JUBILÄUM IM KINDERHEIM GRÜNAU

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1996 von Peter Ziegler

Im Mai 1971 − vor 25 Jahren − wandelte Alice Weber das 1934 von ihr gegründete private Kinderheim Grünau in eine Stiftung um, welche seither das Kinderheim mit viel Engagement und Erfolg im Sinne der Gründerin führt. Grund zu einem Jubiläumsfest mit Besichtigung, Unterhaltungsprogramm, Attraktionen und Festwirtschaft am 6. Juli 1996. Grund auch zu einem Rückblick.
 

DIE GRÜNDERIN: ALICE WEBER (1895–1984)

Alice Weber, die 1895 geborene Tochter des Brauereibesitzers Franz Weber und der Fanny, geborenen Hauser, liess sich am Kinderspital Zürich in allgemeiner Kinderpflege ausbilden. Nach zehnjähriger Praxis erwarb sie sich zusätzlich Spezialkenntnisse in der Heilpädagogik an der Universität Wien.
1934 ging für Alice Weber ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung: Ihr Vater kaufte für sie eine bisher landwirtschaftlich genutzte Liegenschaft im Mittelort in der Au − das herrschaftliche Wohnhaus, das Kantonsrat Johannes Tobler im Jahre 1850 für sich hatte bauen lassen. Unter dem Namen «Grünau» eröffnete hier Fräulein Weber − bald liebevoll «Tante Alice» genannt − am 4. Juni 1934 ein privates Kinderheim, in dem in der Folge stets zwölf bis fünfzehn Kinder betreut und umsorgt wurden.
Schwester Blanca, die erste Mitarbeiterin, erzählte begeistert von der Anfangszeit in den krisengeschüttelten dreissiger Jahren. Natürlich lebten Betreuerinnen und Kinder zusammen. Neben Mädchen und Knaben, die aus verschiedensten Gründen und Schwierigkeiten längere Zeit im Heim verbrachten, nahm das gemütliche Haus auch immer wieder Ferienkinder auf, die besonders den Seeanstoss «Ländli» zu schätzen wussten.
Die Gründerin: Alice Weber (1895−1984)
Zusammen mit ihrem Personal setzte die vielseitig begabte, kurzweilige und originelle Tante Alice viele Schwerpunkte. Die Autorität liess sie nie in Frage stellen. Dafür wussten alle, woran sie waren und was sie tun konnten oder lassen mussten. Tiefes Gottvertrauen gab der Gründerin innere Festigkeit, Zuversicht und Überzeugung. Trotz Schwierigkeiten, die sich auch einstellten, resignierte sie nie, sondern suchte stets nach einem neuen Weg. Persönliche Erholung fand Alice Weber beim Skifahren in Klosters oder beim Reiten in Elgg.
Das Kinderheim Grünau im Gründungsjahr 1934. Ansicht von Nordwesten.
 
Von 1934 bis 1970 gingen im Kinderheim Grünau sicher über zweihundert Kinder ein und aus und machten positive Erfahrungen für das spätere Leben. Sie erlebten Unterweisung in der Sonntagsschule, spielten Theater, führten Weihnachtsspiele auf, feierten Geburtstag oder genossen Ausfahrten mit dem Pferdewagen. Reizvoll waren Besorgungen mit dem Auto, spannend die vielen Geschichten, die Tante Alice zu erzählen wusste. Trotz verschiedenen meist unerfreulichen Ausgangslagen sollten die Kinder in der Grünau bestmögliche Hilfe erhalten. Das war Alice Webers persönliches Ziel. Dafür engagierte sie sich voll; dafür verzichtete sie auch auf eine eigene Familie. «Kinder sind Rätsel von Gott und schwerer als alle zu lösen, aber der Liebe gelingt's, wenn sie sich selber bezwingt». So steht es am Kachelofen, den Alice Weber ins 1957 neben dem Kinderheim gebaute Haus stellen liess, das ihr fortan als Refugium diente. Dieser Sinnspruch darf wohl als Alice Webers Leitmotiv gelten.
 

