Ein mobiles Leben - 55 Jahre Renault Walter Streuli AG

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2015 von Martin Häberli

Auf dem Sandhof in Wädenswil stand einst ein Bauernhof. Darauf lebte die Familie Streuli. Es war ein kleiner Hof, Hangbauern, Knappheit an allen Enden. In dieser Zeit entschied sich Walter Streuli, einer der Söhne, nach einer Lehre als Maschinenmechaniker sein Glück im Autogewerbe zu suchen. Dass er Maschinenmechaniker lernte, hatte bestimmt auch damit zu tun, dass er auf dem elterlichen Bauernhof manche Stunden mit dem Reparieren von Traktoren verbracht hatte. Er durfte also 1959 in einer Garage in Stäfa als Geschäftsführer einsteigen. Nach einiger Zeit ergab sich die Chance, einen Vertrag mit Renault einzugehen. Wobei die Bindung an einen Autolieferanten damals etwas ganz anderes war als heute. Früher war der Kern der Garage sowieso die Tankstelle und nicht das Verkaufen von Autos. Und repariert hat man alles, was den Weg zur Garage fand, auch weil Reparaturarbeiten mit Standardwerkzeugen damals viel einfacher bewerkstelligt werden konnten als heute.

So sah es aus kurz nach Fertigstellung des Neubaus 1966.

Das Cabrio «Floride» und eine frohgelaunte Susi Streuli.

Renault blieb eine Verbindung fürs Leben, genauso wie die Verbindung von Walter und Susi Streuli, die am 08.10.1960 den Bund fürs Eheleben beschlossen. Die Sache ennet dem See war dann irgendwann zu Ende. Man musste sechs Tage arbeiten, aber Schmalhans war immer noch der häufigste Gast im Hause. Wie soll man da Familie und Kinder planen? Deshalb wurde von langer Hand ein Plan für den Sandhof vorbereitet, als absehbar war, dass die Landwirtschaft keine blühende Zukunft versprach. Heimat! Ohne das «Heimet» – oder eben die Heimat am linken Zürichseeufer – lässt sich die heutige Renault-Garage Streuli AG nicht erklären. Ein Familienbetrieb übrigens bis zum heutigen Tag, mit allen Segnungen und Eigenheiten, wie es bei einem Familienbetrieb üblich ist. Walter Streuli jun. leitet den Betrieb, seine Schwester Maya kümmert sich ums Finanzielle, seine Söhne sind beide Automechaniker und im Betrieb tätig, genauso wie die Tochter von Maya, Enya, die sich um das Marketing kümmert.
Doch nochmals Blick zurück: Es wurde also gebaut im Sandhof, und eine Garage mit Wohnhaus (und nicht umgekehrt) konnte 1966 eröffnet werden. Vom Vater das Land, von der Bank das Geld. Ja, damals bestand das Hauptgeschäft der Banken nicht aus Börsenhandel, sondern aus Unternehmensfinanzierung. Auch das wurde zu einer Verbindung fürs Leben. Walter und Susi Streuli hatten immer wieder betont, dass ohne die Unterstützung der Sparcassa 1816 in Wädenswil das Geschäft nicht hätte florieren können. Renault blieb die bevorzugte Marke, ein Glücksfall, denn Renault zeichnete sich über Jahrzehnte durch Innovationen aus. Das Cabrio Floride schlug nicht nur wegen Brigitte Bardot, die sich in einer weltbekannten Werbung auf der Kühlerhaube räkelte, wie eine Bombe ein, es war eben auch eines der ersten Cabriolets im modernen Autobau. Auch der R4 war ein Kultauto, weil es ein Auto für Leute mit wenig Geld war, und die machen den Markt aus, nicht die wenigen Reichen. Renault brachte übrigens 1958 als erster Autohersteller mit dem Dauphine ein Elektroauto auf den Markt. Aber wie so manche Erfindung setzte sich das Konzept nicht durch, weil die Zeit nicht reif war.
Aber die Garage wuchs. Immer wieder mussten sich die Streulis, die im Herzen eigentlich Autofans sind, von liebgewordenen Autos trennen, um Werkzeuge kaufen zu können. 1983 begann Walter Streuli jun. seine Lehre als Automechaniker. Ob er eine Wahl hatte, darf man ihn gerne selber fragen. Auf jeden Fall getraute sich Walter Streuli senior erst mit dem Sohnemann und Lehrling in der Firma, im Jahr 1984 zum ersten Mal seit Firmengründung so richtig in die Ferien zu gehen.
Natürlich war die Garage mit einer bedienten Tankstelle versehen. Vor 15 Jahren tauchte dieses Geschäft immer mehr ab und man entschied sich, die Tankstelle einzustellen und konzentrierte sich hinfort auf Verkauf und Reparatur von Automobilen. Im gleichen Jahr, 2008, als der erweiterte Ausstellungsraum an der Schönenbergstrasse eingeweiht werden konnte, wurde auch eine bestehende Renault-Vertretung in Altendorf übernommen und als Filialbetrieb seither geführt.

Das Cabrio «Floride» und die Ikone Brigitte Bardot.

Zum diesjährigen 55-Jahre-Jubiläum wurde der Club 55 gegründet, ein Club, der jungen Käufern den Zugang zum eigenen Automobil erleichtern soll. Das Leben geht weiter. Elektromobilität wird jetzt ein Teil der Zukunft bestimmen, Renault ist dabei, die Streulis auch. So setzt sich die Familie heute mit der Gründung einer Aktiengesellschaft auseinander und sucht einen Weg von der zweiten zur dritten Generation. Familie eben, aber das ist auch gut so, denn die Zukunft liegt immer bei den Jungen.




Martin Häberli