125 JAHRE BRUPBACHER – MÖBEL UND INNENDEKORATION

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1996 von Peter Ziegler

Das Fachgeschäft für Möbel und Innendekoration von Ernst und Rosmarie Brupbacher-Wernli an der Stegstrasse 3 feierte im Mai 1996 mit einem Tag der offenen Tür das 125-jährige Bestehen. Anlass zurückzublicken in die Geschichte eines Wädenswiler Handwerks und Gewerbes, das ununterbrochen im Besitz der Familie Brupbacher geblieben ist und in dem nun bereits die fünfte Generation tätig ist.

DER GRÜNDER: SATTLER RUDOLF BRUPBACHER-HUBER (1846–1917)

Im Jahre 1871 eröffnete der 25-jährige Sattlermeister Rudolf Brupbacher im Hause seines Bruders, des Schlossermeisters Robert Brupbacher-Hauser, an der Türgass 10/12 ein eigenes Geschäft. Er war damals keineswegs der einzige, der in Wädenswil diesen Beruf ausübte. Ein Berufs- und Gewerbeverzeichnis von 1864 nennt bereits fünf im seIben Handwerk Tätige: Den Sattler Hauser bei der Weinrebe, Heinrich Höhn bei der alten Post, Heinrich Isler an der Türgass, Kaspar Schärer an der Seefahrt sowie Kaspar Schärer Sohn bei der Krone. Im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» vom 14. Mai 1872 empfahl sich sodann Sattler und Tapezierer Eduard Brändli ob der Krone «dem geehrten Publikum».
Der Gründer: Sattler Rudolf Brupbacher-Huber.
Aber offensichtlich gab es in Wädenswil noch genügend Arbeit für das Sattlergewerbe. Man brauchte Zaumzeug für die vielen Pferdefuhrwerke, welche durch die Dorfstrassen rollten. Auf den Bauernhöfen waren Tiergeschirre und Sättel gefragt, und auch an Chaisen und Kutschen galt es allerhand Leder und Polsterarbeiten auszuführen. Das einzige Bild, das sich vom Firmengründer Rudolf Brupbacher-Huber erhalten hat zeigt ihn denn auch bei der Arbeit an einen Break vor der Sattlerwerkstätte an der Türgass.
Nachdem Rudolf Brupbacher-Huber seine Tätigkeit auch auf das Tapeziererhandwerk ausgeweitet hatte, wurden die Räumlichkeiten an der Türgass mit der Zeit zu eng. Um die Jahrhundertwende verlegt, er darum seine Werkstatt.
Mit einer farbigen Geschäfts-Postkarte, die Innenräume im Jugendstil zeigt, empfahl sich Rudolf Brupbacher, Sattler und Tapezierer, an der Zugerstrasse in Wädensweil für Holz- und Polstermöbel: ganze Aussteuern, Fenster- und Türdekorationen, Triumpf-, Rohr- und Feldsessel, für Geschirre Reit- und Fahr-Artikel, Kinder- und Puppenwagen, Tisch- und Wagendecken. Überdies pries er sich an für das Tapezieren von einzelnen Zimmern und Neubauten, und er verwies auf seine grossartige Musterkollektion in Tapeten, Linoleum, Kokos und Manilla.
Die Schreibweise «Wädensweil» ermöglicht eine Datierung der Karte in die Zeit vor 1903. Überraschend ist die Adresse «Zugerstrasse». Das Ragionenbuch von 1902 hilft weiter. Hier findet sich folgender Eintrag: «Brupbacher, Rudolf. Zugerstrasse 993 u. Thürg. 578. Sattler- und Tapezierergeschäft und Möbelhandlung.» Bei den angeführten Ziffern handelt es sich um die Assekuranznummern der Gebäude. Rudolf Brupbacher-Huber wohnte − wie auch die Registerbogen der Volkszählungen 1881 und 1900 belegen − noch immer im Haus Türgass 10/12, wo bis heute über der einen Eingangstüre das Brupbacher Wappen mit dem Einhorn prangt. Lager und Werkstatt befanden sich im Haus 993, dem 1896 erstellten Wohn- und Geschäftshaus Zugerstrasse 24, oder einfach an der Zugerstrasse, wie die Geschäftspostkarte vermerkte.

