Als Werner Hauser 65 Jahre alt geworden war, übergab er seinem 25-jährigen Sohn Heinrich den Hof in der Vorderen Rüti. Während 35 Jahren hatte er hier selber gewirtschaftet und zum Land, den Bäumen und den Gebäuden Sorge getragen. Es war ihm ein Anliegen, das wertvolle Erbe in gutem Zustand weiterzugeben. Und gleichzeitig liess er dem Sohn in allem freie Hand, im Vertrauen darauf, er werde es auf seine Art auch gut machen.
Nebst seiner Arbeit auf dem Hof engagierte sich Werner Hauser während Jahren in bäuerlichen Genossenschaften und verschiedenen politischen Ämtern der Gemeinde Wädenswil. 35 Jahre lang war er in der
Molkereigenossenschaft tätig, zuerst als Rechnungsrevisor, dann als Vorstandsmitglied und Vizepräsident. Viele Jahre gehörte er auch dem Vorstand der
Obst- und Weinbaugenossenschaft am Zürichsee an, und präsidierte die Ortsgruppe der «Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei», wie die
SVP damals noch hiess.
Seine Behördetätigkeit begann in der Primarschulpflege Wädenswil. Von 1954 bis 1958 war er Mitglied des Gemeinderates, der damaligen Exekutive, von 1974 bis 1982 des Parlaments, und anschliessend schätze man von 1982 bis 1993 seine Mitarbeit und sein Urteil in der Natur- und Heimatschutzkommission.
Werner Hauser freute sich, Menschen zu begegnen und kennenzulernen; er war auch gerne bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Er machte nicht viele Worte. Aber wenn er etwas sagte, dann war es durchdacht, und man hörte auf ihn. Er war kein Draufgänger. Vorsichtig und sorgfältig erwog er alles und handelte überlegt. Was man an ihm vor allem schätzte, war seine Aufrichtigkeit, seine Ehrlichkeit und seine Zuverlässigkeit.
Weil er bei den Leuten grosses Vertrauen genoss, anvertraute man ihm 1976 das Friedensrichteramt für den Berg und die Au. In den 15 Jahren als Friedensrichter lernte er viele Anliegen, Sorgen und Probleme verschiedener Menschen kennen. Er nahm sein Amt sehr ernst, versuchte zu vermitteln, einzulenken und gute Lösungen zu finden. Er war glücklich, wenn er einen Streit schlichten und zur Versöhnung beitragen konnte. Andererseits empfand er die verschiedenen Ehestreitigkeiten, Verhärtungen und Ausweglosigkeiten auch als Belastung. War die Aufgabe manchmal schwierig und mit Enttäuschung verbunden, so bedeutete sie für Werner Hauser doch eine grosse Bereicherung und brachte ihn – wie er sich selbst einmal äusserte – in menschlicher Hinsicht weiter.
Zu den schönsten Stunden in Werner Hausers Leben zählten sicher auch die Wanderungen und Touren, die er zusammen mit seinen Bergkameraden der Seniorengruppe der
SAC-Sektion Hoher Rohn unternahm. Es war seine Idee die ganze Schweiz zu durchwandern, zuerst vom Bodensee zum Genfersee, dann vom Jura bis Chiasso. Der Plan vom grossen Wanderkreuz durch unser Land zeigt etwas von Werner Hausers Kühnheit und inneren Weite. Sorgfältig bereitete er beide Touren bis ins Detail vor, befasste sich mit Geschichte und Kultur der verschiedenen Gegenden, und entsprechend viel wusste er darüber zu erzählen. Was er auf den Wanderungen erlebte und erfahren hatte, beschrieb er einmal mit folgenden Worten: «Eine tiefe Liebe zur Heimat mit ihrer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt, die grosse Begeisterung am Wandern in der herrlichen Bergwelt, die unerschütterliche Kameradschaft zu den treuen Bergfreunden sind die wahren Grundlagen für das bestehen unserer Seniorengruppe.»
Wer sonst nicht auf die Wanderung mitgehen oder sonst reisen konnte, den nahm Werner Hauser in seinen wunderbaren und kurzweiligen Lichtbildvorträgen mit auf den Weg. Wie konnte er da erzählen, was wusste er nicht alles! Die Begeisterung, die von ihm ausstrahlte, wird niemand vergessen, der einmal dabei gewesen ist. Über hundert Vorträge hat er gehalten: so etwa im Rentnerverein und in der
«Frohmatt», in der Lesegesellschaft Stocken und in den Seniorenferien der Kirchgemeinde.
Gerne machte er auch im Männerturnverein und bei den Turnveteranen mit, und mit Kollegen zusammen besuchte er die bekannten Kochkurse für Männer.
1987 musste der bisher kerngesunde Werner Hauser erfahren, dass die gleiche Krankheit, an der sein Vater gestorben war, auch ihn befallen hatte. Das traf ihn schwer und beschäftigte ihn immer wieder.
Ein Kurs der Landfrauen gab den Anstoss, über den Hof Vordere Rüti eine Chronik zu schreiben. Diese Aufgabe fesselte ihn völlig. Mit unglaublichem Eifer sammelte er Dokumente, übersetzte er alte Briefe, forschte er in Geschichtsbüchern und verfasste eine mustergültige Hofchronik in mehreren Bänden. Die Arbeit an der Chronik half Werner Hauser, die Krankheit zeitweise zu vergessen und sein Leiden besser zu ertragen.
Abwechslung und grosse Freude breiteten Werner Hauser in den letzten Lebensmonaten die vielen Besuche in Feldheim und nachher im Spital Wädenswil. Anfangs Februar 1994 verlangte er aus eigenem Entschluss Spitalpflege, damit man ihm mit starken Medikamenten die ärgsten Schmerzen nehme. Denn er hing am Leben und kämpfte bis fast zuletzt.
Am Palmsonntag 1994 wollte er noch einmal sein «Feldheim» besuchen, wie um Abschied zu nehmen. Er setzte sich ans Pult und schaute alles an, dann ging er mit äusserster Anstrengung zu seinem Alpengärtchen: «Lueg deet d Änziane, die händ ja scho Chnöpf.» Nach einer Fahrt über die Panoramastrasse nach Hütten, dann auf den Hirzel und zur dortigen Kirche, rastete er in der Rüti. Anschliessend erfreute er sich noch an den blühenden Kirschbäumen im Steinacher. Am Ostermontag besuchte er zum letzten Mal die Rüti und nahm Abschied.
In der Nacht vom 15. auf den 16. April 1994 wurde Werner Hauser von seinem Leiden erlöst. Ein reiches, treues und bodenständiges Leben war zu Ende gegangen.