WÄDENSWIL HAT SICH VERÄNDERT

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Ueli Fausch

Alles, was in unserer kleinen Welt passiert, ist uns wichtiger als ungleich grösseres Geschehen in irgendeiner Ferne.
Mit diesem Gedankensplitter eröffnete mein Vorvorgänger Walter Rusterholz das Vorwort des ersten Wädenswiler Jahrbuches im Jahre 1975. Wädenswil schloss zu diesem Zeitpunkt eine Zeit des schier unbeschränkten Wachstums ab. In den Jahren zwischen 1960 und 1972 nahm die Bevölkerung um 50 Prozent zu. Die Prognosen, von denen man damals in besten Treuen ausgegangen ist, bewahrheiteten sich dann aber in keiner Weise. Es gibt weder eine Zimmerbergstadt noch ein zusammenhängend überbautes Ufer des Zürichsees. Zeuge dieser damaligen Zukunftserwartungen bleibt das Schulhaus Steinacher. Am Rande des heutigen Siedlungsgebietes liegt es heute wunderschön im Grünen. Gedacht war es einmal für Schülerinnen und Schüler aus einem bebauten Gebiet zwischen Wädenswil und Horgen.
In den vergangenen 25 Jahren ist Wädenswil bevölkerungsmässig nicht einmal mehr um 10 Prozent gewachsen. Trotzdem sind heute bedeutend grössere Gebiete überbaut: Zeichen von stark erhöhten Komfortansprüchen an Wohnfläche und Ausbaustandard.
Wädenswil verändert sich - nicht immer zum Vorteil.
Die damit zusammenhängenden Nachteile werden spürbar, indem immer grössere Teile unserer Bevölkerung unter Lärm und schlechter Luftqualität als Auswirkungen der massiven Zunahme des Individualverkehrs leiden. Wir spüren, dass wir an Grenzen stossen. Der Leidensdruck scheint allerdings für einen effektiven Veränderungswillen noch zu klein zu sein. Verschiedenste Anläufe zu einer umfassenden Verkehrsplanung in Wädenswil sind in den letzten Jahren gescheitert. Themen wie eine verkehrsfreie oder zumindest beruhigte Zugerstrasse wurden eingehend diskutiert. Ein politischer Konsens liess sich aber nicht finden.Unser «Dorf» hat sich verändert. Wädenswil ist zur Hochschulstadt geworden und versteht sich heute als Kompetenzzentrum für Forschung, Entwicklung und Bildung. In unserer Gemeinde befinden sich die Hochschule Wädenswil, die Militärische Führungsschule in der Au, die Eidgenössische Forschungsanstalt, künftig auch die International Primary School of Zurich. das regionale Ausbildungszentrum Au (RAU). In diesen Bereichen liegen unsere Chancen für die Zukunft. Alle diese Institutionen haben eine überregionale und zum Teil nationale Bedeutung und tragen damit zum positiven Image von Wädenswil bei. Dazu beschäftigen sie hochqualifizierte Arbeitskräfte, die in unmittelbarer Umgebung Wohnsitz nehmen. Das Know-how dieser Institutionen wirkt sich aber auch positiv auf neue Firmen auf Standortsuche aus, da diese oftmals die Nähe zu einem qualitativ hochstehenden Umfeld und den damit verbundenen Synergieeffekt suchen. Regelmässig handelt es sich bei solchen Firmen und ihren Angestellten auch um gute Steuerzahler, die Wädenswil sehr gut gebrauchen kann. Daran wollen wir auch in Zukunft weiterarbeiten.
Wir leben in einer spannenden Zeit. Die elektronischen Medien, allen voran das Internet, machen unsere Welt zum «global village». Dank der zentralen Lage in Europa, des arbeitspolitischen Friedens, der guten Ausbildung und Vielsprachigkeit unserer Jugend bin ich an der Grenze zu einem neuen Jahrtausend voller Zuversicht, dass sich Wädenswil auch in diesem verändertet Umfeld erfolgreich wird behaupten können. Vergessen wir aber ob all der Sorgen um unsere Konkurrenzfähigkeit die schönen und heiteren Seiten nicht: Ein aktives Kulturleben bildet unabdingbare Voraussetzung für die Attraktivität Wädenswils als Wohn- und Arbeitsort. Der Europarat hat den Begriff Kultur wie folgt umschrieben:
«Kultur ist alles, was dem Individuum erlaubt, sich gegenüber der Welt, der Gesellschaft und auch gegenüber dem heimatlichen Erbgut zurechtzufinden, alles, was dazu führt, dass der Mensch seine Lage besser begreift, um sie unter Umständen verändern zu können.»
Wädenswil, ein Ort mit reichem kulturellem Angebot. Konzert der Brass Band Posaunenchor unter der Leitung von Rudolf Geiger.

Kultur bietet die unverzichtbare Basis für unser gesellschaftliches Zusammenleben und dessen Entwicklung. Sie schafft die gemeinschaftliche Identität und die Verbundenheit. Wädenswils Attraktivität als Wohnort beruht zu einem grossen Teil auf der schönen Lage am See, der Nähe zu Zürich und der Nähe zu intakten Naturlandschaften. Was uns aber von vielen anderen Gemeinden unterscheidet, ist der hohe Stellenwert, den bei uns Kultur in all ihren Facetten in den letzten Jahrzehnten gehabt hat. Das kulturelle Leben kann nur durch das vielfältige Zusammenspiel von privater Initiative und der Unterstützung und Förderung durch die öffentliche Hand funktionieren. Vergessen wir also auch in Zukunft diesen wichtigen Aspekt unseres Zusammenlebens nicht.
Danken möchte ich in diesem Zusammenhang auch dem Verfasser des Jahrbuches der Stadt Wädenswil, Prof. Dr. h.c. Peter Ziegler, für seine grosse Arbeit. Es ist ihm in den vergangenen 25 Jahren gelungen, uns unser Wädenswil näherzubringen und ein Werk zu schaffen, das auch für die kommenden Generationen einen bedeutenden kulturellen Wert haben wird.
 




Ueli Fausch,
Stadtpräsident