Zum 75. Geburtstag von Peter Ziegler

Quelle: Geschichte erzählen – Festschrift für Peter Ziegler zu seinem 75. Geburtstag. Wädenswil 2012, Philipp Kutter, Stadtpräsident Wädenswil

Prof. Dr. Peter Ziegler – Vergangenes wird dank ihm lebendig

Es gibt in Wädenswil Anlässe, für die muss man keine Werbung machen. Zu diesen zählen Auftritte von Prof. Dr. Peter Ziegler. Es genügt ein unscheinbarer Hinweis in den Spalten der «Zürichsee-Zeitung» und die Menschen strömen zusammen. Das erstaunt nur, wer Peter Ziegler noch nie als Referent erlebt hat. Er hat die Gabe, längst Vergangenes zum Leben zu erwecken. Erzählt er die Geschichte der ehemaligen Brauerei Wädenswil, hört man die Pferde schnauben, die die Bierfässer durchs Dorf ziehen. Berichtet er aus der Zeit, als die Burg noch keine Ruine war, wähnt man die Freiherren im Kettengewand leibhaftig vor sich.

Lebendiger Erzähler

Dass die Menschen ihm gerne zuhören, hat mehrere Gründe: Erstens ist Peter Ziegler ein hervorragender Erzähler und ein geselliger Mensch. Er trägt zwar den Titel eines Professors, doch er doziert nie. Vielmehr erzählt er Geschichten so anschaulich und lebendig, dass Gross und Klein an seinen Lippen hängen. Mit seinen Geschichten von früher, in denen die Eigenheiten der Menschen viel mehr Platz einnehmen als trockene Jahreszahlen, fesselt er seine Zuhörer. Zweitens weiss er sehr viel und ist in den Details sattelfest. Flurnamen, Bezeichnungen, von längst verschwundenen Beizen, die Lebensgeschichten der Dorforiginale: Scheinbar mühelos kramt Peter Ziegler in seinem unerschöpflichen Gedächtnis und streut gekonnt amüsante Anekdoten ein. So begeistert er seine Zuhörerinnen und Zuhörer, was dazu führt, dass sich an einem verregneten Sonntagnachmittag problemlos fünfzig Personen einen Rundgang durch ein Quartier Zeit nehmen.
Peter Ziegler weiss nicht nur viel, er ist auch gerne bereit, andere an seinem Wissen teilhaben zu lassen. Für jede und jeden nimmt er sich Zeit – er ist ein wandelndes Lexikon. Legendär ist seine inoffizielle Sprechstunde im Migros-Café. Hier analysierte er beim morgendlichen Kaffee schon manches vergilbte Foto, das ihm vorgelegt wurde. Doch nicht nur in unzähligen Familienhistorien hat Peter Ziegler in den vergangenen Jahrzehnten Licht gebracht, sondern auch in die Geschichten von zahlreichen Institutionen. Feiert ein Verein Jubiläum, steigt Peter Ziegler wie selbstverständlich ins Archiv, und kehrt mit überraschenden Erkenntnissen zurück. Als er kürzlich die Geschichte des Männerturnvereins erforschte, entdeckte er, dass dieser ein Jahr später gegründet wurde als 150 Jahre angenommen. Den neuen Fakten gehorchend verschoben die Turner ihre Festivitäten kurzerhand um ein Jahr.

