Schule im Wandel

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Johannes Zollinger

Vor 25 Jahren konnte der damalige Schulpräsident über die Einweihung des Schulhauses Untermosen berichten. In seinem Bericht hielt er fest, dass nun der Raumbedarf im Schulkreis Dorf für lange Zeit gedeckt sei. Er hatte recht. Dreizehn Jahre profitierte die Primarschule von der weitsichtigen und grosszügigen Planung. 1995 konnte das dritte Schulhaus in der Schulanlage Eidmatt eingeweiht werden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde zwar viel saniert und renoviert, aber nur wenig neuer Schulraum gebaut. In diesem Jahr wird nun auch die bereits erwähnte Schulanlage Untermosen mit einem Leichtbau erweitert. Die stürmische Entwicklung der Siebzigerjahre war tatsächlich vorbei. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ist in den letzten 15 Jahre praktisch stabil geblieben.

Die Schulanlage Untermosen ist 1999 mit einem Leichtbau erweitert worden.

 
An der Schule selbst wird jedoch kräftig weitergebaut. Und der Umbau unserer Volksschule geht zum Teil stürmisch voran. Diese «Bautätigkeit» ist von aussen nicht immer sofort wahrnehmbar, aber sie fordert von allen am Bau Beteiligten einen grossen Einsatz und eine hohes Mass an Veränderungsbereitschaft. Künftige Generationen werden dadurch entscheidend geprägt.
1974 war Französisch in der Primarschule noch kein Thema. Seit 1989/90 wird es ab der 5. Klasse unterrichtet. 1999 beginnt im Schulhaus Ort der Versuch mit dem Schulprojekt 21. Erstklässler werden teilweise englisch unterrichtet und lernen den Umgang mit PC`s und Internet. Stütz- und Fördermassnahmen, seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit, werden heute ergänzt mit Massnahmen zur Förderung von Kindern mit besonderen Begabungen. Hochbegabtenförderung fordert von den Lehrkräften, den Eltern, den Behörden und natürlich auch von den Kindern viel Flexibilität und Kreativität um die individuellen Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und der Situation angepasst richtig zu handeln.
Die Schule bereitet sich auf das neue Jahrtausend vor, passt sich laufend den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen an und stellt sich den Herausforderungen der Zukunft. Wobei auch mit viel gutem Willen zu notwendigen Veränderungen nicht jeder Trend unbedingt von der Schule nachvollzogen werden muss. Vieles hat sich in den letzten 25 Jahren sehr positiv entwickelt. Einiges darf man, auch bei wohlwollender Betrachtungsweise, in Frage stellen. So wie wir unsere Natur und viele unserer schönen alten Gebäude schützen, müssten wir uns auch Gedanken machen über die Schutzwürdigkeit von immateriellen Werten. Sie bilden die Grundlage für unser Zusammenleben. Die oft geforderte soziale Kompetenz lernen wir zwar auch in der Schule, aber in noch mehr prägen uns das Elternhaus und die Beziehungen die wir in unserer Freizeit pflegen. Deshalb ist es gut, wenn auch die Eltern verantwortungsvoll am Bau unserer Schule mitarbeiten.
Die Schule ist also eine permanente Baustelle, auf der viel Gutes entsteht, aber eben auch Bauschutt herumliegt. Das Umbauvorhaben Schule braucht ein hervorragendes Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Architekten und Planer dürfen kreativ und visionär sein, aber ihre Ideen müssen auch handwerklich umsetzbar sein. Die Handwerker ihrerseits müssen bereit sein, für die Verwendung neuer Materialien, Farben und Werkzeuge. Dabei muss allen bewusst sein: Auch in der Schule lassen sich nicht alle Dinge nach unseren Wünschen ändern. Aber wir könnten die Optik verändern, mit der wir die Dinge betrachten. Vielleicht etwas mehr Tiefenschärfe wäre gefragt. Ein wenig mehr Gelassenheit, etwas mehr Zuversicht und vielleicht wieder etwas Humor.
Beim Umbau am «Haus des Lernens» wollen wir natürlich immer auch an unser Kinder denken. Deshalb eine Bitte an alle Schulbauleute:
Kinder brauchen Raum in Ihrem Denken.
Denken Sie mit Kindern und für Kinder. Versuchen Sie, die Gedankenwelt eines Kindes zu verstehen. Ermutigen Sie Kinder zu selbständigem Denken, aber geben Sie ihnen auch Leitlinien, an denen sie sich orientieren können. Schaffen Sie Raum in Ihrem Denken für Kinder!
Kinder brauchen Raum in Ihren Gefühlen.
Schaffen Sie emotionalen Raum für Kinder. Räume in denen sich Kinder angenommen fühlen. Räume in denen sie Kinder sein dürfen.
Kinder brauchen Raum in Ihrem Terminkalender.
Schaffen Sie Raum in Ihren Terminkalendern für Kinder. Nehmen Sie sich Zeit für Kinder, wenn nicht mehr für die eigenen, dann vielleicht für Ihre Enkel.
Für den Bau solcher Räume benötigen Sie keine Baubewilligung. Die Bereitstellung solcher Räume belastet weder die Staatskasse noch beeinflusst sie den Steuerfuss. Aber die Schaffung solcher Räume wird für die Zukunft unserer Kinder von unschätzbarem Wert sein und unserer Gesellschaft mit Sicherheit grossen Gewinn bringen.
Wir wollen mit Mut, Zuversicht und Begeisterung am Umbau unserer Schule mitarbeiten, und dabei sorgfältig darauf achten, dass das grundsolide Fundament und die bereits vorhandene gute Bausubstanz nicht zerstört werden.




Johannes Zollinger, Stadtrat
Präsident der Primarschulpflege