HISTORISCHE GESELLSCHAFT WÄDENSWIL HGW

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2012 von Maja Burlet / Dorothee Gysi

HISTORISCHER FUNDUS

Seit der Schliessung des Ortsmuseums zur Hohlen Eich im Jahr 2005 übernahm die Historische Gesellschaft Wädenswil die Aufgabe, Ausstellungen zu Themen aus der vielfältigen Geschichte Wädenswils zu organisieren. Auch der reiche Fundus historischer Objekte aus dem ehemaligen Ortsmuseum wird seither von der Historischen Gesellschaft auf freiwilliger Basis verwaltet, gepflegt und bewirtschaftet. Im Jahr 2007 wurde diesbezüglich eine Leistungsvereinbarung zwischen der Stadt Wädenswil und der Historischen Gesellschaft getroffen. Damit hat die Historische Gesellschaft das Nutzungsrecht des Fundus, das heisst, sie darf Objekte für Ausstellungen verwenden oder an andere Museen ausleihen.
Siegel aus der Werkstatt der Petschaftstecher Brupbacher.
Irdenes Geschirr im Fundus des ehemaligen Ortsmuseums.

Im Jahr 2007 gab die Historische Gesellschaft mit ihrer ersten grossen Ausstellung Schatzkammer Wädenswil der Bevölkerung die Gelegenheit, viele der wertvollen Objekte des städtischen Fundus wieder einmal zu bewundern. Im Fundus befinden sich zurzeit weit über 3000 Objekte, die in zwei Depots fachgerecht eingelagert sind. Die Lagerstandorte befinden sich im ehemaligen Sanitätshilfeposten «Bin Rääbe» an der Schlossbergstrasse und in einem separaten Raum im Ortskommandoposten (OKP) unterhalb der Migros. Die von der Stadt speziell zur Verfügung gestellten Lagerräume sind klimatisiert – das heisst, sie verfügen über eine konstante Temperatur und regulierte Luftfeuchtigkeit. Ferner sind alle Exponate in einer digitalen Datenbank inventarisiert.
Das Verwalten und Bewirtschaften des historischen Fundus beschränkt sich nicht nur auf die vorhandenen Exponate – es müssen auch Neuzugänge inventarisiert und eingelagert werden. In diesem Zusammenhang erstellte die Historische Gesellschaft als Richtlinie ein Sammlungskonzept, in dem der Fundus-Bestand analysiert und Sammlungsgrundsätze formuliert wurden.
Der bestehende historische Fundus kann in drei ausgeprägte Sammlungsgruppen aufgeteilt werden. Die Objekte der ersten Gruppe stammen mehrheitlich aus dem bäuerlichen, vorindustriellen Alltag des 18. und 19. Jahrhunderts ohne direkten lokalen Bezug. Dies sind zum Beispiel Einrichtungsobjekte, Handarbeitserzeugnisse und landwirtschaftliche Gerätschaften. Die zweite Sammlungsgruppe umfasst spezielle Einzelobjekte, die einen starken Bezug zur lokalen Geschichte zeigen. Ein typisches Beispiel hierzu ist der Bärenschlitten aus dem Landvogteischloss, der im Empfang des Hotels Engel besichtigt werden kann oder das Militär-Taschenmesser des einstigen Wädenswiler Bundesrates Walter Hauser. In der dritten Sammlungsgruppe sind besondere, in ihrer Zusammensetzung einmalige Bestände definiert. Sie bilden somit auch einen wertvollen Sammlungsschwerpunkt des Fundus. Dazu zählt die Petschaftsammlung Brupbacher mit Siegeln, Werkzeugen und Dokumenten wie auch die Tirggelmodel-Sammlung.
Küchengeräte von einst in der Ausstellung «Schatzkammer Wädenswil», 2007.

Textilien in der Ausstellung «Schatzkammer Wädenswil» der HGW, 2007.

Die drei Sammlungsgruppen verdeutlichen, in welche Richtung und mit welchen Objekten der bestehende Fundus ergänzt und erweitert werden soll. In der heutigen Zeit der weltweiten Vernetzung wird es immer schwieriger, eine breit abgestützte ortsgeschichtliche Sammlung zu führen. Die heute in Wädenswil zum Kauf angebotenen Konsumgüter und Alltagsgegenstände haben keinen Lokalbezug mehr. Wädenswil als Produktionsstandort hat seine Bedeutung verloren. Die von der Historischen Gesellschaft formulierten Sammlungsgrundsätze gelten somit als Orientierung und Richtlinie für künftige Neuzugänge in den Fundus. Die Sammlung soll künftig nicht dem Zufall überlassen sein. So wurde festgelegt, dass die Neuzugänge einen direkten oder indirekten Bezug zu Wädenswil haben sollten und wenn möglich historische Veränderungen oder Entwicklungsschritte aufzeigen. Dies können zum Beispiel Gegenstände sein wie Seifen, Stoffe, Metallwaren, die in einer Wädenswiler Firma produziert wurden. Weiter kann ein Gegenstand auch aus dem Besitz einer Wädenswiler Persönlichkeit stammen. Typisches Objekt hierzu ist die Jagdflinte von Hermann Müller-Thurgau, des ersten Direktors der Forschungsanstalt. Die Sammlung ist zeitlich nicht begrenzt. Auch Objekte, die erst im 21. Jahrhundert entstanden sind, können für spätere Generationen von Interesse sein. Exponate zu Sammlungsschwerpunkten wie Weinbau oder Schifffahrt, die bereits durch andere Museen abgedeckt werden, werden von der Historischen Gesellschaft nicht gesammelt. Mögliche Objekte werden aber gerne weitervermittelt.
Die Bestandes-Analyse zeigt auch, dass Sammlungslücken im Fundus bestehen. So fehlen weitgehend Objekte zur Geschichte der Wädenswiler Industrie. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn der Bestand mit typischen Erzeugnissen von Wädenswiler Unternehmen des gesamten 20. Jahrhunderts erweitert oder ergänzt werden könnte. Wertvoll für die Sammlung wären auch Objekte zur Geschichte des Spitals Wädenswil.
Im Rahmen der Sammeltätigkeit muss auch die Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee der Stadt Wädenswil erwähnt werden. Grundsätzlich gilt, dass im von der Historischen Gesellschaft verwalteten Fundus nur gegenständliche Objekte aufgenommen werden. Dokumente auf Papier, Handschriften, Fotografien, Bücher und Filme werden in der Dokumentationsstelle aufbewahrt. Die Historische Gesellschaft leitet entsprechende Objekte weiter und übernimmt im Gegenzug von der Dokumentationsstelle Exponate zur Aufbewahrung.


