Rudolf Bachmann-Barraud (1922–2015)

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2015 von Peter Ziegler

Eine grosse Trauergemeinde nahm am 18. Juni 2015 in der Reformierten Kirche Wädenswil Abschied vom bekannten und beliebten Rudolf Bachmann-Barraud, verstorben am 6. Juni im 93. Altersjahr.

Kindheit

Ruedi Bachmann, so nannten ihn seine Freunde lebenslang, wurde am 24. September 1922 in Grüningen geboren, wo er seine Kindheit verbrachte. Der Vater Heinrich stammte aus dem Müsli Schönenberg, die Mutter Bertha, geborene Pfister, aus dem Sunft Wädenswil. 1925 kam die Schwester Bethli und 1932 der Bruder Max auf die Welt. Im Büel Grüningen bewirtschafteten die Eltern einen grösseren Bauernbetrieb. Zur grossen Familie gehörten auch Anna Hitz, Ruedis Grossmutter väterlicherseits, Onkel Paul, Vaters jüngster Bruder, der geistig behinderte Bruder der Grossmutter sowie die Angestellten Sepp und Paula.
Die drei Kinder verbrachten eine glückliche Jugendzeit, bis diese 1935 durch den frühen Tod des Vaters überschattet wurde. Die Mutter konnte das Heimwesen im Büel nicht mehr weiterführen. Die Last, die volle Verantwortung zu übernehmen, war zu gross.
1937 verkaufte man den Hof und die Familie zog nach Wädenswil. In der Eidgenössischen Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau fand die Mutter eine Stelle und konnte dort im Gartenbau arbeiten.
 

Berufe

Der frühe Tod des Vaters hinterliess Spuren in Ruedi Bachmanns Leben, machte ihn aber stark und prägte ihn. Seinen Traum, Chemie zu studieren, musste er loslassen. Er entschied sich für eine Lehre in der Gemeindekanzlei Wädenswil, die stark durch Gemeindeschreiber Emil Bader geprägt war. Von seinem gestrengen Lehrmeister sprach er mit besonderem Respekt. Bis zu dessen Tod 1987 verband sie eine gute Freundschaft und Nachbarschaft am Tobelrain.
Nach abgeschlossener Lehre wurde Ruedi Bachmann 1946 zum Gemeindeschreiber von Schönenberg gewählt. Dieses Amt hatte er bis 1960 inne. Dann wirkte er bis 1963 als Bezirksstatthalter in Horgen. 1963 erfolgte die Wahl zum Chef des Strassenverkehrsamtes des Kantons Zürich, wo er bis 1985 tätig war. Während dieser Zeit wurden die Neubauten in Zürich und Winterthur realisiert.
 

Bergsteiger

Rudi Bachmann, in jungen Jahren ein Langstrecken-Velofahrer, war Bergsteiger mit Leib und Seele. Während 72 Jahren gehörte er der SAC-Sektion Hoher Rohn an, für die er viel leistete. 23 Jahre lang war er Mitglied des Vorstands, davon sechs Jahre Präsident, dazu Leiter unzähliger Touren und Tourenwochen. «Nahezu alles, was ihn ausmachte, ging aus dem Bergsteiger hervor», erinnert sich der älteste Sohn Hans-Rudolf Bachmann: Das stille und achtsame Vorangehen; das innere und äussere Überwinden, das zum Bezwingen des Berges gehört; die jahrelange Kameradschaft und Freundschaft, die auf der Zuverlässigkeit der Seilgefährten beruht; der grosse Respekt vor dem Berg, das Wissen um die Grenzen des von uns Machbaren und die Dankbarkeit für mancherlei Bewahrung; das staunende Erleben der Schönheit der Schöpfung. Am Berg wurde Ruedi Bachmann zum Leiter geformt. Seine Unbeugsamkeit und Unbestechlichkeit, seine Fähigkeit, Situationen richtig zu erfassen, wurzelten hier.

Genossenschaft Hoch-Etzel

Im Jahre 1962 kämpften Ruedi Bachmann und seine Mitstreiter von der SAC-Sektion Hoher Rohn mit unglaublichem Enthusiasmus für die Erhaltung des Etzel-Kulms als autofreien Wanderberg. Mit grossem Eifer sammelten sie bei Freunden, Unternehmen und Gemeinden rund um den Zürichsee ein Genossenschaftskapital von 1,2 Millionen Franken, damit das Berggasthaus Etzel-Kulm gebaut werden konnte. Ruedi Bachmann präsidierte die Genossenschaft als Gründungspräsident von 1962 bis 1969 und wurde bei seinem Rücktritt aus der Verwaltung für seine grossen Verdienste zum Ehrenpräsidenten ernannt.
 

Politik

Ruedi Bachmann war Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei Wädenswil. Sein Denken war immer politisches Denken, aber nicht im Sinne sturer Parteipolitik. Sein Anliegen war stets das Gemeinwohl, für das er sich in hohem Masse einsetzte. Als starke, manchmal auch kantige Persönlichkeit mit eigenem Stolz und untrüglichem Blick für fadenscheinige Argumente, vertrat er seine Meinung pointiert und engagiert. Von 1974 bis 1982 gehörte Ruedi Bachmann dem Wädenswiler Gemeindeparlament an, das er 1975/76 präsidierte. Hier hatte sein offenes, stets realitätsbezogenes Denken und Handeln grosses Gewicht. Halbherzigkeit war nie seine Sache.

