Von der Bank Wädenswil zur Filiale der SKA

Quelle: «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 9. Dezember 1993 von Peter Ziegler

1863: Gründung der Leihkasse Wädenswil

Weil die 1816 gegründete Sparkasse Wädenswil nicht allen Kreditbedürfnissen des Gewerbes und der aufblühenden Industrie gewachsen war, gründeten einige Fabrikanten und Gewerbetreibende im Jahre 1863 auf der Basis einer Aktiengesellschaft die «Leihkasse Wädensweil».
Die Idee ging von Arnold Rüegg (1814−1892) aus, dem Redaktor und Herausgeber des «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee». Am 15. Juni 1863 lud Rüegg angesehene Mitbürger zu einer Initiativversammlung in den Gasthof Engel ein. Dort konstituierte sich ein Gründerkomitee aus den Herren Seidenfabrikant August Gessner (1815−1896), Stabshauptmann Arnold Hauser, Hotz zur Hoffnung, Bezirksrat Johannes Blattmann und Tuchfabrikant Johann Jakob Treichler-Pestalozzi zum Neuhof (1824−1894). An einer nächsten Versammlung legte der Initiant einen vom Kantonalzürcherischen Handwerks- und Gewerbeverein bezogenen Statutenentwurf zur Beratung vor, der anschliessend von der Regierung genehmigt wurde.
Am 23. September 1863 rief das um die Herren Baumeister Jakob Bachmann, Heinrich Baumann-Herdener, Heinrich Blattmann zum Grünenberg, Baumeister Heinrich Blattmann, Ferdinand Hauser in der Eidmatt, Gottfried Hauser-Landis und Samuel Zinggeler-Huber erweiterte Gründungskomitee im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» zur Zeichnung von Aktien auf.
Die Subskription auf die von den Initianten freigegebenen drei Viertel des Aktienkapitals hatte vollen Erfolg.
Arnold Rüegg, Gründungspräsident.
Das Gründungskapital wurde stark überzeichnet, so dass die Anteile der 90 Aktionäre am Aktienkapital reduziert werden mussten. Die Gründungsversammlung fand am 22. November 1863 im «Engel» statt. Sie bestellte den ersten Verwaltungsrat mit August Gessner als Präsident und den Herren J.J. Treichler-Pestalozzi, Arnold Rüegg, Stabshauptmann Arnold Hauser, Jakob Bachmann, Präsident Rellstab und Landschreiber G. Flad als Mitgliedern.

Kredite für fortschrittliche Projekte

Am 2. Januar 1864 eröffnete das neue Kreditinstitut seine Tätigkeit, und zwar in der Liegenschaft «Talegg» des zum Verwalter ernannten Gemeinderats Ferdinand Hauser. Am Ende des ersten Geschäftsjahres hatte die Leihkasse von ihren Kunden mehr als eine Viertelmillion entgegengenommen und in Form von 224 Darlehen an andere Kunden ausgegeben. 71 Darlehensgesuche mussten abgewiesen werden, weil die Mittel fehlten. Der weitaus grösste Teil der Kunden stammte aus Wädenswil. Aber auch Leute aus Schönenberg, Horgen, Richterswil, Männedorf, Rapperswil und Zürich figurierten auf der Liste der Einleger und Darlehensnehmer.
Auf Ende Juni 1865 trat Verwalter Hauser zurück. Er wurde durch Lehrer Johann Jakob Höhn ersetzt, der dann im Juni 1866 seinen Schuldienst quittierte. Höhn blieb bis zum Hinschied im Jahre 1890 im Amt. Während dieser Zeit war das Wohnhaus «zum Rebberg» Sitz der Leihkasse. Im Präsidium ergab sich 1866 ein Wechsel. Auf August Gessner folgte – bis 1894 – J.J. Treichler-Pestalozzi. Unter ihm erlebte das Kreditinstitut eine erste Blütezeit. Die Bilanzsumme stieg von 172‘0402 Franken im Jahre 1864 auf 7,5 Millionen Franken im Jahre 1888.
In den 1870er Jahren beteiligte sich die Leihkasse an der Finanzierung wichtiger einheimischer Unternehmungen: 1871 an der Wädenswil−Einsiedeln-Bahn, 1872/73 an der Nordostbahn (linksufrige Zürichsee-Linie), 1873 an der Gasbeleuchtungsgesellschaft Wädenswil, 1877 an der Quellwasserversorgung Wädenswil. Im Jahresbericht 1889 wird mit Genugtuung auf die wohlgelungene Aktien-Emission der Schweizerischen Südostbahn hingewiesen. 1893 hatte die Leihkasse Wädenswil Anteil an einer weiteren Pionierleistung: der Gründung des Elektrizitätswerks Waldhalde an der Sihl.

Die «Bank Wädenswil» im «Seidenhof»

Haus Ziit, Seidenhof, Trafostation in der Gerbestrasse.


Dem alljährlich zunehmenden Verkehr vermochte das Lokal im Haus zum Rebberg nicht mehr zu genügen. Es wurde im November 1889 verlassen. Im Parterre des «Seidenhofs», der ehemaligen Seidenbandfabrik von Arnold Hauser neben dem «Friedberg», fand das Kreditinstitut neue Unterkunft. Das Haus war 1873 in den Besitz der Seidenfabrikanten Zinggeler übergegangen und konnte am 19. Juni 1891 zu Eigentum erworben werden.
Zusammen mit der Bank Leu in Zürich vollzog die Leihkasse Wädenswil 1893 die Umwandlung des privaten Unternehmens in eine Aktiengesellschaft mit einer Million Aktienkapital und einem Obligationenkapital von 600‘000 Franken. Beide wurden stark überzeichnet. Mit der Erhöhung des Aktienkapitals auf 3 Millionen Franken änderte die Leihkasse ihren Namen in «Bank Wädenswil». Prokurist Emil Hauser, der seit 1890 als Verwalter geamtet hatte, wurde 1898 zum Direktor der Bank Wädenswil befördert. Er war bis 1914 im Amt.
Auf ihn folgten von 1914–1927 Paul Wälti, von 1927–1949 Robert P. Flury und von 1949–1968 Ernst R. Décoppet.

Direktor Ernst Décoppet.


Übergang an die SKA

Im März 1968 übernahm die Schweizerische Kreditanstalt die Aktienmehrheit der Bank Wädenswil. Der Name «Bank Wädenswil» wurde bald aufgegeben, der «Seidenhof» abgebrochen. An seiner Stelle liess die SKA einen modernen Neubau errichten, den sie am 22. November 1974 bezog. Im selben Gebäude ist seit Frühling 1975 auch das Notariat und Grundbuchamt Wädenswil untergebracht. Die Übernahme der Bank Wädenswil durch die SKA, die 1968 beginnende Direktionszeit von Herbert Jäger und der Bezug des Neubaus an der Friedbergstrasse eröffneten in der Geschichte des Kreditinstituts einen neuen Abschnitt.
«Seidenhof», einst Sitz der Bank Wädenswil.
 




Peter Ziegler