Gemeinsam nach Lösungen suchen

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1997 von Hanna Landolt

«Was mir denn an Wädenswil gefalle?», wurde ich oft gefragt an den verschiedensten Anlässen während meines Ratspräsidiums. Für mich ist Wädenswil eine lebendige Stadt, wo sich viele Menschen im kulturellen, sportlichen, sozialen oder politischen Bereich engagieren. Hinter manchen steckt eine gute Portion Idealismus und Phantasiereichtum, welche sie zum Wohl des öffentlichen Lebens und der Gemeinschaft einsetzen. Was wäre Wädenswil ohne autofreie Gerbestrasse, wo jede Woche der Samstags-Markt stattfindet? Einkaufen an farbenfrohen Ständen, wo die Nase und das Auge belohnt werden, ist die eine Sache – einen Schwatz mit Bekannten abhalten, die andere. Oder, was wäre Wädenswil ohne das Kleintheater, wo Mann und Frau in nächster Nähe Kultur geniessen können? Das Dorfkino darf nicht vergessen werden, wo zudem auch aktuelle Streifen gezeigt werden. Und die Filmnächte im Rosenmattpark, und und und … All diese Stätten bedeuten für mich höchste Lebensqualität und machen Wädenswil zu einem Begegnungsort.
Zur Viehschau auf Ödischwänd gehören auch Gespräche mit Freunden und Bekannten. Das Bild mit Stadtpräsident Ueli Fausch und seinem Vorgänger Walter Höhn wurde 1996 aufgenommen.

Würde das geplante Einkaufszentrum auf der grünen Wiese im Neubüel zur Lebensqualität von Wädenswil beitragen? Es gäbe neue Arbeitsplätze, wird argumentiert. Wohl auf Kosten von Läden im Zentrum samt deren Arbeitsplätzen, sagen die anderen. Was meint wohl die Natur dazu und die Luft, die durch den Mehrverkehr noch stärker verschmutzt würde? Ob wir uns wohl daran gewöhnen würden? Diejenigen, die sich nicht daran gewöhnen wollen, haben ihre politischen Rechte wahrgenommen. Deshalb ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Ob wir uns an die vielen Erwerbslosen gewöhnen müssen? Auch in Wädenswil machte die Erwerbslosigkeit nicht Halt, ist sie doch auf über 500 Menschen angestiegen. Für viele Menschen bedeutet längere Arbeitslosigkeit Rückzug vom sozialen Leben, sie getrauen sich nicht mehr unter die Leute und werden mit der Zeit krank. Grosse menschliche Ressourcen liegen brach, und soziale Probleme werden geschaffen. Nur allzuoft führt Erwerbslosigkeit in Armut: in der Schweiz sind etwa 500 000 Menschen davon betroffen. Hinter diesen Zahlen sind Menschen versteckt mit Erwartungen und Hoffnungen ans Leben wie wir alle. Sätze wie «wer arm ist, ist faul und deshalb selber schuld» zeigen, dass Fragen nach sozialer Ungerechtigkeit weitherum tabu sind. All diese Probleme, die sich unsere Gesellschaft geschaffen hat, müssen gemeinsam angegangen werden durch Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik. Alle sind gefordert, miteinander nach Lösungen zu suchen. Dazu braucht es viel Phantasie sowie Utopien und Visionen, denn sie sind die Realität der Zukunft.
Auch auf Gemeindeebene sind wir Politikerinnen und Politiker gefordert. Wir kommen nicht weiter, wenn jede Gruppierung meint, als einzige die Wahrheit gepachtet zu haben, wenn sich die Mehrheit ihrer Sache immer wieder so sicher ist, dass sie sich schwer von anderen Ansichten überzeugen lässt. Wir alle müssen offener sein für Anregungen und andere Meinungen. Manchmal scheint es, dass viele nur ihr eigenes Gärtchen kennen und nicht über den Gartenzaun sehen wollen, hinüber zu den Nachbarn, die anders denken und leben. Gerade neue Erfahrungen erweitern den Horizont, und diese braucht es, um kreative Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden.
Dass sich eine neue politische Kultur nicht so einfach durchzusetzen vermag, zeigt das bevorstehende Scheitern des «PoZ Wädi» (Projekt offene Zentrumsplanung). Zunächst waren guter Wille und die Vision, am runden Tisch zusammenzuarbeiten durchaus vorhanden. Parteigrenzen sollten zugunsten eines Verkehrskonzeptes geöffnet werden. Zusammen mit der Bevölkerung und dem Gewerbe wollten wir Ideen und Lösungen suchen für ein lebenswertes Stadtzentrum. Ein neuer Weg wurde beschritten, zum Schluss habe sich jedoch alte Strukturen und Blockierungen durchgesetzt. Für mich ist dies ein schlechtes Beispiel politischer Zusammenarbeit und keine Vorzeigestück für die kommende Generation.
Als gutes Bespiel sehe ich die «kleine Schöneggrunde», wo höchste Forderungen von verschiedenen Beteiligten durch faires Verhandeln in einen Konsens und nicht in gegenseitiges «Hick-Hack» mündeten. Das «Ja» der Volksabstimmung bestätigte die neuartige Zusammenarbeit. Diese Arbeit beweist, wie Demokratie funktionieren kann nur durch das Gespräch, gegenseitigen Respekt und eine gemeinsame Sorge um das Wohl der gesamten Bevölkerung.




Hanna Landolt
Gemeinderatspräsidentin 1996/97