Wie man in Wädenswil die Hungerjahre 1816/17 erlebt hat

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2016 von Rudolf Diezinger

Nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahre 1815 schirmte eine Schwefelaerosol-Wolke die Strahlung der Sonne ab. Dies führte in weiten Teilen der Welt, vor allem in Europa und Nordamerika, vorübergehend zur Abkühlung des Klimas. Das Wetter wurde schlechter und es regnete häufiger. Daher fielen im folgenden Jahr 1816 die Ernten geringer aus als üblich. Das «Jahr ohne Sommer» führte auch in der Schweiz zur Verknappung der Lebensmittel, zu steigenden Preisen, Armut und Hunger. Der Chronist der Lesegesellschaft hat festgehalten, wie sich die Klima- und Lebensmittelkrise auf die Wädenswiler Bevölkerung ausgewirkt hat (Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee, L 11, S. 213–234). Nachstehend orthografisch bearbeitete und gekürzte Auszüge aus der ausführlichen Berichterstattung über die Jahre 1816/17.




Peter Ziegler




Die Witterung im Jahr 1816

In den beiden ersten Monaten herrschte fast fortdauernd strenge Winterkälte, so dass der See in diesem Winter dreimal zu- und aufgefroren ist. Erst gegen Ende März ging derselbe das letzte Mal und der Obersee erst im April ganz auf. Es herrschte andauernd kalte und raue Witterung bis in den ersten Tagen des Aprils. Am dritten schneite es den ganzen Tag so stark, dass am vierten morgens, am hiesigen Jahrmarkt, der Schnee anderthalb bis zwei Schuh tief lag. In zwei bis drei Tagen aber war nicht nur dieser neue, sondern auch der alte Schnee wieder ohne Schaden ganz weg und durch die sich einstellende milde Witterung kam alles zum Wachstum, so dass Ende April die Kirschbäume aller Arten in voller Blüte standen. Allein, die später eintretende Kälte und regnerische Witterung trübte die frohen Hoffnungen auf ein günstiges Jahr wieder ganz. Besonders waren die Monate Juli und August sehr regnerisch und kalt, so dass man für den Weinstock hauptsächlich wenig erfreuliche Hoffnung haben konnte. Der Anfang des Herbstmonats war gleich seinen Vorgängern unfreundlich, regnerisch und kalt, sodass sich der Tau beinahe in Reif verwandelte. Es schien, als ob unsere Gegend ganz in ein nördliches Klima versetzt worden wäre, und man war in bangen Sorgen, dass alle noch im Feld stehenden Früchte durch die Kälte zu Grunde gehen und somit dann das Elend seine höchste Stufe erreichen sollte. Die gegen die Mitte dieses Monats eingetretene mildere Witterung gestattete, dass endlich die Kornernte beginnen konnte.
Diese günstige Witterung kam auch allen Erd- und Baumfrüchten wohl zustatten, und die Hoffnung, bald wieder wohlfeilere Lebensmittel zu bekommen, realisierte sich für einige Augenblicke. Mit Ende September und Anfang Oktober fing man das frühe Obst zu sammeln an. Allein, die schon im Oktober sich zeigenden Reife und die Anfang November eingetretene Kälte machten, dass die sonst frohe Herbstzeit in ungewöhnlicher und beispielloser Stille vorbei ging. Und der Winter war schon da, als noch ein grosser Teil der Feld- und Erdgewächse nicht eingesammelt waren und mit Schnee bedeckt wurden. Die kalte Witterung dauerte mit kleinen Unterbrechungen bis Mitte Dezember, wo dann bis Ende des Jahres eine so gelinde Witterung eintrat, die eher dem Frühling als dem Winter glich.

Im Toggenburg grasen hungernde Leute wie Vieh.

