Guggemusig «Sakkophonie Wädenswil 1958» *

 
Die Kunde von der Entstehung der Guggenmusiken, dieser neuen und nicht von allen Fasnachts-verantwortlichen geliebten Art des Maskentreibens, war auch bis nach Wädenswil gedrungen. Natürlich wollten die jungen, ungestümen Wädenswiler nicht abseitsstehen, denn Wädenswil besass ja eine uralte Fasnachtstradition und diese wollten sie mit etwas Neuem bereichern und beleben.
Es traf sich daher gut, dass in Wädenswil ein Jazz Band mit dem Namen «The Five Saints» existierte und die Musiker dieser Band dem fasnächtlichen Treiben sehr zugeneigt waren. Es ist die Rede von den Gebrüder Vogt, die in den Personen Werni (Horn), Arthur «Däddle» (Trompete), Walti (Posaune) und Edwin (Horn) mindestens das melodiöse Gerüst der neuen Fasnachtsgruppe bilden sollten. Man suchte aber noch einige Gleichgesinnte.
Dass von diesen aber keiner das ihm zugeteilte Instrument spielen konnte, von Beherrschen konnte erst recht keine Rede sein, tat dem Enthusiasmus keinen Abbruch. Man gab sich den Namen «Märy Mäckers Gugge Bänd», der sehr gut in die Zeiten des Rock n' Roll und des Dixieland-Jazz passte.
Schon bald dominierten die Gugger und die Jazz-Musiker zogen sich, bis auf Däddle Vogt, zurück. Vor der Fasnacht 1958 wurden weitere Guggen-Aspiranten gesucht. In Ermangelung eines Kostüms, wurden beim «Kohlen-Treichler» leere Jutensäcke besorgt, die Löcher für Kopf und Arme ausgeschnitten, und schon besassen die Märy Mäckers’ ein eigenes Kostüm! Aber auch in Sachen Kostüme wurden bald neue Wege beschritten. Man erinnerte sich an August Weber, den einstmals schönsten «Gloon» in Wädenswil, und, wie auf dem geschichtsträchtigen Bild (Fasnacht 1959) ersichtlich, traten bereits fünf Gugger im Clown-Kostüm auf und nur noch Hansli Elsener trug den legendären Kohlensack.
In der Folge setzte sich der Clown bei der Märy Mäckers Gugge Bänd durch und bildete bis in die späten 1960er-Jahre das Kostüm der Guggenmusik. 1968 hatte der Clown ausgedient und mit dem Motto «Mini-Spatzen» konnte das erste Einheitskostüm präsentiert werden. Walter «Cheesy» Tessarolo, der im Jahre 1964 zu den Märy Mäckers gestossen war, schuf die ersten, statutenähnlichen Richtlinien. In Anlehnung an die ehemals getragenen Kohlesäcke, wurde die Guggenmusik umgetauft. Fortan hiess sie «Sakkophonie 1958 Wädenswil».
Schon beim ersten Auftreten der erweiterten «The Five Saints» war mit dem «Fräulein Rusterholz aus der Au», die holde Weiblichkeit vertreten. In den späten 1960er-Jahren traten mit Erika Heuberger, Silvana Gallo und Silvana Turini (auch Piselli genannt) weitere Frauen der Gugge bei.
Als eigentliche Beizen-Gugge machte sich die Sakkophonie bald einen Namen als Stimmungsmacher und so erstaunt es nicht, dass sie bald über die Orts- und Kantonsgrenzen hinaus bekannt wurde. 1976 und 1977 wurde die Sakkophonie als einzige Zürcher Guggenmusik an die berühmte RABADAN-Fasnacht in Bellinzona eingeladen. Weitere grosse Engagements im Ausland folgten. So z. B. 1978/79/80, als die Sakkophoniker die Fasnacht in Oleggio rockten. Den wohl grössten Erfolg in ihrer Geschichte feierte die Sakkophonie 1978 in Spreitenbach. Ebenfalls als einzige Zürcher Gugge gelang es der Sakkophonie mit ihrem Paradestück «Bourbon Street Parade» in die Phalanx der Luzerner und Basler Guggen einzudringen und sich zum Vize-Schweizermeister küren zu lassen. Nun nahm man auch in den Fasnachts-Hochburgen von der Guggenmusik aus Wädenswil Kenntnis.
Ennio Maspero und Walter Tessarolo, beides Vorstandsmitglieder der «Sakkophonie», gründeten 1972 im Restaurant Schmiedstube Wädenswil die Neue Fasnachtgesellschaft (NFG). Weil natürlich keine anderen Gesellschafter vorhanden waren, wurden einfach alle Sakkophoniker zu NFG-Mitgliedern erklärt und der Paukist Heinz Billeter zum 1. NFG-Präsident ernannt. An der Fasnacht 1973 startete die neue NFG-Aera mit dem 1. Grossen Umzug am Fasnachtssonntag und dem 1. Guggenmusik-Monsterkonzert auf dem Bahnhofplatz. Nach dem Ersterfolg verabschiedeten sich 1974 Guy Walder und Kurt Schoch aus der Sakkophonie, um Vorstandsämter in der NFG wahrzunehmen. Kurt Schoch entwickelte sich, bis zu seinem Wegzug im Jahre 1985, zur prägenden Gestalt der neuen Wädenswiler Fasnacht.
Zäsuren erlitt die Sakkophonie, als Cheesy Tessarolo im Jahre 1981 die Wadin Schränzer Guggenmusik gründete und zwei Jahre später nochmals, als nebst dem langjährigen Spielleiter der Sakkophonie, Ennio Maspero, Ernst «Hojok» Landolt und Andy Wymann noch weitere musikalische Stützen aus der Guggenmusik austraten.
Die neuen Exponenten versuchten alles, um mit den alten und bekannten Sakkophonie-Melodien an vergangene Zeiten anzuknüpfen. Anfänglich konnte noch vom berühmten Namen gelebt werden, aber die «fätzig-jazzige» Musikalität war verloren gegangen. Durch weitere Abgänge geschwächt, mussten die letzten Sakkophoniker im Jahre 1997 die Segel endgültig streichen. In einer traurigen Zeremonie wurde die ehemals berühmte und landesweit bekannte Sakkophonie 1958 Wädenswil im Vorgarten des Hauses zur Sonne begraben. Addio Sakkophonie, aber die unvergesslichen Erlebnisse mit und in dieser Guggenmusik werden für alle Zeiten bestehen bleiben. [walter tessarolo]