ERNST UND ELSBETH HAAB-SCHWARZENBACH

(11.9.1916−12.3.2013 / 1.8.1923−7.3.2013)

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2013 von Peter Weiss

EINSATZ FÜR DIE REFORMIERTE KIRCHGEMEINDE

Während Jahren und Jahrzehnten haben sich Ernst und Elsbeth Haab−Schwarzenbach für die reformierte Kirchgemeinde – vor allem in der Au – eingesetzt und unzählige Stunden ehrenamtlichen Dienstes geleistet. Was immer in der Au von kirchlicher Seite an die Hand genommen wurde, man konnte auf sie zählen, sowohl auf ihre tätige Hilfe wie auf ihr inneres Mittragen. Dass auch ihre grosse Familie, ihre fünf Töchter und drei Söhne, – jedes zu seiner Zeit und auf seine Art – mit in diesen Dienst einbezogen war, war für sie selbstverständlich. Aussen Stehende hingegen haben diese treue und verlässliche Hilfsbereitschaft aufrichtig bewundert.
Wir versuchen nun im Leben der beiden, die im März dieses Jahres miteinander abberufen worden sind, nach den Quellen ihres Dienens zu suchen und dieses Dienen in seiner reichen Vielfalt darzustellen und dankbar zu würdigen.
Ernst Haab wurde am 11. September 1916 auf dem elterlichen Heimwesen im Herrlisberg als drittes Kind der Eltern Albert und Anna Haab-Meier geboren. Sein Vater, eine angesehene Persönlichkeit und fest im christlichen Glauben verankert, war Friedensrichter, Schulpfleger der Sektion Langrüti und Mitglied der Kirchenpflege Wädenswil. «Mit vier Schwestern und einem Bruder verbrachte ich eine frohe Jugendzeit, die aber getrübt wurde durch den Tod der jüngsten Schwester Vreneli, die mit vier Jahren einer schweren Krankheit erlag.»

Elsbeth und Ernst Haab.

Heimwesen Herrlisberg, Elternhaus von Ernst Haab.

Tägliche Morgenandachten und die Tischgebete boten den religiösen Rahmen, in welchem die Kinder Gott zu lieben und zu gehorchen lernten. Es herrschten strenge Regeln, wozu auch der sonntägliche Kirchgang gehörte. Sonntags wurde weder gearbeitet noch Karten gespielt, dafür musiziert: eine Schwester am Harmonium, Bruder und Vater spielten Geige und Ernst Cello. Während der Woche mussten alle Kinder neben der Schule in Haus und Hof tüchtig mithelfen. Wenn das Geld auch knapp war, reichte es doch immer für das Nötigste.

Eltern Albert und Anna Haab−Meier mit ihren Kindern. Von links: Ernst, Ruth, Anna, Albert, Martha.

IN DER SCHULE BEI AMALIE WIDMER

Die erste bis dritte Klasse besuchte Ernst Haab im alten Schulhaus Langrüti bei Amalie Widmer (6.6.1885−5.5.1969). Sie, eine Bauerntochter aus Horgen, wirkte von 1914 bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 1951 auf originelle und lebendige Art mit Freude und Geschick als Lehrerin im Wädenswiler Berg. Einerseits bodenständig und heimatverbunden, zog es sie anderseits immer wieder in die weite Welt, die sie auf zahlreichen Reisen erkundete. Nicht nur Europa und Nordafrika, auch die USA besuchte sie, und ein Höhepunkt war, als sie in Äthiopien von Kaiser Haile Selassie zu einem persönlichen Gespräch über Alphabetisierungs- und Bildungsfragen eingeladen worden war. Mit wachen Augen und regem Geist nahm sie an allem Anteil und gab ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Erlebnisse an ihre Schülerinnen und Schüler weiter.
Sie sei eine gute Lehrerin gewesen, habe aber hie und da bei der Erziehung mit der Hand nachgeholfen. Zudem habe sie Humor gehabt: Als sie einmal im Frühling mit ihrer Klasse spazieren gegangen sei, habe ein Knabe eine der bekannten lilafarbenen Blumen gepflückt, sei vor die Lehrerin hin gestanden und habe zu ihr gesagt: «E soo eini sind Sii!» (Wiesenschaumkraut; Mundart: Schiissgelte). Amalie Widmer habe nur gelacht und sei weitergegangen. Auf Exkursionen nahm sie jeweils den Leiterwagen mit, damit Kinder, die nicht mehr gehen mochten, aufsitzen und eine Strecke fahren konnten.
Ihr Name bleibt mit dem «Amalie Widmer Heim» über ihren Tod hinaus bekannt, gilt sie doch als grösste Wohltäterin der Gemeinde Horgen. Der Stiftung für ein Pflegeheim schenkte sie 1968 11'237 Quadratmeter Land im damaligen Wert von 1'443'620 Franken und mit letztwilliger Verfügung dazu noch ihr ganzes Vermögen im Betrag von 1'359'000 Franken. Mit dem Legat wollte Amalie Widmer die Erinnerung an das mit ihr nun ausgestorbene Geschlecht «Widmer» – ihre vier Brüder blieben ledig und verstarben vor ihr ohne Nachkommen – wachhalten und den Bauernhof im «Tannenbach», der einmal zu den schönsten von Horgen zählte, einer sinnvollen und segensreichen Verwendung zuführen.
 

Amalie Widmer.

Hans Jakob Rinderknecht.

