100 Jahre St. Marien Wädenswil

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1995 von Fredy Fischli / Peter Ziegler
 
Die katholische Pfarrei St. Marien Wädenswil wird 1995 hundert Jahre alt. Die Umstände, die zu ihrer Gründung führten, müssen auf dem Hintergrund der damaligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation betrachtet werden.
Politische Umstände, wie zum Beispiel die Schaffung und Inkraftsetzung der Bundesverfassungen von 1848 und 1874, die den Bewohnerinnen und Bewohnern der Schweiz neue Rechte gaben, sind in diese Betrachtungen ebenso miteinzubeziehen wie die komplexen wirtschaftlichen Veränderungen, durch die neue Gewerbe- und Industriezweige entstanden. So führten die neugeschaffenen Arbeitsplätze und die durch die Bundesverfassung garantierte Niederlassungsfreiheit zu einer eigentlichen Wanderung der Bevölkerung. Die Gründung der Pfarrei vor hundert Jahren kann deshalb auch als eine Folge der Migration betrachtet werden.
Dieser Geschichte soll im Folgenden nachgegangen werden, indem die politischen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung der Schweiz aufgezeigt werden. Nach einem Abriss über die Situation der Schweiz im 19. Jahrhundert werden die Verhältnisse zwischen 1850 und 1900 in Wädenswil dargestellt, die zur Gründung der katholischen Pfarrei führten.

DIE SCHWEIZ IM 19. JAHRHUNDERT

Nach dem Ende der Napoleonischen Herrschaft in der Schweiz versammelten sich die Vertreter von zehn alten Kantonen und beschlossen die Gründung eines neuen Bundesvereins. Doch erst 1815 wurde ein Bundesvertrag unterzeichnet. Oberstes Organ war die Tagsatzung, allerdings mit nicht sehr grossem Einfluss. Einzelne Kantone, wie zum Beispiel Bern, Zürich, Luzern, erhielten zu ihren bisherigen Hoheitsrechten zusätzlich auch die Erlaubnis, Miltärkapitulationen und Verträge mit anderen Staaten sowie Sonderbündnisse untereinander abzuschliessen.
Nach den Sonderbundswirren, die 1847 mit einem Bürgerkrieg endeten, wurde eine neue Bundesverfassung erarbeitet und am 12. September 1848 von der Tagsatzung angenommen. Sie schuf die Bundesversammlung, bestehend aus National- und Ständerat, sowie den Bundesrat. Der Bund erhielt das Recht, über Krieg und Frieden, Bündnisse und Staatsverträge zu beschliessen. Er übte die Oberaufsicht über die militärische Ausbildung aus. Gleichzeitig wurden auch Grundlagen für einheitliche Masse und Gewichte sowie für ein gemeinsames Zoll-, Post- und Münzwesen geschaffen. An «lndividual- oder Freiheitsrechten» wurde die Pressefreiheit und Vereinsfreiheit institutionalisiert. Die Angehörigen der anerkannten christlichen Konfessionen erhielten Rechtsgleichheit, Niederlassungsfreiheit sowie Kultusfreiheit. Erst die Totalrevision der Bundesverfassung, in der Volksabstimmung vom 9. Juni 1874 mit grossem Mehr angenommen, brachte
- die allgemeine Handels- und Gewerbefreiheit,
- die allgemeine Niederlassungsfreiheit,
- die allgemeine Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Damit konnten alle Einwohnerinnen und Einwohner ihren Arbeits- und Wohnort den Möglichkeiten entsprechend wählen, wie sie Handel, Industrie und Gewerbe boten.
Die Industrielle Revolution, welche die Schweiz zwischen 1850 und 1900 stark veränderte, schuf viele Arbeitsplätze. Diese Entwicklung wurde einerseits durch die Strukturen und Erlasse des neuen Staates, andererseits durch die Maschinen und die Energie, die Unternehmer und das Kapital sowie die Arbeitskräfte mit ihren Mentalitäten und Ideen ermöglicht. Dank dem sich durchsetzenden Freihandel widerspiegelte der Aufschwung die internationale Konjunktur.
Die Industrielle Revolution prägte vor allem Textilverarbeitung, Maschinen- und Eisenbahnbau. Damit verbunden war auch ein Aufschwung im Baugewerbe, in der Nahrungsmittelbranche, im Bankensektor sowie im Tourismus.
Die Zahlen der Bevölkerungsentwicklung belegen die beschriebenen Veränderungen recht eindrücklich. Im Zeitraum zwischen 1850 und 1900 nahm die Bevölkerung in der Schweiz um 38,6 Prozent (922‘703) und im Kanton Zürich sogar um 71,9 Prozent (180‘338) zu.

Fabrikzählung 1895
Die 1895 durchgeführte Fabrikzählung ergibt insgesamt 4994 Fabrikbetriebe mit 200‘199 Beschäftigten. Verglichen mit dem Jahr 1888 bedeutet dies 24 Prozent mehr Betriebe (1218) und rund ein Viertel mehr Arbeiterinnen und Arbeiter.
Die in den Fabriken eingesetzte Motorkraft beläuft sich 1895 auf 145‘325 PS (106‘887 kW). Gegenüber dem Erhebungsjahr 1882 (59‘512 PS) hat sie sich mehr als verdoppelt.
Tuchfabrik Wädenswil, gegründet 1818.

WÄDENSWIL ZWISCHEN 1850 UND 1900

Auch in der ehemals bäuerlichen Gemeinde Wädenswil, in der allerdings Handel und Gewerbe seit dem Spätmittelalter eine wichtige Rolle spielten, lassen sich die beschriebenen Veränderungen feststellen. Die auf der Heimarbeit basierende Textilindustrie nahm im Verlaufe des 19. Jahrhunderts dank der Mechanisierung sprunghaft zu. Mit dem Bau der linksufrigen Seebahn (Eröffnung 1875) und der Wädenswil−Einsiedeln-Bahn (später Südostbahn, Eröffnung 1877) liessen sich günstige Voraussetzungen für die lndustrialisierung schaffen, indem die nötigen Rohstoffe herangeführt und Produkte verschickt werden konnten. Viele Betriebe fassten, wie die folgende Zusammenstellung zeigt, in Wädenswil Fuss. Die Firmen sind in chronologischer Folge aufgeführt (ohne Berücksichtigung des Firmennamens oder der Gesellschaftsform).
 
Firmengründungen in Wädenswil
            Pfenniger & Co. AG, Tuchfabrik
            Sträuli AG, Seifenfabrik
1838    Blattmann Metallwarenfabrik Wädenswil
1857    RW Reinigungs AG, Färberei und Chemische Reinigung
1867    Hauser Farben AG
1868    Wellinger & Co., Strumpfwarenfabrik
1879    Heinrich Rusterholz, Speisefettwerk
1890    Max Rütter, Corset- und Schlüpferfabrik
Blattmann+Co. AG, Stärkefabrik, gegründet 1856.