Akribischer Sammler mit feiner Nase

Den Beleg dafür – das Gründungsprotokoll des Männerturnvereins – fand er übrigens nicht im offiziellen Vereinsarchiv, sondern in seinem privaten, womit wir bei einem weiteren wichtigen Element seines Wirkens sind. Seit vielen Jahren sammelt Peter Ziegler Protokolle, Briefe, Fotos, Pläne, Zeitungsausschnitte, Zeitschriften und Bücher und beweist damit ein ausserordentliches Gespür. Das erwähnte Protokoll rettete er aus einem verwitterten Schrank im «Engel»-Saal, kurz bevor dieser abgerissen wurde. Jemand rief ihn damals an, worauf er mit dem Auto vorfuhr und den Kofferraum füllte. Peter Zieglers privates Archiv ist vermutlich die umfassendste Sammlung an historischen Dokumenten zur regionalen Geschichte am Zürichsee. Dass Protokolle, Fotos und Bücher einen beträchtlichen Teil seines Hauses an der Einsiedlerstrasse füllen, soll bei Zieglers schon für Gesprächsstoff gesorgt haben. Inzwischen ist ein grosser Teil von Peter Zieglers Archiv in der Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee zugänglich, die die Stadt Wädenswil seit 2002 führt. Peter Ziegler war einer der massgebenden Initianten dieses Vorhabens und steht den Verantwortlichen bis heute mit Rat und Tat zur Seite. Loretta Seglias, die ehemalige Leiterin unserer «Dokumentationsstelle» schildert in dieser Festschrift im Beitrag «Die Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee und die Wädenswiler Znünimilch» die Entstehungsgeschichte.
Peter Zieglers grösste Leistung ist, dass er die Menschen anregt ihr zuhause mit wachen Augen zu sehen. Er hilft ihnen, Neues zu entdecken. Das Neue findet er im Kleinen, im Alltäglichen. So entdeckte er bei der Durchsicht der Protokolle des Quartiervereins Langrüti, dass bei allem Wandel etwas die letzten Jahrzehnte überdauerte: Das Menü an der Generalversammlung. Heiter erkannte das Publikum anhand dieses Beispiels, welch stabilisierende Wirkung ihr Verein auf das Quartierleben ausübt. Auch mir hat Peter Ziegler die Augen geöffnet. Es ist einige Jahre her, da führten Peter Zieglers Aktivitäten dazu, dass er mich zuhause besuchte. Ich wohnte damals in einem Haus an der Sonnmattstrasse. Das es sich zufällig um das Haus handelte, in welchem Peter Ziegler aufwuchs, erfuhr ich von ihm auf der Türschwelle, worauf er mir so anschaulich aus seiner Kindheit erzählte, dass ich mir genau vorstellen konnte, wie Klein Peter in «kurzen Hosen» durch das damals noch junge Quartier zwischen Fuhr und Untermosen zog. Bass erstaunt war ich jedoch, als wir im Dachboden die Sandsäcke fanden, die er und seine Eltern dort im Zweiten Weltkrieg deponiert hatten.
In seiner unermüdlichen Arbeit ist Peter Ziegler in all den Jahren zu einer lebenden Institution geworden. Unzählige Protokolle hat er gelesen, unendlich viele Auskünfte hat er erteilt. Zu diesem Engagement hat ihn notabene niemand verpflichtet, er tut dies aus eigenem Antrieb und ohne materielle Entschädigung.