Auf dem elterlichen Hof in Grüningen, um 1932.

Mit der Mutter vor dem neuen Gemeindehaus in Schönenberg, 1949/50.

Aktive Senioren

Aus der tiefen Überzeugung heraus, dass Senioren keine Betreuungsangebote nötig haben, sondern Ermutigung, den grossen vorhandenen Reichtum des Lebens miteinander fruchtbar zu machen, gaben Elsbeth und Ruedi Bachmann im April 1986 den Anstoss zur Gründung der «Aktiven Senioren Wädenswil». Eine Gruppe von jüngeren Betagten, acht Männer und neun Frauen, traf sich, um sich ungezwungen über das Thema «Seniorenarbeit» auszusprechen. Man kam überein, keinen Verein mit Statuten und Jahresbeiträgen zu gründen. Sondern jedes einzelne Mitglied der politisch und konfessionell neutral zusammengesetzten Gruppe verpflichtete sich, die eine oder andere Veranstaltung selbständig und selbsttragend zu organisieren. Und das ist auch heute noch das Leitmotiv der äusserst erfolgreichen «Aktiven Senioren Wädenswil».
 

Ehe und Familie

1949 verheiratete sich Ruedi Bachmann mit Elsbeth Barraud. Drei Kinder – Hans-Rudolf, Christian und Ursi – wurden geboren und später vergrösserte sich die Familie um neun Grosskinder und acht Urgrosskinder. Das sehr grosse öffentliche Engagement des Vaters wies die Pflege des alltäglichen Familienlebens stark der Mutter zu. Tradition waren aber im Schönenberg die sonntäglichen Erkundungen am Tiefenbachweiher. Und später liebte es Ruedi Bachmann, die Söhne und dann auch die Grosskinder auf Bergtouren mitzunehmen. Immer zeigte er sich interessiert an allem, was Kinder und Grosskinder bewegte.
Nach der Pensionierung genoss das Ehepaar Bachmann das Reisen. Mindestens einen Monat im Jahr waren sie miteinander unterwegs, zunächst regelmässig in Griechenland, dann weitete sich der Horizont immer mehr.
Der frühe Tod der Tochter Ursi im Jahre 2011 bedeutete für Ruedi und Elsbeth Bachmann einen äusserst schmerzlichen Einschnitt. Ihr Gang war seither nie mehr der ungebrochene von vorher. Aber das Ehepaar blickte mit grosser Dankbarkeit auf 65 gemeinsame Ehejahre zurück.

Rast vor dem Piz Padile im Bergell, 1995.

Lebensabend

Spontan entschloss sich das Ehepaar Bachmann im Jahre 2005, ihr geliebtes Haus am Tobelrain zu verkaufen. Die beiden zogen ins Wohnzentrum Fuhr, mit dem Ruedi Bachmann als ehemaliger Präsident des Asylvereins von 1982 bis 1994 besonders verbunden war. Von ihm stammt auch der Beitrag «Vom Asylverein zum Wohnzentrum Fuhr» im Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2012.
Der Schritt ins Wohnzentrum bedeutete gleichzeitig den Aufbruch in die letzte Lebensetappe. Immer mehr hielt nun auch Schwachheit Einzug: zunächst der ständig zunehmende Verlust des Gehörs, dann eine sehr schmerzvolle Erkrankung, die zunehmend das Gehen erschwerte und zuletzt verunmöglichte.
Wer in den letzten Jahren dem Ehepaar Bachmann begegnete, war berührt, wie die beiden die Tage verbrachten und wie dankbar sie waren für ihr reiches Leben und für jeden ihnen noch geschenkten Tag. Darum war es Ruedi Bachmanns Wunsch, dass auf seiner Todesanzeige Bonhoeffers Worte stehen:

«Von guten Mächten wunderbar geborgen
Erwarten wir getrost, was kommen mag,
Gott ist mit uns, am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.»


In den Bergen unterwegs.




Peter Ziegler


Auch das war Ruedi Bachmann

Am 90. Geburtstag im Gespräch mit Enkel Daniel, 2012.

Ruedi und Elsbeth Bachmann auf dem Hoch-Etzel.

Jener, der im August einen Tag lang verschwand und mit zwei Chesseli Heubeeri vom Gottschälli heimkehrte.
Jener, der Enkel Martin nach St. Gallen chauffierte, damit dieser nach verpasstem Zug doch noch seine Samichlaus-Pflichten erfüllen konnte. Auch fuhr er unzählige Male mit der kleinen Enkelin Christina für Augenoperationen ins Unispital.
Als Enkel Martin von Wädenswil nach Venedig wanderte, liess es sich der Grossvater nicht nehmen, zwei Tage mitzugehen. «Dank» Schnee und Regen gab es dann eine Einladung ins Hotel statt einer Freiluft-Übernachtung.
Die letzten zehn Jahre lud Ruedi Bachmann regelmässig alle Kinder und Schwiegerkinder zu einem Reisli ein, einmal sogar zu einer Woche Ferien in Lavin.
 

Letztes Fest mit Tochter Ursi, die am 1. Mai 2011 starb.