WÄDENSWIL IM RAMPENLICHT

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2004 von Felicitas Taddei
 
In einem ereignisreichen Jahr durfte ich den Gemeinderat Wädenswil präsidieren. Dabei hatte ich häufig die Möglichkeit, als «höchste» Wädenswilerin am Stadtgeschehen teilzunehmen und vielen interessanten und offenen Menschen zu begegnen.
Nach 50 Jahren stellte Wädenswil mit Ernst Stocker als Kantonsratspräsidenten den «höchsten Zürcher». Deshalb war mehrmals hoher Besuch aus Zürich angesagt. Dem Regierungsrat schien es offensichtlich zu gefallen in unserer attraktiven Stadt, erschien er doch jedes Mal vollzählig.
An seinem Jahresausflug liess sich das Zürcher Kantonsparlament über das vielfältige Angebot der Bildungsinstitutionen in Wädenswil informieren. Lange war es unsicher, ob die Hochschule Wädenswil ihren Standort behalten könne. Nicht zuletzt dank grossem Einsatz auf allen Ebenen, unter Einbezug der Kantonsrätinnen und Kantonsräte aus dem Bezirk, bleibt sie uns als mittlerweile grösster Arbeitgeber erhalten.


Gemeinderatspräsidentin Felicitas Taddei.

POLITISCHE ENTSCHEIDE

Der Gemeinderat verabschiedete nicht weniger als vier Weisungen einstimmig und setzte so klare Zeichen für die Volksabstimmung. Lang ersehnte Projekte wie eine Mehrfachturnhalle beim Schulhaus Glärnisch mit davor liegendem Kreisel, ein neues Feuerwehrgebäude und der Erweiterungsbau der Oberstufenanlage Fuhr fanden dann auch eine grosse Mehrheit bei der Volksabstimmung und können realisiert werden. Ich wünsche mir, dass weitere Ideen aus dem Projektwettbewerb «Wädensville, Magnet am Zürichsee» vorangetrieben werden und die geplanten Investitionen den gewünschten Entwicklungsschub auslösen.
Ein Schandfleck ist weiterhin der Bahnhofplatz und ich hoffe, dass die langwierigen Verhandlungen mit den Hauseigentümern zum Erfolg und damit endlich zu einer Veränderung führen.

KULTURELLE HÖHEPUNKTE

Durch mehrere kulturelle Veranstaltungen stand Wädenswil weit über die Landesgrenze hinaus im Rampenlicht. Robert Walser, dessen Geburtstag sich zum 125. Mal jährte und der vor 100 Jahren als Angestellter des Ingenieurs Dubler in Wädenswil gelebt und gearbeitet hatte, veranlasste eine Gruppe von initiativen Wädenswilern und Wädenswilerinnen, einen Robert Walser Sommer ins Leben zu rufen. Das wunderschöne Wetter im überdurchschnittlich heissen Sommer 2003 hat den Erfolg der verschiedenen Veranstaltungen begünstigt. Höhepunkt war sicher die Theater-Inszenierung des Romans «Der Gehülfe» im Garten der Villa «Abendstern», dem Originalschauplatz. Die Theatergruppe «Sauternes», unter der Regie des Wädenswilers Peter Wyler, konnte mit Zusatzvorstellungen auf den Publikumsandrang reagieren. Aber auch die Führungen von Prof. Dr. Peter Ziegler durch die Plakatausstellung, an den von Robert Walser beschriebenen Handlungsplätzen, die Lesungen und Filmvorführungen stiessen auf grosses Echo.
Mit der Wiedereröffnung des Theaters Ticino, am 10. Dezember, ging eine lang gehegter Wunsch in Erfüllung. 18 Jahre schon begnügten sich die Gebrüder Ueli und Martin Burkhardt und die zahlreichen Ticinofans mit einem Provisorium und es brauchte viel Idealismus und Beharrlichkeit, um immer wieder einzelne Künstler, Theater- und Musikensembles von hohem Niveau nach Wädenswil zu verpflichten. Jetzt dürfen wir stolz sein, ein eigenes Theater in Wädenswil zu haben, das heutigen Ansprüchen entspricht. Äusserlich hat das Ticino mit dem speziellen, anthrazit lasierten Anstrich an Charme noch gewonnen. Die 1,38 Mio. Franken wurden vor allem für technische Verbesserungen hinter den Kulissen, die Lüftung und ein neues Foyer verwendet. Finanziert wurde der Umbau durch Private und Stiftungen (36%), die Stadt (35%) und durch den Kanton (29%). Von weither kommen Theaterbegeisterte (z.B. der Honorarkonsul von Jamaika!) ins Ticino. Dieses Kleinod trägt viel zur Bekanntheit und Attraktivität Wädenswils bei.
 

JUBILÄEN

Mit einer Vielzahl von Bauernbetrieben und fast 70 vollberuflichen Bauern kann Wädenswil nach wie vor auf eine starke Landwirtschaft zählen. Dies ist wohl auch ein Grund, dass die 125. Viehprämierung ein solch grosser Erfolg war. Neuerungen wie die liebevoll gestalteten Informationstafeln gaben einen Einblick in die Wädenswiler Bauernfamilien mit ihren Betrieben und förderten sicher den direkten Kontakt zur Wädenswiler Bevölkerung, sind liebgewordene Gewohnheiten der Wädenswiler Bevölkerung. Bei vielen Bauern direkt einheimische Produkte zu kaufen und samstags den Wochenmarkt an der Gerbestrasse zu besuchen, schätzen die Wädenswiler und Wädenswilerinnen.
In Wädenswil können auch neue Ideen verwirklicht werden, welche das Kulturleben bereichern. Bereits zum 10. Mal fanden die Neuguet Veranstaltungen statt. Philipp Bachofner und Brita Ostertag verstehen es ausgezeichnet, musikalische Leckerbissen und allerbeste Musikerinnen und Musiker nach Wädenswil zu holen; die speziellen Veranstaltungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Weitere Jubiläen, die mit eindrücklichen Festivitäten gefeiert wurden, waren das 100-Jahr-Jubiläum des FCW und des Kavallerievereins, auf die im Detail im Jahrbuch 2003 der Stadt Wädenswil eingegangen wird.

