40 Jahre Wädenswiler Schnitzelbank

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2015 von Peter Ziegler

In der Kulturhalle Glärnisch feierte am 13. Februar 2015 das 40. Schnitzbankfest Premiere: Grund für einen Rückblick auf viele Höhepunkte im Wädenswiler Fasnachtsgeschehen.

1972 erlebte die dahinserbelnde Wädenswiler Fasnacht einen Neuanfang: Walter Cheesy Tessarolo und Ennio Maspero gründeten die Neue Fasnachtsgesellschaft (NFG) und deren Vorstand organisierte als weiteren Höhepunkt 1976 im Saal des Hotels Engel das erste Schnitzelbankfest. Da es an einheimischen Gruppen noch mangelte, stand 1976 und 1977 der Bergföhn Samstagern auf der «Engel»-Bühne. 1978 und 1979 traten die Freunde der Kinderfasnacht mit einer eigenen Schnitzelbank auf. Der Saal war damals nur halb voll. Die Wädenswiler Bevölkerung musste sich erst an das Neue gewöhnen.

Nach schwierigem Start zum Erfolg

Doch schon ab 1981 gab es zwei Aufführungen und trotzdem waren nach dem Kartenbezug für Besitzer von Goldplaketten nur noch wenige Plätze verfügbar. Von 1984 bis 2004 präsentierte die NFG darum jedes Jahr drei Schnitzelbankfeste, dann spielte sich der heutige Turnus von Premiere und Reprise ein. Nach dem Abbruch des «Engel»-Saals fand das Schnitzelbankfest 2003 erstmals in der Turnhalle Glärnisch statt, seit 2006 ist die umgebaute Kulturhalle Glärnisch der traditionelle Aufführungsort.

Zmitzt i d Schnure, 1978

   Kurt Schoch: Fasnächtler der ersten Stunde, 1981

Schnitzelbänkler der ersten Stunde

Beliebte Schnitzelbänkler der frühen Jahre waren Cheesy Tessarolo und Ennio Maspero mit ihren Darbietungen «Zmitzt i d Schnure» und Cheesy als «Chääs» trat 1980 als «Schuelerbueb» auf, äusserte sich 1983 zu den Gemeindewahlen und war 1991 mit Andi Mörgeli als Tell zu Gast bei Stapi Walter Höhn. Unvergessen ferner Ernst Hojok Landolt und Ennio Maspero als «Chuttlebutzer» sowie der begabte Kurt Schoch als Conferencier, als Nummer 25, als Moderator von Radio Furthof und mit den humorvollen Lesungen aus «Schochs Tierleben» und «Schochs Kochbuch». Köstlich auch sein Vortrag über die Emanzipation, 1983 seine Predigt als Pfarrhelfer über den Vers «Nume ganz nervösi Jogge, verwached ab de Chileglogge» und seine «Wetterregeln». Schochs Wegzug 1985 bedeutete für die Wädenswiler Schnitzelbankfeste einen herben Verlust.

De Schuelerbueb, 1980

    Räbhaldehäxe aus der Au, 1981

Wädi Wüeler, 1981

    Schlegelchätscher, 1981

Chuttebutzer, 1981

    Chääs und Ursi, 1984

Neue Gruppen

Zum Glück meldeten sich immer wieder neue Gruppen und Einzeldarsteller, welche die Schnitzelbankfeste während Jahren mitprägten: 1981 die Räbhaldehäxe, 1982 die Wädi-Wüler, 1983 die Schlegelchätscher, 1984 «Schnuri, Furz und Gixi». Mit der Formation «D Landhüener» wagte sich 1986 erstmals eine weibliche Gruppe ans Schnitzelbankfest.


 

Landhüener, 1989

Im gleichen Jahr traten die Panzerknacker in ihren Sträflingskleidern erstmals auf. Noch immer erfreuen sie das Publikum mit ihren träfen Sprüchen aus dem Gefängnis und der abschliessenden Melodie: «Läck isch das en Schiissdräck, wänn da ine bisch. Dusse wärs jetzt chaibe glatt, will z Wädi Fasnacht isch.»
1988 folgten erstmals «D Söibuebe», 1989 «Zwee doofi Schuelerbuebe», die in einer alten Schulbank aus Schüleraufsätzen vorlasen, 1989 die «Schtöörwöscher», 1991 «Vatter und Söön», 1992 die «Wöschwiiber», 1993 die «Herzbuebe», 1994 «D Spitzfädere», 1996 die «Auseehüüler», 1997 die rappende Vogelscheuche und die Formation «D Zündhölzli», 2000 die Fledermäuse «diräkt vom Chileturm», die noch immer als Wädi-Wüelmüüs mitwirken. An der Fasnacht 2000 tagte erstmals das Dorfgericht, das mit Richter, Ankläger, Verteidiger, Weibel und Protokollführer verschiedene Wädenswiler Fälle verhandelte.
Mitglieder der Neuen Fasnachtsgesellschaft führten 1982 das Spotttheater ein, das später mit vielen weiteren Auftritten aufwartete: so 1983 mit der «Psychiatrischen Klinik Wädenswil», 1996 mit Bauern, die sich über tiefe Fleischpreise der Grossverteiler ärgern und eine Migros-Blockade planen, oder 2003 mit der Abdankung für den «Engel»-Saal.