Engagierter Bürger

Peter Ziegler ist aber nicht nur ein aufmerksamer Beobachter und Erzähler. Er ist darüber hinaus ein aktiver Bürger, der sich um die Entwicklung seiner Umwelt kümmert. So ist es nicht erstaunlich, dass ihn seinen Weg auch in die Politik führte. Er engagierte sich im Wädenswiler Gemeinderat, den er 1983 als höchster Wädenswiler präsidierte. Während vieler Jahren wirkte er zudem als Präsident der Natur- und Heimatschutzkommission. Heute bekleidet er keine politischen Ämter mehr, ein politischer Mensch aber ist er geblieben – und seine Stimme hat Gewicht. Bis heute wirkt er in zahlreichen Organisationen mit. So ist er aktives Ehrenmitglied der Historischen Gesellschaft Wädenswil und präsidiert seit vielen Jahren die Stiftung zur Erhaltung der Burgruine Alt-Wädenswil. Besucher aus nah und fern, unter ihnen viele Schulklassen, erhalten hier einen bleibenden Eindruck von der Zeit, als die Freiherren von Wädenswil und später die Johanniter in der Region das Sagen hatten.
Der Erhalt der Burg Alt-Wädenswil und burgenkundliche Forschung im Allgemeinen sind Peter Zieglers Steckenpferde. Sie führen uns zu den Wurzeln seines historischen Interesses. Der gebürtige Wädenswiler «Seebueb» und Sohn von Primarlehrer Karl Ziegler kraxelte schon als Sechsjähriger auf der Burgruine herum und verfasste einen vierseitigen Beschrieb darüber. Es folgten erste Beiträge in der Lokalzeitung als Sekundarschüler und, wie sein Bruder Ruedi Ziegler berichtet, 1954 bzw. im Alter von 17 Jahren (!) die erste offizielle Publikation zu diesem Thema (Ruedi Ziegler im Beitrag «Historiker und Autor seit früher Jugend»). Vor diesem Hintergrund ist auch sein Engagement im Vorstand der Ritterhausgesellschaft Bubikon zu verstehen, von der Daniele Tracht, Kuratorin des Museums im Ritterhaus Bubikon, berichtet («Das Ritterhaus Bubikon – ein Geschenk an die Zukunft»).
Die burgenkundliche Schrift von 1954 sollte nicht Peter Zieglers letzte Publikation bleiben – wahrlich nicht. Sein Werkverzeichnis umfasst über 1'200 Publikationen, Aus lokaler Sicht besonders erwähnenswert ist das Jahrbuch der Stadt Wädenswil, dessen langjähriger und unermüdlicher Herausgeber Peter Ziegler seit 1975 ist. Seit 1975 hält er fest, was in Wädenswil geschieht. Das Jahrbuch umfasst inzwischen 37 Bände, ist ein beliebtes Weihnachtsgeschenk und eine reiche Quelle für die Vielfalt lokaler Geschichte.
Doch was würde Peter Ziegler nicht gerecht, wenn wir hier nur die lokalhistorischen Publikationen erwähnen. Eine Ahnung von der Breite seines Schaffens erhält man mit dieser Festschrift. Die vielfältigen Themen und die zahlreichen Autoren sind ein Abbild seines breiten und gar weltumspannenden Schaffens. Das Spektrum reicht von militärgeschichtlichen Publikationen («Geheimsache Alpenfestung» von Hans Rudolf Fuhrer) bis hin zu seinem Wirken als Verleger beim Th. Gut Verlag und als Autor zahlreicher Werke zur Geschichte des Zürichsee-Raums («Peter Ziegler, Autor und Verleger» von Theodor Gut). So beleuchtet er die Geschichte der Insel Ufenau und verfasste verschiedene Ortschroniken von Gemeinden rund um den See.

Ehrendoktor der Universität Zürich

Herausragende Verdienste hat sich Peter Ziegler als Didaktiker erworben. Er, der begnadete Erzähler, beschäftigt sich Zeit seiner beruflichen Tätigkeit sehr intensiv mit der Frage, wie man Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene für Geschichte begeistern kann und fördert so den Historiker-Nachwuchs. Peter Ziegler hat an der Sekundar- und Fachlehrerausbildung an der Universität Zürich (SFA) Fachdidaktik für Geschichte und Staatskunde gelehrt und den angehenden Lehrerinnen und Lehrern praktische Hilfsmittel mit auf den Weg gegeben. Speziell erwähne ich sein zehnbändiges Lehrmittel «Zeiten – Menschen – Kulturen», auf das Paul Bächtiger, Sekundarlehrer und einer seiner Schüler eingeht. Welch tiefe Spuren er in den Schulzimmern hinterlässt, zeigt sich an der Tatsache, dass noch heute ehemalige Schüler und Studierende sich an seinen Unterricht erinnern, selbst wenn seither fünfzig Jahre vergangen sind. Ausdruck seiner ordentlichen Leistungen ist eine besondere Würdigung, die ihm 1992 die Universität Zürich zuteil werden liess. Sie verlieh im für sein breites ortsgeschichtliches und didaktisches Wirken den Doktor «honoris causa», die Ehrendoktorwürde.
Mit grosser Schaffenskraft lässt Peter Ziegler seit vielen Jahrzehnten unzählige Menschen an seiner Leidenschaft teilhaben. Für diesen unschätzbaren Einsatz sind wir ihm zu grossen Dank verpflichtet. Im Wissen darum, dass sich ein solcher Einsatz fast nicht abgelten lässt, suchten wir nach einer geeigneten Möglichkeit, Peter Ziegler «Danke» zu sagen für sein bisheriges Lebenswerk, und ihm zu danken für die vielen Auskünfte, die noch folgen werden. Der 75. Geburtstag unseres profilierten Historikers erscheint uns als geeigneter Zeitpunkt. Ich freue mich, dass es gelungen ist, diese Festschrift zusammenzustellen. An dieser Stelle danke ich allen, die bei deren Realisierung mitgewirkt und sie mit Wort und Tat unterstützt haben. Ein spezieller Dank geht an Adrian Scherrer, der im Auftrag der Stadt Wädenswil die Festschrift realisierte.



Philipp Kutter