzelbankfest – aber sie brauchen den «Kick», um den ersten Schritt auf die Bühne zu wagen. Stehen sie einmal dort, werden sie sie nicht so schnell wieder verlassen – zu schön ist das Gefühl, die Leute zu unterhalten und mit pointierten Versen zum Lachen zu bringen.
Der erste Schritt bräuchte vielleicht eine Begleitung. Könntest Du Dich mit Deiner ganzen Erfahrung als «Götti» einer Nachwuchsclique vorstellen?
Absolut. Das wäre für mich nicht neu, hatte ich doch früher die Landhüener, die erste Wiiber-Schnitzelbank in unserer Stadt, im Hintergrund betreut. Wenn jemand will, helfe ich gern. Er oder sie muss sich nur melden.
43 Jahre Fasnacht – und nun das Ende? Ein Leben ohne Fasnachtsaktivität – kannst Du Dir das vorstellen?
Nein, unvorstellbar, dass ich in Zivil am Strassenrand stehe und den Fasnachtsumzug anschaue. Ich habe nicht aufgehört, Fasnacht zu machen. Ich habe aufgehört mit Guggenmusik, weil ich die Zeit als reif fürs Aufhören betrachtet habe. Ich werde Zeit haben für etwas anderes. Seit zwei, drei Jahren trage ich eine Idee herum, die ich verwirklichen möchte.
Die Fasnacht im Wandel der Zeit. Hat Fasnacht überhaupt noch Platz in unserer modernen, schnelllebigen und von Stress gezeichneten Zeit?
Ganz klar Ja. Je moderner, schnelllebiger und stressiger die Zeit, desto wichtiger sind Anlässe wie die Fasnacht. In einer Zeit, in der man kaum mehr von Traditionen sprechen darf ohne von gewissen Kreisen schief angesehen zu werden, gerade in solchen Zeiten werden Traditionen immer wichtiger. Fasnacht ist eine uralte und grosse Tradition. Ich erinnere an den «Baneeter-Buume», der in einem Jahr, als die Fasnacht amtlich verboten war, fragte, ob er wenigstens zum Fenster hinaus fasnächtlen dürfe. Nachdem ihm das erlaubt worden war, lief er während den Fasnachtstagen im Dorf herum – den Kopf aus einem Fensterrahmen streckend. Diese Tradition müssen wir pflegen und dürfen wir uns von niemandem zerstören lassen. Jeder Mensch braucht ab und zu ein Ventil, um Dampf abzulassen – die Fasnacht ist ein solches.
Interview: Peter Schuppli
Letzte Fasnacht mit der Sakkophonie, 1980.