Viehprämierung im Ödischwänd, 1993.

1. AUGUST

Zu den Pflichten der Gemeinderatspräsidentin gehört es, die 1.-August-Rede zu halten. Diese Aufgabe erschien mir anfänglich als schwierig, weil viele aktuelle Themen teils widersprüchliche Gedanken zum Nationalfeiertag auslösen. Bald merkte ich, wie spannend es war, sich mit Fragen unserer Demokratie, unserer Wirtschaft, unserer aktuellen Geschichte und mit den Rechten und Pflichten als Bürger und Bürgerin in unserem Land auseinander zu setzen. So vieles ist für uns selbstverständlich, das unsere Vorväter erkämpft und geschützt haben. Im UNO-Jahr des Wassers stand das Wasser im Mittelpunkt meiner Rede, womit sich der Bogen zu den anderen Themen leicht spannen liess.
 

ZWISCHEN BANGEN UND HOFFEN

Nach über 170 Tagen Gefangenschaft wurden die Wädenswiler Geiseln Sibylle Graf und Silja Stäheli freigelassen. Sie gehörten einer Gruppe von 14 Touristen an, die in der algerischen Sahara verschleppt worden waren. Es war eine riesige Erleichterung für die Wädenswiler Behörde, die Bevölkerung und vor allem für die Familien, als das unerträgliche Bangen und Hoffen endlich ein Ende hatte.

SICHTBARE VERÄNDERUNGEN

Die grösste bauliche Veränderung war der Abbruch der Gebäude ihm ehemaligen Brauereiareal. Die «Braui» prägte lange Zeit mit ihren dominierenden Bauten als Wahrzeichen der Industrialisierung den östlichen Stadtrand. Die ausgehöhlten Gebäude, einzelne freistehende Wände, das riesige Loch am Stadtrand wirkte gespenstig und liess zeitweise Geisterstadtphantasien entstehen. Unter dem Namen «Lagomio» werden attraktive Wohneinheiten, Lofts und Geschäftsräumlichkeiten in zeitgenössischer Architektur das Ortsbild verändern.

Areal der Brauerei Wädenswil, Aufnahme von 1919.

Gesamtsicht der Brauerei Wädenswil vom See her. Aufnahme von 1975. Im Vordergrund der einstige Bierfloss-Schlepper Gambrinus.

Brauereigebäude seeseits der Einsiedlerstrasse.

Blick auf die zwischen Schmiedgasse und Seestrasse gelegenen Gebäude der Brauerei Wädenswil. Aufnahme vom Sommer 2003.

Brauerei Wädenswil, Trakt entlang der Seestrasse. Aufnahme vom Sommer 2003.

Blick ins Innere der Beton- und Stahlkonstruktion.

Nach dem Abbruch wird die Sicht auf die erhaltenswerten Kernbauten frei.

Der Bagger zerstört die letzten Mauern der einstigen Brauerei Wädenswil.

Auch die grosse Scheune an der Einsiedlerstrasse muss im Herbst 2003 Neubauten weichen.

Die Scheune ist abgebrochen. Der Aushub für den Neubau kann beginnen.

Abbruch des Wohnhauses an der mittleren Schmiedgasse, Herbst 2003.

Abbruch des obersten Hauses an der Schmiedgasse, Herbst 2003.

Der neue Verkehrskreisel an der Zugerstrasse beim Schulhaus Glärnisch im Bau, Sommer 2004.

SÜDANFLÜGE

Seit Ende Oktober 2003 sind Südanflüge auf den Flughafen Kloten Tatsache und die Wädenswiler Bevölkerung wird vor allem in den frühen Morgenstunden vom Fluglärm geweckt. Lärm wird sehr subjektiv empfunden; die einen finden diese Veränderung unzumutbar, andere stört der Flugverkehr kaum. Unter der Leitung unseres Stadtpräsidenten haben sich verschiedene Gemeinden als «Interkantonale Vereinigung fluglärmbetroffener Gemeinden» zusammengeschlossen und wollen am Mediationsverfahren teilnehmen. Das Thema wird uns wohl noch einige Zeit beschäftigen und die Gemüter erregen.
 

UND AUSSERDEM...

Die Wiedereröffnung des «Engels», die Eisbahn auf dem Seeplatz, die eindrücklichen Konzerte, die Fyraabig-Musig, das Volkstheater im Kalthaus der Hochschule, die Schweizer Meisterschaften der Tischtennisspieler und viele Sportveranstaltungen, Fasnacht, Chilbi, die dritte Goldene CD von Andrew Bond, die Prämierung der besten Olivenöle mit der «Goldenen und Silbernen Olive», die spannenden Literaturabende der Lesegesellschaft und noch viele Ereignisse bereicherten die Wädenswiler Agenda.
Ich freue mich, in einer aktiven, lebendigen und liebenswerten Gemeinde zu leben und wünsche mir, dass weiterhin gegenseitiger Respekt und Toleranz das Wädenswiler Klima prägen.



Felicitas Taddei,
Gemeinderatspräsidentin 2003/2004