Ein wichtiger Grund, der zur Ansiedlung von Unternehmungen in Wädenswil führte, bestand darin, dass die für Gewerbe-und Industriebetriebe nötige Energie in verschiedenen Formen zur Genüge vorhanden war. Vor allem vier Gewässer dienten zu Beginn der Industrialisierung als Energielieferanten.
Oberhalb der heutigen N3 trieb der Aabach die Maschinen der Spinnerei Bachgaden und die Aamühle. Das Wasser des Tiefenhofweihers (oberhalb der Fabrikliegenschaft Blattmann + Co. AG an der Seestrasse) versorgte eine Sägerei mit Ölmühle im Tiefenhof.
Das Wasser des Krähbachs und des Sagenbachs, wie er in seinem Unterlauf heisst, lieferte den folgenden Betrieben die Energie:
- Schlauchweberei Rebmann (später Ehrsam AG)
- Seidenweberei Gessner
- Wolltuchfabrik der Gebrüder Walter und Jakob Treichler
- Sägerei am Sagenrain (mit eigenem Weiher)
Das Wasser des Reidbaches − sein Unterlauf heisst Giessbach − hatte am meisten Unternehmen mit Wasserkraft zu versorgen:
- Eichmühle
- Spinnerei im Eichtal
- Wolltuchfabrik Fleckenstein-Schulthess (Tuchfabrik Wädenswil AG, heute TUWAG)
- Giessenmühle
- Spinnerei Blattmann, Diezinger, später Billeter im Giessen
- Rotfärberei Rhyner & Blattmann im Giessen
- Tuchfabrik Pfenniger auf dem Giessenhorn
 
Die Wasserkraft wurde allmählich durch neue Energielieferanten abgelöst: Dampfkraft, Gas und Elektrizität. Ab 1850 stellten viele Firmen auf Dampf um. Als Folge davon wurden Kesselhäuser und Hochkamine gebaut.
Gewässer
1 Aabach, 2 Tiefenhofweiher, 3 Kräh-/Sagenbach, 4 Reidbach

Dampfanlagen in Wädenswil
1859  Rensch & Hauser im Giessen, Vorläufer der Firma Pfenniger (Hochkamin 1902 abgetragen)
1874 Brauerei Wädenswil (SuIzer-Dampfmaschine mit 10 PS, entspricht rund 7,4 kW)
1882 Gessner & Co. AG
1885 Tuchfabrik Fleckenstein-Schulthess
1893 Stärkefabrik Blattmann & Co. AG
1906 Pfenniger & Co. AG

Die Anregung zur Schaffung eines Gaswerkes ging vom hiesigen Seidenindustriellen Zinggeler-Huber aus. Der Wädenswiler Nationalrat Walther Hauser, der spätere Bundesrat, nahm den Gedanken auf und warb im Kreis des Männerturnvereins für das Projekt. 1873 wurde die private Gasbeleuchtungsgesellschaft Wädenswil gegründet. Am 13. September 1874 konnte das neu ersteilte Gaswerk an der Eintrachtstrasse eröffnet werden. Im ersten Betriebsjahr bezogen 76 Kunden Gas. Auch die Strassenbeleuchtung mit 72 Lampen wurde auf Gas umgestellt. Das Gaswerk ging 1908 an die Gemeinde über und wurde im Dezember 1926, nach dem Anschluss von Wädenswil an das Gaswerk Schlieren, abgebrochen.
Auslöser für den Bau des ersten Elektrizitätswerkes in der Region war die Kohlenkrise im Jahre 1889. Verschiedene Betriebe, deren Produktion von der Dampfkraft abhängig war, bekamen ihre Auswirkung zu spüren. Die beiden Industriellen Walter und Jakob Treichler, Inhaber der Wolltuchfabrik am Sagenbach, die an der Weltausstellung in Paris das Prinzip der elektrischen Kraftübertragung studiert hatten, planten mit Hilfe des in Wädenswil ansässigen Ingenieurs und Professors für angewandte Elektrotechnik an der ETH, Walter Wyssling, den Bau des Kraftwerkes Waldhalde auf dem Gebiet der Gemeinde Schönenberg. 1892 bewilligte der Regierungsrat den Bau
- eines Wehrs in der Sihl bei Hütten,
- eines Stollens, mit dem das gestaute Wasser in den neu angelegten Tiefenbachweiher geleitet wurde,
- einer Druckleitung und
- eines Maschinenhauses an der Waldhalde.
Am 11. November 1895 nahm das Elektrizitätswerk seinen Betrieb auf. Am 24. November brannten im Eidmattschulhaus, im Florhof, im Engel, bei Professor Wyssling und in einigen anderen Wohn- und Geschäftshäusern die ersten elektrischen Lampen. 1896 wurde die Strassenbeleuchtung elektrifiziert. Kurz nach der Betriebsaufnahme lieferte das Werk den Strom für 58 Motoren mit zusammen 862 PS (rund 634 kW). Als im Jahre 1908 die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich gegründet wurden, übernahmen sie das Werk Waldhalde.
Neben der Energiefrage war auch die Versorgung der Gemeinde mit Wasser wichtig. Da beinahe die Hälfte aller Brunnen und Sodbrunnen im Dorf verunreinigtes Wasser lieferten, stellte sich seit den 1860er Jahren die Frage, wie das wachsende Wädenswil mit Quellwasser versorgt werden konnte. 1872 beschloss die Sparkassagesellschaft, mit einem Kredit von 2 000 Franken ein «Unternehmen für die Versorgung des Dorfes mit Trinkwasser» zu gründen.
Ein zugezogener Ingenieur riet, die im Gemeindegebiet Richterswil gelegenen Mülenen-Quellen zu erwerben. 1876 waren die Kaufverträge unterzeichnet, und auf Jahresende konstituierte sich eine Aktiengesellschaft. In Mülenen wurde eine Quellfassung und ein Pumpenhaus gebaut, im Dorf entstand ein Leitungsnetz, und auf dem Bühl ob Wädenswil wurden zwei Reservoire errichtet, die zusammen 328 Kubikmeter Überschusswasser speichern konnten. Am 1. Februar 1878 nahm die «Quellwasserversorgungs-Gesellschaft Wädensweil» ihren Betrieb auf. 1880 wurde auch Richterswil ans Wädenswiler Pumpwerk angeschlossen. Die Zahl der Bezüger stieg rasch: 1878 waren es 212 Abonnenten, darunter 5 Gewerbebetriebe, 1897 bereits deren 432.
Die «Quellwasserversorgungs-Gesellschaft» versah immer mehr öffentliche Aufgaben, so dass sich die Politische Gemeinde Wädenswil entschloss, die Rechte und Pflichten der Aktiengesellschaft auf den 1. Januar 1901 zu übernehmen.
Die Expansion der Industrie und des Gewerbes in Wädenswil führte zu einer starken Zunahme der Bevölkerung der Gemeinde. Dank der seit 1836 regelmässig durchgeführten Eidgenössischen Volkszählungen lässt sich diese Entwicklung zahlenmässig gut belegen.
Die Zahlen zeigen, dass die Bevölkerung Wädenswils zwischen 1850 und 1900 um rund 30 Prozent, das heisst um 1748 Personen, zunahm. Im gleichen Zeitraum stieg der Ausländeranteil von 2,6 Prozent auf 11,4 Prozent. Dieses Bevölkerungswachstum löste in Wädenswil eine massive Bautätigkeit aus. Innerhalb von 40 Jahren nahm die Zahl der Haushaltungen um 817 (rund 63 Prozent) und die der Häuser um 206 (rund 27 Prozent) zu.
Bauten in Wädenswil 1874 bis 1900.

Viele Gebäude, vom Historismus oder Jugendstil geprägt, erinnern noch heute an diese bauliche Entwicklung. In der folgenden Zusammenstellung sind die wichtigsten Bauten, die zwischen 1874 und 1900 errichtet wurden, aufgeführt. Auffallend ist die grosse Zahl der Fabrik-, Gewerbe- und Wohnbauten.

