75 JAHRE OFFIZIERSGESELLSCHAFT WÄDENSWIL, 1920–1995

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1996 von Peter Ziegler

Die 1920 gegründete Offiziersgesellschaft WädenswiI − seit 1980 «Offiziersgesellschaft Zürichsee Linkes Ufer» geheissen − konnte im Dezember 1995 das 75-jährige Bestehen feiern: Grund zu Marschhalt und Rückblick. Zu einem Rückblick in Jahrzehnt-Schritten, der das Gesellschaftsleben in das weltpolitische Umfeld einbindet. Zu einem Rückblick auch, der das lokale Geschehen vor dem Hintergrund der jeweiligen technischen Entwicklung und der in der Schweiz geführten Armee-Diskussion zeigt.

DIE POLITISCHE UND SOZIALE LAGE 1918 BIS 1920

Am 11. November 1918 ging der grösste aller bisherigen Kriege, der Erste Weltkrieg, zu Ende. Auf der Konferenz von Versailles im Januar 1919 diktierten die Siegermächte England, Frankreich, USA und Japan den für den Krieg verantwortlich gemachten Deutschen harte Friedensbedingungen. Alte Monarchien wie Deutschland oder Österreich-Ungarn brachen auseinander. Neue Staaten entstanden, unter anderem Jugoslawien und die Tschechoslowakei. Die Vereinigten Staaten als Kreditgeber gewannen in Europa an Prestige und Einfluss.
Arbeitslosigkeit, Teuerung, Grippe-Epidemie und Lohnausfälle durch Militärdienst während des Ersten Weltkriegs hatten in vielen Schweizer Familien zu grosser Not geführt. Die sozialen Gegensätze verschärften sich und eskalierten im Landesstreik vom November 1918. Die Frage, ob die Schweiz ebenfalls dem vom amerikanischen Präsidenten Wilson inspirierten Völkerbund beitreten solle, führte im Winter 1919/20 zu heftigen Diskussionen. Auf die Kriegskonjunktur von Industrie und Handel folgte zudem in unserem Land − wie andernorts − eine wirtschaftliche Depression. Der allgemeine Ruf «Nie wieder Krieg!» drang auch in die Schweiz. Angriffe gegen die Armee fielen mancherorts auf fruchtbaren Boden. Leute, die für Demokratisierung oder gar Abschaffung der Schweizer Armee eintraten, fanden in allen Bevölkerungskreisen, selbst unter Offizieren, Anhänger. In den Jahren 1919 und 1920 musste in der Schweiz kein Militärdienst geleistet werden.

DIE GRÜNDUNG DER OG WÄDENSWIL

In dieser schwierigen Zeit beschlossen drei Wädenswiler Oberleutnants − Heinrich Brunner-Füchslin, Ernst Hauser-Schwarzenbach und Hans Streuli-Pünter, der spätere Bundesrat, die Offiziersgesellschaft Wädenswil zu gründen. Diese sollte gewissermassen den Kern des Widerstandes gegen antimilitaristische Strömungen in der Gemeinde bilden.
Die Bemühungen der drei überzeugten Befürworter der Armee waren erfolgreich: Am 6. September 1920 fanden sich 17 Offiziere aus Wädenswil im Hotel Engel zusammen, um mit der Genehmigung der Statuten und der Wahl eines Vorstandes die bereits am 2. August beschlossene Gründung der Offiziersgesellschaft zu vollziehen. Besorgnis um die Zukunft der Armee und des Vaterlandes hatte diese Männer vereint. Hoffnungsvoll schloss der erste Präsident, der Wädenswiler Arzt Major Joseph Hess, die Gründungsversammlung mit den Worten: «Möge die Offiziersgesellschaft Wädenswil und Umgebung mit frischem Mut ins Leben treten, unentwegt ihre Existenzberechtigung sich erkämpfen und unter der grossen Zahl ähnlicher Gesellschaften und in der menschlichen Gesellschaft überhaupt, sich eine achtunggebietende Stellung erringen. Vor allem soll sie ein Hort echt vaterländischer Gesinnung werden und stets bleiben. Mögen die Kameraden durch gegenseitige Achtung, Offenheit, wahre Kameradschaft und starkes Pflichtgefühl der Gesellschaft den inneren Halt verleihen, dessen sie zur Lösung der grossen Aufgabe bedarf.»

Major Joseph Hess. Erster Präsident, 1920-1925.