1904: NEUBAU AN DER STEGSTRASSE

In den Mieträumen an der Zugerstrasse 24 blieb Rudolf Brupbacher nur vorübergehend. Bald schon muss er sich zu einem grosszügigen Neubau in nächster Nähe entschlossen haben: im aufstrebenden Neuwiesen-Quartier am Westrand des alten Dorfes. Hier hatten die Seidenfabrikanten August und Emil Gessner auf der ehemaligen Kanzleimatte im Jahre 1882 den ersten Fabrikbau für ihre mechanische Seidenweberei erstellen und entlang der Glärnischstrasse Arbeiterwohnhäuser bauen lassen. Seit 1895 arbeitete Wagner Jakob Rusterholz an der Stegstrasse 1. In der gegenüberliegenden Ecke von Stegstrasse und Kreuzstrasse entstand im Jahre 1904 nach Plänen des Wädenswiler Bauunternehmers Robert Leimgrübler das dreigeschossige neue Wohnhaus von Rudolf Brupbacher, mit zur Kreuzstrasse vorgelagertem einstöckigem Zinnenbau, der 1910 bergseits erweitert wurde. Darin waren die Sattler- und Tapeziererwerkstätte untergebracht, ferner das Lager der Möbelhandlung.
Die Brupbachersche Liegenschaft an der Stegstrasse, um 1940.

An der Wädenswiler Gewerbeausstellung vom 8. bis 15. Oktober 1905 stellte Rudolf Brupbacher im Neuen Eidmattschulhaus Sattler- und Polsterarbeiten aus: ein Paar Fuhrgeschirre, ein Spitzkummetgeschirr, zwei englische Pferdedecken; einen Divan, eine Chaiselongue, einen Fauteuil, ein Sortiment Fussschemel, dazu ein Sortiment alte gereinigte und ungereinigte Bettfedern. lm Ausstellungskatalog empfahl Rudolf Brupbacher seine grosse Auswahl an kompletten Aussteuern und einzelnen Möbeln in jeder Preislage und mit Garantie. Seine Dampf-Bettfedern-Reinigung sei die einzige am Zürichsee, teilte er der Kundschaft mit; er bürge für gründliche Desinfektion und sichere reelle Bedienung zu. Er verfüge über ein grosses Lager an Bettfedern, Flaum und Barchent, habe billige Preise und handhabe auch prompten Versand nach auswärts. Ausser Brupbacher zeigten an der Gewerbeausstellung 1905 noch drei weitere Sattler und Tapezierer aus Wädenswil Arbeiten aus ihrer Werkstatt: J. Baumann am Bahnhof, August Hauser beim Hirschen und Julius Herdener.
Gemäss «Platz-Ordnung für das Tapezierer-Gewerbe Zürichs» von 1906 betrug die tägliche Arbeitszeit damals neun Stunden. An Samstagen, auch vor hohen Festtagen, wurde acht Stunden gearbeitet, und dies zu Taglöhnen zwischen 4.50 Franken und 6 Franken.

IN DER ZWEITEN GENERATION

Im Jahre 1910 übernahm der Sohn des Gründers, Rudolf Brupbacher-Hauser (1875–1952), das väterliche Geschäft an der Stegstrasse. Er hatte eine gute Ausbildung als Sattler- und Tapezierermeister hinter sich und konnte nun von Wädenswils Bauboom in den wenigen Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, aber auch vom handwerklichen Wissen und Können seines Vaters profitieren. Er liess noch 1910 die Werkstatt im Zinnenvorbau vergrössern und erweiterte das Geschäft um ein reichhaltiges Teppichlager. Mit einem farbigen Prospekt informierte der neue Geschäftsinhaber in den 1920er Jahren seine Kundschaft über die grosse Auswahl an Teppichen und Läufern. Er führte Teppiche mit orientalischen Mustern, Kokos- und Smyrna-Plüschläufer, aber auch Bettumrandungen. Im Weiteren empfahl er sich für Linoleum- und Balatum-Bodenbeläge, die er für 3 Franken pro Quadratmeter verlegte. Unter der Nummer 153 war Rudolf Brupbacher auch telefonisch erreichbar. Seine Teppiche seien «Augenweide und Nervenfreude» verriet Brupbachers Prospekt, «untrennbar von den Begriffen Behaglichkeit und Erholung».
An der Zürichsee-Ausstellung «Arbeit und Fortschritt» vom 26. Juli bis 11. August 1930 auf dem Eidmatt-Areal in Wädenswil war Sattlermeister Rudolf Brupbacher, der als Gemeinderat dem Organisationskomitee angehörte, mit dem Stand «Innendekoration» vertreten. Er zeigte gemäss Katalog ein komplettes Esszimmer sowie ein Töchterschlafzimmer.

