Wädenswiler Fasnacht 1976

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1976 von Peter Schuppli


Seit 1972 versucht die damals neugegründete «Neue Fasnachtsgesellschaft» (NFG) für einige Tage wieder etwas Leben in unsere Stadt zu bringen. Vorher waren es jahrelang nur die allen Schwierigkeiten trotzende «Sakkophonie 1958 Wädenswil» und die unermüdlichen «Freunde der Kinderfasnacht», welche noch einen Hauch von Fasnachtsstimmung in unser (damals noch) Dorf brachten. Der Wunsch nach einem echten Fasnachtsumzug wurde von Jahr zu Jahr grösser. Nicht nur die Kleinen, sondern auch die Grossen schienen wieder Freude an der Fasnacht zu finden. Mit Hilfe einiger echter Idealisten wurde die Idee verwirklicht und seither ständig ausgebaut. Heute nun darf die NFG mit berechtigtem Stolz auf die bisher vier von ihr organisierten Fasnachten zurückblicken. Der Höhepunkt wurde ganz bestimmt im März 1976 erreicht.
Die Wädenswiler Fasnacht hat innert kurzer Zeit eine der Stadt würdige Grösse erreicht und findet in immer breiteren Kreisen Anklang und Beachtung – auch in der Nachbarschaft. Mannigfaltig sind die von Vereinen und Wirten angebotenen Anlässe: das urwüchsige Hallenbadfest des Turnvereins und der Harmonie, die Etzel-Bööggete, der Sportfischer-Ball, der Volkshaus-Maskenball, die Bergfasnacht im Neubühl. Reichhaltig ist zudem die Palette der NFG: Einschellen der Fasnacht – Fasnachtsumzug – Schnitzelbankfest – Maskenbälle für jung und alt – Rosenchüechlistand – Wurststand – Fasnachtsbar – selbst hergestellter Rosoli … Unser diesjähriges, in der gelungenen Fasnachtsplakette ausgedrücktes Sujet «Schlafe, poschte, Märggli chläbe – Wädischwiler Dörfli-Läbe», fand sogar im «Tages-Anzeiger» Beachtung. Erstmals hatte man am Sonntagabend nach dem imposanten Guggen-Konzert auf dem Postplatz das Gefühl, ganz Wädenswil habe sich von der fasnächtlichen Stimmung ergreifen lassen. Im ganzen Dorfkern begegnete man herumziehenden Cliquen, phantasievoll geschminkten Einzel- oder Gruppenmasken und schaurig schön dröhnenden Guggenmusiken. In den Restaurants herrschte Hochbetrieb wie selten im Jahr. Und überall sah man zufriedene Gesichter ob der gelungenen Fasnacht.
Doch was gegen aussen so eindrücklich aussah, was so reibungslos über die Bühne zu rollen schien, war das Resultat harter, viel Zeit und Geld erfordernder Arbeit. Wochenlange Vorbereitungen sowie ein Ausgabenbudget in der Höhe von 20 000 Franken verlangten Ausdauer, Mut und Nerven der Veranstalter. Der Wetterbericht rückte ins Zentrum der Diskussionen, und spätestens am Sonntagmorgen früh richtete sich das Augenmerk gen Himmel. Glücklicherweise drückte der Wettergott auch diesmal ein Auge zu und liess nur die Temperatur auf den Nullpunkt sinken, seine Schleusen blieben hingegen den ganzen Tag geschlossen.
Nebst der über Erfolg einer ganzen Fasnacht entscheidenden Frage – feucht oder trocken? – hatten die NFG-Organisatoren weitere, jedoch nicht unlösbare Probleme zu meistern. Zu der mageren Beteiligung von Wädenswiler Vereinen am Umzug – eingekaufte Gruppen aus der Nachbarschaft füllten die Lücken – kamen Rekrutierungsschwierigkeiten für den Plakettenverkauf, für die Umzugsverpflegung (immerhin sind 500 Erwachsene und 1000 Kinder zu «füttern») und für den Standbetrieb hinzu, kurz, die Helfer waren in allen Bereichen rar. Daneben musste sich die NFG dieses Jahr noch mit Anlaufschwierigkeiten des erstmals für beinahe alle Fasnachtsanlässe zu freiem Eintritt berechtigenden Passe-partout herumschlagen.
Leider mussten die Veranstalter feststellen, dass nicht alle (Möchtegern)-Fasnächtler bereit sind, die Ideen des Fasnachtsvereins, sei es in finanzieller Hinsicht durch den Kauf einer Plakette, sei es auch nur auf moralische Art und Weise, zu unterstützen. Das Ziel der NFG ist jedoch, in der Funktion als Dachorganisation sowie als Organisator eigener Anlässe, der ganzen Stadt fröhliche und abwechslungsreiche Fasnachtstage zu bieten, den Kontakt der Wädenswiler untereinander zu fördern, das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu wecken und aus dem Konglomerat von alt und jung, von Alteingesessenen und Neuzugezogenen ein Gebilde, eine Stadt mit Herz zu formen. Um diese selbst gestellte Aufgabe zu realisieren, braucht die NFG die idealistisch ausgerichtete Unterstützung und Mithilfe der ganzen Wädenswiler Bevölkerung.



Peter Schuppli, Präsident NFG