DIE ZWANZIGER JAHRE

Im Vertrag von Locarno kam es 1925 zur Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich. Auf die Zeit der Inflation folgten die goldenen Zwanziger Jahre. Nach der entbehrungsreichen Kriegszeit suchten die Menschen Abwechslung und Unterhaltung in Theatern, Kinos, Variétés und Tanzlokalen. Der Charleston war der beliebteste Tanz. Berlin wurde geistiger Mittelpunkt Europas. In der Malerei löste der Expressionismus den Realismus ab; die Zwölftonmusik trat in Konkurrenz zu den klassischen Kompositionstechniken.
Die politische Lage in Europa war alles andere als stabil. In Italien erstarkte Mussolinis faschistische Partei, und in Deutschland gewann die von Adolf Hitler geführte Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei immer mehr Anhänger. Der New Yorker Börsenkrach vom 24. Oktober 1929 löste die Weltwirtschaftskrise aus, die bald auch auf Europa übergriff und die Schweiz vor neue Probleme stellte.
Von allem Anfang an hatte man in der Offiziersgesellschaft Wädenswil erkannt, dass es nicht genügte, sich ausschliesslich militärisch weiterzubilden, wenn man der Krise, die Staat und Armee bedrohte, erfolgreich begegnen wollte. Die Mitglieder wurden darum aufgefordert, sich in verschiedensten Funktionen für das politische und kulturelle Leben der Gemeinde Wädenswil einzusetzen. Und erfreut stellte man gegen Ende der zwanziger Jahre fest, «dass sich eine Reihe von Organisationen der Führung von Kameraden unserer Gesellschaft anvertraut hat. So der Schützenverein Wädenswil, der Pistolen- und Revolverschiessverein, der Kavallerieverein, das Kadettenkorps, die Pfadfindergruppe Wädenswil, die Sektion Hoher Rohn des Alpenclubs und selbst vorübergehend der Seeclub. Dass sowohl die Sekundarschulpflege wie die Primarschulpflege Offiziere als Vorsitzende haben, müssen wir aus taktischen Gründen fein säuberlich für uns behalten. Der Pestalozziverein, die Lesegesellschaft und der Orchesterverein mögen sich auch fernerhin ihrer feldherrlichen Führung erfreuen, und wir bedauern nur, dass der Verkehrs- und Verschönerungsverein unserem Einfluss entglitten ist.»
Aufmerksam verfolgte man in der Offiziersgesellschaft Wädenswil die schweizerische Innenpolitik. Und diese kam nicht eben gut weg: «Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass unsere politischen Häupter wohl ausgezeichnete Verwaltungsleute, nicht aber Führer sind ... Blättern wir in den Protokollen unserer Parlamente, so stossen wir nur selten auf Worte, die zu zünden vermögen, die Zeugnis ablegen von starker Persönlichkeit.» Auch das mangelnde Interesse eines Grossteils der Jugend an politischen Dingen wurde beklagt. Der Vorstand der Offiziersgesellschaft Wädenswil rief daher die Offiziere auf, sich nicht in den Schmollwinkel zurückzuziehen, sondern als Bürger mitzuhelfen an der Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Es galt etwa, staats- und armeefeindliche Bewegungen und Äusserungen einzelner Personen in der Gemeinde aufmerksam zu verfolgen. Besonders scharf reagierte man auf Opposition, die von Leuten in öffentlichen Stellungen, etwa von Lehrern oder Pfarrherren, stammten. So liest man im Protokoll über die Monatsversammlung vom 18. Dezember 1929: «Herr Major Hauser gibt sodann der Versammlung kund, dass die antimilitärische Propaganda in unserer Gemeinde Aufsehen erregt, indem einer unserer Pfarrherren an der letzten Gemeindeversammlung sein Bekenntnis für die Opposition dadurch offensichtlich dokumentiert hat, dass er gegen die Beitragsleistung der Gemeinde an das Kadettenkorps gestimmt hat. Wir haben die Pflicht, hier einzuschreiten. Herr Major Brunner (der Präsident) ist damit einverstanden und fragt an, ob die direkte Regulierung, eventuell in Verbindung mit den vaterländisch gesinnten Parteien, mit der Kirchenpflege dem Vorstand überlassen werde. Die Versammlung gibt dazu ihre Zustimmung.»
Ernst Hauser, Mitbegründer der OG, als Hauptmann.
Hans Streuli, Mitbegründer der OG, als Leutnant.

