Bim Coiffeur bin i gsässe

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1984 von Peter Friedli

Das Coiffeur-Geschäft von Hans Höhn an der Türgasse, in den 1930er Jahren.

Vor 15 Jahren Jahren durfte ich mit meiner Familie ins Ortsmuseum Wädenswil einziehen. Was lag da für uns ehemalige Erlibacher näher, als in unserem neuen Dorf Kontakte zu suchen und zu schaffen? Die Türgass war unser Anfang. Wo ist die beste Informationsquelle? Beim Coiffeur. Das kleine Friseurgeschäft von Hans Höhn war das richtige und passte präzis zu Mani Matters Lied: «Bim Coiffeur bin i gsässe …» Es war die Rede von alten Gepflogenheiten beim Barbier, so von der Entfernung lästiger Hühneraugen, vom Haareschneiden, vom Gebrauch der Brennschere für Zapfenlocken, von Schnauzwichse und –farbe. Der Abziehriemen fürs Rasiermesser fehlte nicht, und Tupferli für kleine «Schnitte» waren fein säuberlich im Glasfläschchen vorhanden. Altbewährte Kämme, Bürsten, geschärfte Scheren, Puderquaste, «Kölnisch Wasser» lagen bereit, um den «Patienten» zu dienen.
Hans Höhn in seinem Friseurgeschäft, 1930.
 
Zugegeben. Ich mag das Haareschneiden nicht leiden, aber die Unterhaltung bot mir mehr als die Zeitung. Ich wusste nach der «Kur» vieles über viele «Wätttischwyler», (mit ttt!), über Einkaufsmöglichkeiten, über Handwerker, und ich kannte ein wenig «Wirtschaftsgeographie». Über den «Ochsen», «Schwanen», das «Rössli» und die «Frohburg» wird in einem nächsten Jahrbuch berichtet.
Haarschnitte vom Kind bis zum Mann.

Etwas zur Geschichte der Scherer: Seit dem Spätmittelalter ging man für das Rasieren, Haareschneiden, Aderlassen und Schröpfen in die Badstube zum Bader. Später waren Scherer und Barbier getrennte Berufe. Das Aufkommen des Seifenschaums trennte die Badstube weiter vom Barbier. Der Scherer besorgte das Haarabschneiden, Kopfwaschen (es gab schon damals bestimmte Tierchen) und das Rasieren. Auch für das Aderlassen und andere chirurgische Eingriffe suchte man den Scherer auf.
Noch im 19 Jahrhundert erscheinen in Kalendern Illustrationen und Aderlassmenschen. Verlassen wir die alte Zeit! Interessant im heutigen Coiffeurgewerbe ist sicher die Veränderlichkeit der Haartracht-Mode. Als Bub (zirka 1942) wurde ich regelmässig zum Haarschneiden geschickt; am ersten des Monats zum Schneiden, am 15. zum «Usebutze». Der Coiffeur, genannt «Höörlidieb», verstand es ausgezeichnet, beim Nichtstillehalten des Schädels wunderschönes Unregelmässigkeiten zu schneiden (Häsch halt wieder e Stäge). In jenen Jahren wurde das Haar bis auf den Hinterkopf geschnitten, ebenso über die Ohren (Knechteschnitt). Es folgten die Schmachlocken im Stile von Elvis Presley, welche mit Brillantine in die Stirne geklebt wurden.
Barbierstube. Aus dem Ständebuch von Jost Amman, 1568.

Die am 12. Juli 1944 von der Kantonalen Preiskontrolle genehmigten Tarife.

Revolutionär war die Pilzkopf-Frisur in der Manier der Beatles (1960er Jahre). Es folgten der Coup Hardy, das heisst der Messerschnitt mit Föhnwelle, die langen Mähnen (er hät au en Zopf) der 1970er Jahre. Heute sind Punkers, Freaks, Teddys und Discos dran, sich mit Farben- und Formenzauber zu erkennen zu geben. Aus der Sicht meiner heutigen Schüler muss ich sagen, dass die Frisuren praktisch grösstenteils wieder normal geworden sind: gepflegt und wohl gewaschen. Auswüchse sind relativ selten; es gab sie auch früher (Perücken und Chuecheblächschnitt). Millimeterschnitte, Bürstenschnitte oder Bubiköpfe sind heute in Varianten bei Punkern zu sehen.

Ondulierscheren, Brennscheren für Perücken und Zapfenlocken.

Hans Höhn an der Arbeit.
Utensilien des Kunden-Coiffeurs (für Privatkunden, Kranke zu Hause oder im Spital).

 




Peter Friedli

1 Rekrutenschnitt, 1940
2 Knechteschnitt
3 Elvis Presley, 1950er Jahre
4 «Enten-Fudi»
5 Pilzkopffrisur der Beatles
6 Hippy, 1960er Jahre
7 «Langhaar-Taggel»
8 Normalfrisur der 1970er Jahre
9 «Punker-Frisur», 1982


bim coiffeur bin i gsässe vor dem spiegel, luege dry
und gseh dert drinn e spiegel wo ar wand isch vis-à-vis
und dert drin wider spieglet sech dr spiegel da vor mir
und i däm spiegel wiederum dr spiegel hindefür

und so geng wyter: s’isch gsy win e länge koridor
i dämm my chopf gwüss hundertfach vo hinden und vo vor
isch ufgreit gsy i eir kolonne, z’hinderscht isch dr chopf
i ha ne nümme gchennt, so chly gsy win e gufechnopf

my chopf dä het sech dert ir wyti, stellet öich das vor
verloren ir unäntlechkeit vom länge koridor
i ha mi sälber hinde gseh verschwinde, ha das gseh
am heiterhälle vormittag und wi we nüt wär gscheh

vor chlupf han i mys muul ufgsperrt, da sy im koridor
grad hundert müler mit ufggange win e männerchor
e männerchor us mir alei, es cheibe gspässigs gfüel
es metaphysischs grusle het mi packt im coiffeurgstüel

I ha d’serviette vom mer grissen, ungschore sofort
das coiffeurgschäft verla mit paar entschuldigende wort
und wenn dir findet ich sött e chly meh zum coiffeur ga
de chöit dir iitz verstah warum i da e hemmig ha
 
(Mani Matter)