Steigende Lebensmittelpreise

Schon im Mai und Juni stiegen die Preise der unentbehrlichsten Lebensmittel zu einer, wie man damals glaubte, unerschwinglichen Höhe, indem ein grosses Brot zu 23 Schilling und ein Viertel Erdäpfel zu einem Gulden bezahlt werden mussten. Und zu diesem Preis waren besonders Letztere nicht immer zu kaufen, wozu besonders der wucherische Vorkauf der Spekulanten Anlass gab. Am 21. Juli galt das grosse Brot 31 Schilling und am 28. fiel es auf einmal um 7 Schilling und veranlasste die täuschende Hoffnung, es werde nun nicht mehr im Preis steigen. Aber gerade nachher stieg dasselbe wieder sukzessive bis auf 30 Schilling. Am 24. September fiel es wieder auf 24 Schilling und die Erdäpfel fielen von einem Gulden auf 24 Schilling. Aber auch diese Hoffnung war nur vorübergehend, indem die Preise dieser und anderer Lebensmittel gerade wieder in die Höhe stiegen, so dass in diesem Herbst für das Viertel Birnen, die zum Mosten gar nicht ergiebig waren, bis 1 Gulden 20 Schilling, für das Viertel Zwetschgen 1 Gulden 8 Schilling, für die Tanse Äpfel bis 4 Pfund bezahlt wurden. Die Mostpreise waren zur ungewohnten Höhe von bis 18 Gulden pro Eimer gestiegen, und der geringste Wein wurde mit 20 Gulden und der beste, zum Beispiel von 1811, mit 40 Gulden der Eimer bezahlt.
Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, Seite 221, mit Preisangaben zum Jahr 1816.

Die drückenden Preise hatten die heilsame Folge, dass man sowohl in mittleren als auch in wohlhabenden Häusern sich bequemte, statt Wein und Most Wasser zu trinken oder wenigstens sich so zu beschränken, dass kaum mehr der vierte Teil von Getränken konsumiert wurde und dadurch die Preise nicht noch höher stiegen. Der diesjährige Wein, von welchem ein grosser Teil an den Reben erfroren, konnte erst im November gesammelt werden und war so sauer, dass man zu andern Zeiten denselben nicht einmal getrunken hätte. Mit Ende des Jahres stieg der Brotpreis auf noch nie erlebte Höhe von 32 Schilling und die Erdäpfel auf 1 Gulden 10 Schilling das Viertel. Und so wurde dieses Jahr unter bangen Sorgen und traurigen Erwartungen für die Zukunft abgeschlossen.

Massnahmen des Gemeinderates

Die fatalen Umstände – teure Lebensmittel und geringer Verdienst – hatten zur Folge, dass Arme und notleidende Menschen zu nächtlicher Zeit die Erdapfeläcker plünderten. Das Gleiche geschah auch mit den Baumfrüchten. Darauf verordnete der Gemeinderat eine nächtliche Sicherheitswache von 16 Mann. Zu gleicher Zeit beschloss der Stillstand (Kirchenpflege), um dem täglich mehr überhandnehmenden Gassenbettel Einhalt zu tun, dass vom 19. September 1816 an täglich einmal Suppe unter die würdigen Armen ausgeteilt werde. Die täglichen Portionen von anfänglich 200 reduzierten sich nachher auf 120. Die wohltätige Suppenausteilung an die Armen wurde auch im Monat November und Dezember fortgesetzt. Es wurden in diesen Monaten 6750 Portionen sehr schmackhafter und nahrhafter Suppe ausgeteilt. Die Gemeindebehörden ergriffen alle Mittel, um die Not der Armen zu lindern und ihre Tränen zu trocknen. Dazu liessen sich die wohlhabenden Bürger der Gemeinde sowohl zu williger Bezahlung der Abgaben als auch zu besonderen Werken der Menschenliebe immer bereitwillig finden.
So wurden auf die Einladung des Stillstandes alte oder sonst noch brauchbare Kleidungsstücke zur Unterstützung der Armen entweder gegen billige Bezahlung oder als grossmütiges Geschenk an dieselben abgegeben. Über das Weihnachtsfest konnten Geldbeträge, die auswärtige Menschenfreunde sowie die hiesige Lesegesellschaft und die Donnerstaggesellschaft gespendet hatten, unter die Armen verteilt werden.
Am Ende des Jahres bestätigte die Gemeindeversammlung einen Beschluss des Gemeinderates: Zur Bestreitung der täglich grösser werdenden Armenunterstützungen sollte monatlich eine Steuer von 10 Schilling pro 1000 Gulden Vermögen (= 1 %) eingezogen werden, was jeden Monat 400 Gulden abwarf.

Abgabe der Armensuppe.

