Urs Burkhardt - Der Künstler und sein Werk

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1990 von Peter Ziegler

Eine Idee kommt zum Tragen

In der Ausgabe des «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee» vom 16. November 1989 regte das in Wädenswil lebende Künstler-Ehepaar Urs und Theres Burkhardt-Müller an, den gepflegten, zentral gelegenen Rosenmattpark auch für künstlerische Aktivitäten zu nutzen. Sie wollten mit ihrer Idee vielfältige Kunst – Theater, Film, Musik, Plastik – in den öffentlichen Raum tragen.
Die Anregung wurde von der Kulturkommission und vom Stadtrat Wädenswil positiv aufgenommen. Mit einer Werkschau des Bildhauers Urs Burkhardt wurde im September/Oktober 1990 ein verheissungsvoller Anfang gemacht. Allerdings konnte man den einheimischen Kunstschaffenden nicht im Rosenmattpark an der Arbeit treffen, sondern aus werktechnischen Gründen auf dem Seeplatz.

Biographisches

Wer ist Urs Burkhardt? Man sieht den bärtigen, weisshaarigen Mann mit Brille und Dächlikappe oder Töffhelm öfter in Wädenswils Strassen. Sein Atelier hat er im Anbau des Hauses Seestrasse 152, hart an der Bahnlinie eingerichtet: Zwei Räume stehen hier zur Verfügung, dazu ein von Marmorsplittern übersäter Vorplatz mit gedecktem Unterstand im Freien, für Arbeiten am Stein bei schlechtem Wetter. Überdies ein Ausstellungsraum an der Oberdorfstrasse 32, beim Atelier seiner Frau Theres, der Kunstmalerin.
Urs Burkhardt, am 9. Oktober 1945 in Wädenswil geboren, besuchte in seiner Heimatgemeinde die Schulen und schloss dann bei der Firma Oetiker in Horgen eine Lehre als Mechaniker ab. Während eines Frankreich-Aufenthalts wandte er sich 1965 bis 1967 der künstlerischen Fotografie zu. Fotoausstellungen in Wädenswil und Wollerau gaben zu Beginn der siebziger Jahre Einblick in dieses Schaffen.
Dann erfolgte 1974 die Wende zum Bildhauer. Dies bedeutete Arbeit bei verschiedenen Schweizer Plastikern, regelmässige Ausbildungsaufenthalte im italienischen Querceta und zwischen 1977 und 1983 jährlich in der Region Carrara.

Urs Burkhardt im Steinbruch im Maggiatal.
Ausstellung bei Ciba-Geigy in Basel mit Werken von Urs Burkhardt. Sie dokumentierte 1977 den Übergang der einen Kunstrichtung in die andere. Dann folgten seit den frühen achtziger Jahren Plastiken in verschiedensten Materialien, sie schmücken heute Innenräume und Gärten im In- und Ausland. Einzelne Werke sind öffentlich zugänglich. Der Brunnen in Granit vor der Ingenieurschule Wädenswil (1984), der Torso in Travertin im Nordteil des Wädenswiler Friedhofs (1985), die Plastik «Segel», aus drei Kupferelementen, auf dem Golfplatz Schönenberg (1985) und die Stele in Holz vor der Schweizerischen Kreditanstalt in Wädenswil (1989).

Vielfältig abgewandelt ist das Thema «Verwehung», das sich am reichen Formenschatz orientiert, den der Wind aus verschiebbarem Material immer wieder und neu einmalig bildet. Es fesselt den Bildhauer Urs Burkhardt noch immer. Er hat «Verwehung» ausgedrückt in Travertin vor den Rentenanstalten in Genf (1980) und Zürich (1981), in Bronze im Industrieclub F. Grillo in Gelsenkirchen BRD (1983) sowie vor den Häusern der Baugenossenschaft Gulmenmatt in Wädenswil (1986), in Marmor vor der Firma Gessner AG in Wädenswil (1984) und vor dem Schulhaus Allmend in Oberengstringen (1988). Gegen 140 Plastiken hat der anerkannte Künstler bis heute vollendet – und einige auch wieder zerstört!

 
Der Künstler an der Arbeit. Zeichnung von Theres Burkhardt.

Werkschau auf dem Seeplatz

Am Anfang stand eine Idee. Die Idee von Urs Burkhardt, das neue Foyer der Glärnischhalle künstlerisch zu gestalten. Es folgten die Eingabe an die Stadt, das Ausarbeiten von zwei Modellen, die Begutachtung durch die Kulturkommission und Vertreter der Primarschulpflege. Der Vorschlag des Triptychons – zwei plastische Halbreliefs, ergänzt durch ein Ölbild von Theres Burkhardt – gefiel. Keine bildliche Gestaltung war vom Bildhauer gewünscht, vielmehr etwas Dekoratives, Abstraktes. Das zweite Modell – ein plastisches Halbrelief mit konkaven und konvexen Flächen, verbunden mit streng geometrischen Elementen – verhiess dies und bedeutete die den Weg weisende Lösung. Theres Burkhardt brachte nun die Vorlagezeichnungen in die endgültige Form, und dann schnitt Urs Burkhardt die beiden Reliefs in Platten aus vergipstem Gasbeton. Und zwar in originaler Grösse, damit er später alle entscheidenden Punkte für Linien und Formen mit dem Pantographen im Massstab 1:1 auf den Stein übertragen konnte.
In seinem Atelier an der Seestrasse 152 arbeitet Urs Burkhardt am 1:1-Modell des Triptychons für das Foyer der Glärnischhalle in Wädenswil.

Der Stein: Er sollte zum belebten Natursteinboden des Foyers in Beziehung treten. Nicht blendend weisser Marmor kam da in Frage, sondern einheimischer Cristallina aus dem Maggiatal. Im Steinbruch las Urs Burkhardt den ihm passenden Block aus, sorgfältig auf durchgehende Venierungen achtend. Dann wurden im Bruch die Platten für die beiden Halbreliefs gesägt: 6 Zentimeter dick, 85 x 130 Zentimeter gross, jede um die 200 Kilogramm schwer.
Um der Bevölkerung Einblick in das Schaffen eines Bildhauers zu geben, installierte Urs Burkhardt am Montag, 17. September 1990, im südlichen Abschnitt des Wädenswiler Seeplatzes seine Werkhütte und machte sich dann in aller Öffentlichkeit ans Werk. Eines seiner Ziele war erreicht: der Bevölkerung zu zeigen, wie und was ein zeitgenössischer Bildhauer schafft. Und er hatte grossen Erfolg mit dieser Idee: Täglich verfolgten viele Interessierte das Vorankommen des Kunstwerks. Sie erlebten dabei die vielseitige Tätigkeit eines Bildhauers, begegneten einem Mitbürger im Gespräch und bei dessen Arbeit und bauten zudem eine Beziehung auf zu jenen zwei plastischen Halbreliefs, die bald das Foyer der Glärnischhalle zieren werden.

Vom 17. September bis 20. Oktober 1990 arbeitete Urs Burkhardt auf dem Seeplatz Wädenswil und gab der Bevölkerung Einblick in sein künstlerisches Schaffen.




Peter Ziegler