Von Anfang an organisierte die Offiziersgesellschaft Wädenswil Vorträge zu militärischen Themen. Als Referenten traten zunächst Mitglieder der Gesellschaft auf. Das erste Referat, gehalten am 4. Oktober 1920 von Oberleutnant Hans Streuli, galt der Ausbildung der Genietruppen. Es machte den Auftakt zu einer Folge, in welcher die Ausbildungsprobleme sämtlicher Waffengattungen behandelt wurden.
Äusserst gewissenhaft befasste man sich im Winter 1920/21 in der Offiziersgesellschaft mit der «künftigen Organisation der Armee», wie sie Generalstabschef Oberstdivisionär Sonderegger anlässlich der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Offiziersgesellschaft am 14. November 1920 darlegt hatte. Zur Diskussion standen drei Problemkreise:
«a. Braucht die Schweiz eine Armee?
b. Muss unsere Armee eine Milizarmee bleiben und den Grundsatz der Allgemeinen Wehrpflicht beibehalten?
c. Die Ausgaben für die Armee müssen mit den wirtschaftlichen Kräften des Landes in Einklang stehen.»

Die Fragen a und b wurden positiv beantwortet. Bezüglich des Punktes c war man geteilter Meinung, obwohl die von Hauptmann Carl Roben Ziegler zusammengetragenen Zahlen eindeutig belegten, dass die Schweiz 1892 41 Prozent der Gesamtausgaben für das Militär aufgewendet hatte, 1921 dagegen nur noch 15 Prozent.
Nicht immer wurden in der Offiziersgesellschaft so tiefschürfende Probleme gewälzt. So entnimmt man dem Protokoll über die Monatsversammlung vom 5. September 1921, dass sich im Anschluss an einen Vortrag über «Verbindung im Gefecht» eine heftige Kontroverse über den «Orientierungssinn der Brieftauben» entsponnen hat.
Den Mangel an eigener Kampferfahrung machte man in der Offiziersgesellschalt Wädenswil teils dadurch wett, dass man gelegentlich Referenten mit Kriegserfahrung beizog. Besonders befriedigt äusserte sich der Protokollführer über einen Vortrag von Hauptmann Werdt über «Persönliche Erlebnisse und Eindrücke in österreichischen Diensten an der österreichisch italienischen Front». Befriedigt offensichtlich deshalb, weil nicht von Strategie, nicht von Taktik, sondern von einfachen Begegnungen aus dem militärischen Alltag die Rede gewesen war.
Im Dezember 1922 gab der Vorstand den Mitgliedern Gelegenheit, sich in einer zweitägigen Kriegsspielübung am Relief weiterzubilden. Das Geländerelief − acht Platten von je einem Quadratmeter Fläche − war von der Offiziersgesellschaft Herisau zur Verfügung gestellt worden. Die Übung wurde zuerst anhand der Karte, dann auf dem Relief durchgespielt. Die Ausgangslage: Deutschland und Frankreich sind in den Krieg getreten. Unsere Armee mobilisiert. Unsere Armeeleitung erhält die Meldung, dass deutsche Truppen bei Konstanz den Rhein überschritten haben und gegen Süden im Anmarsch begriffen sind.
Die Arbeit am Relief hatte offenbar derart überzeugt, dass die Offiziersgesellschaft Wädenswil bald ein eigenes Relief anschaffte und bis in die dreissiger Jahre hinein wiederholt ähnliche Kriegsspielübungen durchführte. Gelegentlich traf man sich zur Entschlussfassung und Befehlsgebung auch im Gelände. Dabei war die Offiziersgesellschaft Zug ein beliebter Gegner und das Gebiet um Sihlbrugg bevorzugter Übungsraum.
Was schon in der ersten Monatsversammlung, am 4. Oktober 1920, angestrebt worden war, wurde 1923 Wirklichkeit: Am 12. März führte die Offiziersgesellschaft mit 13 Teilnehmern und mit Pferden der Regieanstalt den ersten Reitkurs durch. Er sollte den Offizieren Gelegenheit verschaffen, «sattelfest zu werden und zu bleiben». Die beiden Reitlehrer, Oberleutnant Brunner und Oberleutnant Weber, stellten bei allen Teilnehmern nicht nur achtenswerte Fortschritte in der Reitkunst fest, sondern auch immer grössere Freude an diesem edlen Sport.

Heinrich Brunner, Mitbegründer der OG, Präsident von 1925 bis 1930, als Oberleutnant.