LEHRER HANS JAKOB RINDERKNECHT

Nicht weniger bekannt ist Ernst Haabs Lehrer, bei dem er im unteren Schulhaus der Langrüti die vierte bis sechste Klasse besuchte: Hans Jakob Rinderknecht (9.10.1893−4.9.1977). 1922 von der Schulpflege Wädenswil nach zwei Probelektionen in der Klasse von Johannes Hirt im Schulhaus Ort einstimmig als Mittelstufenlehrer für die Langrüti gewählt, erteilte er einen abwechslungsreichen Unterricht, zu dem auch chemische und physikalische Versuche gehörten. Einmal in der Woche trug er eine spannende Geschichte vor, wobei die Schülerinnen und Schüler ihre Hände auf dem Rücken zu halten hatten. Wie Amalie Widmer begann er jeden Schultag mit Lied und Gebet. Besonderes Staunen löste bei den Kindern das Radio aus, das Rinderknecht als einer der ersten besass und das sie hie und da in seiner Stube hören durften.
Hans Jakob Rinderknecht war mit den Eltern Haab befreundet, wurde Pate des jüngsten Kindes Vreneli und schenkte der Familie ein Abonnement auf Musiknoten für ihre Hausmusik.
Nachdem er als Dozent und Leiter der Berufsbildung der angehenden Lehrer ans Seminar Unterstrass berufen worden war und zwei vielbeachtete Werke, «Schule im Alltag» und «Kleine Methodik christlicher Unterweisung» verfasst hatte, gründete er mit Gesinnungsfreunden die Reformierte Heimstätte Boldern und war deren erster Leiter. Hier wirkte er als geistlicher Führer und Seelsorger. 1953 hat ihm die Universität Zürich den Ehrendoktor der Theologie verliehen.

JUGENDHEIM HERRLISBERG

Ausgerüstet mit einem reichen, soliden Wissen und geprägt von zwei aussergewöhnlichen Lehrerpersönlichkeiten besuchte Ernst Haab nach der Primarschule zwei Jahre die Sekundarschule in Wädenswil. Anschliessend arbeitete er ein Jahr auf dem elterlichen Hof. Im Frühjahr 1933 wurde er in der Kirche Wädenswil von Pfarrer Schreiber konfirmiert und erhielt als Spruch: «Darin besteht die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.» (1. Johannesbrief 5,3).
Am 1. Mai 1926 wurde der Verein «Christliches Jugendheim» im Wädenswiler Berg gegründet. Ziffer 1 der Statuten lautet: «Unter dem Namen „Christliches Jugendheim“ besteht mit Sitz in Wädenswil nach Massgabe der Art. 60ff. ZGB ein Verein zur Übernahme des von den Erben der verstorbenen Frau Susanna Stocker-Hauser hochherzig gestifteten Wohnhauses im Herrlisberg. Er richtet das Haus so ein, dass es zu Sonntagsschulzwecken, für den Jugendbund für entschiedenes Christentum und für Sammlung, Unterhaltung und Belehrung der Jugend des Wädenswiler Berges nach entschieden christlichen Grundsätzen dienen kann.»
Vater Haab als Vorstandsmitglied und Hans Jakob Rinderknecht richteten im Parterre ein Sääli als Versammlungslokal ein und bauten eine eindrückliche Jugendarbeit nach den Prinzipien des Jugendbundes für entschiedenes Christentum (EC) auf. Ernst Haab sowie alle seine Geschwister gehörten zu dieser Jugendgruppe. An den Zusammenkünften wurden biblische Texte nach dem Losungsbüchlein ausgelegt, Gebete gesprochen und Lieder aus dem Siegesliederbuch gesungen. Von den Mitgliedern wurde eine bewusste Entscheidung für Jesus Christus als bindendes Gelübde erwartet, wobei die Zugehörigkeit zur Landeskirche wichtig blieb. Ernst Haab war in den vierziger Jahren Kassier und auch Präsident des Schweizerischen Jugendverbandes für entschiedenes Christentum.
Dank H. J. Rinderknecht kamen sehr gute Evangelisten und Prediger, so auch Schwester Hoff, eine Evangelistin, die alle jeweils bei Haabs wohnten, in den Wädenswiler Berg zu Vorträgen und Evangelisationen.
Von 1986 bis 1994 war Ernst Haab Präsident des Vereins Jugendheim Herrlisberg.
Sowohl sein Mitwirken im Jugendbund für entschiedenes Christentum wie auch die Teilnahme an Evangelisationen und die engen Beziehungen seines Elternhauses zu pietistischen Predigern aus der Schweiz und Deutschland haben Ernst Haab in seiner Frömmigkeit beeinflusst und seinen Glauben wesentlich mitgeprägt. «Im Jugendbund für EC im Herrlisberg entschied ich mich für Jesus.»