Gründung der Sparkasse

Die schon im Monat Februar von der hiesigen Donnerstaggesellschaft projektierte Ersparungs-Cassa für unsere und benachbarte Gemeinden wurde im Monat April endlich beschlossen und die Organisation, Einrichtung und Statuten durch den Druck bekannt gemacht und Sonntag, den 21. April durch eine passende Predigt unseres verehrten Herrn Pfarrers Bruch, der selbst Mitglied und dermaliger Präsident war, der Gemeinde bestens empfohlen.

Die Witterung im Jahr 1817

In den Monaten Januar und Februar war die Witterung sehr mild. Am 20. und 21. Januar wütete ein heftiger Sturm, der in Waldungen, an Fruchtbäumen und an Gebäuden grossen Schaden verursachte. Besonders bedeutend war der Schaden im Gerenholz, wo der grösste Teil der Bäume umgeworfen wurde. In den letzten Tagen des Februars brachte ein kalter Südwestwind Schnee. Am 3. und 4. März regnete es so heftig, dass alle Bäche aus ihren Betten traten und man bei mehreren Häusern mit Überschwemmungen zu kämpfen hatte. In diesen Tagen schneite es auf die Berge. Am 11. März, abends ein Viertel nach neun, verspürte man ein heftiges Erdbeben, das aber keine Schäden anrichtete. Wechselhaft war die Witterung auch im April. Vom 12. bis 20. April waren alle Gegenden bis an den See jeden Morgen mit Schnee bedeckt, der jedoch den Tag über wieder schmolz. Am 24. und 25. war die Erde morgens gefroren und mit Reif bedeckt und am 26. und 27. April schneite es wieder heftig. Die letzten Tage im April und die ersten des Monats Mai waren eigentliche Frühlingstage. Der 10. und 11. Mai waren wieder rau und kalt. Von da bis 21. Mai war das Wetter schön, nachher bis Ende des Monats rau und nass.
Bienenkorb-Signet auf Gutschein der Ersparungscasse in Wädensweil.
Die Reben, die bis Ende Mai in ihrem Wachstum ganz still zu stehen schienen, so dass die Hoffnung auch für dieses Jahr beinahe ganz geschwunden war, fingen vom 6. Juni an ausserordentlich zu wachsen, auch sah man von Tag zu Tag mehr Trauben zum Vorschein kommen. Der 7. Juni war der erste Sonnentag. Am folgenden Tag, um 7 Uhr abends, fielen während eines heftigen Gewitters im Hinter Berg und im Dorf beträchtliche Schlossen. Von da an war die Witterung den ganzen Monat sehr fruchtbar, mit wohltätigen Gewittern vermischt, und am längsten Tag zeigte sich bei Sonnenaufgang ein schöner Regenbogen im Südwesten. Die Heuernte fing im Dorf erst am 10. Juni an. In der letzten Woche des Junis sah man schon hin und wieder blühende Trauben. In den Monaten Juli und August herrschte fortdauernd fruchtbare Witterung mit mehreren Gewittern. Der September war sehr fruchtbar, so dass man noch Hoffnung hatte, einen brauchbaren Wein zu bekommen. In den ersten Tagen des Oktobers, während heftigem Nordwind, regnete es stark und am 5. und 6. verwandelte sich dieser in Schnee. Bis unter den Herrlisberg richtete er grossen Schaden an, indem er viele Fruchtbäume teils mit, teils ohne Obst zerriss. Am 12. und 13. sowie am 20. und 21. Oktober schneite es abermals und der Schnee blieb bis am 24. liegen. Nachher herrschte bis Ende Oktober milde Witterung, in welcher Zeit die Weinlese abermals sehr still vor sich ging. Der diesjährige Wein zeichnete sich sowohl in Qualität als Quantität als sehr übel geraten aus. In vielen Gegenden erfroren die Trauben beinahe ganz und es wurden auf die Juchart kaum vier bis fünf Eimer gesammelt. Der Most geriet in den Seegegenden besser. Anfang November stand der Barometer auf einer ungewohnten Höhe. Vom 3. bis zum 21. November gab es schönes Herbstwetter und man bereute, die Trauben zu früh eingesammelt zu haben. Gegen Ende des Monats zeigten sich ein paar kalte Tage, dafür war der Dezember angenehm und warm, so dass man fast immer auf dem Feld arbeiten konnte.