Darum wurden in den folgenden Jahren wieder Reitkurse ins Tätigkeitsprogramm aufgenommen. Als Reitplatz diente viele Jahre die Sternenschanze ob Richterswil. Die Brauerei Wädenswil stellte die Reitbahn zur Verfügung; die Pferde waren in den «Engel»-Stallungen untergebracht.
1923 sprach Oberleutnant Hans Streuli über das gefürchtete feige Mittel des Gaseinsatzes im modernen Krieg, das Energie und Ausdauer der besten Führer und Truppen zugrunde richte. Dem Referat folgte die Praxis, worüber das Protokoll vom 17. September 1923 folgendes festhielt:
«Durch Vorführung verschiedener Gase auf der «Engel»-Zinne konnten wir die Reize geniessen, sodass ein jeder das unter Druck verursachte Lachen, Weinen, Husten und beinahe Brechen mit Atemübungen wieder los zu werden trachtete und den Normalzustand seines Organismus anstrebte. Ein Lichtstrahl für uns alle war das Modell der Gasmaske unserer Armee, die vom Referenten als eine der besten bezeichnet wurde; und wenn wir den Zusicherungen der fremden Armeen, vom Gaskrieg Abstand zu nehmen, Glauben schenken können, so dürfen wir diesbezüglich ruhig in einen eventuellen Krieg ziehen, ohne aus dem Hinterhalt mit Lachen oder Weinen gereizt zu werden, sondern nach dem alten Grundsatz kämpfend: Aug‘ um Auge, Zahn um Zahn!»
Die dreissiger Jahre und der Zweite Weltkrieg sollten bald ein anderes Kriegsbild vor Augen führen.
 

DIE DREISSIGER JAHRE

Unter der Führung Mussolinis erstrebte das faschistische Italien in den dreissiger Jahren die Beherrschung des Mittelmeerraums. Es eroberte 1935/36 Abessinien uni überfiel 1939 Albanien. In Deutschland übernahm die NSDAP des 1933 zum Reichskanzler berufenen Adolf Hitler die Macht. Deutschland trat aus dem Völkerbund aus, begann 1935 mit der Wiederaufrüstung, besetzte 1936 das Rheinland und verbündete sich im selben Jahr mit Italien und Japan. 1938 liess Hitler seine Armee in Österreich einmarschieren und gewann im Münchner Abkommen das Sudentenland. 1939 folgte die Besetzung Böhmens, Mährens und der Rest-Tschechoslowakei. Hitlers Einmarsch in Polen am 1. September 1939 löste den Zweiten Weltkrieg aus.
Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und die Agitation nationalsozialistischer Organisationen belasteten in den dreissiger Jahren das innenpolitische Leben der Schweiz. Themen auch, die in der Offiziersgesellschaft Wädenswil zur Diskussion standen.
1927 hatte Oberst Bünzli in der OG erstmals über «Kampfwagen» orientiert. Er wies darauf hin, dass in den umliegenden Staaten Tausende von Kampfwagen oder Tanks zur Kriegsausrüstung gehörten, während der Schweiz solche Kampfinstrumente gänzlich fehlten. Er rief dazu auf, mindestens die Abwehrmöglichkeiten zu studieren, um den Schaden bestmöglich abzuwenden. Der Präsident, Major Heinrich Brunner, vertrat in der Diskussion die Ansicht, dem Kampfwagen sei nicht allzu grosse Bedeutung beizumessen. Wichtig sei indessen, dass bei der Truppe «kein Tankschrecken» aufkomme.
Im Dezember 1931 referierte Hauptmann Friedländer, Instruktionsoffizier der Schiessschule Walenstadt, über «Entwicklung, Verwendung und Abwehr moderner Tanks». Er kam zum Schluss, man müsse in der Schweiz Kurse schaffen, «in denen wir endlich mal Tanks zu sehen bekommen». Und er forderte, «dass in der Tankabwehr endlich mal etwas gemacht» werde. Mitten im Zweiten Weltkrieg, am 3. August 1942, war ein weiterer Vortragsabend dem Thema «Panzer und Panzerabwehr» gewidmet. Zweifel über den Wert dieser Waffe bestanden nach den deutschen Erfolgen in Polen und an der Westfront kaum mehr.
Im Dezember 1932 erklärte sich die Offiziersgesellschaft Wädenswil bereit, die Organisation der «Schweizerischen Wehrvereinigung» im Bezirk Horgen zu übernehmen. Diesem Zusammenschluss gehörten alle Vereine an, die auf vaterländischem Boden standen. Aus Vertrauenspersonen verschiedenster Kreise sollten lokale Wehrmänner-Ausschüsse gebildet werden. Deren Mitglieder hatten verdächtige Mitbürger zu überwachen und im Rahmen eines organisierten Meldedienstes über armeekritische Äusserungen sowie staatsfeindliche Veranstaltungen aller Art zu rapportieren. Auch in Wädenswil gab es einen solchen Überwachungsdienst. Der Aufbau der Organisation wurde im Protokoll vom 20. Dezember 1932 allerdings «aus konfidentiellen Gründen» nicht vermerkt. Dass auch in Wädenswil ein solches sonst nur in Diktaturen und totalitären Systemen bekanntes Spitzelsystem bestand, mag heute überraschen. Es ist aber ein Gradmesser für die gespannte Situation und für das Misstrauen, die in den 1930er Jahren in Wädenswil wie in der ganzen Schweiz herrschten.
Im November 1936 beschäftigte sich die Offiziersgesellschaft Wädenswil mit der Frage der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge. Mit einem Schreiben an das EMD lenkte man die Aufmerksamkeit des Bundesrates auf diesen entscheidenden Aspekt der Landesverteidigung. Schon am 2. Februar 1937 konnte der Präsident die Antwort des Militärdepartements auf die am 19. Januar abgeschickte Eingabe verlesen.
Sie besagte, dass in der Generalstabsabteilung eine Sektion für Kriegswirtschaft gebildet worden sei und dass Vorbereitungen im Gange seien für die Schaffung einer kriegswirtschaftlichen Abteilung im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement.
Die Reitkurse der Offiziersgesellschaft Wädenswil erfreuten sich auch in den dreissiger Jahren grosser Beliebtheit. Immer ging es recht fröhlich, abwechslungsreich und manchmal gar «strub» zu. In vollem Galopp jagte man den Steilhang über dem Aabach hinunter, wobei mancher kühne Reiter ein kaltes Bad nahm. Auch der Seegfröörni-Ritt zur Insel Schönenwerd, unter dem Kommando von Oberleutnant Paul Hürlimann, blieb den Teilnehmern in unauslöschlicher Erinnerung. Das Eis soll unter der Last der Pferde dermassen gekracht haben, dass 50 Meter Abstand befohlen wurde.
 