Spotttheater, 1985

Zu den beliebten Gruppen am Schnitzelbankfest zählen seit 1993 die «Luggebüesser». Links auf der Bühne steht eine Telefonkabine, in der viele Anrufende zum Hörer greifen, rechts ein Tisch mit zwei Personen, die wechselweise eine Wädenswiler Institution verkörpern: das Stadthaus, die Stadtpolizei, das Bauamt, die Zeitungsredaktion, ein Geschäft. Star der Nummer ist Waldi Waldvogel, der als Giuseppe in gebrochenem Deutsch mit seinem Chef Kunzeli telefoniert, ihm seine Probleme schildert und auch abstruse Ideen vorbringt, wie man zum Beispiel die Stadtkasse füllen könnte.
2006 gab die neue Gruppe «Di Halb-Edle» von der Burgruine mit Cheesy Tessarolo, drei Landsknechten und einer gestylten Madame, welche am Flipchart die Zeichnungen umblättern muss, ihren Einstand. 2007 traten die Bierhimml Angels erstmals auf und scheuten sich nicht, Wädenswiler Politiker zum Gesang auf die Bühne zu holen.

Einzelauftritte

Nicht nur Gruppen, auch Einzelauftritte gehören zu den Wädenswiler Schnitzelbankfesten. Zu erwähnen sind Bauer Aeppli als «Chueri vom Berg» sowie Karl Willi mit seinen Vorträgen über Nutzen und Schaden der Läuse als Haustiere (1988), über die Volkszählung (1991) und über den Büstenhalter (1995). Ferner Erika Haltmeier, die 1993 erstmals mit Handorgelbegleitung ihre Schnitzelbank sang und dabei auch ihren Bruder, das Dorforiginal Hans Hesse, nicht schonte. Als Blumenfrau in Tracht, als Fischverkäuferin und vor allem als «Nonna Nostrano» trat sie bis 2008, ihrem 80. Geburtstag, auf.

Träfe Sprüche

Träf waren in all den Jahren die kernigen Sprüche der Schnitzelbänkler und manches Bonmot wurde in Wädenswil zum gängigen Begriff. So etwa die Bezeichnung «Kummerbuben» für die Stadtpolizei oder «Ochseschüür» für das Stadthaus.

Nebst Sprüchen zu Ereignissen aus der Schweiz und dem Ausland begeisterten vor allem Reime, die auf das Geschehen in Wädenswil Bezug nehmen. Einige Themen seien in Erinnerung gerufen: der Hundekot auf dem Seeweg (1983), die stinkende Kläranlage (1984), der abgelehnte Gemeindesaal (1990), die vielen Fehler im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» (1991), die weibliche Gemeindeordnung (1994), das Hanfbier in der alten Fabrik (1997), der saure Wein am Wädifäscht (1998), der Zimmerberg-Bus (2004), die unentgeltliche Sperrgut-Entsorgung (2005), das neue Wädenswiler Logo (2006), der Leuchtturm auf dem Seeplatz (2009), die Wolke am Bahnhofplatz (2010) …

Tell und Stapi, 1991

Beliebte Guggenmusiken

Eingeleitet, unterbrochen und abgeschlossen wird das Schnitzelbankfest traditionsgemäss mit dem Auftritt der Tambouren und verschiedener Guggenmusiken, von denen heute nicht mehr alle aktiv sind. Die Sakkophonie 1958 löste sich 1997 auf, die 1974 gebildete Stadtgrübler-Clique 1988, und die 1979 gegründete Calüpso Stielband trat 1991 zum letzten Mal mit ihren südamerikanischen Rhythmen auf. Seit 1976 sorgen die Trubadix, seit 1982 die Wadin-Schränzer und seit 1984 die Tambouren für Hochstimmung.

Skandal, Skandal!