Lebensmittelpreise im Jahr 1817

Man glaubte Anfang dieses Jahres, als das grosse Brot 32 Schilling und das Viertel Erdäpfel 1 Gulden 20 Schilling galt, dies sei wohl die oberste Höhe, die diese zwei unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse erreichen werden. Denn diese Preise waren für die arbeitende Klasse beinahe unerschwinglich. Allein, man musste Erfahrungen machen, die noch kein Zeitalter erlebt hatte, obwohl die Regierung in Zürich publizieren liess, dass sie jeden Freitag 500 Mütt Korn 20 Schilling unter dem Schatzungspreis an die Kantonseinwohner verkaufen wolle. Am 11. April 1817 kamen auf dem Zürcher Markt 1536 Mütt Korn zum Verkauf. 490 Mütt waren vom letzten Markt übrig geblieben, 118 Mütt hatten Bauern aus dem Kanton geliefert, 114 Mütt wurden aus Schwaben und 814 Mütt von Händlern zugeführt. Im Sommer wurde der Kornmarkt in Zürich meistens mit Getreide aus Italien, Odessa und Asien versorgt. Ohne diese Zufuhr wäre die Hungersnot noch weit drückender gewesen, da nicht nur keine Frucht aus Deutschland mehr gebracht werden konnte, sondern auch in der Schweiz, freilich unschweizerisch, eine Sperre zwischen den Kantonen gelegt wurde, sodass man zum Beispiel im Kanton Aargau das Brot um ein Drittel, oft um die Hälfte, wohlfeiler essen konnte als im Kanton Zürich. Der Brotpreis stieg alle Wochen. Am 14. März kostete das grosse Brot 32½ Schilling, am 5. April 35 Schilling, am 13. April 1 Gulden 1½ Schilling, am 20. April 1 Gulden 4 Schilling, am 27. April 1 Gulden 7 Schilling und am 6. Juni 1 Gulden 11 Schilling.
Gedenktafel an die Hungersnot von 1816, herausgegeben von Johann Huber in Wädenswil.
Vom 11. bis 18. Juli lag der Brotpreis bei 38 Schilling, am 25. Juli bei 1 Gulden 1½ Schilling und sank bis Ende August 1817 auf 30 bis 26 Schilling.
Im Mai 1817 wurden die unentbehrlichsten Lebensmittel zu folgenden Preisen verkauft: 1 Mässli Hafermehl 18 Schilling, 1 Mässli Mehl 12 Schilling, ½ Mütt Böhnli 25 Gulden, 1 Mass Milch 4 Schilling, 1 Pfund Rindfleisch 7 Schilling 2 Heller, 1 Pfund Kalbfleisch 6 Schilling 7 Heller, 1 Pfund Speck 20 Schilling, 1 Pfund süsser Anker 19 Schilling.
Durch die günstige Witterung des Monats Juli und die froheren Aussichten einer zu erwartenden gesegneten Ernte verminderte sich die Hungersnot, die zuzeiten so gross war, dass man an mehreren Orten selbst in angesehenen Wirtshäusern gegen Geld kein Brot haben konnte. Man behauptet, solange die Welt steht, seien nie in einem Jahr so viele Erdäpfel gepflanzt worden als in diesem Jahr. Und da diese so gut gerieten, so wurde das Viertel Ende Oktober, während der Brotpreis noch 29 Schilling war, um 34 und 35 Schilling verkauft.

Kampf gegen Armut und Hunger

Der Gemeinderat liess die wohltätige Suppenanstalt bis nach Ostern 1817 weiterführen. Die Zahl der täglich ausgeteilten Portionen belief sich auf 230 und die Summe der gesamten vom 10. April 1816 bis 10. April 1817 ausgegebenen Portionen auf 33 171. Nach Ostern fing der Stillstand an, anstatt dieser Suppe täglich für jede Portion 1¼ Pfund Erdäpfel unentgeltlich unter die Armen auszuteilen. Zugleich verordnete er, dass den ärmeren Leuten vom Erdapfelvorrat, welcher zirka 800 Viertel betrug, teils umsonst, teils gegen mässige Bezahlung Erdapfelsamen ausgeteilt werde: das Viertel zu 1 Gulden 10 Schilling für Ärmere und zu 2 Gulden für Wohlhabendere.

