Unsere Stadt in zwanzig Jahren?

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1975 von Walter Höhn

Wie soll unsere Stadt in zwanzig Jahren aussehen? Über diese Frage möchte ich mich mit Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, kurz unterhalten. Die Aktualität des Themas ist nicht sofort ersichtlich. Sie ist aber durch die Tatsache gegeben, dass jede Baubewilligung unser zukünftiges Stadtbild prägt. Dass es im laufenden Jahre besonders aktuell ist, ist dadurch begründet, dass die Baukommission im Spätsommer 1975 die Baubewilligung für eine grosse Überbauung nicht erteilte, der Stadtrat aber das alte Weinhändler- und Bürgerhaus zur Reblaube unter Schutz stellte.
Dieser Unterschutzstellung kommt fast historische Bedeutung zu, ist es doch das erste Bauwerk unserer Stadt, das von Wädenswiler Behörden unter Schutz gestellt wurde. Der Stadtrat war sich der Tragweite seines Beschlusses absolut bewusst und entschied erst, nachdem er sich über das zukünftige Aussehen unserer Stadt einig war. Eine der wichtigsten Fragen, die in diesem Zusammenhang immer wieder überprüft werden müssen, ist folgende. Sollen auch schöne, alte Gebäude, die einzeln auf unserem Stadtgebiet stehen, geschützt werden, oder muss man sich auf die Türgasse, die Leigasse und die Zone um die Kirche beschränken? Wädenswil, wie alle anderen Dörfer am Zürichsee, besitzt keinen eigentlichen Stadtkern, wie zum Beispiel Murten, Sempach oder Sursee. Es bleibt uns also keine andere Wahl, als auch Einzelobjekte zu schützen, wenn wir nicht allzuviele Zeugen aus vergangener Zeit verlieren wollen.
Ob diese Bauwerke schützenswürdig sind, darüber kann man in guten Treuen verschiedener Ansicht sein, doch glaube ich, dass sie in späterer Zeit zwischen den langen, fast etwas eintönigen Fassaden auflockernd und erfreuend wirken werden.
Dass jedes Unterschutzstellen nicht nur für die Hauseigentümer Probleme bringen wird, sondern auch für Besitzer der Nachbargrundstücke und für die Öffentlichkeit, haben die Reaktionen beim Haus zur Reblaube gezeigt. Es wird nicht einfach sein, die Nachbargrundstücke so zu überbauen, dass die neuen Überbauungen die zu schützenden Häuser nicht dominieren, sondern sich vielmehr möglichst harmonisch eingliedern.
Verständnis für die Schwierigkeiten der Grundeigentümer und der Wille zur Zusammenarbeit sind in unserer Behörde vorhanden. Wir sind uns auch bewusst, dass das Lösen dieser Probleme von den Grundeigentümern und der Öffentlichkeit gewisse finanzielle Opfer verlangt. Ich bin aber überzeugt, dass spätere Generationen für unsern Einsatz dankbar sein werden.




Walter Höhn


Blick vom Kirchturm gegen Nordwesten.