WELSCHLANDAUFENTHALT

1934 kam Ernst Haab, 18-jährig, nach Essertines-sur-Rolle auf einen Bauernhof, wo er für 40 Franken Monatslohn vor allem für die Rinder und die Pferde zuständig war. Jeden Morgen auf sechs Uhr musste er ein Pferd ans Zweiradwägelchen anschirren, damit sein Chef jeweils vier Kannen Milch ins Dorf hinunter transportieren konnte.
Nach Weihnachten litt Ernst Haab an heftigen Bauchschmerzen. Nach drei Tagen wurde der Arzt gerufen. Er kam erst abends um acht Uhr, nahm aber Ernst gleich ins Spital nach Aubonne mit. Erst am folgenden Abend kam ein Chirurg aus Nyon, der sich zu einer sofortigen Operation entschloss. Die Bauchhöhle war infolge des geplatzten Blinddarms vollständig vereitert und der Arzt meinte, der Patient überlebe das wahrscheinlich nicht. Vater und Mutter wurden benachrichtigt und reisten an. Für die Mutter wurde eine Liege ins Zimmer gestellt und sie blieb noch bei Ernst. Nach drei Wochen sah man, dass sich eine Besserung anbahnte und Ernst voraussichtlich überleben werde.
Da die Krankenschwester vergass, das Fenster zu schliessen, erkältete sich Ernst und erkrankte zusätzlich. Er wurde mit der Höhensonne bestrahlt und die scharfe Salbe, mit der man ihn einrieb, verbrannte seine Haut. Allmählich jedoch genas er, war jedoch von 73 kg auf 41 kg abgemagert und die Schwestern nannten ihn nur «Le grand sec», der grosse Ausgetrocknete, Dürre. Zehn Wochen musste er im Spital bleiben. Der Aufenthalt kostete pro Tag Fr. 5.-, für Einheimische Fr. 4.-. Glücklicherweise haben Verwandte sich an den Kosten beteiligt, wäre er selber mit seinem kleinen Lohn doch niemals imstande gewesen, eine solche Summe aufzubringen.
Nach dem Spitalaufenthalt fand sein Meister, es sei wohl das Beste, er gehe nach Hause zurück. Gesagt, getan. Doch zuvor besuchte Ernst noch den Autosalon in Genf!
«In 10 Wochen hat man viel Zeit, sein Leben zu überdenken. Sterben wäre ja schön, Christus hat alles für mich getan, aber aus Dankbarkeit möchte ich mich noch von ihm brauchen lassen.»
 

IM STEINACKER

Zurück im Elternhaus im Herrlisberg rief Onkel Gottlieb HaabMeier an – er hatte den Hof und den oberen Teil des 1730 erstellten Doppelwohnhauses Steinacker, das seit 1889 Gottlieb Haab-Stocker gehörte, seit 1910 in Pacht – sein Knecht sei entlaufen, er brauche dringend eine Arbeitskraft für den Heuet. So begann Ernst Haab für 60 Franken Monatslohn als Knecht im Steinacker zu arbeiten. Sowohl für die Heuernte wie für die tägliche Fütterung von 13 Kühen, einem Stier und Jungvieh musste das Gras von Hand gemäht werden. Da die Bewegung des Mähens von der Blinddarmoperation her für Ernst schmerzhaft war, holte er im Herrlisberg eine Sense, die kleiner und kürzer war.
Onkel Gottlieb war ein harter und fordernder Meister. Um 04.40 Uhr musste Ernst jeweils im Stall an der Arbeit sein. Als er in den Jahren als Knecht im Steinacker die Landwirtschaftliche Winterschule in Wädenswil besuchte, erhielt er in dieser Zeit ausser Kost und Logis jeweils keinen Lohn, obwohl er morgens und abends das Vieh besorgen musste.
Als beim Mosten nachts um zehn der Onkel immer noch nicht zufrieden war, wurde es Ernst zu viel. Er dachte, das halte er nicht mehr aus, packte seine paar Sachen und schlich sich mitten in der Nacht durchs Haus hinunter. Als er an der Stubentüre vorbei kam, hörte er Tante Luise, Onkel Gottliebs Frau, für ihren Mann und das Knechtli Ernst inbrünstig beten. Leise schlich Ernst in seine Windenkammer zurück.
Der eigentliche Besitzer des Hofes, Gottlieb HaabStocker, genannt «Steinachergötti», weil er gegen dreissig Patenkinder gehabt haben soll, denen er jeweils nach Neujahr einen Fünfliber und einen Lebkuchen schenkte, wohnte mit seiner Frau Rosalie und einem eigenen Dienstmädchen im Stöckli des Steinacker.
 

Gottlieb und Luise Haab−Meier.

Gottlieb Haab−Stocker, «Steinacher-Götti».

ERNST HAAB WIRD EIGENTÜMER DES STEINACKERS

Am 16. Dezember 1940 verstarb Gottlieb HaabStocker kinderlos. Das Heimwesen fiel damit an die Haab-Familien. Testamentsvollstrecker war alt Regierungsrat Rudolf Streuli aus Horgen. Er versammelte die Erbberechtigten in der Stube des Steinackers und leitete die Verhandlungen. Gottlieb HaabMeier, ebenfalls kinderlos, der das Heimwesen dreissig Jahre als Pächter geführt hatte, wollte es nicht und beschloss, sich aus dem aktiven Leben zurückzuziehen. Ein Haab aus dem Burstel wollte das Heimwesen ebenfalls nicht. Ernst Haab sagte, er würde es gerne übernehmen, sei er doch seit sechs Jahren hier tätig und kenne alles. Doch mit seinem Monatslohn von 60 Franken, der letztes Jahr auf 100 Franken erhöht worden sei, sei es ihm unmöglich gewesen, Ersparnisse anzulegen. Der Testamentsvollstrecker hatte Vertrauen zu Ernst und so wurde ihm das Heimwesen zugeschlagen, obwohl die gesamte Kaufsumme von 75'000 Franken allein durch Schuldbriefe aufgebracht werden musste. Als der Pächter Gottlieb HaabMeier mit der Begründung, er hinterlasse weit wertvollere Maschinen als er seinerzeit angetreten habe, zusätzliche Forderungen stellte, anerbot sich Rosalie HaabStocker, die im Stöckli ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht hatte, freundlicherweise, diese Kosten zu übernehmen. So konnte der Kaufvertrag am 29. April 1941 mit Besitzantritt am 1. Mai auf dem Notariat Wädenswil von alt Regierungsrat Rudolf Streuli und Ernst Haab rechtsgültig unterzeichnet und von Notar Wild beglaubigt werden.
«Mit Gottes Hilfe und der Hilfe lieber Verwandter konnte ich 1941 den Steinacker übernehmen (kaufen). Das war nicht einfach: Als 25-Jähriger, ohne Frau, ohne Geld, mitten in der Kriegszeit.»

