Aus den Anfängen des Fussballspiels in Wädenswil

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2003 von Peter Ziegler

Über das Wochenende vom 4. bis 6. Juli 2003 feierte der Fussball-Club Wädenswil sein 100-Jahr-Jubiläum: mit Street-Soccer-Turnieren für Vereine und für Schüler auf dem Sust-Gelände, mit einem Gala-Abend im Festzelt auf dem Seeplatz, mit Brunch und offiziellem Festakt in der Beichlen am Sonntagmorgen und mit Prominentenmatch und Hauptmatch 1. FC Kaiserlautern − FC Zürich am Nachmittag. Zum Jubiläum erschien eine Festschrift, welche mit Fakten und Zahlen die Club-Geschichte und das heutige Bild des Vereins aufzeigt.
Das «Jahrbuch der Stadt Wädenswil» orientierte bereits in früheren Jahren über das historische und das aktuelle Club-Geschehen. So 1978 mit einer Zeittafel 1896 bis 1978 zum Jubiläum «75 Jahre Fussballclub Wädenswil». Ferner 1980 mit einem Beitrag über die neue Sportanlage auf Beichlen und 1985 mit einem Bericht über die Juniorenabteilung des FC Wädenswil. Im Jahrbuch 1989 wurde gewürdigt, dass die am 5. März 1921 gegründete Seniorenabteilung des FCW den 50. Geburtstag feierte. Dieser Beitrag geht den Anfängen des Fussballspiels in Wädenswil nach.

EIN SPORT AUS ENGLAND

1846 verfassten Studenten der Universität Cambridge die ersten Fussballregeln. Wenige Jahrzehnte später wurde das Spiel auch auf dem europäischen Kontinent bekannt. Englische Studenten und junge Kaufleute, die sich in England aufgehalten hatten, gründeten 1879 den FC St. Gallen, den ältesten Fussballclub der Schweiz. Dann folgten 1886 der Grasshopper-Club Zürich, 1890 der FC Servette Genf, 1893 der FC Basel, 1894 der FC Bern und der FC La Chaux-de-Fonds, 1895 der FC Liestal und der FC Stäfa, 1896 Lausanne Sports, FC Biel, FC Schaffhausen, FC Winterthur und FC Zürich. Auch in Wädenswil wandte man sich früh dieser immer beliebter werdenden Sportart zu.
 

1896: FUSSBALL IN WÄDENSWIL

Gemäss mündlicher Überlieferung spielten englische Praktikanten, die vorübergehend bei der Seidenfirma Gessner tätig waren, in Wädenswil bereits im Jahre 1896 Fussball. Als Spielfeld diente ihnen die Wiese südöstlich der ersten Fabrik, bis dieses Gelände 1898 mit einem weiteren Fabrikgebäude überbaut wurde (heute Alte Fabrik). Bald begannen sich auch junge ortsansässige Kaufleute lebhaft für Fussball zu interessieren.
Die Bevölkerung allerdings verhielt sich gegenüber dem neuen Sport misstrauisch und zurückhaltend. Wie andernorts auch, hatten die Fussballer gegen grosse Widerstände der Lehrerschaft, der Kirche, der Behörden und selbst der Eltern anzukämpfen. Die handschriftliche Chronik des Lesegesellschaft Wädenswil, geführt von einem Lehrer, erwähnt die Fussballer zwischen 1896 und 1903 nie, wohl aber die «Velocipedisten».
Dennoch kam es im Frühling 1898 zur Gründung eines «Fussballclubs Wädensweil», wie der «Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee» am 12. September 1899 rückblickend zu berichten wusste. Als Spielfeld stand nun der Platz im Geren zur Verfügung, von der Gemeinde unentgeltlich überlassen, wo am Sonntag Nachmittag, 10. September 1899, von 14.30 bis 16 Uhr der Match Fussballclub Wädensweil gegen Fussballclub Stäfa ausgetragen wurde. Passivmitglieder und Freunde des Fussballsports wurden hiezu per Inserat «freundlichst eingeladen». Der «Anzeiger» berichtete über den Spielverlauf in der Ausgabe vom 12. September 1899.

Inserat im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» vom 9. September 1899.