Bauten für öffentliche Zwecke
1874/75  Bahnhof und Güterschuppen der Nordostbahn
1886 Krankenasyl, Schönenbergstrasse 49
1889/90 Neues Eidmattschulhaus
1896 Postgebäude, Seestrasse 105
1896/97 Katholische Kirche
1897 Katholisches Pfarrhaus
   
Geschäftshäuser, Gasthäuser
1877 Saalanbau des Hotels Engel
1878 Wohn- und Geschäftshaus Eintrachtstrasse 5
  Wohn- und Geschäftshaus Florhofstrasse 7
1884 Wohn- und Geschäftshaus Eintrachtstrasse 7
  Geschäftshaus Gerbestrasse 4
  Wohn- und Geschäftshaus Gerbestrasse 1
  Wohn- und Geschäftshaus Zugerstrasse 24
1898 Wohn- und Geschäftshaus Seestrasse 65
  Wohn- und Geschäftshaus «Linde», Zugerstrasse 18
1900/01  Restaurant «Löwen», Schönenbergstrasse 25 (seit 1919 «Volkshaus»)
   
Krankenasyl, 1886.

Rosenbergstrasse 6, 1898.

Industrieliegenschaften
1874 Gaswerk an der Eintrachtstrasse (1926 abgerissen, heute öffentlicher Parkplatz)
1875 Brauereigebäude mit Dampfkesselhaus und Hochkamin. Einsiedlerstrasse 13
1882 Erster Fabrikbau der Seidenweberei Gessner im Neuwiesenquartier
1885 Dampfkesselhaus und Wollwäschereigebäude der Tuchfabrik an der Einsiedlerstrasse
1888 Fabrikerweiterung der Stärkefabrik Blattmann an der Seestrasse
1889 Erweiterungsbau der Seidenweberei Gessner längs der Stegstrasse
1890 Erste Shedbauten der Tuchfabrik an der Einsiedlerstrasse
1894 Fabrikgebäude der Tuchfabrik, Einsiedlerstrasse 30
   Fabrikgebäude der Tuchfabrik Pfenninger & Cie AG, Seestrasse 28
1898 Erste Shedbauten der Seidenweberei Gessner
   
Villen
1880 Villa Flora, Floraweg 9
1882/83  Villa Fleckenstein, Einsiedlerstrasse 24
1895 Villa der Brauerei Weber, Einsiedlerstrasse 9
1898/99 Villa Rosenmatt (seit 1940 Kirchgemeindehaus)
1899 Villa Abendstern, Bürglistrasse 3
Postgebäude, 1896.

Wohnbauten
1874/76  Arbeiterwohnhäuser Giessen 1,2, 3, 4 und 5
1877 Häuser Florhofstrasse 12 und 14
1878 Wohnhaus «zum Trübli», Trubengass 12
  Wohnhaus Türgass 8
1879 Wohnhaus «Morgensonne», Seestrasse 57
1886 Wohnhaus «Rosenau», Zugerstrasse 47
1890 Wohnhaus Eintrachtstrasse 12
1891 Wohnhaus Stegstrasse 4
1893 Arbeiterwohnhäuser der Brauerei, Meierhofstrasse 23 und 25
1894 Wohnhaus Floraweg 4
  Wohnhaus mit Werkstätte Stegstrasse 15
  Wohnhaus Luftstrasse 14
  Wohnhaus Zugerstrasse 5
1894/95 Wohnhäuser «Freudenberg»: der Molkereigenossenschaft, Schönenbergstrasse 28
1894/96 Arbeitersiedlung der Seidenweberei Gessner an der Glärnischstrasse
1895 Haus Gerbestrasse 10
  Wohnhaus mit Werkstattgebäude Stegstrasse 1
1896 Mehrfamilienhaus «Schwanau», Seestrasse 148
1897 Wohnhaus Rosenbergstrasse 11
  Wohnhaus Stegstrasse 17
1898-1900 Zeilenbebauung Neudorfstrasse 10, 12, 14, 16, 18
1898 Wohnhaus Oberdorfstrasse 26
  Wohnhaus Rosenbergstrasse 6
  Wohnhaus Seestrasse 187
1899 Mehrfamilienhaus Kreuzstrasse 3
1900 Wohnhaus Rebbergstrasse 8
   
Die Landwirtschaft spielte für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln eine wichtige Rolle in Wädenswil. Neben etwas Ackerbau herrschten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem Obstbau − unter anderem zur Mostherstellung − Weinbau und Käseproduktion vor. Um 1850 wurde die Gras- und Weidenutzung immer mehr durch systematische Bodenbearbeitung und Tierpflege ersetzt. Viehmärkte, -ausstellungen und -prämierungen halfen mit, die Viehzucht weiterzuentwickeln. Ab 1880 begann der Import von Frischfleisch, von Meerfischen und ausländischem Fett die einheimische Viehzucht zu konkurrenzieren. Weinimport, Kunstweine, Reblaus und Mehltau liessen den Rebbau innerhalb zweier Jahrzehnte zusammenschrumpfen. Das Rebareal in der Gemeinde, 1884 noch 160 Jucharten (57,6 Hektaren), ging 1908 auf 48 Jucharten und bis 1910 auf 36 Jucharten (rund 13 Hektaren) zurück.
Preise und Löhne vermitteln einen interessanten Einblick in das Leben vor 100 Jahren. Die Preise von Lebensmitteln, Bekleidung und weiteren Artikeln des täglichen Lebens stammen aus Inseraten des «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee» aus dem Jahre 1895.

Dank den Untersuchungen von Erich Gruner und Hansjörg Siegenthaler können die schweizerischen Durchschnittslöhne 1895 den angegebenen Preisen gegenübergestellt werden.

