HISTORISCHE GESELLSCHAFT WÄDENSWIL HGW

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2015 von Mariska Beirne

Die Kulturgarage entsteht

Am 1. Dezember 2014 wurden wie bei einem überdimensionierten Adventskalender die grossen Tore der ehemaligen Autogarage an der Florhofstrasse geöffnet: Der Umbau zur Kulturgarage hatte begonnen. Vom Stadtrat war das Ensemble aus Haus und Garage einige Monate zuvor aus dem kommunalen Inventar der schutzwürdigen Bauten entlassen worden. Nachdem gegen die publizierte Entlassung nicht erneut rekurriert worden war, erfolgte die Baufreigabe am 28. November 2014. Der Ausbau der Kulturgarage und die Organisation der ersten Veranstaltung stand während des ganzen Jahres 2015 für die HGW im Zentrum: Gleich zu Jahresbeginn wurde zusammen mit dem Trägerverein Kulturgarage und dem Volkstheater Wädenswil (VtW) eine «Arbeitsgruppe Mieterausbau» zusammengesetzt, um erst gemeinsam die Bedürfnisse für den Betrieb des neuen Hauses zu eruieren und anschliessend die daraus resultierenden Ausbauwünsche zu konkretisieren. Eine weitere Arbeitsgruppe entstand aus den Reihen von VtW und HGW für das erstmalige Bespielen der Kulturgarage, denn anlässlich der Eröffnung wollen die beiden künftigen Hauptmieter die Kulturgarage mit einer Co-Produktion der Öffentlichkeit zugänglich machen. «Wädenswil 1916 – eine Inszenierung» heisst die geplante Veranstaltungsreihe, die von Januar bis April 2016 in der Kulturgarage zu sehen sein wird.

Einblick in alte Schriften und Quellen

Aber auch neben den Vorbereitungen für die Kulturgarage war die HGW 2014 und 2015 aktiv und vermittelte im Rahmen unterschiedlicher Aktivitäten Geschichte: Im Herbst bot die HGW in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker Albert Jörger ihren Mitgliedern und weiteren Interessierten einen Schriftenlesekurs an, zu dem auch eigene Dokumente und Urkunden mitgebracht werden durften. Über acht Abende verteilt lernten die elf Teilnehmer und Teilnehmerinnen die deutsche Kurrentschrift des 18. bis 20. Jahrhunderts zu entziffern. An ihrer Generalversammlung im Frühjahr lud die HGW als besonderen Gast Hans Peter Treichler für einen Vortrag ein. Der Historiker und Autor aus unserer Nachbargemeinde Richterswil stellte sein neustes Buch «Zwischen See und Berg» vor, eine Chronik, die er gemeinsam mit der Historikerin Nicole Billeter zum Anlass der 750-Jahr-Feierlichkeiten Richterswils verfasst hatte. Statt die Höhepunkte der Chronik wiederzugegeben, was beim sehr reichen Inhalt des Werkes ein schwieriges Unterfangen gewesen wäre, verlegte sich Hans Peter Treichler auf eine Art «Making of ...»: So stellte er den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern die unterschiedlichen Quellenarten vor, welche das Autorenteam benutzt hatte, den Umgang damit, welche Probleme sich ihnen gestellt hatten und erzählte auf diese anschauliche und lehrreiche Art Richterswiler Geschichte.

Schriftenlesekurs mit dem Kunsthistoriker Albert Jörger.

Ein Ausblick auf 2016 – oder 1916?

Mit der ersten Veranstaltung in der Kulturgarage «Wädenswil 1916 – eine Inszenierung» nehmen die HGW und das Volkstheater ihre Besucher und Besucherinnen ab Januar 2016 mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit vor hundert Jahren. Im Fokus steht das Dorf Wädenswil im Jahr 1916, repräsentiert durch eine Gruppe damaliger Bewohner und Bewohnerinnen – vom Brauereibesitzer, über den liebeskranken Dichter bis zur alternativen Ärztin. Die Inszenierungen geben einen Einblick in den Alltag vor hundert Jahren und lassen das Publikum in die persönlichen Geschichten der Porträtierten eintauchen. Über die Verbindungen der dargestellten Personen wird ein dichtes dörfliches Beziehungsgeflecht sichtbar gemacht und ganz nebenbei erfährt man auch Dinge von nationaler oder globaler Bedeutung. Zwar stehen die weltgeschichtlichen Ereignisse des Ersten Weltkrieges nicht im Zentrum, ihr Einfluss kommt jedoch über Sorgen, Probleme oder Freuden der Dargestellten an die Oberfläche. Die Kompetenzen der beiden Vereine ergänzen sich für die Umsetzung eines solchen Konzepts in idealer Weise: Die ausgewählten Persönlichkeiten werden in den Szenen von den Akteurinnen und Akteuren des VtW gespielt, während die HGW die Hintergrundinformationen liefert und passende historische Objekte und Bilder präsentiert. Die Spielszenen sind fiktionalisierte Geschichte – das heisst, sie beruhen zwar auf wahren Gegebenheiten, Umständen der Zeit und den historischen Informationen zu den Personen, doch die Dialoge sind frei erfunden. In jeder der rund dreissig Inszenierungen bis Mitte April bietet sich den Zuschauerinnen und Zuschauern jeweils die Möglichkeit, zwei historischen Persönlichkeiten zu begegnen. Die übrigen Protagonisten sind jeweils durch die Hintergrundinformationen und Gespräche präsent. Es wird verlockend sein, mehrere Inszenierungen zu besuchen, um unterschiedliche Protagonisten kennenzulernen. Die Historische Gesellschaft freut sich zusammen mit dem Volkstheater auf das erstmalige Öffnen der Kulturgaragentore für das Wädenswiler Publikum.


Mariska Beirne
Präsidentin Historische Gesellschaft Wädenswil