HANS JACOB MESSMER (1730–1801), SCHÖPFER DER KANZEL IN DER REFORMIERTEN KIRCHE WÄDENSWIL

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2002 von Peter Ziegler

CHRONIKALISCHE HINWEISE

Aus der handschriftlichen Chronik, welche Landrichter Heinrich Höhn über den Bau der reformierten Kirche Wädenswil in den Jahren 1764 bis 1767 verfasst und die Geometer Rudolf Diezinger 1833 abgeschrieben und damit der Nachwelt erhalten hat, war bekannt, dass «Hs. Jacob Messmer aus dem Thurgau» am Kirchenbau mitwirkte. Als «Zimber-Bollier» bohrte er am 29. Mai 1765 das erste Loch in einen für den Dachstuhl bestimmten Balken. Er half im Herbst beim Abbinden des Turmhelms und er zimmerte auch den hölzernen Kanzelkorb, den Peter Anton Moosbrugger 1766 mit Stuckwerk überzog.
Über Leben und Werk des Zimmermanns Hans Jacob Messmer war bislang wenig bekannt. Dies hat sich dank den Forschungen von Jürg Davatz und Thomas Ledergerber geändert. Im Jahrbuch des Historischen Verein des Kantons Glarus 2001 publizierten die Beiden eine ausführliche Biographie mit Werkverzeichnis des Zimmermannpoliers des bekannten Kirchenbauers Hans Ulrich Grubenmann aus Teufen. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie werden hier zusammengefasst.

HERKUNFT UND ERSTE AUFTRÄGE

Hans Jacob Messmer wurde am 23. Dezember 1730 in Eppishausen im Thurgau, einem Dorf, das heute zu Erlen gehört, geboren. Sein Vater, Hans Jacob Messmer-Schümperli (1703–1753), übte den Beruf des Zimmermanns aus; sein Grossvater Johannes Messmer-Rütimann (1666–1732) betätigte sich als Tischmacher. 1735 zog die Familie nach Hessenreuti, von wo aus der Knabe wohl die evangelische Freischule von Sulgen besuchte. Berufliche Grundkenntnisse vermittelte der Vater, dann dürfte Messmer recht jung zur bekannten Baumeisterdynastie Grubenmann aus Teufen gestossen sein.
Mit dem Bautrupp der Gebrüder Jacob (1694–1758) und Hans Ulrich (1709–1783) Grubenmann kam Hans Jacob Messmer 1753 wahrscheinlich ins Glarnerland, wo er am Umbau der reformierten Pfarrkirche Schwanden mitarbeitete. Dort lernte er vermutlich auch Anna Strebi (1730–1798) kennen, die er dann 1757 in Sulgen heiratete. Nach der Hochzeit ging das Paar nach Schwanden zurück, wo der landesfremde Messmer am 13. März 1758 für ein Jahr als Beisässe aufgenommen wurde. Im selben Jahr erhielt Messmer den Auftrag, die spätmittelalterliche Kirche Matt umzubauen. 1759 konnte er das Schiffmeisterhaus in Mitlödi ausführen und 1759 bis 1761 die neue Kirche in Mühlehorn.

POLIER BEI BAUMEISTER GRUBENMANN

Während Hans Ulrich Grubenmann sich der Aufträge kaum erwehren konnte, ging der selbständige Baumeister Messmer für längere Zeit leer aus. Er trat daher in den folgenden Jahren als Zimmerpolier in den Dienst seines Lehrmeisters Grubenmann. Als erstes gemeinsames Werk entstand 1763/64 die reformierte Kirche in Brunnadern SG.
1764 kehrte die Familie Messmer mit den Kindern Susanna (1758–1844), Hans Jacob (1760–1836) und Melchior (1763–1809) an den Geburtsort des Vaters nach Eppishausen zurück. In Erlen baute damals Hans Ulrich Grubenmann die neue reformierte Kirche. Messmer wirkte als Polier mit und schuf die kunstvolle hölzerne Kanzel.
Bereits im folgenden Jahr verliess Hans Jacob Messmer seine Familie wieder für längere Zeit und ging als Polier nach Wädenswil, wo Hans Ulrich Grubenmann von 1764 bis 1767 die neue reformierte Querkirche erstellte. Dazu schreibt Thomas Ledergerber: «Ob die lange Abwesenheit von zu Hause ihn vorübergehend dem Wein in die Arme trieb? Klar ist, dass er damals zur Unzeit einen Schluck zu viel trank, was einem eben erst gelieferten Glöcklein schlecht bekam.» In der Chronik des Landrichters Heinrich Höhn finden sich darüber folgende Bemerkungen: «Im Herbstmonath 1766 langte auch das kleine Glökkli, nämlich das 5 Centrig hier an, welches in der Gemeinde grosse Freude verursachte, das ganze Geläut einmal beyeinander zu haben. Diese Freude dauerte aber nicht lange, denn da das Gloklein gehenkt wurde, waren viele Zuschauer in dem Thurm oben, die den Gesellen zu viel Wein brachten oder bezahlten, dass solche sich, besonders der Bollier (Messmer), besoffen, und in ihrer Trunkenheit das Glöklein nicht recht gehängt hatten. ... Denn sobald man zu läuten anfieng und sich die 11 Centnerig Glok hinaufschwung, so schluge der Kahlen (Glockenschwengel) in dem neuen Glöklein auf dieselbe hinab, wovon sie sich mitten von einander spaltete, so dass solche auch musste nach Schafhausen gesandt und dort eingegossen werden, wodurch die Gemeinde in keinen geringen Schaden gekommen. Es wäre daher besser gewesen, die Wundernasen wären bey Hause geblieben und hätten durch das Fenster zugehört.» Am 19. Dezember 1767 rechnete man in Wädenswil mit dem Baumeister ab. Wie Messmer hörte, Grubenmann habe ein Trinkgeld – eigentlich ein Honorar – von 3000 Gulden zugesprochen erhalten, bat er ebenfalls um ein Trinkgeld. Die Wädenswiler Kirchenbehörde fragte Grubenmann, wie sie auf Messmers Ansinnen reagieren solle. Die handschriftliche Chronik von Landrichter Heinrich Höhn überliefert die Lösung des Problems: «Grubenmann berichtete aber, dass solcher die Zeit über so viel erhalten habe, dass er gar wohl damit zufrieden seyn könne. Dessen ungeachtet wurden Messmer von dem E(hrwürdigen) Stillstand 10 Neuthaler oder 25 Gulden erkennt, womit er auch gar wohl zufrieden war.»
Thomas Ledergerber folgert wohl zu Recht, dass Grubenmanns Bemerkung auf eine Missstimmung gegenüber Messmer hinweisen könnte. Bis 1782 jedenfalls ist keine Zusammenarbeit der Beiden mehr nachzuweisen.
 