EINE KATHOLISCHE PFARREI IN WÄDENSWIL

Nachdem im Jahre 1525 in Zürich die Reformation durchgeführt worden war, gab es im ganzen Kanton während Jahrhunderten praktisch keine Katholiken mehr. Die durch die Bundesverfassungen von 1848 und 1874 garantierte Niederlassungs- und Kultusfreiheit führte zu einer langsamen Durchmischung ehemals katholischer Kantone mit evangelischen Christen und umgekehrt. In den Zürcher Gemeinden liessen sich nach und nach Katholiken aus den Urkantonen und aus dem Ausland nieder, die als Arbeitskräfte in der aufstrebenden Industrie, im Dienstleistungsgewerbe und in der Landwirtschaft sehr gesucht waren.
Auch Wädenswil verzeichnete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen entsprechenden Zuwachs. Während 1850 von den 5841 Einwohnerinnen und Einwohnern erst 178 (3 Prozent) katholisch waren, stieg ihre Zahl in den nächsten Jahren stark an. 1880 machten sie bereits 6,7 Prozent aus. 1900 gehörten bei einer Gesamtbevölkerung von 7589 Personen 1259 (16,6 Prozent) dem katholischen Glauben an.
Die detaillierte Auswertung der im Stadtarchiv vorhandenen Angaben über die Katholiken in der Volkszählung von 1888 ergibt folgendes Bild:
Entgegen der in der Tabelle unten angegebenen Zahl (546) sind nur 512 Personen mit Namen erfasst. 337 davon besitzen das schweizerische Bürgerrecht, 175 sind Ausländer. Die wichtigsten Herkunftsländer sind
- Deutschland (89)
- Österreich (44)
- Italien (28)
Die Herkunftsorte der italienischen Staatsangehörigen, die zwischen 1866 und 1906 als niedergelassene Ausländer registriert wurden, sind in der folgenden Karte dargestellt. Dabei lassen sich zwei interessante Feststellungen machen:
Die erste Welle der Einwanderer aus Italien in die Schweiz und schliesslich nach Wädenswil kam aus Norditalien, und zwar aus Orten, die relativ nahe an der Schweizer Grenze liegen.
Die Einwanderung erfolgte meistens durch einzelne Angehörige einer Familie, wobei auch Verwandte oder Freunde der Familie aus dem gleichen Ort oder aus Nachbardörfern emigrierten.
Städte: Herkunftsorte:
1 Milano 4 Vicenza 7 Arona 10 Albiolo 13 Thiene 16 Ponte Dell' Alpi
2 Bergamo 5 Venezia 8 Gavirate 11 Monza 14 Lamon 17 Appiano
3 Verona 6 Bolzano 9 Rodero 12 Schio 15 Mel 18 S. Vigilio
Die folgende Zusammenstellung zeigt die wichtigsten Herkunftskantone der 1888 in Wädenswil ansässigen Katholiken mit Schweizer Bürgerrecht:
Schwyz (100)
Aargau (39)
Luzern (32)
St. Gallen (22)
Zug (16)
Dieser von Jahr zu Jahr wachsende katholische Bevölkerungsteil Wädenswils wollte sich auch seelsorgerisch betreut wissen: Gemeinsame Gottesdienste, Taufen, Erstkommunion-Feiern, Hochzeiten, aber auch ein katholisches Begräbnis sollten wieder in der Wohngemeinde möglich werden.
Nachdem der aus Italien stammende Baumeister Johann Cavallasca dieses Anliegen dem katholischen Pfarrer Konrad Dominikus Bossard (1835–1886) aus Horgen vorgetragen hatte, erklärte sich der Seelsorger an der Pfarreiversammlung vom 19. Juni 1881 bereit, jeden Sonntag die Messe in Wädenswil zu lesen und am Samstagabend Religionsunterricht zu erteilen. Drei Bedingungen mussten allerdings erfüllt sein:
- Die Gläubigen hatten die Miete für ein geeignetes Gottesdienstlokal,
- die Kosten für einen Notaltar und
- die Bahnspesen des Geistlichen aufzubringen.
Nach einem Aufruf von J. Cavallasca verpflichteten sich 53 von den rund 60 anwesenden Personen zu einer Spende. Die eingegangene Summe betrug 342 Franken, womit die Kosten für das erste Jahr bereits gedeckt waren. Die Dorfschulpflege stellte das Kleinkinderzimmer im Schulhaus Eidmatt als Gottesdienstlokal zur Verfügung. Dort wurde am 6. November 1881 der erste Frühgottesdienst gefeiert.
Mit steigender Zahl der Katholiken wurde der Platz im Schulhaus zu knapp, so dass ab 1884 Geld für den Kauf einer eigenen Liegenschaft gesammelt wurde. Die Verhältnisse waren bescheiden, die Finanzen entsprechend knapp. Doch dank der Opferfreudigkeit der Bevölkerung konnte laufend etwas Geld auf die Seite gelegt werden. Die Jahresrechnung von 1884 weist die folgenden Zahlen auf:
Ausgaben Fr. 174.65
Einnahmen Fr. 349.90
Überschuss Fr. 175.15
Vermögen Fr. 602.95
Die Suche nach einem Bauplatz oder einer Liegenschaft war im Sommer 1888 erfolgreich. Zimmermeister Jakob Bachmann verkaufte sein Wohnhaus mit Zinnenanbau, Waschhaus, Ladenschopf, Stall, Remisengebäude und 2435 Quadratmeter Land in der Eidmatt für 50‘000 Franken. Zu diesem Zweck wurde eine «Collectif-Gesellschaft» gegründet, die als Käuferin auftreten sollte. Sie bestand aus den Herren Johann Cavallasca und Dr. med. Carl Kälin aus Wädenswil, Konrad Wolz aus Richterswil, Hochwürden Herren Dekan Johann Severin Pfister, Pfarrer in Winterthur, und Josef Furger, Pfarrer in Horgen, sowie den Herren Nationalrat Nicolaus Benziger von Einsiedeln und Dr. med. Melchior Zürcher-Deschwanden aus Zug. Der Vertrag wurde am 23. August 1888 von Jakob Bachmann und Johann Cavallasca unterzeichnet und am 22. Oktober auf dem Notariat beglaubigt.
Kaufvertrag mit Zimmermeister Jacob Bachmann.

Die in der Ostecke des heutigen Rosenmattparks gelegene Liegenschaft war für den Bau einer Kirche vorgesehen. Da allerdings die nötigen Geldmittel noch fehlten, konnte der Bau nicht sofort verwirklicht werden. Ein Teil des Wohnhauses wurde deshalb zu einer Notkapelle für etwa 200 Personen ausgebaut. Die Kosten dafür beliefen sich auf 41‘14.27 Franken.
Die Mitglieder der «Collectif-Gesellschaft» trafen sich 1888 zu drei weiteren Sitzungen. Aus den handschriftlich geführten Protokollen von Dr. Kälin ist ersichtlich, dass zuerst für die Gesellschaft eine verbindliche Rechtsform erarbeitet wurde. Der erste Statuten-Entwurf sah einen «Verein für den Bau einer röm.-kath. Kirche in Wädensweil» vor. Als weitere Möglichkeit wurde die Gründung einer «Actiengesellschaft Kirchen-Comité Wädensweil» erwogen. Alle diese Versuche führten erst 1890 zur definitiven Gründung des «Kirchenbau-Vereins Wädensweil».
Liegenschaft Baumann an der Eidmattstrasse.

Auszug aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 1. April 1890
1890. 26. März. Unter dem Namen Kirchenbau-Verein Wädensweil hat sich am 19. März 1890 auf unbestimmte Zeitdauer ein Verein gebildet, dessen Sitz und Gerichtsstand in Einsiedeln ist und der bezweckt, in Wädensweil eine römisch-katholische Kirche und ein Pfarrhaus zu erbauen und zu unterhalten. Als Vereinsmitglied findet jede römisch-katholische Person Aufnahme, welche sich hierfür anmeldet und mindestens 20 Fr. auf einmal oder je 5 Fr. in fünf Jahresraten für den Vereinszweck beisteuert. Die Leitung des Vereins und seiner Geschäfte, sowie dessen Vertretung gegenüber Dritten besorgt ein Komite von sieben Mitgliedern, welches unter sich den Präsidenten, den Vize-Präsidenten, den Kassier und den Sekretär des Vereins wählt und bei Todesfall oder Austritt eines Mitglieds des Komite von sich aus dieses aus den andern Vereinsmitgliedern ergänzt. Die Oberaufsicht über die Rechnungen und die zweckmässige Verwendung des Besitzthums des Vereins steht dem zuständigen bischöflichen Ordinariate zu. Für die Verbindlichkeiten des Vereins haftet nur das Vereinsvermögen...

Mitglieder der «Collectif-Gesellschaft»
Dekan Johann Severin Pfister (1829–1909), Pfarrer in Winterthur; Präsident
Johann Severin Pfister wirkte zuerst als Pfarrer in Jona/SG und wurde 1871 an die Kirche St. Peter und Paul in Winterthur gewählt. Die kirchlichen Behörden ehrten sein Wirken durch die Ernennung zum ersten bischöflichen Kommissar im Kanton Zürich (1876), zum Dekan des Priesterkapitels Zürich und zum Domherrn der Kathedrale Chur (1892).1887/88 hatte er massgeblich an der Renovation der Kirche St. Peter und Paul in Winterthur mitgewirkt und dort eng mit dem kunstverständigen Einsiedler Pater Albert Kuhn zusammengearbeitet. Die dabei gemachten Erfahrungen und Beziehungen brachte er im Wädenswiler Gremium ein. 1901 trat Dekan Pfister vom Pfarramt zurück. Er starb 1909 in Lachen.
 