Frech, satirisch und mit scharfem Spott werden an den Schnitzelbankfesten menschliche Schwächen im täglichen Leben, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von Wädenswil zerpflückt. Normalerweise bleiben Reaktionen darauf aus. Nicht so nach der Fasnacht 1991 und 1992.
Die Chefredaktorin des «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee», Viviane Lüdi, hatte die Fasnacht 1991 nicht humorvoll gefunden und als fremden- und frauenfeindlich kritisiert. Die Landhühner in schlüpfriger Garderobe hätten die Männer angemacht, fand sie, und der Scharfrichter Cheesy Tessarolo und sein Exekutor hatten kurzen Prozess gemacht: Nach dem Entscheid «Dä Grind mues role», fielen reihenweise Köpfe von Wädenswilerinnen und Wädenswilern. «Das Publikum liess sich mitreissen», kritisierte Viviane Lüdi und schrieb, für einmal habe die NFG alle Grenzen gesprengt. Am Schnitzelbankfest 1992 rechnete der Scharfrichter mit Viviane Lüdi ab: Wegen schändlichem und ketzerischem Verhalten gegen die gutgesitteten Gewerbetreibenden wurde sie als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Was wiederum zu heftigen Diskussionen führte. Die skandalerregenden Ereignisse von 1991 und 1992 blieben jedoch Einzelfälle.
1996 drohte ein Rechtsanwalt der NFG mit einer gerichtlichen Verfügung, sollte sein Klient und dessen ausgefallenes Hobby – Videoaufnahmen in Damentoiletten – Thema des Schnitzelbankfestes werden. Bewirkt hat es das Gegenteil: Verschiedene Gruppen wurden erst jetzt auf den Fall aufmerksam und handelten ihn ab.

Di Halb-Edle, 2007

Ausblick

Dass das Wädenswiler Schnitzelbankfest das 40-Jahr-Jubliäum feiern kann, zeugt von grossartigen Leistungen. Erbracht werden sie von engagierten Mitgliedern der Neuen Fasnachtsgesellschaft, welche für Vorbereitung und Durchführung verantwortlich zeichnen. Und für viel Gelächter und gute Stimmung sorgen Tambouren und Guggenmusiken in immer neuen Gewändern sowie viele begeisterte Fasnächtlerinnen und Fasnächtler mit ihren originellen Auftritten, schwungvollen Melodien und träfen Reimen. Jetzt schon darf man sich auf die Aufführungen an der Fasnacht 2016 freuen.




Peter Ziegler


Vatter und Söön, 1991

Erika Haltmeier als Nonna Nostrano.

Anne-Käthi Huser, 2014

Panzerknacker, 2013

«Wättischwiler sii,
isch gar nüd bequem,
dänn z Wättischwil hätts
extrem vill Problem.»
(Kurt Schoch, 1983)
 
«Wenn im März die Lüfte lau,
stinkt es in der Rietliau.
Im April da wird’s noch schlimmer,
die Kläranlage stinkt noch immer.
Blüht im Mai der weisse Flieder,
stinkt die Kläranlage wieder.»
(Kurt Schoch, 1984)

«D Sanierig choscht e Milion
nach knapp zää Jaar, s tönt wienen Hoon
me het die Chrääze gschiider gsprängt
statt namal Stütz da ine zwängt.
Ir wüsseds und ich weisses au
s Steinacher-Schuelhuus isch zur Sau.»
(Cheesy, 1985)

«D Wienachtsbelüchtig, e starchi Sach,
öppis a dere Sach isch schwach.
Si sött bis id Stadtverwaltig gaa,
dänn deet isch Heligkeit Not am Maa!»
(Wädi-Wüeler, 1985)

«A de Badi en Schade
s Strandbad voll Güle
wotsch z Wädi go bade
muesch d Badwane füle»
(1986)

«De AAZ, das Chäsblatt daa
das han ich aboniert.
Bis hüt hät sich d Inweschtizion
überhaupt na nie räntiert.
Zum Läse han ich die Ziitig nöd
ich chan öi das begründe
schliesslich mues ich öppis haa
zum miis Schmineefüür aazünde.»
(Schtöörwöscher, 1991)
 
«Versinkt der Bauer im Oktober im Teich,
dann ist das Eis im Teich noch weich.»
(Kurt Schoch, 1995)

«Bim Coop hetts Platz herrjeminee
für es Minarett und e Moschee.
Und zums Stadtbild ganz z versoue,
würd ich bim Huus zum Ziit
es Hochhuus boue.»
(Di Halb-Edle, 2009)

«De Lüüchtturm uf em Seeplatz
isch wies Füür für d Aeronaute.
Es zeiget dir de Wääg verbii
a Wulche und höche Baute.
D Landebaan uf de Zugerstrass
isch nötig nöd nur Fun,
demit au in Zuekunft
die tümmscht Idee
z Wädischwil land chan.»
(Panzerknacker, 2009)

Schtöörwöscher, 1989

   Richter und Scharfrichter, 1992