Hauptmann Paul Hürlimann, Präsident der OG von 1937-1942.

DIE VIERZIGER JAHRE

Die vierziger Jahre waren zunächst geprägt von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs, etwa vom Fall Frankreichs, den Luftschlachten über England, den Wenden von Stalingrad und EI Alamein, von der Landung der Alliierten in der Normandie, vom Zusammenbruch Deutschlands im Frühling 1945 und vom Abwurf von Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Die Zuspitzung der Spannung unter den Siegermächten von 1945, die Blockade Berlins durch die Russen, die Proklamation der kommunistischen Volksrepublik China und die Gründung der DDR im Jahre 1949 waren weitere Momente, die auch in der Schweiz als Bedrohung empfunden wurden.
In der Schweiz fanden 1946 keine Wiederholungskurse statt. 1947 verlangte man zweiwöchige, ab 1948 wieder dreiwöchige Dienstleistungen. Im Zuge von Reformen wurden der Taktschritt und später der Gewehrgriff abgeschafft.
Während des Zweiten Weltkriegs hielt die Offiziersgesellschaft ihre Tätigkeit in jenen Zeitabschnitten aufrecht, da nicht die ganze Armee unter den Waffen stand. Von März 1942 bis Mai 1944 und wieder ab Februar 1945 wurde ein reiches Vortragsprogramm angeboten. Alle Veranstaltungen waren ausserordentlich gut besucht. Es war eben eine Zeit, in welcher die militärischen Probleme im Vordergrund standen.

Die neue Gasmaske der Schweizer Armee gemäss Reglement von 1942.

In der Nachkriegszeit zog man auch in der Offiziersgesellschaft Wädenswil die Lehren aus dem Aktivdienst. Man wertete Erfahrungen von den ausländischen Kriegsschauplätzen aus und verfolgte aufmerksam die wechselvollen politischen Entwicklungen in Europa und in der Welt. Im Weiteren galt es, den Mitgliedern im Sinne von Weiterbildung einen Überblick über die rasch voranschreitende Technisierung in einzelnen Waffengattungen zu verschaffen.
Daneben kam in der Offiziersgesellschaft auch das Gesellige nicht zu kurz. Am 22. September 1945 feierte man das Jubiläum des 25-jährigen Bestehens. 1947 folgte ein Sommernachtsfest auf der Au, und am ersten August 1948 gedachte man zusammen mit den übrigen Ortsvereinen von Wädenswil des Jubiläums «Hundert Jahre Bundesverfassung». Ein Unterhaltungsabend auf der Halbinsel Au allerdings wurde am 11. September 1948 zum Reinfall. Von den lediglich 41 Teilnehmern stammte die Hälfte von ennet dem See. Die Stimmung war − «soweit überhaupt vorhanden» − «gezwungen», das Defizit bezifferte sich auf 300 Franken. Es sollte für 16 Jahre der letzte Gesellschaftsabend der Offiziersgesellschaft Wädenswil sein.
Besser besucht waren die ab September 1948 angebotenen «Verjüngungs- und Abmagerungsläufe» mit anschliessendem Aufenthalt in der Sauna. Schon 1946 hatten Wädenswiler Kavallerie-Offiziere auch die Reitkurse neu aufleben lassen. Man benützte wieder die Reitbahn in der Brauerei und zum Springen von Hindernissen den Reitplatz Geren. Bald mussten die beliebten Kurse zweimal jährlich angeboten werden. Als besondere Attraktion galten die Ritte nach Maschwanden, mit Galopp auf dem Reussdamm und der Lorze entlang. Die Krönung aber bildeten die Reiterwochen im Jura.
 