Der Gemeinderat beschränkte auch den Gassenbettel für Fremde und Einheimische. Die Not und das Elend der Armen in unserer Gemeinde stiegen jedoch von Tag zu Tag, obwohl die Armenpflege im Lauf des Monats April 625 Gulden für tägliche Armenbedürfnisse aufwendete. Denn auch die kräftigste Unterstützung konnte mit dem hohen Preis der Lebensmittel in keinem Gleichgewicht stehen, zumal der Verdienst der Armen eher gefallen als gestiegen war. So sehr der Hunger unter dem ärmeren Teil unserer Einwohner herrschte, ebenso gross war derselbe in der letzten Hälfte des Aprils unter dem Vieh. Der Zentner Heu wurde zum hohen Preis von 4 bis 4½ Gulden verkauft und an mehreren Orten musste man aus Not das kaum aus der Erde entsprossene Gras durch das Vieh oft unter dem Schnee abäsen lassen.
Der Gemeinderat Wädenswil liess Erdäpfel austeilen.

Sterblichkeit

Als eine Folge der drückenden Zeitumstände und des mehr und minder herrschenden Mangels darf die bedeutende Sterblichkeit in unserer Gemeinde nicht übergangen werden, indem von Januar bis April 1816 bereits 68 erwachsene und minderjährige Personen beerdigt worden sind. Im Jahr 1817 starben 180 Personen, 100 mehr als Kinder geboren wurden.

Armenhaus

Der Gemeinderat sah ein, dass die bisherige Art der Armenunterstützung weder für die Geber noch für die Empfänger zweckmässig war. Er gelangte daher mit einem Plan zur Errichtung eines Armen- und Erziehungshauses an die Gemeindeversammlung. Nach der Genehmigung wurde das Projekt der Kantonsregierung vorgelegt mit der Bitte, der Gemeinde zu einem günstigen Preis die dem Staat gehörende Eichweid abzutreten. Mitte August überbrachten die Herren Landschreiber Huber und Hauser zur Treu dem Präsidenten des Kleinen Rates das Gesuch persönlich.
Inzwischen beschloss eine aus beiden Behörden der Gemeinde bestellte Kommission als Notlösung, dass das Schulgebäude der Gemeinde in solchen Stand gesetzt werde, dass mit nächstem Martini eine gewisse Anzahl Arme darin aufgenommen werden und den hier bevorstehenden Winter verbringen könne. Den beiden Dorfschulmeistern wurden Schulstuben bei Büchsenschmied Hotz und bei Zimmermann Isler zugewiesen. Anfang November wurde jedem Bürger ein gedruckter Plan des von beiden Gemeindebehörden projektierten und von der Regierung genehmigten Armenhauses zugestellt. Anfang des Monats bezogen zirka 50 Personen, teils alte Betagte, teils minderjährige Kinder, das alte Dorfschulhaus. Alte und junge Personen wurden vorgängig sorgfältig gereinigt, gleichmässig neu gekleidet und alle zur Arbeit und die Kinder zu fleissigem Schulbesuch angehalten, ebenso mit nahrhafter Kost, hauptsächlich Erdapfel, Kost- und Hafersuppe, verpflegt.
Armenhaus Wädenswil am Plätzli, erbaut 1818, abgebrochen 1913.
Zum Abschluss die Jahres 1817 mag als traurige Merkwürdigkeit und zum Andenken bemerkt werden, welche Opfer die hiesige Gemeinde für ihre Armen – verursacht durch die beispiellose Teuerung – zu bringen hatte. Es wurden nämlich gemäss Armenrechnungen und Registern an die in diesem Jahr unterstützungsbedürftig gewordenen 800 hiesigen Armen 10‘000 Gulden ausgegeben: 8000 Gulden an Bargeld; 1200 Gulden für zirka 41‘000 Portionen Suppe; 530 Gulden für Mehl; 170 Gulden für Brot; 100 Gulden für Erdäpfel. Dazu kamen 1500 Gulden für den Umbau des Schulhauses zur Armenanstalt.

Ausblick

Möge nun endlich mit dem Schluss dieses Jahres die Zeit der Prüfung enden und mit dem Übergang in das neue Jahr 1818 eine solche Zeit eintreten, die der gebeugten Menschheit Befriedigung und Beglückung, damit aber auch Kraft zu weiser Benutzung derselben bringt.




Rudolf Diezinger,
Chronist der Lesegesellschaft Wädenswil