GRÜNDUNG EINER STIFTUNG

Älter geworden, dachte Alice Weber an die Zukunft ihres 1934 gegründeten Kinderheims Grünau. Es sollte auf gesunder Basis weiterbestehen, sie überleben. Darum errichtete sie mit Datum vom 12. Mai 1971 eine Stiftung im Sinne von Artikel 80 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches und widmete als Stiftungsfonds die Liegenschaft Grünau samt der Seeparzelle «Ländli» und einem Dotationskapital von 25‘000 Franken.
Artikel 2 der Stiftungsurkunde umschrieb den Zweck: «Zweck der Stiftung ist die Fortführung des Kinderheims Grünau auf gemeinnütziger Basis im Sinn und Geist seiner Gründerin Alice Weber, als Hort vom Kindergartenalter an für Buben und Mädchen durchschnittlicher Intelligenz mit durch Milieuschäden bedingten Verhaltensstörungen geringen Ausmasses, welche der individuellen Behandlung und heilpädagogischen Betreuung bedürfen, aber Kindergarten und Schule zusammen mit den Kindern der Gemeinde im Dorf besuchen.»
Fahnenaufzug in der Grünau, um 1940.
 
Für die erste dreijährige Amtsdauer bezeichnete Alice Weber folgende Mitglieder des Stiftungsrates:
Dr. iur. Dietrich Iselin, Wädenswil, Präsident
Alice Weber, Au
Prof. Dr. med. Jakob Lutz, Zollikon
Dr. med. Ernst Howald, Wädenswil
Lili Candrian-Bon, Zollikerberg
Helen Sameli-Boerlin, Horgen und
Rosmarie Zellweger, Richterswil.
In den Jahren 1972 bis 1978 konnte Alice Weber noch an verschiedenen Anlässen im Kinderheim teilnehmen. Die letzten sechs Lebensjahre verbrachte sie im Alters- und Pflegeheim in Gossau ZH. Dann wurde sie am Karfreitag 1984 im 89. Lebensjahr von längerer Leidenszeit erlöst.
Mit der Umwandlung des Kinderheim Grünau in eine Stiftung waren bauliche und organisatorische Massnahmen verbunden. 1972 stand das Heim leer. Nach den Plänen des Architekten Jacques Ringger in Zürich wurde es umgebaut und zeitgemässen Anforderungen an ein Kinderheim angepasst.
Bund, Gemeinde Wädenswil, Industrielle und Private aus Wädenswil halfen mit grosszügigen Spenden mit, die auf eine halb Million berechneten Umbaukosten zu tilgen. Neu stand dem Personal eine Mietwohnung an der Alvierstrasse 30 in der Au zur Verfügung.
Am 23. Oktober 1972 traten die Heimeltern Beat und Margo Fischer ihre Arbeit an; sie waren 1971 gewählt worden und hatten bereits an der Planung mitgewirkt. Als heilpädagogisch geschulter Mitarbeiter und Erzieher konnte auf den 1. Dezember 1972 Horst Weber gewonnen werden; dessen Ehefrau Christel arbeitete teilzeitweise ebenfalls im Heim mit. Am 1. Januar 1973 traten A. Strub als Koch und Hildegard Niederhäuser als Haushaltgehilfin in den Dienst des Kinderheims. Aus gesundheitlichen Gründen verliessen sie jedoch die Grünau noch im selben Jahr. Neues Personal musste gesucht und konnte gefunden werden. Bis heute haben verschiedene Frauen und Männer in der Grünau in Erziehung, Betreuung und Haushalt gewirkt. Ihre Namen aufzuzählen, ist hier nicht möglich. Sie alle aber waren am Tag, da die Stiftung ihres 25-jährigen Bestehens gedachte, in den Dank eingeschlossen.

