Wädenswiler auf Strassentafeln

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1975 von Peter Ziegler

Nur wenige Strassen und Wege der Stadt Wädenswil sind nach Personen benannt. Frauennamen fehlen überhaupt. Wer waren die besonders ausgezeichneten Männer? Die folgenden Kurzbiographien geben darüber Aufschluss:

Karl Stamm (1890–1919)

Karl Stamm wurde am 29. März 1890 in Wädenswil geboren. Das weitläufige Vaterhaus am Hoffnungsweg 7 mit Kellern, Gängen, dem Geschirrladen, den Töpfen und verstaubten Folianten bildete ein herrliches Spielparadies. Der Tod der Mutter und des Lieblingsbruders überschatteten jedoch die Jugendzeit. Rückblickend schrieb der 21jährige Karl Stamm: «Da die Menschen meines Hauses mich nicht verstanden, suchte ich die Natur auf, die stumme Welt. Ich fühlte mit dem Abend und dem See und fernen Bergen … Ein Erbe hat mir meine Mutter mitgegeben: die Poesie.»
Auch am Lehrerseminar in Küsnacht fühlte sich Karl Stamm unverstanden und unglücklich. Konflikte mit der Lehrerschaft und Verstösse gegen die Hausordnung hätten beinahe mit der Ausweisung aus der Schule geendet. Dass gerade in jener Zeit eine Reihe seiner ersten Gedichte unter scheuen Initialen im Blatte seiner Heimatgemeinde gedruckt wurden, war für Karl ermutigende erste Beglaubigung, die ihm wohl tat.
Nach Aufenthalten in Paris und in Italien übernahm Karl Stamm im Frühling 1910 als junger Lehrer die Achtklassenschule von Lipperschwendi im Tösstal. Hier entstand eine 1913 im Druck erschienene Sammlung von Sonetten, mit dem besonders bekannt gewordenen Gedicht «Der Blinde im Frühling».
1914 übernahm Karl Stamm eine Lehrstelle in Zürich. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, das Geschick des eigenen Volkes und der militärische Alltag mussten vom feinfühligen Dichter verarbeitet werden: 1915 veröffentlichte Stamm das schmale Gedichtbändchen «Aus dem Tornister»
Eine Zeit furchbarsten Zerrissenseins und verzehrender Unrast folgte. Stamm floh die Stadt und ihre Menschen. Er verschloss sich und sank in beengende Einsamkeit. Beängstigende Zweifel an sich und an den Menschen seiner Umgebung trieben ihn von Ort zu Ort. Die Arbeit stockte. Seine Seele war krank. Eine irrige Liebe führte den Dichter an den Rand.
Nach der Dienstbefreiung im April 1917 kam für Karl Stamm langsam die Genesung. Er war gewillt, in ein neues Leben zu schreiten. Während der Krieg weiter tobte, tat der Dichter wieder seine Pflicht im Schulzimmer eines Zürcher Aussenquartiers und schrieb daneben an einem neuen Gedichtband, am «Aufbruch des Herzens», welcher auf Weihnachten 1918 im Druck erschien. Im selben Jahr entstand das bekannte Bilderbuch «Die Kinder im Schlaraffenland».
Im Februar 1919 wurde Karl Stamm von der Grippe befallen. Dieser Krankheit erlag der erst 29jährige Dichter am 21. März 1919. Sein Grabstein, der ein Relief mit zusammenbrechendem Pegasus trägt, steht im westlichen Teil des Wädenswiler Friedhofes.




Peter Ziegler


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