Maja Burlet, Mitglied Vorstand Historische Gesellschaft Wädenswil
Verantwortliche für den Historischen Fundus

BESUCH DER DOKUMENTATIONSSTELLE

Es ist der Historischen Gesellschaft ein Anliegen, den Mitgliedern jährlich ein Angebot zur Auseinandersetzung mit der Wädenswiler Geschichte zu präsentieren. 2012 hat der Vorstand der HGW zu einer Besichtigung der Dokumentationsstelle am Hoffnungsweg 5 eingeladen.
Das Haus Hoffnungsweg 5 beherbergt die Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee.

Diese sammelt und erschliesst alles, was in oder über Wädenswil publiziert wurde. Sie besitzt zudem alle wesentlichen Publikationen über die benachbarten Gemeinden und Gebiete, insbesondere über die Zürichsee-Gegend. Der repräsentative Bestand an Literatur zur Geschichte des Kantons Zürich und der Schweiz sichert die Einordnung in übergeordnete Zusammenhänge. Die Sammlung umfasst Monografien, Quellendokumente, Zeitungsbände und Zeitschriften sowie Fotografien und Filme.
Zur Besichtigung am 29. Mai 2012 erschien eine beachtliche Gruppe von interessierten Wädenswilerinnen und Wädenswilern und liess sich auf einem Rundgang durch die Räume begleiten. Einige Besonderheiten des historischen Bestandes konnten bewundert werden: so verschiedene Fotografien vom Abbruch des alten Bahnhofes Wädenwil anfangs der 1930er Jahre und eine Aufnahme eines Festanlasses des Grütlivereins von 1905. Auch stand der Computer der Dokumentationsstelle zur Verfügung. Mit dem passenden Suchbegriff war es möglich, im digitalen Inventar das gewünschte Exponat zu finden. Loretta Seglias, Historikerin, und Christian Winkler, Historiker und Betreuer der Dokumentationsstelle, standen für Fragen und Auskünfte bereit.
Tag der offenen Tür in der Dokumentationsstelle.


Die Dokumentationsstelle sammelt alles über Wädenswil und die Region Zürichsee.

Bücher und Dokumente werden in einer modernen Compactus-Anlage aufbewahrt.

SCHWERPUNKT FÜR DAS JAHR 2012

2012 hat sich die Historische Gesellschaft Wädenswil zu einer Schwerpunktverlagerung entschlossen. Das bedeutet, dass der Vorstand ein Projekt für einen fixen Ausstellungsraum erarbeitet und intensiv nach einer geeigneten Räumlichkeit sucht. Die Mitglieder der HGW und der Stadtrat von Wädenswil wurden darüber informiert.
Zufälle oder glückliche Fügungen gibt es: Schon bald zeigte sich eine prüfenswerte Möglichkeit. Es ist die ehemalige Deltagarage an der Florhofstrasse. Der leerstehende Industrieraum, der bis vor kurzem als Garage diente, liegt sehr zentral und ist von seiner Grösse mit 300 Quadratmetern ideal für einen Ausstellungsraum und für weitere kulturelle Nutzungen.
Die Eigentümerin der Liegenschaft steht dieser Idee sehr positiv gegenüber. Aber nicht nur die Historische Gesellschaft beschäftigt sich mit der Raumsuche. Das Volkstheater Wädenswil hat keine festen Räumlichkeiten, wo die Vorbereitungen für die jährlichen Theateraufführungen stattfinden können. Eine Zusammenarbeit drängte sich auf und eine gemeinsame Arbeitsgruppe wurde gegründet, die in Zusammenarbeit mit der Stadt das Projekt Kulturgarage erarbeitete. Der Stadtrat befasste sich im Juli 2012 mit diesem Vorschlag und beschloss, ihn zu unterstützen und weiter zu verfolgen.
Über dieses positive Zeichen freut sich die Historische Gesellschaft und hofft, die Kulturgarage werde Wirklichkeit – ein Raum für historische und weitere Ausstellungen, ein Raum für das Volkstheater und verschiedene kulturelle Aktivitäten.
 


Dorothee Gysi
Präsidentin Historische Gesellschaft Wädenswil