Zurück zum Arbeitsamt

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1975 von Isabel Schaltenbrand


Der Sozialbehörde obliegt im Bereiche der allgemeinen Fürsorge, «die Arbeitslosenfürsorge, den Arbeitsnachweis und die Arbeitsvermittlung zu besorgen sowie Arbeitsbeschaffungsaktionen durchzuführen». So der Wortlaut von Artikel 80.3 der Gemeindeordnung. Nahezu drei Jahrzehnte der Hochkonjunktur und eines umfassenden Arbeitskräftemangels liessen diese Obliegenheiten weitgehend in Vergessenheit geraten. Noch bei meiner Amtsübernahme im Mai 1974 wurde weder in personeller noch in räumlicher Hinsicht der Führung des Arbeitsamtes besondere Beachtung geschenkt. Niemand ahnte, dass wir so rasch in den Sog einer weltweiten Rezession geraten würden.
Inzwischen hat ein eigentlicher Konjunktureinbruch stattgefunden und die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt hahen sich vor allem in den letzten Wochen unaufhaltsam verschlechtert. Während die unliebsamen Folgen des Wohlstandes in den Hintergrund treten, beschäftigen sich unsere Dienststellen vermehrt mit Arbeitslosen, deren Familien hart und unvorbereitet von der Rezession erfasst wurden. Im Arbeitsamt herrscht täglich reger Betrieb, und die nach den neuesten Vorschriften des Kantons arbeitenden Beamten bemühen sich, eine freundliche Atmosphäre zu schaffen und den Anliegen der Erwerbstätigen gerecht zu werden. Zurzeit (Ende September 1975) verzeichnen wir in unserer Stadt 44 Ganzarbeitslose und 198 Teilarbeitslose.
In Besprechungen mit den Angestellten des Arbeitsamtes lerne ich die Schwierigkeiten kennen, mit denen unsere Arbeitslosen zu kämpfen haben und denen sie oft zu unterliegen drohen. Im Vordergrund stehen Langeweile und ausserberufliche Tätigkeit. Durch Arbeitslosigkeit erlangte Freizeit wird für viele zur Qual, und die Familie hat Mühe, sich den veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Warum also nicht an jeder offenen Stelle, auch wenn sie schliesslich eine ausserberufliche Tätigkeit erheischt, ein Interesse bekunden? So frage ich mich, wenn ein Arbeitsloser darum ringt, eine nach Gesetz «zumutbare Beschäftigung» gegen einen Sperrstempel einzutauschen. Bequemlichkeit und Minimalismus werden von der Wohlstandsgesellschaft geduldet. An der Schwelle einer Krise jedoch, sind sie Ursache von Schwierigkeiten mit sich selbst und der Umwelt. Vor der Frage der ausserberuflichen Tätigkeit sind heute auch viele Jugendliche gestellt. Vermehrt müssen sie bereits nach der Lehrabschlussprüfung auf eine weitere Verfolgung ihrer beruflichen Laufbahn verzichten und eine Umschulung ins Auge fassen.
«Zurück zum Arbeitsamt» bedeutet mehr als nur Lösung von Versicherungsfragen und Arbeitsvermittlung. Mit zunehmender Arbeitslosigkeit ist auch unser Sozialklima bedroht. Die verfügbaren Mittel sind kleiner geworden und die Auseinandersetzung um ihre Verteilung härter. Das Gespräch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist einer Bewährungsprobe gleichzusetzen. Mögen sich die Sozialpartner immer wieder finden und füreinander jenes Verständnis aufbringen, das für die Erhaltung des Arbeitsfriedens in unserem Lande Voraussetzung ist.
Darstellung der Kisenzeiten um 1870. (Aus dem Zürcher Kalender auf das Jahr 1870.)




Isabel Schaltenbrand