Margo und Beat Fischer, Heimleiter von 1971-1986.

DIE KINDER

Im Januar 1973 traten die ersten zwei Knaben ins erneuerte und neu strukturierte Kinderheim Grünau ein. Bewusst nahm man nicht alle 15 Kinder auf einmal auf. Jedem Eintretenden sollte volle Aufmerksamkeit geschenkt werden können. Das Heim füllte sich daher schrittweise; Anfang Juni 1973 war der angestrebte Vollbestand mit elf Knaben und vier Mädchen erreicht. Heimeltern und Personal waren bestrebt, den Gemeinschaftsgedanken zu fördern. Zum Alltagsleben im einfach, aber praktisch eingerichteten Haus traten schon im ersten Betriebsjahr allerhand Abwechslungen: ein Besuch im Kinderzoo in Rapperswil, Wanderungen auf den Etzel und den Pfannenstiel, die Teilnahme am Räbeliechtli-Umzug in der Au, am Samichlaus-Einzug in Wädenswil und eine besinnliche Weihnachtsfeier im Kinderheim.
 

1973: LEBEN IN DER GRÜNAU

Im Jahresbericht 1973 wird anschaulich von den Tagesabläufen im Kinderheim Grünau erzählt: Das Morgenessen nehmen wir in zwei Schichten ein. Diejenigen Kinder, die um acht Uhr in die Schule gehen müssen, werden zuerst geweckt; alle andern eine Stunde später. Dies ergibt jeden Morgen eine andere Zusammensetzung, was die Kinder schätzen. − Nach dem Mittagessen haben wir eine Ruhestunde eingeführt. Die Kinder müssen sich ruhig in ihren Zimmern aufhalten und können lesen, schreiben, spielen. Die KindergärtIer gehen kurz schlafen. Den Abend nach dem Nachtessen − wenn die Schulaufgaben erledigt sind − benützen wir, um gemeinsam zu spielen, zu turnen, Läufe zu machen oder im «Ländli» zu schwimmen. Den kleineren Kindern wird beim Zubettgehen eine Geschichte erzählt, oder es wird gesungen. Den grösseren Buben wird ebenfalls vorgelesen, und es werden auch Gruppengespräche geführt: über die Heimsituation, über das Problem der Familie... – Wöchentlich wird das Taschengeld ausbezahlt, welches je nach Alter verschieden ist. Jeden Samstagabend dürfen immer zwei Kinder für die ganze Gesellschaft kochen, wobei sie die Menüs selber wählen.
Die Geburtstage werden auf einfache Weise gefeiert. Die Kinder wünschen sich das Lieblingsmenü; es gibt Dessert, und sie er halten ein Geschenk. Um die Knaben und Mädchen im Kinderheim Grünau nicht zu isolieren, dürfen sie Schulkameraden einladen oder zu ihnen nach Hause gehen. Einzelne wurden auch schon zu Geburtstagsfeiern eingeladen.
Das 1992 renovierte und umbebaute Kinderheim Grünau im Jubiläumsjahr 1996.
 

ELTERNKONTAKTE

Heimleitung und Erzieher legen seit je Wert auf gute Kontakte zu den Eltern der von ihnen betreuten Kinder. Neben Besuchstagen und Sprechstunden vertiefen auch verschiedene zwangslose Feste und Veranstaltungen die gegenseitigen Beziehungen: so etwa Grillplausch, Kegelabend, Chlausfeier, Grümpelturnier, Volksmarsch, gemeinsame Wanderungen auf den Pfannenstiel oder den Albis. Konfirmation oder Firmung sind weitere Gelegenheiten, sich zu begegnen und noch besser kennenzulernen.
Zwischen Ein- und Eintrittsphase findet Elternarbeit auf verschiedenen Ebenen statt. Mit Wochenendkontakten und gemeinsamen Anlässen wird sie in den Heimalltag eingeflochten; sie entsteht durch Erziehungsplanung, Elternabende und Besuchstage in der Schule sowie durch Gespräche aus speziellem Anlass.
 