ALS LANDWIRT IM STEINACKER

Seine Schwester Anni übernahm die Pflichten der Bäuerin, nach deren Heirat 1942 die Mutter. Weil fast alle Arbeiten in Haus und Hof ohne Maschinen ausgeführt wurden, waren meistens noch zwei Burschen und zwei Mädchen als Angestellte tätig. Man lebte von der Milch- und Viehwirtschaft und vom Obstbau. Vor allem der Verkauf von Kirschen und vergorenem Most trug zum Einkommen bei. Im Jahre 1943 konnte Ernst Haab 10'923 Liter Most an verschiedene Restaurants nach Einsiedeln und vor allem nach Zürich liefern, so auch ans Grand Hotel Dolder. Den angepflanzten Hanf liess er 1943 in der Spinnerei und Weberei Rüderswil (AG) zu 16 Meter Leinwand à 175 cm verarbeiten. Auch pflanzte er Mohn zur Herstellung von Öl.
Ernst Haab, wegen seiner Blinddarmoperation im Militär zurückgestellt, wurde von November 1942 bis Februar 1943 für die Flab-Rekrutenschule nach Langenthal aufgeboten und musste anschliessend im Flab-Detachement 92 Aktivdienst leisten.
Glücklicherweise hatte er in dieser Zeit zuhause zwei Bauernsöhne als Knechte, die so gut zum Hof schauten, wie wenn er ihnen gehört hätte.

Hof Steinacher. Von rechts: Wohnhaus, Stöckli und Scheune, Brennhaus und Remise.

Mit dem Erwerb des Hofes wurde Ernst Haab gleichzeitig Mitglied der Senntengenossenschaft Au mit zehn Teilrechten. Als Präsident von 1947 bis 1957 fiel ihm die undankbare Aufgabe zu, den Vertrag mit einem unfähigen Senn aufzulösen. Ein Abkommen mit der Molkereigenossenschaft Wädenswil, ab 1954 die Milch der Senntengenossenschaft abzuholen und zu verarbeiten, machte den Posten eines eigenen Senns überflüssig, sodass sich das Problem von selbst löste.
 

Gründungsmitglied der Reformierten Heimstätte Boldern

Am 10. Juli 1944, 17 Uhr 30 fand im Bahnhofbuffet II. Klasse im Zürcher Hauptbahnhof die Gründungsversammlung des Vereins für eine Reformierte Jugendheimstätte am Zürichsee statt. Tagungspräsident der über vierzig anwesenden Persönlichkeiten aus Kirche und Wirtschaft war der Zürcher Theologieprofessor Dr. Emil Brunner. Auf der Liste der Eingeladenen steht: Landwirt Ernst Haab, Steinacker, Au am Zürichsee.
Sein ehemaliger Lehrer und Hauptinitiant für eine Reformierte Heimstätte, Hans Jakob Rinderknecht, lud ihn zu dieser Vereinsgründung ein. Die Suche nach einem geeigneten Gelände führte zuerst in die Bächau. Nachdem die Verhandlungen dort gescheitert waren, wurde man ob Männedorf fündig. Der Verein konnte das Bauernheimwesen Boldern erwerben. Zusammen mit H. J. Rinderknecht hat Ernst Haab seinerzeit den Kaufvertrag im Kaspar Escher Haus in Zürich unterzeichnet. Solange der Bauernbetrieb neben der Heimstätte weitergeführt wurde, war Ernst Haab für das Ressort Landwirtschaft verantwortlich. Er beriet den Vereinsvorstand bei der Übernahme des Inventars sowie bei Anstellungen von Personal und der Anschaffung von landwirtschaftlichen Maschinen und richtete eine einfache landwirtschaftliche Buchführung ein, über die ihm der Betriebsleiter Rechenschaft ablegen musste.
Auch nachdem der Landwirtschaftsbetrieb aufgegeben wurde, blieb Ernst Haab Mitglied des Boldernvereins und war während zwei Jahrzehnten offizieller Vertreter unserer Kirchgemeinde in diesem Gremium.
 

Gutachten von Ernst Haab zur Übernahme des Inventars beim Kauf des Heimwesens «Boldern» (Archiv Boldern).

DIE VON GOTT ERBETENE FRAU

Durch seine Schwester Anni, die einst in Meilen in einem Haushalt tätig war, lernte Ernst Haab Elsbeth Schwarzenbach kennen. Geboren am 1. August 1923 im Weinbauerhaus Reblaube in Obermeilen war sie das zweite Kind des Hermann und der Berthi Schwarzenbach-Egli. Zusammen mit dem älteren Bruder Hermann und dem jüngeren Hans erlebte sie eine glückliche Jugendzeit, die allerdings sehr getrübt wurde, als die frohmütige und warmherzige Mutter der Familie im Juli 1933 – Elsbeth war damals 10-jährig – nach einer schweren Krankheit entrissen wurde. 1935 verheiratete sich der Vater mit Nathalie Lehmann, der Cousine seiner ersten Frau, die fortan zusammen mit der Grossmutter Schwarzenbach für die Kinder sorgte. Die «neue Mutter» versuchte, die Kinder gut und streng zu erziehen.

Weinbauernhaus «Reblaube» in Obermeilen, seit 1912 im Besitz der Familie Schwarzenbach.