Dr. med. Carl Kälin-Schindler (1858–1900), Wädenswil, Aktuar
Carl Kälin, Bürger von Einsiedeln, war der einzige Sohn des Bezirksammanns Dr. Kälin, der 1876 bei der Probefahrt der Wädenswil−Einsiedeln-Bahn tödlich verunglückte. Seit 1887 praktizierte der mit Magdalena Schindler verheiratete Carl Kälin in Wädenswil. Wegen seines offenen und freundlichen Wesens war er allseits sehr beliebt. Kälin war Präsident der Gesundheitskommission, Mitglied des Waisenamtes und seit 1888 Gemeinderat. Er starb am 2. September 1900 an den Folgen einer Krankheit.
 
Josef Furger (1860–1929), Pfarrer in Horgen, Quästor
Josef Furger, Nachfolger des 1886 krankheitshalber zurückgetretenen Pfarrers Bossard, war als Pfarrer der Kirchgemeinde von Horgen, zu der auch die Gemeinden Hirzel, Oberrieden, WädenswiI und Schönenberg gehörten, mit den Verhältnissen in Wädenswil bestens vertraut. Er wirkte als Quästor im Komitee mit und trat nach der Ablösung der Pfarrei Wädenswil von Horgen 1895 aus dem Komitee zurück.
 
Nationalrat Nicolaus Benziger (1830–1909), Einsiedeln, Beisitzer
Nicolaus Benziger war Buchdrucker und Verlagsbuchhändler in Einsiedeln. Seine politische Tätigkeit begann er im Bezirksrat, dann wurde er Regierungsrat und schliesslich Nationalrat. Da Wädenswil auch durch Patres aus dem Kloster Einsiedeln seelsorgerisch betreut wurde, nahm Nationalrat Benziger Einsitz im Kirchenbau-Komitee.
 
Johann Cavallasca (1831–1897), Wädenswil, Beisitzer
Johann Cavallasca entstammte einer Baumeisterfamilie aus Rodero in Italien. Als Auswanderer betrieben die Gebrüder Cavallasca 1870 in Baar ein Baugeschäft, das auf die Lieferung und das Verlegen von Zementröhren spezialisiert war. Spätestens 1877 war Cavallasca in Wädenswil ansässig, denn im Oktober dieses Jahres übertrug ihm die neugegründete «Quellwasserversorgungs-Gesellschaft Wädensweil» den Bau des Reservoirs Bühl. Im Jahresbericht wurde seine Arbeit gelobt: «Die Arbeiten begannen sofort und wurden von dem Unternehmer sehr rasch und auf eine Weise durchgeführt, dass die während der Baute eingetretene kältere Jahreszeit keine Störungen verursachte und die beiden Reservoir-Abteilungen schon in den letzten Tagen des Novembers soweit fertig waren, dass sie auf den 3. November gefüllt werden konnten.»
Johann CavalIasca, verheiratet mit Sophie Kegreis und wohnhaft im «Giessenegg», nahm 1881 mit Pfarrer Bossard in Horgen wegen des katholischen Gottesdienstes in Wädenswil Verbindung auf. An der am 19. Juni 1881 abgehaltenen Versammlung der Katholiken wurde er zum Präsidenten der katholischen Genossenschaft gewählt. Im Komitee wirkte er vor allem als Berater in Baufragen. 1894 legte er auch erste Grundrisse für eine Kirche vor. Amt und berufliche Tätigkeit wusste er klar zu trennen. So war sein Baugeschäft weder beim Kirchen- noch beim Pfarrhausbau direkt beteiligt. Cavallasca starb am 18. Januar 1897 nach kurzem Leiden im 66. Altersjahr.
 
Konrad Wolz (1835–1901), Richterswil, Beisitzer
Der 1835 geborene Konrad Wolz stammte ursprünglich aus Würzburg und war seit 1874 Inhaber einer kleinen Brauerei in Richterswil. 1881 nahmen ihn die Richterswiler ins Bürgerrecht der Gemeinde auf. Als Vertreter der Richterswiler Katholiken, die nach Wädenswil kirchgenössig waren, nahm er ab 1888 deren Interessen im Komitee wahr.
 
Dr. med. Melchior Zürcher-Deschwanden (1821–1902), Zug, Beisitzer
Der in Zug ansässige Arzt und Erziehungsrat war Initiant und Förderer des Vereins für die Inländische Mission. Mit deren Gründung versuchte er die Not der katholischen Seelsorge im Kanton Zürich zu lindern, indem Missionsstationen errichtet wurden. Als Präsident der Inländischen Mission gehörte er dem Komitee an. Er starb 1902 im Alter von 81 Jahren.
 
In den folgenden Jahren kam das Komitee zu jeweils zwei bis drei Sitzungen pro Jahr zusammen, wobei 1891 und 1893 keine Sitzungen stattfanden. Dabei beschäftigte man sich vor allem mit drei Problemkreisen:
- Sicherstellung der seelsorgerischen Betreuung der immer grösser werdenden Gemeinde
- Sammeln von Geldmitteln für den Bau einer Kirche
- Bau der Kirche
Nachdem Pfarrer Bossard aus Horgen 1886 krankheitshalber von seinem Amt zurücktreten musste und bald darauf starb, übernahm Kaplan Schuler von Wollerau die Seelsorge in Wädenswil. Eine Zeitlang versahen auch Patres aus dem Kloster Einsiedeln diesen Dienst, bis der neue Pfarrer in Horgen, Josef Furger, seine Stelle antrat. Im Herbst 1892 erhielt die Missionsstation Wädenswil als Vikariat von Horgen den ersten eigenen Seelsorger, Vikar Josef Schnöll aus Bayern, der bis 1895 im Amt blieb.
In den Jahren 1888 bis 1900 nahm die katholische Bevölkerung in Wädenswil von 546 auf 1259 zu.
In Anbetracht der wachsenden katholischen Bevölkerung wurde in der Sitzung des Kirchenbauvereins Wädenswil vom 6. November 1894 die Abtrennung von der Pfarrei Horgen besprochen. Das Sitzungsprotokoll hält dazu folgendes fest:
« ... Weiter kommt in Frage die Abtrennung der Filiale Wädensweil von der Pfarrei Horgen. Hrn. Pernsteiner, der Pfarrer ist & zudem den Rang eines Canonikus hat, ist die Versicherung gegeben worden, Alles zu versuchen, das hiesige Vikariat zu einer Pfarrei zu erheben, um dadurch nicht nur der Rangstufe des Candidaten zu genügen, sondern ihm eine gewisse Unabhängigkeit zu verschaffen, die durch den Kirchenbau durchaus geboten ist..»
Kommentar zur Tabelle
Die schwarzen Balken zeigen in Prozenten die Schichtung der Bevölkerung des Kantons Zürich bezogen auf die Altersgruppen «0-4», «5-9» Jahre usw., die gerasterten die katholische Bevölkerung von Wädenswil. Es fällt auf, dass vor allem das Segment der im Berufsleben stehenden katholischen Bevölkerung (15-44-jährige) überdurchschnittlich stark vertreten ist. Dies ist auf die starke Zuwanderung von Arbeitskräften zurückzuführen,
 
