Esoo oder esoo z Wättischwiil?

Quelle: «Gewerbezeitung Wädenswil», 17. März 2016 von Peter Ziegler

Wenn ich auf die letzten 50 Jahre zurückblicke, fällt mir auf, wie vieles sich in unserer Zürcher Mundart, aber auch in der Schriftsprache in Wädenswil verändert hat.

Wättischwiiler und Örtler

Es beginnt schon beim Ortsnamen: Wie oft hört man: «Ich wone in Wädenswil». Besser wäre «z Wädischwiil», als Kurzform «z Wädi». Am Verschwinden ist leider die ursprüngliche Bezeichnung: «z Wättischwiil».
Probleme gibt es auch in der Au. Man wohnt nicht in Au, sondern in der Au, allenfalls auf der Au, wenn der Auhügel gemeint ist. Aber es muss korrekt heissen: Er wohnt in 8804 Au. Die Bewohner bezeichnete man ursprünglich als Örtler, gemäss den Weilern Ober-, Mittel- und Unterort. Abzulehnen sind Auer, Äuler, Auener und andere neue Formen. Man schreibt am besten von den Bewohnern und Bewohnerinnen oder den Einwohnerinnen und Einwohnern der Au.

Vorderberg und Hinterberg

Vorn und hinten bezeichnen in Wädenswil die Lage östlich und westlich. Vorderberg heisst die Gegend der Langrüti, Hinterberg jene der Stocken. Auch bei Hofteilungen wurde diese Regel übernommen: Die Vordere Rüti liegt östlich, die Hintere Rüti westlich. Dasselbe gilt für die Flurnamen Vor und Hinter Widen sowie Vorder und Hinter Mugeren.

Oben und unten

Mit «oben» bezeichnete man bei Hofnamen die Lage Richtung Berg, mit «unten» die Lage Richtung See. Dies gilt beispielsweise für Ober und Unter Oedischwänd sowie Ober und Unter Chalchtaren. Ausnahmen machen Ober Himmeri und Unter Himmeri sowie Ober Gisenrüti und Unter Gisenrüti. Dies, weil das zum See gelegene Gehöft topografisch höher liegt als das bergseitige.

Bezeichnungen der Richtung

Wie oft hört man doch: «Ich gaa nach Stäfa», statt «uf Stääfe». Und man wohnt nicht in Stäfa, sondern «z Stääfe». Bezeichnungen einer Richtung setzen in der Mundart verschiedene Präpositionen voraus: Darum heisst es: Ich gaa n in Giesse n use, is Nöidorf hindere, an See oder uf Züri abe, in Berg ue, uf Stääfe dure, uf Eisidle n ie.

D Hiener und s Taar

Ältere Bewohnerinnen und Bewohner im Wädenswiler Berg haben in ihrer Sprache noch eine Eigenheit bewahrt, die man unterhalb der Autobahn nicht kennt. Statt «üe» wird «ie» gesprochen, statt «o» ein «a». So heisst es zum Beispiel: «D Hiener händ grieni Fiess» statt «D Hüener händ grüeni Füess» oder «Mach s Haaftaar zue» statt «Mach s Hooftoor zue».

Dorf oder Stadt?

Als Wädenswil 1950 zehntausend Einwohnerinnen und Einwohner erreicht hatte, wurde das Dorf statistisch zur Stadt. Mit der Einführung des Parlaments im Jahre 1974 änderten die Bezeichnungen offiziell. Der frühere Gemeinderat wurde zum Stadtrat, das Parlament zum Gemeinderat, die Gemeinderatskanzlei zum Stadthaus, der Dorfpolizist zum Stadtpolizisten usw. Der Begriff «Stadt» war jedoch gewöhnungsbedürftig und ist es wohl – nicht nur für mich – immer noch. Wenn ich in die Stadt gehe, fahre ich nach Zürich. Aber eingekauft wird nach wie vor im Dorf. Ja man hat sogar schon gehört, wer in Wädenswil in die Stadt, aber nur bis zum Bahnhof gehe, sei nach 1974 zugezogen.
Vieles erinnert noch ans Dorf. Dass man im Juli 1992 in einem Wohnungs-Inserat die Türgass als die wohl schönste Altstadtgasse bezeichnet hat, ist Unsinn. Wädenswil hat keine Altstadt wie die im Mittelalter gegründeten Städte Zürich, Winterthur oder Rapperswil. Wir haben einen Ortskern oder ein Zentrum.
Die Türgass, schon in den 1930er Jahren keine Altstadtgasse.

 

Ans Dorf erinnert auch die Tatsache, dass man sich oft noch grüsst, was in Zürich längst nicht mehr der Fall ist. Ja, das Grüssen: Ich erinnere mich, dass mein Vater um 1947 einen anonymen Brief erhalten hat mit der Bemerkung, Peter habe den Schreibenden am Rotweg nicht gegrüsst. Er solle seinen «Schnuderi» gefälligst besser erziehen!

Abdankungshalle oder Friedhofkapelle?

Begriffe werden geändert, wenn man die ursprüngliche Bedeutung nicht mehr kennt. Seit den 1990er Jahren liest man in Todesanzeigen, die Trauerfeier finde in der Friedhofkapelle Wädenswil statt. Als Kapelle wurde in Wädenswil traditionsgemäss ein kirchliches Gebäude benannt, das dem Gottesdienst der Katholiken oder von religiösen Gemeinschaften diente. Darum gibt es die St.-Anna-Kapelle im Vorderberg, die Rosenbergkapelle der Evangelisch-methodistischen Gemeinde und die Kapelle der Heilsarmee an der Zugerstrasse 54.
Die 1937 erbaute Abdankungshalle auf dem Friedhof.
 
Das Gebäude auf dem Friedhof wurde 1937 vom Wädenswiler Architekten Heinrich Kübler gebaut und in der Weisung zur Abstimmung und noch viele Jahrzehnte lang als Abdankungshalle bezeichnet. Dieser Ausdruck wurde 1937 bewusst gewählt, denn man wollte offen sein für alle Religionen. Noch anlässlich der Restaurierung des Gebäudes im Jahre 1989 war der Begriff Friedhofkapelle unbekannt.




Peter Ziegler