Die Grossmutter, eine starke und gläubige Frau, Mitglied der Oxfordbewegung, die mit Elsbeth im selben Zimmer schlief, betete jeden Abend mit ihrer Enkelin – und wenn sie jeweils meinte, Elsbeth sei eingeschlafen, fiel sie erneut auf die Knie und betete nochmals innig. Dies stärkte in Elsbeth in der schwierigen Zeit das Vertrauen zu Gott und zum Leben.
In der Reblaube wurde viel gesungen und musiziert. Bruder Hans besass das absolute Musikgehör und auch Elsbeth erhielt Klavierunterricht. Sie war eine begabte, eher schüchterne Schülerin, konnte aber die Lieder und Sprüche, die sie im Religions- und Konfirmandenunterricht auswendig lernen musste, jeweils ausgezeichnet, denn abends hörte sie die Grossmutter ab und bei den Rebarbeiten zusätzlich die Taglöhnerin Frau Hottinger.
Am 17. März 1940 wurde Elsbeth in der Kirche Meilen von Pfarrer Kirchhofer konfirmiert und erhielt als Konfirmandenspruch den Vers 1. Korintherbrief 3,11: «Einen anderen Grund kann niemand legen ausser dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.» «Dieser Spruch hat mich durch mein ganzes Leben begleitet.»
Obwohl die Schwarzenbachs ein eher freisinniges Kirchenchristentum pflegten, betätigte sich Elsbeth als Sonntagschullehrerin und engagierte sich eifrig in der kirchlichen Jugendarbeit, wurde Mitglied und sogar Präsidentin des Zwinglibundes.
Nach der Sekundarschule trat sie in die Frauenfachschule Zürich ein, besuchte die Bäuerinnenschule in Uttewil (BE) und arbeitete anschliessend fünf Monate im Welschland für 20 bis 30 Franken Monatslohn im Haushalt einer Familie in Gimel sur Rolle. Danach wurde ihre Arbeitskraft wiederum zu Hause benötigt, da Vater und Bruder oft im Militärdienst waren.
«Und dann kam im Winter 1944 ein flotter junger Bauer und Soldat zu Besuch, um die ihm von Gott erbetene zukünftige Frau kennen zu lernen.»
 

Elsbeth Haab−Schwarzenbach.

Grossmutter von Elsbeth, Emilie Schwarzenbach-Baumann (1866−1965).

AUF DEM WEG ZUR HOCHZEIT

Im Steinacher beteten sie um die richtige Frau für Ernst, der inzwischen doch schon auf die Dreissig zuging. Doch eines Tages wurde ihm klar: Es ist keine von der Liste, die sie zusammengestellt hatten, sondern Elsbeth Schwarzenbach in Obermeilen. «Und dann schenkte Gott mir die Gewissheit: Deine zukünftige Frau wohnt ennet dem See in der Reblaube.»
Zunächst borgte er sich den Kahn vom Ausee der Familie von Schulthess, später erwarb er sich ein Boot mit Stehrudern, um seine Verehrte besuchen zu können.
Nach einer Zwinglibund-Veranstaltung fragte er Elsbeth, ob sie noch einige Schritte mit ihm gehen möchte. Oben bei der Hohenegg sassen sie auf einer Bank am Zwetschgenweglein. Ernst zeigte auf die andere Seeseite: «Deet äne, bi dene Liechtli bin ich diheime.» Elsbeth: «Ja.» Ernst: «Danke vil mal.» Zu ihrem Erstaunen legte Ernst ihr Ja als Zusage für ein gemeinsames Leben aus, so sicher war er, dass sie die für ihn Auserwählte war.
Doch eine Frage blieb noch offen: Würde der angesehene Rebbauer Hermann Schwarzenbach seine einzige Tochter einem armen, mittellosen und dazu noch frommen Bauern vom linken Seeufer überlassen?
Ernst Haab reiste an einem Wintertag durch Schneegestöber nach Meilen. Im Stübchen sass hinter dem Schreibtisch Vater Schwarzenbach. Auch seine Frau war anwesend – mit prüfendem Blick. Ernst wurde nicht gerade herzlich empfangen, hielt dann aber offiziell um die Hand von Elsbeth an. Vater Schwarzenbach hatte sich vorgängig schon auf der Gemeinde Wädenswil über die Familie Haab und Ernst im Besonderen erkundigt, ob er keine Schulden habe und regelmässig seine Steuern bezahle. Da er nichts Nachteiliges in Erfahrung bringen konnte, erlaubte er Ernst und Elsbeth, eine Beziehung aufzubauen.
Die Ziviltrauung fand am Dienstag, 26. Februar 1946 in Wädenswil statt, die eigentliche Hochzeit am Donnerstag, 28. Februar in der Kirche Meilen. Da sich Ernst keinesfalls von dem liberal gesinnten Pfarrer und Konfirmator seiner Braut, Pfarrer Kirchhofer, trauen lassen wollte, wurde Pfarrer Richard Schwarz aus Wädenswil nach Meilen gebeten. Sein Trauspruch für die beiden war: «Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.» (Josua 24, 15). Da die gestrenge Stiefmutter fand, die Fotografiererei sei nicht nötig, existieren nur ganz wenige, heimlich geknipste Bilder dieses festlichen Anlasses. Die Hochzeitsreise führte die beiden für eine Woche ins Tessin.
 