Das Protokoll der nächsten Sitzung vom 22. Januar 1895 erwähnt, dass Kanonikus Pernsteiner vom Bischof zum Pfarrer ernannt worden war. Die Missionsstation Wädenswil konnte dadurch von der Pfarrei Horgen abgetrennt werden: Wädenswil bildete − wie vor der Reformation − wieder eine selbständige katholische Pfarrei.
Die Beschaffung von Geldmitteln zum Bau einer Kirche beschäftigte das Komitee von allem Anfang an. In der 5. Sitzung vom 17. Juni 1889 wurde beschlossen, einen «Sammelaufruf» in den folgenden vier Zeitungen erscheinen zu lassen:
- «Vaterland»
- «Kirchenzeitung»
- «Basler Volkszeitung»
- «Ostschweiz»
In einem typographisch schön gestalteten Aufruf, der mit einer Abbildung von Wädenswil illustriert war, wurden unter dem Titel «Aufruf um Beiträge zum Bau einer katholischen Kirche in Wädensweil (Kt. Zürich)» die «theueren Brüder» über die Vorgeschichte informiert. Anschliessend bat man um die finanzielle Unterstützung des Vorhabens:
« ... Doch, geliebte Christen! nimmer hätte das Comité gewagt, ein solches Werk an die Hand zu nehmen, wenn es nicht vom Gedanken an Euere Liebe und Euren Opfersinn dazu ermuthigt und begeistert worden wäre. Unsere Katholiken, an deren Stelle wir dieses Bittgesuch an Euch richten, thun wohl ihr Möglichstes; seit Jahren bestreiten sie mit ihren Scherflein die Bedürfnisse des Gottesdienstes, aber es ist ihnen auch beim besten Willen unmöglich, das wichtige Unternehmen durchzuführen. Es sind nicht die Reichen und Angesehenen, die sich zu unseren Kirchgenosscn zählen, sondern durchgängig arme und vor der Welt geringe Leute, Dienstboten, Taglöhner und sonstige Arbeiter, die mit des Tages Mühen und Sorgen kämpfend, auch beim besten Willen nicht im Stande sind, grosse Opfer zu bringen. Und doch brauchen wir grosse Opfer.
Sollten wir deshalb die Hände muthlos sinken lassen? Sollte das Unternehmen scheitern, das so nothwendig ist für die gedeihliche Fortentwicklung des religiösen Lebens unserer Glaubensgenossen? Nie und nimmer! Wir rechnen mit aller Zuversicht auf die katholische Zusammengehörigkeit, auf die katholische Glaubenstreue und den katholischen Opfermuth. Wir richten unseren Bittruf an die Glaubensgenossen der ganzen Schweiz und dies umso zuversichtlicher, da unsere Glaubensbrüder in Wädensweil und Richtersweil aus Niedergelassenen der verschiedensten Kantone bestehen .... »
Der gleiche Aufruf erschien auch in der Westschweiz auf Französisch: «Appel à la charité publique pour la construction d'une église à Wädensweil, canton de Zurich». Aus Spendenbüchern, Banksparheften und Rechenschaftsberichten ist ersichtlich, dass diese Aufrufe und Bettelpredigten Erfolg hatten. Aus Wädenswil und den umliegenden Gemeinden, aber auch aus der ganzen Schweiz gingen Spenden ein. Im Januar 1890 erschien ein zweites Inserat in der Zeitung «Vaterland» als Rechenschaftsbericht über die Sammeltätigkeit ausserhalb der Pfarrgemeinde. Während eines halben Jahres kamen die folgenden Beiträge zusammen. Die für die heutige Zeit klein anmutenden Einzelbeträge sind zu den Preisen und Löhnen von damals in Beziehung zu setzen:
Übertrag Fr. 1369.07
Winterthur (verschiedene Spenden) Fr. 200.--
S.H., Luzern Fr. 20.--
Lütisburg SG Fr. 10.--
Pfarramt Haslen AI Fr. 34.--
Pfarramt Mols SG    
- Kirchenopfer und Gaben Fr. 32.--
- Ungenannt von Murg Fr. 20.--
Diessenhofen TG Fr. 60.--
Einsiedeln SZ Fr. 100.--
Obermupf AG Fr. 50.--
Schönholzerswilen TG Fr. 10.--
Netstal GL Fr. 15.--
Pfarramt Basadingen SH Fr. 30.--
St. Gallen, Pfarrei St. Georgen Fr. 5.--
Total Fr. 1955.07
     
Gleichzeitig verzeichnete das Spendenbuch der Pfarrei im zweiten Halbjahr 1889 die folgenden Eingänge:

Juli Fr. 772.50
August Fr. 2173.45
September Fr. 3510.25
Oktober Fr. 149.50
November Fr. 616.60
Dezember Fr. 1047.35

Die Rechnung führte Pfarrer Furger. In der 9. Sitzung des Komitees vom 29. Februar 1892 wurde sie für die Jahre 1889 bis 1891 abgenommen. Den Einnahmen von 59‘855.34 Franken standen Ausgaben von 59‘649.87 Franken gegenüber. Daraus ergab sich ein Überschuss von 205.47 Franken.




Ausschnitt Spendenbuch, Juli 1889.

BAU DER KIRCHE UND DES PFARRHAUSES

Als wichtigstes Geschäft behandelt das Komitee in seiner 14. Sitzung vom 6. November 1894 den Kirchenbau. Man war sich einig, dass die neue Kirche Maria geweiht werden sollte. Uneinig war man sich in der Frage bezüglich der Grösse der Kirche. Die Vorschläge reichten von 50 über 600 bis zu 700 Sitzplätzen. Vor allem wollte man eine Kirche bauen, die auch in den kommenden Jahren genügend gros sein sollte. Das Protokoll vermerkte dazu « ... aber der Nachweis lässt sich doch erbringen, dass eine Kirche mit 600 Sitzplätzen auf 100 Jahre hinaus genügt ... »
Da man sich über den Baustil und die Wahl der Architekten nicht einigen konnte, wurde beschlossen, Pater Albert Kuhn aus dem Kloster Einsiedeln als Experten beizuziehen.
In der nächsten Sitzung stellte man fest, dass neben dem Bauplatz 30‘000 Franken an Barvermögen vorhanden waren. Da dies für den Bau einer Kirche allerdings nicht reichte, wollte man den neuen Pfarrer von Wädenswil überzeugen, mit Bettelpredigte die fehlenden Finanzen zusammenzubringen. Kanonikus Pernsteiner erklärte, dass er dazu nicht imstande sei. Er versprach, der Pfarrei 10‘000 Franken zu schenken, die bis zu seinem Lebensende mit 2 Prozent zu verzinsen wären. Ausserdem stellte er in Aussicht, weitere 5000 Franken im Bündnerland auftreiben zu können. Zusätzliche 5000 Franken hoffte man während des Baus als Spenden zu erhalten, so dass insgesamt 50‘000 Franken für den Rohbau zur Verfügung stünden.
Als Architekt wurde Heinrich Viktor Segesser von Brunegg (1843–1900) bestimmt, der später zum Divisionär und Kommandanten der Gotthard-Befestigung befördert wurde. Segesser kümmerte sich allerdings nicht gross um diesen Auftrag, so dass er im Oktober 1895 gemahnt wurde. Offensichtlich hatte auch diese Aufforderung keine Wirkung. Am 17. Dezember 1895 beschloss deshalb das Komitee, Segesser «in höflicher Form abzuschreiben». Als neuer Architekt wurde August Hardegger von St. Gallen gewählt, der 1894/95 in Schwanden GL die katholische Kirche umbaute. Diese Kirche sollte als Vorbild für den Kirchenbau in Wädenswil dienen.
 