1899: DIE ERSTE FUSSBALL-REPORTAGE

«Der vor 1½ Jahren gegründete Fussballclub Wädensweil erfreut sich gegenwärtig einer ordentlich grossen Mitgliederzahl und hat trotz der geringen Sympathie von Seiten der Einwohnerschaft schon ganz bedeutende Fortschritte gemacht. Unter diesen ist besonders der 1. Match hervorzuheben, der nur durch die Ausdauer der Mitglieder zustande kam. Gestern, den 10. September 1899, konnte sich der Fussballclub Wädensweil im Geren in Hier in ein solches Wettspiel einlassen. Als Gegner stand ihm gegenüber der Fussballclub Stäfa, dessen Bestand (ca. 1 Jahr) auch nicht weit zurück greift. Infolge der etwas unbeständigen, doch für einen Match aussergewöhnlich günstigen Witterung nahm derselbe schon um ½3 Uhr seinen Anfang. Während Stäfa von einigen gewandten Spielern unterstützt wurde, welche die weniger geübten Mitglieder zum siegreichen Vorgehen anspornten, war in den Reihen der Wädensweiler stets eine bessere Kombination zu beobachten, die nur durch die Übung der einzelnen weniger guten Spieler bedingt wurde. Wohl waren es die Stäfner, welche den Ball zuerst durch das feindliche Goal trieben, aber die Wädensweiler Mannschaft liess diesen Vorstoss nicht lange ungerächt. Dem guten Miteinanderarbeiten der Wädensweiler Stürmer ist es zu verdanken, dass auch sie den Ball durch das verhängnisvolle Goal warfen. Lange Zeit blieb nun dieses Resultat unverändert, bis es endlich einem einzelnen Spieler des Fussballclubs Stäfa gelang, wieder einen Vorstoss gegen das Wädensweiler Goal zu machen, dem aber bald zwei Gegenstösse der Wädensweiler folgten. Die Zeit war verstrichen, zweimal 40 Minuten hatten beide Parteien mit aller Anstrengung gekämpft und da, wie vorauszusehen war, beide Gegner angenähert über dieselbe Kraft verfügten, konnte auch das Endresultat kaum für die eine Partei sehr günstig lauten. Mit drei gegen zwei Goal hatte denn auch Wädensweil gesiegt, und mit einem kräftigen Hip-hip-hurrah fand der Match seinen Abschluss.
Ein gutes Zeichen ist es, dass Wädensweil schon aus dem ersten Wettspiel siegreich hervorging, und sprechen wir damit die Hoffnung aus, dass es auch bei den an beiden Seeufern noch existierenden Clubs ebenso gestärkt aus dem Kampfe hervorgehe. Noch ist Stäfa die Möglichkeit geboten, in dem am 24. September im dorten stattfindenden Retourmatch den hier erhaltenen Schlag zu parieren. Hoffentlich wird sich aber auch Wädensweil um so kräftiger zeigen, um eine solche Genugtuung zurückzuweisen.» Soweit die erste Fussballreportage in der Wädenswiler Lokalzeitung.

WEITERE ERFOLGE

Der Retourmatch gegen Stäfa fand am Sonntag, 24. September 1899 statt, jedoch nicht in Stäfa, sondern wiederum auf dem Spielfeld im Wädenswiler Geren.
Am 8. Mai 1900 veröffentliche der «Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee» einen weiteren Fussballbericht: «Der gestern Nachmittag im Geren stattgehabte Fussballmatch Thalweil versus Wädensweil endigte mit 2:6 Goals zu Gunsten des Fussballclubs Wädensweil, und darf dies in Anbetracht der äusserst gewählten feindlichen Aufstellung als sehr gutes Resultat bezeichnet werden. Das Spiel verlief sehr rege und bot bisweilen prächtige interessante Combinationen, welche auf ungemein grosse Fertigkeit und Gewandtheit einzelner Spieler schliessen lassen und von den Zuschauern lebhaften Beifall ernteten. Mit diesem Match dürfte die Frühjahrsspielsaison voraussichtlich ihren Abschluss gefunden haben, denn während der heissen Zeit finden solche friedliche Wettkämpfe nicht statt. Wir hoffen aber im Herbst wieder Gelegenheit zu haben, diesem hochinteressanten Spiel beiwohnen zu können.»
Und dies war der Fall, wie der «Anzeiger» am 30. Oktober 1900 zu berichten wusste: «Fortuna scheint unsern jungen Sportsmen in dieser Herbstsaison hold zu sein. Der Ausgang des gestrigen Fussballmatchs Winterthur-II-Team versus Wädensweil-I-Team ist mit 0:6 Goals ein so unerwarteter schöner Erfolg für Wädensweil, dass wir nicht unterlassen können, speziell einige Momente hervorzuheben. Gleich beim Beginn entwickelte sich ein äusserst reges Leben, so dass man das Schlussresultat mit Spannung erwartete und jede Bewegung, jeden Vorstoss mit grossem Interesse verfolgte. Der Ball war fast immer auf Seite der Winterthurer, so dass Letztere viel auf Verteidigung angewiesen waren. Auf beiden Seiten wurde vorzüglich operiert. Aus dem ganzen Spiel war eine gewisse Regelmässigkeit und Kombination ersichtlich, was auf den Zuschauer den Eindruck wohlüberlegten Handelns machen musste. Keine Kleinigkeit war es, dem gewiegten Gegner die richtigen Leute entgegenzustellen. Die Aufstellung war aber gut getroffen und das gute Zusammenspielen mit dem gebührenden Erfolg gekrönt. Die ‚Well-plaid’-Rufe und Hurra’s, die den einzelnen Spielern entgegengebracht wurden, sind die besten Beweise der Anerkennung für ihre Ausdauer und Energie. Wir wünschen dem Fussball-Klub ferner gute Resultate und schliessen zu Ehren der 0:6 mit kräftigem Hip Hip Hurrah.»
Mit Inserat vom 16. März 1901 zeigte der «Capitain» des Fussballclubs Wädensweil den Wiederbeginn der Obligatorischen Spielübungen an: Sonntag, 17. März, im Geren.
Das konsequente Training führte erneut zum Erfolg. So war am 12. November 1901 im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» zu lesen: «Der hiesige Fussball-Club spielt bekanntlich um die schweizerische Meisterschaft Serie C. Der erste Cup-Match wurde gestern mit dem Fussball-Club „Grasshoppers III“ in Zürich ausgefochten, wobei Wädensweil mit 3:1 Goals siegte.» Das zweite Spiel, in Zürich ausgetragen, endete am 17. November mit 5:2 zu Gunsten von Wädenswil. Am gleichen Sonntag spielte das zweite Wädenswiler Team auf dem Geren gegen den FC Stäfa, der 3:0 siegte.