GEMEINSAM IM STEINACKER

Es war für die junge Frau – Elsbeth war 23-jährig – nicht einfach, in dieser Grossfamilie ihren Platz zu finden. Da waren Vater und Mutter Haab, Ernsts Schwestern Ruth und Marti, dazu einige Angestellte. Kriegskinder wurden zur Erholung und zum Auffüttern aufgenommen und Behinderte fanden einen geschützten Platz. Selten sassen weniger als fünfzehn Leute am Tisch. «Mit dem trauten Nestchen zu zweit war‘s also nichts.»
Als eine Angestellte sich Elsbeths Anordnungen widersetzte, schickte sie Ernst unverzüglich weg: «Meine Frau ist die Chefin, und du packst jetzt deine Sachen und gehst!»
Wenn es Elsbeth allzu eng und die Last zu drückend geworden war, sei sie ins Schlafzimmer gegangen, habe die Bettdecke über den Kopf gezogen und laut geheult, nachher sei es ihr jeweils wieder wohler gewesen.
Grosse Freude und Befriedigung fand sie in der Gartenarbeit. Sowohl im Hausgarten vor dem Stöckli wie auch in dem weitaus umfangreicheren vorderen Garten zog sie Gemüse aller Art und Beeren, vor allem aber Blumen, die sie grosszügig verschenkte.
Eine beträchtliche Erleichterung brachte für beide das Erbe der am 16. April 1970 kinderlos verstorbenen Martha Welti-Haab im Oedischwänd, der Schwester von Ernsts Vater. Mit den 40'000 Franken konnten sie die Schuldenlast auf dem Heimwesen wesentlich verkleinern.

ELTERN EINER GROSSEN FAMILIE

Innerhalb von 12 Jahren wurden Ernst und Elsbeth Haab acht Kinder geschenkt: Elisabeth, Verena, Maria, Margrit, Ernst, Werner, Martin und Anna. Sie gaben ihren Kindern das weiter, was für sie selber bedeutsam war: Ein festes Fundament im Glauben, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, zu arbeiten und zu helfen, aber auch die Offenheit, sich am Schönen des Lebens zu freuen. Die Kinder erhielten Musikunterricht, und so erklangen im Steinacker Instrumente wie Klavier, Cello, Geige, Querflöte, Trompete und Tenorflöte, an regnerischen Sonntagnachmittagen oft vereint zur Hausmusik.
Eine besonders schwierige Zeit war das Jahr 1954, als Sohn Werner im Spital Wädenswil zur Welt kam. Die ersten fünf Kinder waren unter Beihilfe der alten Hebamme Martha Hauser in der Stubenkammer des Steinackers geboren worden.

Elsbeth Haab mit Sohn Martin, 1952.

Alle fünf Kinder litten an hartnäckigem Keuchhusten. Die Mutter musste mit ihrem Neugeborenen wegen Ansteckungsgefahr im Stöckli logieren. Da nichts zu helfen schien und sich der Zustand der fünf kleinen Kinder bedenklich verschlechterte, riet der Arzt zu einer Luftveränderung. Während sieben Wochen wurden sie von Tante Ruth und anderen Helferinnen im Chalet Alpenfrieden in Arosa betreut. Ende Mai konnte die kleine Schar aus dem noch verschneiten Arosa ins blühende Unterland zurückkehren.
«Öiseri Eltere händ öis nie aaprediget.» Auf natürliche und selbstverständliche Art nahmen sie die Kinder mit hinein in die Aufgaben des Lebens. Sie schenkten ihnen grosses Vertrauen in ihre je eigenen Wege und entliessen sie, wenn es an der Zeit war, ausgestattet mit frohem Mut und einem gesunden Selbstvertrauen in die eigene Selbständigkeit. Der Vater gab ihnen folgenden Rat mit: «S Wichtigschti im Läbe isch, nie nüt naazträäge und ales z’vergää, öb rächtens oder nüd rächtens.» Und die Mutter: «Mer mues nüd ales haa, wo mer wett», oder «Mit eme Bundesrat chamer rede wie mit eme Straassewüscher.»

Kuraufenthalt im Chalet Alpenfrieden in Arosa, 1954. Von links: Margrit, Maria, Ernst, Elisabeth, Verena.

«ICH UND MEIN HAUS, WIR WOLLEN DEM HERRN DIENEN»

Dieses Bibelwort hing all die Jahre, die Ernst und Elsbeth Haab im Steinacker gewirkt hatten, über der Eingangstüre zu ihrer Stube. Als sie ins Stöckli zogen, nahmen sie diesen Spruch mit, und er fand einen neuen Platz an der Wand neben dem Kachelofen. Dieser Spruch ist eigentlich ein Bekenntnis, ein Bekenntnis im weitesten Sinn zu einem Leben als Gottesdienst: Unser Leben, unsere Familie, unser Wirken und Sein soll im Dienste Gottes stehen.

Nach jedem Morgenessen, das alltäglich aus Haferbrei, am Sonntag aber aus mit Zucker gerösteten Haferflocken und Milch bestand und das alle Familienmitglieder und Angestellten miteinander einzunehmen hatten, las der Vater den Bibelvers des Losungsbüchleins für den jeweiligen Tag und den angegebenen Bibeltext vor, und zum Schluss betete man gemeinsam das Unser Vater. Auch zu jeder anderen Mahlzeit wurde ein Tischgebet gehalten.
Am Sonntagmorgen sang man nach dem Morgenessen, von der Mutter am Harmonium begleitet, Kirchenlieder, bevor man gemeinsam den Gottesdienst in der Kirche besuchte.
Ernst Haab führte zeitlebens ein Zehnten-Kässeli, dem der zehnte Teil sämtlicher Einkünfte zufloss. Mit diesem Geld wurden regelmässig Werke der christlichen Missions- und Liebestätigkeit wie auch bedürftige Einzelpersonen unterstützt.

Elsbeth und Ernst Haab−Schwarzenbach mit ihren Kindern. Stehend von links: Margrit, Werner, Elisabeth, Ernst, Verena. Sitzend von links: Maria, Martin, Anna.

