Der Komponist Johann Caspar Willi (1829–1905)

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2005 von Peter Ziegler

Generationen von Primarschülerinnen und Primarschülern haben es oft gesungen, und vielen älteren Leuten klingt es noch heute in den Ohren: das Lied «s Schwiizerländli isch nu chlii, aber schöner chönnts nid sii! Gang i d Wält, so wiit du witt, schönri Ländli gits gar nit!» Dass das Lied vom Wädenswiler Primarlehrer Johann Caspar Willi komponiert wurde, dürfte indessen den wenigsten bekannt sein.

Der Lehrer

Johann Caspar Willi wurde am 11. September 1829 in Hottingen geboren und genoss schon früh ersten Musikunterricht beim späteren Sängervater Rudolf Weber. 1845 trat er ins Lehrerseminar Küsnacht ein. Neben dem Studium wandte er sich ganz der Musik zu und fand in Zürich vielseitige Anregungen bei Franz Abt, Wilhelm Baumgartner, Ignaz Heim und Gustav Weber. Sein Beruf führte Willi nach Fägswil bei Rüti, wo er einen Männerchor gründete, und 1850 nach Hirslanden. Die Männerchöre Hirslanden und Hottingen sowie der Gemischtre Chor Enge wählten ihn zu ihrem Dirigenten. Unter der Leitung von Jakob Nater sang Willi im Gemischten Chor Riesbach und unter den Dirigenten Abt und Heim von 1852 bis 1857 in der «Harmonie Zürich».
Auf Anfang Mai 1857 wurde Johann Caspar Willi als Primarlehrer an die Dorfschule Wädenswil berufen. Bis 1862 wirkte er an deren Unterstufe und bis Mai 1897 an der Mittelstufe. Nach dem Urteil eines Zeitgenossen hegte er «warme Liebe zur Kinderwelt, liess sich leiten von der Überzeugung, dass der Lehrer nicht nur zu unterrichten, sondern auch zu erziehen habe, und war bestrebt, auf Herz und Gemüt der Kinder einzuwirken». Lehrer Willi war mit Bertha Hochstrasser verheiratet. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Paul, Bertha, Anna und Pauline.
Johann Caspar Willi (1829-1905), Lehrer und Komponist.
Als der Vater 1905 starb, war Karl noch ledig. Bertha hatte sich mit Karl Felber verehelicht, Anna mit Arnold Leuthold und Pauline mit Emil Kellersberger.

DIRIGENT UND KOMPONIST

Elf Tage nach seinem Stellenantritt in Wädenswil, am 11. Mai 1857, übertrug der 1851 gegründete Männerchor Eintracht dem jungen Lehrer die musikalische Leitung. Während 41 Jahren stand der Männerchor unter der Direktion des begabten, äusserst gewissenhaften musikalischen Johann Caspar Willi. Er formte die «Eintracht» zum Konzertverein und führte sie von Erfolg zu Erfolg. Von manchem Sängertag und kantonalen oder eidgenössischen Sängerfest kehrte der Verein mit Bechern, Kränzen und anderen Auszeichnungen zurück.
Nebst der «Eintracht» dirigierte Willi viele Jahre lang auch den «Frauen- und Gemischten Chor Wädenswil». Unter seiner Stabführung bereicherten die beiden Chöre viele private und öffentliche Anlässe in Wädenswil. So 1865 das Dienstjubiläum des Dekans Friedrich Häfelin, 1867 die Hundertjahrfeier der reformierten Kirche, 1888 die Wahlfeier für Bundesrast Walter Hauser und 1890 die Einweihung des Neuen Eidmattschulhauses.
Das Lied «s Schwiizerländli isch nu chlii...» ist wohl Johann Caspar Willis bekannteste, aber nicht seine einzige Komposition. 1861 trat er erstmals mit seinen eigenen Liedern «Abschied vom Walde» und «Gute Nacht» hervor. Dann folgten weitere Männerchorlieder:
1874 «Ich möchte froh singen»
1880 «Das schöne Lied»
1885 «Trinklied»
1887 «Lacrimae Christi»
1890 «Mein Vaterland»
1895 «Hoho, schwarzbraunes Mädel» und «Das erste Lied»
1896 «Heimat und Vaterland».
Bisweilen entstanden Lieder aus besonderem Anlass. So 1881. Als Regierungsrat Walter Hauser dem Männerchor Eintracht am 23. Oktober jenes Jahres eine neue Vereinsfahne überreichte, begrüssten die Sänger die Fahne mit dem «Fahnenlied», das Dirigent Willi eigens zu diesem Festtag komponiert hatte.
Johann Caspar Willi war bis zum Lebensende ein geschätztes Mitglied der Liederbuchkommission, welche im Auftrag des Erziehungsrates das «Gesangbuch für das vierte bis sechste Schuljahr» bearbeitete, das obligatorische Lehrmittel für die Zürcher Primarschulen. 1886 erschien es im kantonalen Lehrmittelverlag in dritter Auflage und enthielt auch eine Komposition von J.C. Willi: «Am Grabe eines Kindes». Sein Lied «s Schwiizerländli isch nu chlii...» findet sich noch im Schweizer Singbuch für die Mittelstufe, Ausgabe St. Gallen 1971.
"s Schwiizerländli isch nu chlii ..." - eine bekannte Komposition von Johann Caspar Willi.

VIELSEITIGE BEGABUNGEN

Lehrer Willi war vielseitig begabt. In manchen Konzerten sang er Bariton. Und ausserdem schrieb er Gedichte, vorgetragen im Familien- und Freundeskreis, an Festen und geselligen Anlässen. Das letzte entstand zum 80. Geburtstag des Freundes und Komponisten Jakob Nater, vorgetragen am 1. Oktober 1905 am Sängertag in Richterswil. Es wurde am 2. Oktober 1905 im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» abgedruckt.
Am 23. Oktober 1897 feierte der Männerchor Eintracht im Saal des Hotels Engel das 40-Jahr-Jubiläum seines Direktors. Pfarrer Jakob Pfister hielt die Festansprache. Verschiedene weitere Redner würdigten Willis Verdienste im Seeverband, als Vorstandsmitglied des Eidgenössischen Sängervereins, als Kampfrichter und überreichten Geschenke. Der Männerchor trug Lieder vor, unter anderem «Wer hart das erste Lied erdacht», eine weitere Komposition von J.C. Willi.

LEBENSENDE

1897 musste der weit über Wädenswil hinaus bekannt gewordene Lehrer und Komponist krankheitshalber vom Schuldienst zurücktreten und im August 1889 auch die Leitung des Männerchors Eintracht abgeben. «Papa Willi», wie er liebevoll genannt wurde, starb nach längerem Leiden am 31. Oktober 1905. Die Trauerfeier fand am 3. November 1905 in der reformierten Kirche Wädenswil statt. Die Grabrede hielt Pfarrer Schreiber. Sie war umrahmt von Liedervorträgen. Unter anderem sang der Männerchor Eintracht das «Ruhe sanft», eine weitere Komposition des Verstorbenen.




Peter Ziegler