Inserat im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» vom 16. März 1901.

DIE ERSTEN MITGLIEDER

Mitgliederlisten des wohl 1898 gegründeten ersten Wädenswiler Fussballclubs existieren nicht. Bekannt sind indessen einige Namen von Spielern: Ernst Hauser zum Scharfeck, Reichwein, Gebrüder Hürlimann, Eschmann zur alten Kanzlei, W. Sigg, R. Dévicourt, Gebrüder Höhn an der Gerbestrasse, Lattmann, E. Brupbacher.

KRISE UND NEUGRÜNDUNG

Im Jahre 1902 verloren die in den Final vorgestossenen Wädenswiler im Wiederholungsspiel gegen Gymnasium Schaffhausen 7:1. Der Misserfolg gab Anstoss zu Unstimmigkeiten. Der Fussballclub Wädenswil geriet in die Krise. Noch im selben Jahr löste sich die Fussballgemeinschaft auf.
Doch das Fussballspiel blieb in Wädenswil beliebt. Darum kam es 1903 zur Neugründung. Nun entstand der heutige Fussballclub Wädenswil.
Am 22. Oktober 1903 trafen sich einige Jünglinge im Hotel Du Lac zur Gründungsversammlung. Das Präsidium übernahm der siebzehnjährige Robert Heinrich Nägeli (1887–1926), Lehrling in der Bank Wädenswil, der auch das Amt des Spielführers versah. Dem neuen Club gehörten folgende Gründungsmitglieder an: Werner Höhn, Ernst Hauser zum Scharfeck, K. Jenter, P. Frey, R. Dévicourt, W. Sigg, Gustav Lutz. Dazu stiessen bald noch Emil Streuli zur Treu, Ernst Huber, einige Praktikanten bei der Hutfabrik Hochstrasser & Cie., Th. Ferrari, Ernst Baumann zur Bierquelle, Jakob Baumann jun. zum Florhof sowie die Gebrüder Bonagossa und Radice vom Institut Ryffel in Stäfa. Die ersten Statuten setzten für Passivmitglieder einen Jahresbeitrag von zwei Franken fest.
Bis 1906 trug der Club ausschliesslich Freundschaftstreffen aus, grösstenteils mit stadtzürcherischen Clubs. Als Spielfeld diente der Platz im Geren; 1908 bewilligte die Schulpflege zudem die Benützung der Turnhalle und der Spielwiese bei den Schulhäusern Eidmatt.
Am 14. August 1906 trat der Fussballclub Wädenswil in den Schweizerischen Fussballverband ein. Damit verbunden war eine umfangreichere Gestaltung der Vereinstätigkeit. 1908, dem Jahr, da man das Clublokal vom «Du Lac» in den «Hirschen» verlegte, zählte der Club drei Ehrenmitglieder, ein Freimitglied, 24 Aktive und 65 Passivmitglieder.

DIE FUSSBALLPLÄTZE

1896 –1898 Wiese bei der Seidenweberei Gessner
1898–1903 Geren für alten Club
1903–1914 Geren für neuen Club
1908–1909 zusätzlich Burghalden
1908–1914 zusätzlich Eidmatt
1914–1916 wegen kriegsbedingtem Anbau kein Platz in Wädenswil, dafür Meisterschaftsspiele in Horgen
1917–1918 Au
1918–1920 Grundhof
1920–1921 Au
seit 1922 Schönegg
seit 1981 Beichlen




Peter Ziegler