VIELSEITIGE AKTIVITÄTEN

Ferienprogramme bringen den Mädchen und Knaben im Kinderheim Grünau immer wieder Abwechslung. Zu erinnern ist an die Reisen nach Holland und nach Schaan im Fürstentum Liechtenstein, an Sportferien in den Eggbergen, im Kiental oder in Pany, an Sommerferien im Tessin, an Herbstlager in Emmetten, Oberwald im Emmental oder in Stans, an die Theaterwoche im Wallis, an die Velotour auf den Spuren Wilhelm Tells...
Ausfahrt mit dem Eselwagen, 1991.
 

AUS DEN JAHRESBERICHTEN

Die Jahresberichte vermitteln ein anschauliches Bild vom Leben und vielseitigen Wirken im Kinderheim Grünau:
 
1974
Das Konzept, welches für das Heimleben bestimmend ist, ist vertieft worden. Dass die theoretischen Vorstellungen durch die Realität einige Korrekturen erfuhren, versteht sich von selbst. Die Idee, als Grossfamilie zu leben und nach aussen aufzutreten, wird real erlebt. Das Heim wird mit verschiedenen Gaben bedacht: mit Turngeräten, einem Radio, einem Plattenspieler, einer Kartoffelschälmaschine und einem neuen Boot.
 
1975
Der Einbau einer automatischen BrandmeIde-Anlage erhöht den Feuerschutz im Kinderheim Grünau.
 
1976
Mit der Schule für Soziale Arbeit in Zürich wird ein Vertrag abgeschlossen, wonach diese dem Kinderheim Grünau alle sechs Monate eine Praktikantin zuteilt.
 
1977
Der Stiftungsrat beschliesst eine Fassadenrenovation am bald 130 Jahre alten Haus. Kinder können neu unter Umständen auch über die obligatorische Schulzeit hinaus in der Grünau bleiben und eine Berufslehre absolvieren.
 
1978
Es ist ein grosses Problem, die Öffentlichkeit mit den Heimfragen vertraut zu machen.
 
1979
Das Image des Heims hat einen schweren Stand. Unsachliche Vorstellungen sitzen in der Bevölkerung tief. Wandlungen in den Auffassungen brauchen auch da viele Jahre.
 
1980
Trotz vier Neuaufnahmen im laufenden Jahr können nicht alle Anfragen nach Heimplätzen berücksichtigt werden. Das Erzieher-Ehepaar zieht ins gemietete benachbarte Wohnhaus der Stifterin Alice Weber ein.
 
1981
Die Kinder üben das Theaterstück «Peronnik der Einfältige» ein und führen es im Altersheim Au auf.
 
1982
Der «Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee» berichtet ausführlich und begeistert über das Jubiläum «10 Jahre Stiftung Kinderheim Grünau».
 
1983
Einbau von zwei Mansarden-Zimmern im Dachstock des Kinderheims.
 
1984
Am 10. April gilt es endgültig Abschied zu nehmen von der im 89. Altersjahr verstorbenen Gründerin Alice Weber.
 
1985
Dr. Renato Ammann übergibt das Amt des Stiftungsratspräsidenten, das er seit 1974 innegehabt hat, an Beat Weber. Radio Zürisee sammelt für das Heim über 150 Osterhasen und Ostereier. Nach 14-jähriger erfolgreicher Tätigkeit verlässt die Erzieherin Christel Weber das Heim, um wieder ihren früheren Beruf einer Maschinenzeichnerin auszuüben. Das Wohnhaus von Alice Weber geht ins Eigentum der Stiftung über.
 