Pater Albert Kuhn (1839–1929)
Der Benediktiner Albert Kuhn erhielt 1864 seine Priesterweihe. Als Kunsthistoriker hatte er nachhaltigen Einfluss auf den Kirchenbau seiner Zeit. Er wirkte bei der Renovation oder beim Bau von 60 Kirchen und Kapellen mit. Der von ihm verfasste Bildband «Roma» erlebte 10 Auflagen. Auch die von ihm 1891 bis 1907 herausgegebene sechsbändige «Allgemeine Kunstgeschichte» machte ihn sehr bekannt.
 
Johann Pernsteiner (1842–1913) − erster katholischer Pfarrer von Wädenswil nach der Reformation
Der in Münster GR heimatberechtigte Johann Pernsteiner war als Theologe zunächst Professor für Zoologie und Botanik am Kollegium in Schwyz und Direktor einer Anstalt im aufgehobenen Kloster Fischingen. Von Roveredo im Misox, wo er als Pfarrer gewirkt hatte, kam er − seit 1890 Domherr von Chur (Kanonikus) − 1895 nach Wädenswil. Kanonikus Pernsteiner förderte hier den Kirchenbau unter anderem auch mit eigenen finanziellen Mitteln. Mit seiner Einsetzung als Pfarrer wurde er Vizepräsident des Komitees.
Bereits 1896 verliess er die Pfarrei wieder, um Pfarrer in Davos und später in Valchava im Münstertal zu werden. Dort starb er 1913.
 
Die Finanzierung bildete an der gleichen Sitzung das Haupttraktandum. Als weitere Möglichkeit um zu Geld zu kommen, wurde vorgeschlagen, die im Jahre 1888 von Zimmermeister Bachmann erworbene Liegenschaft wieder zu verkaufen. Baumeister Cavallasca hatte vor der Sitzung bereits die Zusage von Emanuel Rometsch erhalten, dem Kirchenbau-Verein ein Stück «Reben und Land» an der Etzelstrasse als Bauplatz auf den 1. Januar 1896 zu verkaufen. Pfarrer Pernsteiner hatte den ersten Bauplatz an der Eidmattstrasse angesichts einer günstigen Offerte «in Voraussicht der Zustimmung der übrigen Comitemitglieder für frs. 81‘000 verkauft». Das Komitee hatte mit dem etwas eigenmächtigen Vorgehen seiner beiden Mitglieder, Pernsteiner und CavalIasca, zuerst etwas Mühe, stimmte dann an der Sitzung dieser Transaktion unter verschiedenen Bedingungen zu. So ganz sicher war man sich allerdings in dieser Angelegenheit nicht. Das Protokoll vermerkte dazu lakonisch: «Kauft‘s der nicht, kauft‘s ein Anderer.»
Auf Beginn des Jahres 1896 kam alles in Ordnung: Die erste Liegenschaft war für 75‘000 Franken an die Gebrüder Ferrari, Baumeister, verkauft und der neue Bauplatz an der Etzelstrasse erworben worden. 25‘000 Franken resultierten als Gewinn aus dieser Aktion. Pfarrer Pernsteiner stellte erneut sein Darlehen von 10‘000 Franken in Aussicht − diesmal zu einem Zins von 1,5 Prozent − womit die Finanzierung gesichert war. Einig war man sich auch, dass nach Abschluss des Kirchenbaus ein Pfarrhaus gebaut werden sollte. In der Folge überstürzten sich Detailprojektierung und Vorarbeiten für den Bau. Diese Hektik fiel auch dem bischöflichen Kanzler Dr. Georg Schmid von Grüneck auf, dem späteren Bischof von Chur. In seiner Stellungnahme vom 18. März 1896 zum Projekt rügte er: «Zu den Bauplänen gehört von Rechtswegen auch der detaillierte Kostenvoranschlag, welcher den Bauplänen nicht beilag. Abnormal ist auch, dass das B.(ischöfliche) Ordinariat die Arbeiten zur Concurrenz ausgeschrieben sieht, bevor es die bezüglichen Baupläne in den Händen hatte. Im Übrigen lassen die Pläne einen schönen Kirchenbau erhoffen − möge er auch SOLID werden!»
Aus den Verträgen mit dem Architekten und den Handwerkern lassen sich interessante Details erkennen. So reduzierte der Architekt sein erstes Honorar von 4200 auf 4000 Franken und erklärte sich zudem bereit, die Pläne für den Turm gratis zu liefern.
 
August Hardegger (1858–1927)
August Hardegger, in St. Gallen geboren, eröffnete nach Studien in Stuttgart und Paris und nach Reisen in Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich ein Architekturbüro in St. Gallen. Er spezialisierte sich auf Kirchenbauten und plante rund 60 Kirchen, vornehmlich in den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Zürich, Glarus, Solothurn und in der Innerschweiz. Im Kanton Zürich stammen die folgenden Kirchen von Hardegger: Zürich-Oerlikon (1891/92), Zürich-Liebfrauenkirche (1893/94), Männedorf (1893/94), Bülach (1903) und Adliswil (1904).
Pläne Hardeggers.
 
Vertragsabschlüsse
4. April 1896
Vertrag mit dem Architekten August Hardegger, St. Gallen

28. April 1896
Vertrag mit Carlo Bay u. Cie., Cantello/ltalien, für die Erd- und Baumeisterarbeiten
Vertrag mit Heinrich Blattmann, Wädenswil, für die Steinhauerarbeiten
Vertrag mit Michael Antonini, Wassen UR, für die Lieferung der Granitarbeiten
Vertrag mit Fritz Christener, Zimmermeister, Wädenswil, für die Zimmerarbeiten
Die restlichen Verträge wurden im Verlaufe der Bauarbeiten abgeschlossen.

Der Vertrag mit dem Baumeister hielt den Zeitplan für den Kirchenbau fest:
15. Mai 1896 Fertigstellung der Fundamente
15. Juni 1896 Aufmauerung bis Oberkante Sockel
15. Juli 1896 Aufmauerung bis Seitenschifftraufe
15. August 1896 Aufmauerung bis Mittelschifftraufe
1. September 1896 Fertigstellung der Giebel, wobei der Turm vorerst nur bis zur Mittelschifftraufe aufgeführt wurde
1. Juni 1897 Vollendung der Kirchengewölbe
1.  August 1897 Vollendung aller Arbeiten
 
Die Tiefe der Fundamente betrug bei den Kirchenmauern 1 m beziehungsweise 2 m beim Turm. Alles Aushubmaterial war im Inneren der Kirche zu deponieren und nach Aufführung der Umfassungsmauern zu verteilen. Die Fundamente sollten in Betonguss ausgeführt werden, wofür Sand, Kies und Zement im Verhältnis 7:13:2 zu mischen war. Die Mauern mussten aus gesunden Bruchsteinen von mindestens 15 cm Schichtenhöhe mit Kalkmörtel aufgeführt und alle sichtbaren Aussenwände mit Sandsteinen aus Bollingen (am oberen Zürichsee) verkleidet werden. Das mindestens 15 cm starke Gewölbe wurde aus rheinischen Schwammsteinen hergestellt. Die Ausschalung der Gewölbe durfte erst auf die eingeholte Bewilligung der Bauleitung erfolgen. Interessant sind die Ansätze für die einzelnen Arbeitspositionen:
Aushub der Fundamentgräben, deponieren und ausebnen des Materials Im lnnern der Kirche, per m3 Fr. 1.--
Fundamentbeton, per m3 Fr. 16.--
Sockelmauerwerk, per m3 Fr. 18.--
Übriges Mauerwerk, per m3 Fr. 21.--
Gewölbe aus Schwammsteinen, per m2 Fr. 9.--
Ausschnitt Frachtbrief Tonwerke Witterschlick bei Bonn.