DIE FÜNFZIGER JAHRE

Kriegerische Ereignisse hielten die Welt auch in den 1950er Jahren in Atem: der Krieg in Korea und in Indochina, der Aufstand in Ungarn und die Suezkrise von 1956. Die Positionen der USA und der Sowjetunion verhärteten sich in der Zeit dess Kalten Krieges. Der Wettlauf um die Eroberung des Weltraums war in vollem Gange.
In der Schweiz setzte man 1951 eine neue Truppenordnung in Kraft. 1959 wurden Sturmgewehr und Kampfanzug eingeführt. Neben Vorträgen standen in den 1950er Jahren vermehrt Exkursionen und Filmvorführungen auf dem Tätigkeitsprogramm der Offiziersgesellschaft Wädenswil. Man besichtigte 1951 den neuen Flughafen Kloten und wohnte anschliessend einer Demonstration der Flieger- und Flab-Übermittlungstruppen in Dübendorf bei. Vom Kerenzenberg aus liess man sich 1952 durch Oberstdivisionär Schuhmacher die Schlacht von Näfels schildern. Im Sommer 1953 lud die Offiziersgesellschaft zu einer Exkursion nach dem Panzerübungsplatz Münsingen bei Ulm ein. Unterwegs wurde bei Tante Emilie in Tübingen «ein Aperitif-Fest vom Zaune gerissen». 1955 besichtigten die Wädenswiler Offiziere die Werkzeugmaschinenfabrik Bührle in Oerlikon, und 1959 übten sie sich in Walenstadt im Scharfschiessen mit dem neuen Sturmgewehr.
Die öffentlichen Filmvorträge im Kino Wädenswil galten den Helden im niederländischen Arnhem (1950), Problemen einer Widerstandsbewegung in einem besetzten Land (1951), der neuen Truppenordnung (1951) sowie der Organisation der zivilen Luftverteidigung (1957).

DIE SECHZIGER JAHRE

Die Entkolonialisierung in Afrika seit 1960, der Mauerbau in Ost-Berlin (1961), die Ermordung Kennedys (1963), der Vietnamkrieg (ab 1964), der Sechs-Tage-Krieg in Israel (1967), die Besetzung der Tschechoslowakei durch Sowjettruppen (1968) und die erste Mondlandung (1969) waren herausragende weltpolitische Ereignisse der sechziger Jahre.
In der Schweiz führte man 1961 eine neue Truppenordnung ein. 1962 wurde die Atomverbots-Initiative verworfen, und bald entspannen sich Diskussionen um die Mirage-Beschaffung.
Zur Vortragstätigkeit − Oberstkorpskommandant A. HansIin zum Beispiel sprach 1968 über «Zeitgemässe Soldatenerziehung» und Heiner Gautschi im selben Jahr über «Die Russen, wie ich sie in Russland sah und warum sie die CSSR okkupierten» − traten in den sechziger Jahren vermehrt gesellige Anlässe: Herbstwanderungen aufs HochstuckIi, auf die Ybergeregg, zur Alp Scheidegg und vom Ägerisee auf den Wildspitz. 1965 und 1968 gab es GeseIlschaftsabende auf der Halbinsel Au, 1966 im MistIibüel und 1969 ein Sommernachtsfest auf dem Gulmenhof ob Wädenswil. Aber auch der militärische Bereich kam nicht zu kurz: Exkursionen führten in den sechziger Jahren auf die Schlachtfelder von Morgarten, Sempach und Näfels. Ein praktischer Funkabend (1963) und ein öffentlicher Vortrag über «Die Bedrohung der Zivilbevölkerung im modernen Krieg und der Einsatz der Luftschutztruppen» deckten weitere aktuelle Bereiche ab. Der Erhaltung und Förderung der Marschtüchtigkeit im Zeitalter der Motorisierung diente der erste Zürcher Distanzmarsch bei Nacht im September 1965, an dem auch neun Wädenswiler Offiziere teilnahmen. Zurückgelegt wurde die Strecke Rüti−Uster−Dübendorf−Wallisellen−Kloten.
Fröhlicher Ausritt in den 1960er Jahren.