1986
Über 120 Personen − Ehemalige, Stiftungsrats- und Behördenmitglieder − finden sich im Garten des Heims und anschliessend in der Turnhalle des Schulhauses Ort zu einem Ehemaligen-Treffen ein. Nach 14-jähriger Tätigkeit verlässt Horst Weber Ende Oktober das Kinderheim Grünau. Am 1. November geht die Heimleitung von Beat und Margo Fischer an Franz und Beatrice Dietsche-Imfeld über. Seit Oktober 1972 hat das Ehepaar Fischer mit viel Geschick und grossem Einsatz 43 Kinder begleitet und betreut.
Franz und Beatrice Dietsche, Heimleiter seit 1986.
 
1987
Seit 1. Mai unterstützen Monika und Alois Köppel-Frick die Heimleitung in Erziehungsaufgaben.
 
1988
An beiden Liegenschaften sind Renovationen durchgeführt worden. In Fronarbeit ist ein Hühnerstall entstanden. Anschaffung eines Computers.
 
1989
Das Kantonale Jugendamt entscheidet, dass das Kinderheim Grünau subventionsberechtigt fortbestehen kann. Allerdings sind bauliche Veränderungen nötig, um das Heim den heutigen Anforderungen anzupassen.
 
1990
Die Kinder in der Grünau sind auch mit artgerechter Tierhaltung vertraut, die ein weites Feld von pädagogisch-therapeutischen Möglichkeiten schafft. Zu ihren Schützlingen gehören der Hund Barry, die Katze Negi, zehn Hühner und ein Hahn, drei Zwerggeissen, vier Schafe und ein Bock, ein Esel sowie Fische.
 
1991
In der Grünau leben zurzeit elf fremdplatzierte Kinder zwischen dem 7. und dem 17. Altersjahr. Dazu kommen das Heimleiterehepaar mit drei Kindern, ein Sozialpädagogen-Ehepaar und eine Sozialpädagogin. Der Quartierverein Au schenkt dem Kinderheim einen Eselwagen.
 
1992
Nach langer Phase der Planung und nach der provisorischen Verlegung des ganzen Heims in Container können am 18. Mai die Umbauarbeiten in der Grünau beginnen. Am 11. Dezember ist das erneuerte Gebäude wieder bezugsbereit. Während der ganzen Bauzeit können die Mahlzeiten in der Kantine der Firma Elektron AG eingenommen werden. Aus dem Erlös eines Benefizkonzerts finanziert der Kiwanis-Club Wädenswil die Möblierung von zwei Kinderzimmern im Dachgeschoss. Alois Köppel nimmt Ende Juli Abschied vom Kinderheim Grünau, wo er seit 1987 als Erzieher gewirkt hat.

1993
Behördendelegationen, Bevölkerung und Ehemalige weihen am 25. September mit Stiftungsrat, Personal und Kindern das erneuerte und erweiterte Kinderheim Grünau ein. Der Tag der offenen Tür wird mit Festzeit, Marktständen und vielseitigem Spielangebot zum Grossereignis. Der Frauenverein schenkt einen Töggelikasten.
 
1994
Die positiven Erfahrungen am letztjährigen Tag der offenen Tür bestärken die Heimleitung im Entschluss, in der Öffentlichkeit weiterhin präsent zu bleiben. Mindestens einmal pro Jahr soll einem Verein, einer politischen Partei oder Behörden vor Ort Einblick in die Arbeit gegeben werden.
 
