Bedeutende Wädenswilerinnen

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1991 von Marlies Bayer-Ciprian

Milly Ganz, 1882−1969, Alte Kanzlei und Eidmattstrasse

Beinahe hundert Jahre nach dem Tode von Susanna Hauser-Wüest ist jemand zur Welt gekommen, der für unser Dorf eine ganz andere Rolle spielt: Milly Ganz. Als jüngste Tochter eines Arztes in Wädenswil und einer musikalisch interessierten Mutter ist nach drei älteren Brüdern am 20. März 1882 Emilie geboren worden. Man nennt sie Milly. Die ganze Familie hat in ihrer Jugendzeit oft selber Theaterstücke verfasst, einstudiert und aufgeführt. Die Kinder durften den Vater während ihrer Ferien auf seine Visiten begleiten. So haben sie den Wädenswiler Berg, besondere Weglein dorthin, immer neue Blumen und Tiere kennengelernt. Der Vater nahm sich viel Zeit, seine Kinder all die verborgenen Naturschönheiten entdecken zu lassen. Millys Geburtshaus ist die Alte Kanzlei, Ecke Zugerstrasse/Glärnischstrasse. Vis-a-vis vom damaligen Postgebäude, im Haus Merkur, führte der Vater später seine Praxis. Er war nicht nur Landarzt, sondern auch Asylarzt und Bezirksarzt. So sind seine und die Lebensdaten seiner Angehörigen gut zugänglich.
Milly Ganz war eine recht erfolgreiche Schriftstellerin, welche bis zu ihrem Tode im Jahr 1969 acht zum Teil mehrfach aufgelegte Romane herausgegeben hat.
Milly Ganz, 1882−1969.
Allerdings hatte sie, ausser in den Familienstücken, in ihrer Jugend keine Gelegenheit, schriftstellerische Erfahrungen zu sammeln. Erst 1943, im Alter von 61 Jahren, ist ihr erster Roman herausgekommen. Bereits hatte sie ein sehr bewegtes Leben hinter sich, in Italien und den USA; mit vielen familiären Sorgen, finanziellen Nöten. Gerade dieses erste Buch aber betrifft Wädenswil. «Der Narr seines Herzens» beschreibt ihre Jugendzeit, die Arbeit ihres Vaters, seine Erfolge und Misserfolge. Mit Liebe berichtet sie auch über ihre Mutter, ihre Haushälterin, welche beinahe zur Familie gehört. Lässt aber auch den Verzicht nicht aus, den die ganze Familie leisten musste, weil der Vater mit Zeit und Geld vollkommen für seine Patienten zur Verfügung stand. Auch der letzte Roman, «Alle Herrlichkeit des Herzens», den Milly im Alter von 80 Jahren schrieb, betrifft wiederum unsere Gemeinde, als Fortsetzung des ersten. Manchmal schildert die Schriftstellerin das dörfliche Leben als beengend, bedrückend, dann wieder als schillernd, lebendig, in den herrlichsten Farben der Jugendfreude. In jedem Falle aber ist nicht nur Frau Ganz für Wädenswil bedeutend, sondern Wädenswil war es auch für sie.
 




Marlies Bayer-Ciprian