VON WURST UND ZOPF

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil Simon Kägi

Geschätzte Wädenswilerinnen und Wädenswiler
Ich habe als Präsident des Grossen Gemeinderates die Ehre, Sie mit einem Vorwort im Jahrbuch der Stadt Wädenswil zu begrüssen.
Wädenswil geniesst ein wundervolles Panorama. Beeindruckt bin ich von den Morgenstimmungen am Bahnhof. In Gedanken schwebend, meine Mitreisenden vergessend, die Kastanienbäume im Glanze der Morgensonne, das Bergpanorama noch im Dunkel, könnte ich mich am Lago Maggiore wähnen. Und der Blick über die MS Glärnisch, notabene eine der besten privaten Errungenschaften für Wädenswil, erinnert mich an das bei klarem Wetter wunderbar sichtbare Glärnischmassiv – die mächtigen Felsen und Schneefelder – das Vrenelisgärtli. Stolz thront es über Wädenswil und wenn den Glarner Sagen Glauben geschenkt wird, soll dort etwas mit einem Vreneli geschehen sein. Zwar weit weg, aber doch in unserer Nähe.

Im Oktober 2011 wird am Bahnhofplatz mit dem Bau des Witterungsschutzes «Welle» begonnen.

Aus dem Roman «Vrenelis Gärtli» von Tim Krohn möchte ich Ihnen folgende Unterhaltung zwischen Vater und Tochter übers Leben zitieren: «Der Vater hatte ihr ernsthaft zugehört und nur bei den letzten Worten kurz gelacht und danach gemeint, jetzt heig sie abgestochen geschnurret wie früher ihr Müeti. Was er aber dazu meine, sig säb: Der eine lebe ds Gotts Namen ein Leben wie eine Wurst, das fange am Anfang an und höre am Ende auf, und dazwischen wäre alles das Gleiche. Der andere dagegen führe ein Leben wie ein Zopf, da wäre erst der säb Strang oben, dann wieder ein anderer und gleich darauf ein dritter, und eine lange Zeit möge es scheinen, das Ganze wäre ein ebiges Gnuusch. Bei der Wurst jedoch, ebenso wie beim Zopf, zähle einzig, dass zum Ende hin süüferli geknüpft würde, ansonsten rünne die Wurst aus und der Zopf ginge wieder auf. Wäre aber so ein Zopf an seinem Ende erst sauber gebunden, wäre er mit einem Mal überhaupt kein Gnuusch mehr, sondern vielmehr ein meineids schönes Lugen und tuusigmal gattliger als jede Wurst.» (2007)
Liebe Leserinnen und Leser, diese Metapher scheint nicht nur für das Leben, sondern auch für die Politik zuzutreffen. Manchmal wirkt der politische Diskurs tatsächlich wie eine Wurst – alles dasselbe Geschwätz, die gleiche Leier und nichts als vorgefertigte Meinungen. Bei genauerem Hinschauen entpuppt sich die politische Arbeit eher als eine filigrane «Zopfwickelte». Mal bestimmen die Einen, dann die Anderen, man kommt sich näher, berührt sich und ist dann doch plötzlich wieder alleine. Gerade die unterschiedlichen Berührungspunkte erzeugen überraschende Allianzen und neue Sichtweisen. Insgesamt eine spannende und reizvolle Tätigkeit und für mich als jüngster Gemeinderatspräsident in der Geschichte Wädenswils eine herausfordernde Handarbeit.
Wie der Vater von Vrenli zu sagen pflegte, sei das Wichtigste, am Schluss sauber zu knüpfen. Sie, liebe Wädenswilerinnen und Wädenswiler, haben uns Politikerinnen und Politiker in diesem Jahr unter die Arme gegriffen und kontrovers diskutierte Zöpfe zu Ende geknüpft – so das Anliegen des knappen günstigen Wohnraums in Wädenswil. Mit dem besiegelten Kauf der Büelenhäuser, der Zustimmung zum Kranken- und Altersheim Frohmatt oder dem Zustandekommen der Initiative «Günstiger Wohnraum für Familien» zeigte sich klar, in welcher Backstube vermehrt gebacken werden muss. Wir alle wollen hier leben und wohnen können. Ich bin der Meinung, je mehr Stränge sich um Wädenswil wickeln, desto attraktiver wird unsere Gemeinde.
Helfen Sie weiterhin mit, den Wädi-Zopf zu gestalten, grosszügig aufeinander zuzugehen, sich zu achten, Entwicklungen zu fördern, der Umwelt Sorge zu tragen und vor allem am Ende sorgfältig zu knüpfen.
Wädenswil ist ein «meineids schönes Lugen und tuusigmal gattliger als jede Wurst.»



Simon Kägi, Gemeinderatspräsident 2010/2011, Grüne Partei Wädenswil