1995
Nach achtjähriger Arbeit im Kinderheim nimmt Monika Köppel im August Abschied von der Grünau. Als neues Erzieherteam wirken fortan die Sozialpädagogin Susanne Odermatt und der Reallehrer Hansjörg Knoll.
Der Jahresbericht 1995 des Kinderheims Grünau befasst sich mit dem Thema «Im Heim wohnen – am öffentlichen Leben teilnehmen». Er hält unter anderem fest: «Ein Gruppe von zwölf Kindern im Alter zwischen 6 und 17 Jahren bietet eine unendliche Vielfalt an Erfahrungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel einander trösten, sich gegenseitig helfen, Rücksicht nehmen, sich einordnen können, Vorleben und Nachahmen, Verantwortung übernehmen usw. Diese Lernprozesse in der Gruppe sind entscheidend für die Zukunft, denn im Erwachsenenleben geht es ebenfalls darum, seiner Platz in der Gesellschaft zu finden und seine Persönlichkeit in eine Gruppe einzubringen. Gelingt dies, steht das eigene Leben auf einem sicheren Fundament.»
Spiel im Sandkasten, 1995.
 

DER UMBAU VON 1992

In der neueren Geschichte des Kinderheims Grünau bildet der von den Wädenswiler Architekten Hotz + Grau geplante Umbau von 1992, verbunden mit einer kompletten Aussensanierung, einen Markstein. Im seeseitig erweiterten Untergeschoss konnten Werkstatt und Wäscherei untergebracht werden; darüber liess sich im Erdgeschoss in moderner Ganzglasbaukonstruktion das Esszimmer erweitern. In den aufgestockten beiden Erkeranbauten an der Westfassade wurden zusätzliche Nasszellen eingerichtet. Die Baukosten bezifferten sich auf rund drei Millionen Franken, von denen der Kanton den grössten Teil übernahm.
 
Kreativität in der Küche, 1995.
 
Spannende Lektüre in der Freizeit.
 

DIE GRÜNAU HEUTE

In der Grünau leben gegenwärtig 12 Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren. Sie besuchen die öffentliche Schule mit ihren Sonderklassen oder absolvieren eine Lehre. Die Berufswahlschule des Bezirks Horgen und die Gruppenschule in Thalwil bieten weitere Schulungsmöglichkeiten für die Kinder in der Grünau. Aufnahme finden jene Knaben und Mädchen, die durch persönliche und/oder familiäre Schwierigkeiten in ihrem Verhalten Auffälligkeiten zeigen oder in ihrer Entwicklung gefährdet sind. Die Platzierungen erfolgen nach einem speziellen Aufnahmeverfahren in Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter oder Sozialarbeiterin des entsprechenden Jugendsekretariats und der Eltern. Während des Aufenthalts in der Grünau werden mit allen Beteiligten – Eltern, Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Therapeut/innen oder anderen wichtigen Bezugspersonen der Kinder – regelmässig Standortgespräche geführt. Ein gutes Verhältnis zu den Eltern unterstützt die positive Entwicklung des Kindes. In speziellen Situationen kann die Grünau die Eltern mit einer Prozessbegleitung durch eine ambulante Psychologin/Familientherapeutin unterstützen. Aus gruppendynamischen Gründen leben die Kinder in einer gemischten, altersgestreuten Gruppe mit familiären Strukturen. Die Betreuung erfolgt durch sozial-pädagogisch ausgebildetes Personal rund um die Uhr im Blocksystem. In einer Atmosphäre der Geborgenheit wird das Kind in seiner Persönlichkeit und Selbständigkeit, in seinen sozialen Beziehungen und im verantwortungsbewussten Handeln gefördert. Der Kontakt mit der Öffentlichkeit wird bewusst gesucht und eingesetzt und ist Bestandteil des Konzeptes. Der Besuch der öffentlichen Schule, Kontakte mit Schulkameraden/innen, mitmachen in verschiedenen Vereinen oder Gruppierungen gehören zum Alltagsleben in der Grünau. Denn oberstes Ziel ist und bleibt die Reintegration.
 




Peter Ziegler

PRÄSIDENTEN DES STIFTUNGSRATES

1971–1974 Dr. Dietrich Iselin, Wädenswil
1974–1985 Dr. Renato Ammann, Richterswil
1985–1996 Beat Weber, Au-Wädenswil
Seit 1996 Dr. Robert G. Briner, Wädenswil