DIE WÄDENSWILER KANZEL

Die Kanzel in der reformierten Kirche Wädenswil – nach dem Urteil des Kunsthistorikers Adolf Reinle die graziöseste Rokoko-Kanzel der Schweiz – ist ein Gemeinschaftswerk von Hans Jacob Messmer und des Vorarlberger Stuckateurs Peter Anton Moosbrugger (1732–1806). Messmer schuf ab März 1766 als Schreinerarbeit die Holzkonstruktion des eleganten Kanzelkorbs, der geschwungenen Treppenbrüstung und den Schalldeckel. Und Moosbrugger, der auch die Struckturen an der Kirchendecke, an den Emporenuntersichten und den Wandpilastern ausführte, überzog nachher den ganzen Kanzelkörper mit schwarz-weissem Stuck, der geäderten Alpenkalk imitiert.

Rokoko-Kanzel von 1766/67 in der reformierten Kirche Wädenswil. Schreinerarbeit von Hans Jacob Messmer, von Peter Anton Moosbrugger mit schwarz-weissem Stuck überzogen.

BAUMEISTER IM GLARNERLAND

1771 betätigte sich Messmer erneut als Baumeister im Glarnerland und erstellte in Glarus für den Kaufmann und Baumwolldrucker Johann Heinrich Streiff (1709–1780), der von 1768 bis 1770 als Landvogt im Thurgau geamtet hatte, das herrschaftliche Haus «in der Wiese». Ledergeber nimmt an, dass der Glarner Bürger Johann Jacob Tschudi, Pfarrer in Sulgen, Messmer den Auftrag vermittelt hat.
1773/74 ersetzte Messmer den abgebrannten Dachstuhl und den Schweifgiebel des Schlosses Klingenberg TG, dann war er erneut im Glarnerland tätig. 1773/74 erstellte er das Haus «Sunnezyt» in Diesbach, 1774/75 die reformierte Kirche Ennenda und 1775/76 das Pfarrhaus in Ennenda. Möglicherweise gehen im Glarnerland noch weitere Bauten auf Messmer zurück, nachweisen lässt sich dies aber bis jetzt nicht. 1777 war Messmer im schwyzerischen Altendorf mit Reparaturarbeiten am Kirchturm beschäftigt. Dann bricht die Spur eigener Bauten ab.

HÄRTERE ZEITEN

Ab 1780 bahnte sich eine Wirtschaftsflaute an und Messmers Geschäftsgang harzte. So war er froh, 1781 erneut für Hans Ulrich Grubenmann arbeiten zu können, der damals die reformierte Kirche Trogen baute. 1784 bewarb sich Messmer um den Wiederaufbau der Kirche im thurgauischen Homburg, die ein Brand eingeäschert hatte. Der zuständige Fürstabt Gerold II. in Muri vergab aber den Auftrag anderweitig.
1792 wurde Hans Jacob Messmer nach Altstätten im Rheintal gerufen. Er erstellte ein Gutachten über die baufällige alte Pfarrkirche. Den Neubau aber führte zwei Jahre später der Baumeister Johann Jakob Haltiner (1728–1800) aus, der Schwager von Hans Ulrich Grubenmann.
Mit dem Tod der 68-jährigen Gattin, Anna Messmer-Strebi, verlor Messmer 1798 sein Zuhause. Er zog zu seinem ältesten Sohn Hans Jacob nach Hauptwil, wo er am 16. August 1801 im Alter von gut 70 Jahren starb.

WÜRDIGUNG

Auf 144 Seiten würdigen Thomas Ledergerber und Jürg Davatz in ihrer auch als Sonderdruck erschienenen Schrift auf eindrückliche Weise Leben und Werk des bisher weitgehend unbekannten Baumeisters und Zimmermanns Hans Jacob Messmer, dem auch die formschöne Kanzel in der reformierten Kirche Wädenswil zu verdanken ist. Nur zeitweise war es Messmer vergönnt, aus dem Schatten der berühmteren Grubenmann zu treten. Dennoch hinterliess er ein bauliches Erbe, das bis heute von beachtenswerter Gestaltungskraft zeugt.
 




Peter Ziegler


Literaturhinweise:

Jürg Davatz und Thomas Ledergerber. Hans Jacob Messmer 1730–1801. Ein Baumeister aus dem Umkreis der Grubenmann. Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus, Heft 81, 2001. ISBN 3-85546-131-7. – Heinrich Höhn. Wahrhafte Beschreibung der Erbauung der neuen Kirche zu Wädenschweil in den Jahren 1764–1767, in: Die Kirche von Wädenswil, 24. Neujahrsblatt der Lesegesellschaft Wädenswil, Wädenswil 1967, S. 39–77.