IM DIENST DER KIRCHGEMEINDE

Seit den Vierzigerjahren haben Ernst und Elsbeth Haab im Schulhaus Ort für den monatlichen Gottesdienst im Singsaal, später in der Eingangshalle, jeweils die Bänke und Klappstühle aus dem Keller geholt und aufgestellt. Auch für den jährlichen Familiengottesdienst unter der Wettertanne am «Schüürrai» oberhalb ihres Gehöftes richteten sie mit Obstharassen und Brettern Sitzgelegenheiten für Erwachsene und Betagte her.
Seit 1942 genoss der Missionsverein Au in den Wintermonaten bis zur Eröffnung des Kirchgemeindepavillons in der Stube des Steinackers Gastrecht. Elsbeth Haab leitete die Zusammenkünfte bis 2006 umsichtig und mit grossem Engagement. Auch gründeten Ernst und sie einen Hausbibelkreis, in welchem sie, solange es ihnen ihre Kräfte erlaubten, treu mitwirkten. Elsbeth Haab lud während mehrerer Jahre Frauen zur Erholung nach Furna ein oder organisierte im Altersheim Fuhr zusammen mit anderen Frauen Singnachmittage, wobei die Gäste mit Selbstgebackenem verwöhnt wurden.
Von 1958 bis 1978 war Ernst Haab Mitglied der reformierten Kirchenpflege und begleitete so zwanzig Jahre mitverantwortlich die Wädenswiler Kirchengeschichte. Er betreute das Spendgut, aus dem während Jahren Bedürftige monatlich mit 100 Franken unterstützt wurden. Ernst Haab überbrachte den Betrag jeweils persönlich, meist noch zusammen mit einem kleinen Butterzopf, den seine Frau gebacken hatte. Neben zahlreichen Pfarrwahlkommissionen, denen er angehörte, setzte er sich besonders für den Bau eines kirchlichen Zentrums in der Au ein. Nach dem negativen Ausgang der Abstimmung für die projektierte kirchliche Baute in der Au vom Herbst 1970 wurde 1972 der Kirchgemeindepavillon erstellt, am 16. Juli eröffnet und am 27. August mit einem eigentlichen Familiengottesdienst im Freien mit über vierhundert Gemeindegliedern festlich eingeweiht.

ORGANISTIN UND SIGRIST IM KIRCHGEMEINDEPAVILLON AU

Mit der Eröffnung des Kirchgemeindepavillons übernahm Elsbeth Haab den Organistendienst. Schon als junge Klavierschülerin spielte sie lieber Kirchenlieder, deren Worte ihr vertraut waren und die sie mitsingen konnte, als Sonatinen. So ist es ihr immer wieder gelungen, die Gottesdienstbesucher mit ihrem frischen Spiel zum Singen zu ermuntern und den Gemeindegesang in einer angenehmen und natürlichen Art zu führen. Auch in den Jugendgottesdiensten vermochte sie bei vielen Kindern, die sie fast alle persönlich kannte, die Freude am Singen zu wecken. Da die katholischen Mitchristen von Anfang an im Pavillon Gastrecht genossen, ergaben sich wertvolle Begegnungen mit Gemeindegliedern und Seelsorgern der Schwesterkirche. So spielte Elsbeth Haab ab und zu auch im katholischen Gottesdienst die Orgel, wozu sie sich die entsprechenden Noten eigens erwarb. Als der Sigrist der Katholiken einmal abwesend war und der auswärtige Priester fast verzweifelte, weil er keine Messgeräte vorfand, stellte Elsbeth Haab ihm freimütig unsere Taufschale als Gefäss für die Hostie und einen Abendmahlsbecher als Messkelch zur Verfügung. Ihr Motto war: «Achte eines jeden Menschen Glauben, den deinen aber lebe.»
Zur selben Zeit übernahm Ernst Haab den Dienst als Sigrist im Kirchgemeindepavillon. Es ging nicht nur darum, den Pavillon für den sonntäglichen Gottesdienst herzurichten, den von Frühjahr bis Herbst Blumen aus Elsbeth Haabs Garten schmückten. Bei den verschiedenen gemütlichen Quartier- und Neuzuzügerabenden und der ökumenischen Adventsfeier wurde der Gottesdienstraum mit Tischen versehen und in eine gastliche Stube verwandelt. Unvergesslich sind die drei Quartierabende für das Unter-, Mittel- und Oberort. Tochter Verena Haab fotografierte verschiedene Details und Sujets von Häusern und Örtlichkeiten der Au und stellte sie als Diaschau zusammen. An den Abenden galt es, die Motive zu erkennen und zu orten. Wie könnte es anders sein: Überragender Sieger dieses Wettbewerbes war der damalige Briefträger und Postbote der Au! Von den Angehörigen der Familie Haab wurden auserlesene Käseplatten vorbereitet und aufgetragen, und das im Ofen des Steinackers gebackene Bauernbrot mundete vorzüglich.

Elsbeth Haab als Organistin im Kirchgemeindepavillon Au.

Das schönste Erlebnis als Sigrist war für Ernst Haab der ökumenische Familiengottesdienst im Sommer 1978, als der Glockenturm mit den drei Glocken eingeweiht wurde und er die drei Glocken mit einer Bohnenstange anstossen musste, da sie anfänglich Mühe hatten, von sich aus in Schwung zu kommen.
Solange Ernst Haab Mitglied der Kirchenpflege war, übten die beiden ihren Organisten- und Sigristendienst ehrenamtlich und ohne Entschädigung aus. Auf Ende 1987 traten Ernst und Elsbeth Haab mit dem herzlichsten Dank der Kirchenpflege von ihren Aufgaben zurück: «Ihr habt beide – jedes auf seine Weise – geholfen, dass sich das Lob Gottes ausbreiten, das Wort Frucht bringen und die Gemeinschaft wachsen konnte.»
 