Am Bau beschäftigte Handwerker
Die folgende Darstellung zeigt die am Bau beteiligten Unternehmer und die Kosten für die einzelnen Arbeiten auf Grund der Abrechnungen des Architekten vom 14. Dezember 1897.
Die in den Verträgen vereinbarten Termine konnten eingehalten werden, so dass das Komitee in der Nummer 80 des «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee» vom 15. Juli 1897 in einem «Eingesandt» die Eröffnung und Einsegnung der neuen katholischen Kirche am 18. Juli 1896 ankündigen konnte. Ein Inserat in der gleichen Zeitung vom 17. Juli 1897 vermittelte genauere Angaben zum Ablauf der Festlichkeiten:
 
Vormittags um 6 Uhr: Erste heilige Messe in der Kapelle
7.15 Uhr Zweite, heilige Messe in italienischer Sprache in der Kapelle
9.15 Uhr Benediction der Kirche, Festpredigt und Hochamt
Am Nachmittag Feierlicher Segen und Te Deum als Abschluss
 
Eine grosse Volksmenge feierte den Freudentag mit Begeisterung. Der bischöfliche Archivar Noser aus Chur segnete die Kirche, und Stiftsdekan P. Thomas Bosshart aus Einsiedeln sowie der ehemalige Pfarrer Johann Pernsteiner wandten sich in Festpredigten an die versammelten Gläubigen. Die Ehrengäste waren zu einem Mittagessen und zu einer Abendversammlung eingeladen. Die Lokalzeitung berichtete am 20. Juli 1897 in knappen drei Sätzen über dieses Ereignis:
 
Wädensweil. Unter grosser Beteiligung auch von auswärts fand gestern Sonntag die Einweihung der neuen katholischen Kirche statt. Der Bau macht der Genossenschaft alle Ehre. Die Kirche enthält 800 Sitzplätze.
 
Doch schon zwei Tage nach der Einweihung brach Unheil über die Gemeinde Wädenswil herein. Ein schweres Hagelwetter verwandelte am 20. Juli das Dorf in eine Winterlandschaft. Auch die neue Kirche erlitt schwere Schäden an Dach und Fenstern.
Während des Kirchenbaus verliess Kanonikus Pernsteiner Wädenswil, um Pfarrer in Davos zu werden. Der Bischof ernannte im September 1896 Pfarrer Josef Imhasly zu seinem Nachfolger. Während seiner Amtszeit, die von 1897 bis zu seinem Rücktritt 1904 dauerte, wurden nicht nur die Kirche und der Kirchturm sondern auch das Pfarrhaus (1898) vollendet. Dank Pfarrer Imhaslys zielgerichteter Sammeltätigkeit konnten im Verlauf seines Wirkens in Wädenswil sämtliche durch den Bau der Kirche und des Pfarrhauses entstandenen Schulden getilgt werden. Zusätzliche Geldmittel und verschiedene Stiftungen ermöglichten zwischen 1898 und 1901 eine erste künstlerische Ausgestaltung des Innenraumes der Kirche.
Eine erste grosse Renovation der Kirche fand 1934 statt. Dabei wurde der ursprüngliche Zustand verändert. 1959 fanden Veränderungen am Aussenbau der Kirche und 1969 eine Restaurierung der Fassaden statt. 1971 beschloss die Kirchgemeindeversammlung die Erneuerung des Innenraumes der Kirche. Das Projekt stammte von dem in Wädenswil tätigen Architekten Josef Riklin.
Zusammen mit dem Engelberger Bildhauer Klosterbruder Xaver Ruckstuhl wurde das Innere der Kirche den durch das Zweite Vatikanische Konzil ausgelösten liturgischen Neuerungen angepasst und ganz umgestaltet. Eine umfangreiche Darstellung dieser Renovation ist in den beiden folgenden Schriften dokumentiert:
- «Katholische Kirche St. Marien Wädenswil, 1896-1973» herausgegeben von der Römisch-katholischen Kirchenpflege Wädenswil, März 1973
- «Die Ausstattung der katholischen Kirche St. Marien in Wädenswil» von Matthias Frehner, herausgegeben von der «Gruppe 72», Juli 1993
Die letzte Veränderung erfuhr das Innere der Kirche durch den am 26. März 1995 eingeweihten Kreuzweg. Er wurde durch die 1915 in Wien geborene Künstlerin Susana Polac geschaffen. 1939 emigrierte sie mit ihrer Familie nach Südamerika. 1950 kehrte sich nach Europa zurück und arbeitete anschliessend in Spanien. Zahlreiche Aufträge, vor allem im Bereich der religiösen Kunst, machten sie in den Vereinigten Staaten sowie in Spanien, Italien, Deutschland, Österreich und in der Schweiz bekannt. Sie starb 1991.
Kreuzweg, 1995.
 
Die einzelnen, in Bronze gegossenen Stationen sind entlang einer Längswand der Kirche auf verschiedenen Höhen installiert worden. Dadurch zwingen sie den Betrachter, sich aktiv mit der dargestellten Botschaft auseinanderzusetzen, hinaufzusehen oder sich zu bücken. Der Kreuzweg endet mit einer schlichten Reproduktion der Darstellung des Auferstandenen von Mathias Grünewald aus dem lsenheimer Altar, weil es der Künstlerin wegen ihrer Krankheit nicht mehr möglich war, diese Station zu gestalten. Über dieses Bild führt der Weg zum Tabernakel mit der Verkündigungsszene, die 1956 durch Albert Schilling geschaffen worden ist.
 
Ausstattung der Kirche
- Hochaltar durch den St. Galler Künstler Johann Nepomuk Neumann
- Altarbild und Gemälde im Gewölbe der Apsis von Franz Vettiger aus Uznach (1901)
- Chorgestühl von Alfons Noflaner
- Vier Glocken (auf E, Fis, A und Cis gestimmt) durch die Glockengiesserei Rüetschi in Aarau (1903)
- Turmuhr durch J. Manhardt in München (1903)
- Orgel durch die Firma Kuhn in Männedorf (1906)
- Kanzel durch den Bildhauer Karl Leuch aus Zürich (1911)
- Apostelfiguren durch die Einsiedler Künstler Alois Payer und Franz Wipplinger (1912)
- Neugestaltung des Tabernakels durch den Bildhauer Albert Schilling aus Arlesheim (1956)
- Neuer Taufstein durch Bruder Xaver Ruckstuhl aus dem Kloster Engelberg (1960)

Pfarrer Josef lmhasly (1864–1919)
Der aus Fiesch im Oberwallis stammende Josef lmhasly studierte in Innsbruck Theologie und konnte im Jahre 1890 Primiz feiern. 1892 stellte ihn der Bischof von Sitten dem Bistum Chur als Seelsorger zur Verfügung. Bevor er zum Pfarrer von Wädenswil ernannt wurde, wirkte er während fünf Jahren als Vikar in der Pfarrei St. Peter und Paul in Zürich. Während seines Wirkens in Wädenswil wurden Kirche und Pfarrhaus fertiggestellt und die Pfarreistrukturen ausgebaut. Pfarrer lmhasly schied 1904 nur ungern aus Wädenswil. Er wurde Pfarrer in Beckenried NW, wo er 1919 im Alter von erst 55 Jahren starb. Sein ganzes Vermögen vermachte er der Inländischen Mission.

 


Fredy Fischli





Peter Ziegler