125 Jahre Kinderheim Bühl

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1995 von Walter Zurbuchen
 
Das Kinderheim Bühl in Wädenswil konnte 1995 auf 125jähriges Bestehen zurückblicken. Walter Zurbuchen, von 1979 bis 1995 Direktor des Kinderheims Bühl, skizziert wichtige Etappen in der Entwicklung der ehemaligen «Anstalt für schwachsinnige Kinder» zum modernen Sonderschulheim mit zukunftsorientierter Ausrichtung.

1870

Julius Hauser (1834-1897) überlässt das von ihm zwei Jahre zuvor ersteigerte «Bühl» - einen im Bereich der heutigen Schützenmattstrasse gelegenen Bauernhof seinem Freund Samuel Zeller (1834-1912) aus Männedorf, um dort eine «Anstalt für schwachsinnige Kinder» zu führen. Dessen «Gehilfe» Karl Melchert (1838-1896) wird erster Hausvater des Kinderasyls.
 
Julius Hauser, Mitbegründer des Kinderheims Bühl.
Kinderheim Bühl von Norden, um 1910.

Von anfänglich knapp zwanzig steigt die Zahl der Betreuten im Verlaufe der ersten fünfzig Jahre der Bühl-Geschichte auf rund hundert an. Mehrmals muss das Gebäude erweitert werden.
 

1932

Schreckensnacht im Bühl: Am 10. November 1932 legt ein Grossbrand das gesamte Heim in Schutt und Asche. Elf Kinder und eine Kochlehrtochter kommen in den Flammen um.

Drei Monate später erfolgt die Gründung der «Stiftung Kinderheim Bühl» mit dem Ziel, das Heim neu aufzubauen. Nach dem Tode ihres Gatten, Gottfried Zürrer, übernimmt Lydia Zürrer-Anliker (1899-1982), die Leitung, die sie während vierzig Jahren – bis 1973 – innehat.

1984

Nach mehr als vierjähriger Bauzeit kann am 4. Juli 1984 die total renovierte und erweiterte Heimanlage eingeweiht werden. Der Bühl-Betrieb umfasst nun zweckmässige Schulräume für heilpädagogisch geführte Kleinklassen, eine behindertengerechte Turnhalle, Gruppenwohnhäuser für Kinder und Jugendliche sowie Werkstätten, Garten- und Landwirtschaftsbetriebe für die erstmalige berufliche Ausbildung.

Lydia Zürrer-Anliker, die nachmalige Lydia Roggli-Anliker, leitete während vierzig Jahren das Kinderheim Bühl.

Kinderheim Bühl um 1960. Im Vordergrund das damals neue Werkschulhaus.

1995

Im Jubiläumsjahr 1995 besuchen über siebzig Schülerinnen und Schüler die heiminterne Sonderschule. Rund 25 Burschen und Anlehrtöchter erfahren eine erstmalige berufliche Ausbildung.

Internat

Durch gezielte und umfassende Schulung soll den geistig behinderten Kindern zu einer möglichst grossen Selbständigkeit und einer weitgehenden Integration in eine angemessene Lebensgemeinschaft verholfen werden.
Dazu verfügen wir über acht Wohngruppen für je sieben bis acht Kinder bzw. Jugendliche, eine interne Jugendwohnung für drei Jugendliche und eine Aussenwohngruppe in Wädenswil für drei bis vier Jugendliche, als Vorbereitung auf selbständiges Wohnen im Erwachsenenalter.
Die Eltern werden durch unseren Sozialdienst beraten. Zudem wird auch die Austrittsplanung und eine nachgehende Fürsorge der Kinder ausführlich besprochen und vorbereitet.

Sonderschule (Auch Externat)

Die Sonderschulung erfolgt in Kleinklassen für schul- und praktisch-bildungsfähige Kinder ab Kindergartenalter mit integriertem Therapieangebot (Logopädie, Psychotherapie, Sondergymnastik).
Unser Schulangebot umfasst Klassen im Vorschul-, Unter-, Mittel- und Oberstufenbereich; Abschlussjahrklassen für Mädchen und Burschen aus heilpädagogischen Tagesschulen; Berufsfindungsjahr für leicht geistig behinderte Burschen/Mädchen im Rahmen eines 10./11. Schuljahres; Fortbildungsunterreicht für unsere Anlehrlinge in allgemein- und berufskundlichen Fächern (zirka 240 Stunden pro Jahr).
Diese Ziele versuchen wir zu erreichen durch Schulunterricht im Klassenverband, im Wechsel mit tage- bzw. wochenweisem Einsatz in unseren Anlehrbetrieben.

Kinderheim Bühl mit 1981/82 bezogenen Gruppenhäusern und Mehrzweckbau (Vordergrund links), 1984.

Berufliche Ausbildung (auch Externat)

Die erstmalige berufliche Ausbildung im Sinne der IV für geistig behinderte Burschen und Mädchen dient als Vorbereitung auf die Tätigkeit in einer geschützten Werkstatt oder – sofern möglich – in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Unser Anlehrangebot

- Metall- und Montagewerkstatt (Dreh-, Fräs-, Bohr- und Montagearbeiten werden im Auftragsverhältnis ausgeführt)
- Schreinerei (manuelle und maschinelle Holzbearbeitung)
- Gärtnerei (produziert Topf und Schnittblumen sowie Gemüse für den Heimbedarf und den Verkauf)
- Landwirtschaft (Obstbau und Milchwirtschaft)
- Hauswartung (Umgebungspflege (Rasen usw.), Reparatur- und Unterhaltsarbeiten (Einrichtung)
- Hauswirtschaft (Mitarbeit in Küche, Lingerie, Reinigung, Ausbildung als Kochassistent/Kochassistentin).




Walter Zurbuchen


In der Schreinerwerkstatt.

Logopädie.
In der Wohngruppe beim Bohnen-«Abfädeln».