IN DER DRITTEN GENERATION

Die zwei Söhne aus der Ehe von Rudolf Brupbacher und Anna Hauser führten die Familientradition weiter: Rudolf (* 1902) wurde Sattlermeister, Ernst (* 1907) Tapezierermeister. Auf den 1. Juli 1937 übernahmen sie gemeinsam das väterliche Sattler-, Tapezierer- und Möbelgeschäft. Im Schreiben an die Kundschaft, mit welchen der Wechsel angezeigt wurde, versprachen «R. u. E. Brupbacher» an der Kreuzstrasse das Geschäft im Sinne des Vaters weiterzuführen. Sie gaben der Hoffnung Ausdruck «durch sorgfältige und prompte Arbeit bei billigster Berechnung» das weitere Zutraue zu finden. «Mit vorzüglicher Hochachtung» empfahlen sie sich im Geschäftsbriefstil der Zeit «höflich zur Ausführung sämtliche Sattler- und Tapezierer-Arbeiten», ferner für die Lieferung ganzer Aussteuern, für Teppiche und Läufer, für Kleinmöbel, Lederwaren und Vorhänge sowie für die Reinigung von Bettfedern in ihrer «Dampfbettfedern-Reinigungsanlage». Die Telefonnummer hatte mittlerweile geändert. Sie lautete nun 956.853.
Neben Innenausstattungen mit Bodenbelägen, Teppichen, Möbeln, Tapeten und Vorhängen spezialisierten sich die im weissen Berufsmantel arbeitenden Gebrüder Brupbacher besonders auf Reiseartikel und Lederwaren. Nachdem Rudolf Brupbacher-Hürlimann am 30. Januar 1968 66-jährig gestorben war, führte Ernst das angesehene Geschäft allein weiter; die Lederwaren- und Reiseartikelabteilung gab er allerdings auf. Nun wurde vor allem tapeziert. Man nähte Vorhänge und spezialisierte sich auf Polsterarbeiten.
Die zweite Generation: Rudolf Brupbacher-Hauser.

Die dritte Generation: Ernst und Rudolf Brupbacher.

IN DER VIERTEN GENERATION

Am 1. September 1977 übergab Ernst Brupbacher-Häfliger − bald 70-jährig − das Geschäft seinem Sohn Ernst Brupbacher-Wernli. Dieser war als ausgebildeter Innendekorateur, zusammen mit seiner ebenfalls fachkundigen Ehefrau Rosmarie, einer gelernten Tapezier-Näherin und Innendekorateurin, für die Weiterführung des florierenden elterlichen Geschäfts prädestiniert. Aus dem früheren «Zweimann-Betrieb wurde bald ein stattlicher Handwerksbetrieb mit bis zu acht Beschäftigten.
Stand von Rudolf Brupbacher an der Zürichsee-Ausstellung «Arbeit und Fortschritt» in Wädenswil, 26. Juli bis 11. August 1930.


Das Trottoir vor dem Haus: Werbefläche von einst, für um 1936 moderne Rohrsessel.
Dies bedingte den Umbau der Geschäftslokalitäten an der Stegstrasse 3, worüber der «Anzeiger» am 1. Oktober 1977 berichtete: «Vor allem ist die Verkaufsfläche von 180 m2 wesentlich übersichtlicher geworden. Im unteren Bereich gleich neben der Ladentür findet man die gutdotierte Möbelabteilung, während man über einige Stufen zu den Bettwaren kommt. Nebenan befindet sich das Musterzimmer, das begeistert und wo man in einer überaus reichen Auswahl richtig wühlen kann. So wird man bei Brupbacher mit Leichtigkeit alles finden, was mit Wohnungseinrichtungen in Zusammenhang steht. Natürlich wurde auch die bestehende Werkstatt ausgebaut und durch einen Durchbruch vom Laden her zugänglich gemacht, weil man ja eben das Handwerk hochhalten will, sich dem seit Generationen gepflegten Qualitätsprinzip verschrieben hat.»
1986 bot sich für Ernst und Rosmarie Brupbacher-Wernli abermals Gelegenheit, die Werkstätten und die Verkaufsräume zu erweitern und umzugestalten. Im Zusammenhang mit der Restaurierung des unter Schutz stehenden Nachbarhauses Alte Kanzlei und der unterirdischen Erweiterung der Liegenschaft der Firma Martin Schumacher AG erhielt auch Ernst Brupbacher in einem Teil des unterkellerten Vorplatzes der Alten Kanzlei 900 Kubikmeter neuen Lager- und Ausstellungsraum für Betten und Polstermöbel. In einem modernen Anbau auf der Südwestseite des ursprünglichen Zinnenvorbaus schuf er gleichzeitig helle Arbeitsplätze für eine neue Polsterwerkstatt und ein modern eingerichtetes Nähatelier für Vorhänge.
Heute wird in einem modernen Nähatelier gearbeitet.
 

DIE FÜNFTE GENERATION

Bereits ist mit dem Sohn Alexander Brupbacher die fünfte Generation im traditionsreichen Wädenswiler Fachgeschäft für Möbel und Innendekoration tätig, das dieses Jahr auf 125-jähriges Bestehen zurückblicken konnte. Für Rosmarie und Ernst Brupbacher-Wernli berechtigte Freude darüber, dass ihr handwerkliches Können und die Aufbauarbeit dreier vorangegangener Generationen dereinst im gleichen Sinn und Geist innerhalb derselben Familie weitbestehen werden.
Die vierte und fünfte Generation: Rosmarie und Ernst Brupbacher mit Sohn Alexander.




Peter Ziegler