DIE SIEBZIGER JAHRE

Terror, Spionage und Geiselnahmen prägten zum Teil die siebziger Jahre. Im Oktober 1973 hielt der Jom-Kippur-Krieg die Welt in Atem.
In den 1970er Jahren standen in der Schweiz und in Wädenswil wichtige Entscheide an. Die Kavallerie wurde abgeschafft; die Schweiz erhielt Hunter und Panzer 68. Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich beschlossen 1975 die Verlegung des Waffenplatzes Zürich ins Reppischtal. Grosse Genugtuung verspürte man in der OG Wädenswil über die am 4. Dezember 1977 massiv verworfene Münchensteiner-Initiative für die Schaffung eines zivilen Ersatzdienstes. Ebenso befriedigt war man 1978 von der Annahme des Kredites für den Bau der neuen Wädenswiler Schiessanlage auf Beichlen.
Besorgt stellte man dagegen in der Offiziersgesellschaft fest, dass die Wohlstandsgesellschaft kaum viel Verständnis für die Armee aufbringe. In einzelnen Schulen und Kursen verstärkte sich die Agitation. Die Entwendung von Akten aus dem Archiv von Oberstleutnant Ernst Cincera im November 1976 und die Spionage-Affäre des Brigadiers Jeanmaire 1977 erregten grosses Aufsehen.
Herausragendes Ereignis der siebziger Jahre bildete für die Offiziersgesellschaft Wädenswil das Jubiläum des 50-jährigen Bestehens. Es wurde am 5./6. September 1970 mit einem Galadiner dansant im Schinzenhof Horgen, mit einem Ball auf dem Zürichsee-Schiff «Wädenswil» und mit einem Festakt im Schloss Wädenswil begangen.
Die Vorträge dieses Jahrzehnts galten aktuellen militärischen Problemen, etwa der Instruktorenfrage (1970), der Kommission Oswald (1970), der Rolle der Frau im Rahmen der Gesamtverteidigung (1971), dem Luftkriegsbild der 70er Jahre (1972), der europäischen Sicherheitspolitik (1973). Weitere Themen waren: Wehrerziehung im Ostblock (1976), Aufgedeckte Spionagefälle in der Schweiz (1976), Psychische Probleme bei K Mob (1978), Handelspolitik und Landesverteidigung (1979) oder Rüstung im Kleinstaat. Wie schon in früheren Jahren war die Offiziersgesellschaft Wädenswil darauf bedacht, erstklassige Referenten einzuladen. Mit Genugtuung konnte man schon an der 50-Jahr-Feier feststellen, «dass die Mehrheit unserer Spitzenmilitärs seit 1945 während ihrer Laufbahn als Instruktionsoffiziere mindestens einmal in Wädenswil zu Gast waren».
Besonders geschätzt wurden Erlebnisberichte: Das Mitglied Oberleutnant Norbert Kuster referierte im November 1970 über «Eindrücke und Erlebnisse während meiner Gefangenschaft bei den Fedajins». Gerhard Herrmann erzählte von seiner Flucht aus der DDR (1972), US Major Ronald A. Hofmann von Erfahrungen in Vietnam (1973), der israelische Oberst Harél vom Panzerkampf am Golan (1978).
Paul Weber organisierte im Winter 1970/71 seinen letzten Winter-Reitkurs. Dann trat er als Organisator zurück. Nachfolger als Reiter-Obmann wurde Major Henri Grandjean. Weil die EMPFA nur noch Pferde, aber keinen Wärter mehr zur Verfügung stellen konnte, musste der Winter-Reitkurs 1972/73 abgesagt werden. Erst 1975 wurde wieder geritten, und zwar bei Mitglied Major H. R. Schwarzenbach auf Bocken.
Mit Orientierungsabenden für Stellungspflichtige setzte die Offiziersgesellschaft Wädenswil ab 1975 einen neuen Akzent im Tätigkeitsprogramm. Kreiskommandant und Aushebungsoffizier beglückwünschten die Offiziere zu diesem freiwilligen Informationsdienst. Bei der Aushebung 1976 gab es unter 1250 Stellungspflichtigen nur einen einzigen Dienstverweigerer. Im Gesellschaftsjahr 1977/78 standen an sechs Orientierungsabenden in den linksufrigen Seegemeinden zwanzig Offiziere freiwillig für Aufklärung und Information zur Verfügung.
An der Generalversammlung 1979 konnte der Präsident, Hauptmann Peter Blattmann, befriedigt feststellen, dass sich der Mitgliederbestand seit 1968 nahezu verdoppelt habe. Man zählte nun 358 Mitglieder, darunter Oberstdivisionär Laurenz Zollikofer als einziges Ehrenmitglied (seit 1974).