GASTFREUNDSCHAFT

«Gastfrei zu sein, vergesst nicht; denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.» (Hebräerbrief 13, 2). Gastfreundschaft zu üben, war Ernst und Elsbeth Haab ein Herzensanliegen.
Eine deutsche Jugendgruppe mit dem späteren deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau als Hilfsleiter war auch einmal im Steinacker zu Besuch. Elsbeth Haab backte für jeden Jugendlichen ein Brötchen, und von den Kirschbäumen durften sie die frischen Früchte pflücken und geniessen.
Die Hausierer wussten: Wenn wir mittags um zehn vor zwölf im Steinacker eintreffen, werden wir gewiss zum Mittagessen eingeladen. Auch der Briefträger erhielt jeden Tag sein «Chacheli» Milch.
Zahlreiche Gäste aus Deutschland konnten im Steinacker erholsame Ferientage verbringen und wiesen ihrerseits wieder Verwandte und Bekannte auf den vertrauten Ort hin. Die Kinder Haab schliefen oft in der grossen Kammer am Boden auf Matratzen, um den Gästen ihre Zimmer zu überlassen.
Auch die Kirchenpflege war öfters Gast im Steinacker. Nach anstrengenden Sitzungen den Tag bei einem «Zvieriplättli» mit geräuchertem Speck, Schinken und Käse ausklingen zu lassen, war überaus wohltuend.
Unvergesslich sind die jährlichen Einladungen aller Kirchenpflegerinnen, Kirchenpfleger und Pfarrer mit ihren Ehepartnern zur «Metzgete». Die Balken des Stubenbodens mussten jeweils im Keller mit besonderen Stützen unterfangen werden, damit sie die Last der Gäste zu tragen vermochten. Nach einem ersten Gang mit Blut- und Leberwürsten, Kartoffeln, Sauerkraut und Apfelschnitzen wurden noch panierte Koteletts mit Teigwaren aufgetragen. Unglaublich, wie viel diese Gastfreundschaft zum guten Geist und zur freundschaftlichen Atmosphäre in der damaligen Kirchenpflege beigetragen hat.

AUSKLANG

Nachdem 1981 Sohn Werner den Hof übernommen hatte, zogen Ernst und Elsbeth Haab nebenan ins Stöckli. Die Familie vergrösserte sich um Schwiegersöhne und Schwiegertöchter und zwischen 1981 und 2001 kamen achtzehn Enkelkinder dazu. Auch die Geburt von drei Urenkelinnen durften sie noch erleben.
Gerne unternahmen sie ab und zu eine Reise, sei dies nach Mittelfranken zur Familie ihrer Tochter Margrit oder an den Genfersee, wo Sohn Martin in Riex ein Weingut bewirtschaftet. Auch besuchten sie die Familie ihres Sohnes Ernst in Kanada und ihrer Tochter Elisabeth in der Türkei und nahmen mehrmals an den Seniorenferien der Kirchgemeinde teil.
Gesundheitlich ging es beiden noch lange erstaunlich gut. Bis in seine letzten Lebensjahre pflückte Ernst auf hoher Leiter Kirschen, erntete Äpfel und Zwetschgen und sägte im Winter Holz. «Solang mer sich betätiget, altet mer nüd.» Gerne erzählte er den Enkelkindern Geschichten.
Elsbeth besorgte den Haushalt, backte Brot und pflegte ihren Garten. Nachdem sich beide einer Staroperation hatten unterziehen müssen, freuten sie sich riesig, als sie die Farben und die Berge wieder in voller Pracht sehen konnten.
Eigentliche Höhepunkte bildeten die Feste, zu denen sie die weitverzweigte Familie jeweils einluden: Runde Geburtstage und die Feiern zur goldenen (1996), diamantenen (2006) und eisernen (2011) Hochzeit.

Hof Steinacker heute.

Bis in ihre letzten Jahre widmete sich Elsbeth Haab der Seelsorge. Anlässlich der Feier der eisernen Hochzeit sagte Sohn Martin in seiner Ansprache: «Wänn d Mueter emaal in Himel chunt, wird deet iri erschti Fraag sii: Heds da au es Telifon?»
Tatsächlich, viele riefen sie an, um ihr ihre Sorgen anzuvertrauen. Sie konnte zuhören, mitfühlen und dank ihrer reichen Lebenserfahrung oft raten und helfen. Auch von sich aus pflegte sie nachzufragen, wie es einem gehe. So war sie mit vielen innerlich verbunden und trug sie in ihrem Gebet mit. Hatte sie jedoch das Gefühl, etwas sei nur Geschwätz und nicht von Belang, sagte sie: «Das isch nüd mii Brouscht.»
Im Sommer 2011 nahmen die Kräfte beider sichtlich ab und sie benötigten Pflege und Hilfe. Zwei tüchtige und einfühlsame Pflegefachfrauen aus Ostdeutschland lösten sich in der Betreuung 14-täglich ab. So konnten Ernst und Elsbeth Haab bis in ihre letzten Tage im Stöckli zuhause und beieinander bleiben.

Elsbeth und Ernst Haab.

Der letzte Satz in Elsbeths persönlichen Aufzeichnungen aus dem Jahre 2007 lautet: «Nun sind wir alt – älter geworden. Die Kräfte lassen nach, aber Gottes Güte trägt uns weiter, bis jetzt beide – einmal das eine oder andere allein.»
Dass eines den Weg hätte allein weitergehen müssen, ist nicht eingetroffen. Beide wurden im März dieses Jahres kurz nacheinander heimgerufen, Elsbeth im neunzigsten, Ernst im siebenundneunzigsten Lebensjahr. Am 15. März 2013 nahm eine überaus grosse Trauergemeinde in der Kirche Wädenswil von beiden gleichzeitig Abschied. Unvergesslich, wie mächtig und kräftig die Lob- und Danklieder der Gemeinde die Kirche erfüllten.



Peter Weiss