DIE ACHTZIGER JAHRE

Erinnern wir uns einiger weltpolitischer Ereignisse der achtziger Jahre: Mit Waffengewalt dehnte die Sowjetunion ihre Machtansprüche in Afghanistan aus. 1982 hielt der Falklandkrieg die Welt in Atem, und die Auseinandersetzung zwischen Iran und Irak erschütterte den Mittleren Osten. Markantestes Ereignis dieses Jahrzehnts war indessen die Auflösung des kommunistischen Ostblocks, die mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 eingeleitet wurde.
In der Schweiz wurde 1984 die Zivildienstinitiative verworfen, und 1987 brachte die Ablehnung des Rüstungsreferendums durch Volk und Stände eine lange erwartete und notwendige Klärung. Mit der amerikanischen und der sowjetischen Politik der Abrüstung mehrten sich auch in unserem Land Stimmen, die auf Abrüstung der Schweiz drängten. Volk und Stände stellten sich mehrheitlich hinter unsere Armee: Die Initiative für eine Schweiz ohne Armee wurde am 26. November 1989 deutlich verworfen.
Die Vorträge der Offiziersgesellschaft Zürichsee Linkes Ufer galten in den 1980er Jahren wichtigen Gegenwartsproblemen: 1980/81 etwa Zusammenhängen von Politik und Wirtschaft in den Ostblock-Staaten; den militärischen Aspekten der KSZE- Verhandlungen, den Jugendkrawallen in Zürich und Bern, 1982 der Modernisierung und Kriegstüchtigkeit unserer Armee; 1986 den Afghanen im Widerstand sowie dem Zivilschutz im Bezirk Horgen, 1988 der aktuellen AC-Bedrohung, 1989 der Menschenführung im Spiegel von Kriegserfahrungen.
Als Neuerung kann das 1983 von der OG organisierte erste Zugführerseminar vermerkt werden. Es galt der Thematik: «Entsprechen meine Übungen dem Kriegsbild».

DIE NEUNZIGER JAHRE

Abschliessend werfen wir einen kurzen Blick auf die Jahre 1990 bis 1995. Sie waren einerseits geprägt vom Golfkrieg und den Ereignissen in Ex-Jugoslawien, andererseits vom Auseinanderbrechen der Sowjetunion und von der Wiedervereinigung der beiden seit dem Zweiten Weltkrieg getrennten deutschen Staaten.
Nach dem Fall der kommunistischen Weltordnung setzte auch in der Schweiz eine Neubesinnung ein. Im Oktober 1990 legte der Bundesrat dem Parlament den Bericht zur Sicherheitspolitik vor. Daraus ging das Konzept «Armee 95» hervor, das die frühere Armee gemäss TO 61 zur zahlenmässig verkleinerten, aber stark modernisierten Armee der konzentrierten Kräfte wandelte.
Die Zahl der in der Offiziersgesellschaft gehaltenen Vorträge wurde in den neunziger Jahren gegenüber früheren Jahrzehnten reduziert. Herbstwanderung und Nachtmarsch blieben aber geschätzte Veranstaltungen im Programm. Zum traditionellen Chlausabend trat 1990 erstmals ein Neujahrs-Brunch und 1991 zusätzlich die «Plauderei am Kaminfeuer». Beide Anlässe waren beliebt und wurden darum auch in die Programme der folgenden Jahre aufgenommen.
Der Rückblick auf 75 OG Wädenswil hat es gezeigt: Dank einsatzfreudigen Offizieren im Vorstand, dank abwechslungsreichen, aktuellen Programmen, dank guten Referenten und positivem Echo aus dem Mitgliederkreis sind von dieser Offiziersgesellschaft wichtige Impulse ausgegangen. Allen, die das Gesellschaftsleben über Jahrzehnte hinweg getragen und gefördert haben, gebührt heute Dank. Und dieser verbindet sich mit dem Wunsch, dass der ausserdienstliche Einsatz auch weiterhin geleistet werde, zum Nutzen der Mitglieder und zum Wohle einer freien Schweiz!




Peter Ziegler