Die Wädenswiler Rieder

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1987 von Fritz Schwarzenbach

Ihre Entstehung

Wandern wir von Untermosen durch das Rötibodenholz nach der Schlieregg, so überqueren wir beim Widenhölzli einen ersten Höhenzug, bei der Aahalden einen zweiten, und erreichen über den steilen Mugernrain den höchsten Punkt der Gemeinde beim Reservoir Schlieregg. Das Aabachtal bei Waggital und die flache Mulde bei Mugern verlaufen parallel zum Zürichsee; erst nach der Aamühle fliesst der Aabach durch ein tiefes Tobel gegen den See. Auch auf dem Boden von Schönenberg und Hirzel fliesst der Krebsbach in gleicher Richtung wie Sihl und See. All die Hügelzüge, welche diese Bäche begleiten, sind Moränenwälle der letzten Eiszeit, ebenso die mit einer Linde geschmückten Kuppen südlich der Sihl im Kanton Zug. Zur Zeit seines Höchststandes reichte der Gletscher am Hang des Höhronen bis etwa 1000 Meter oberhalb Mistlibühl und Rossberg; auf der andern Seeseite lag der Pfannenstil unter dem Eis.
Im Neujahrsblatt 1934 der Lesegesellschaft Wädenswil mit dem Titel «Vom Werden unseres Heimatbodens» zählt Walter Höhn zwischen Zürichsee und Höhronen zwölf Wallmoränen auf. Diese entstanden beim Rückzug des Linthgletschers, der in Etappen erfolgte − längere Zeit blieb der Gletscher in Grösse und Ausdehnung unverändert stehen − gefolgt von Abschnitten eines rascheren Rückzuges. Steine, die von den Hängen im Glarnerland und den die Linthebene südlich begleitenden Ketten auf das Eis stürzten, Rotackersteine aus dem Glarner Haupttal und dem Sernfgebiet, Nagelfluh und Sandsteine vom Hirzli und der anschliessenden Kette wurden von den Gletscherbächen seitlich weggeschwemmt. Vermischt mit Sand bildeten sie Seitenmoränen, die heute in der Gegend von Schönenberg über hundert Meter hoch auf dem darunter liegenden Felsgrund liegen. An der Stirn des Gletschers bildeten sich Stirnmoränen, die uns zeigen, dass er im Limmattal einst bis Killwangen reichte. Auch hier bezeichnen die Stirnmoränen Stillstandszeiten des Rückzuges, besonders ausgeprägt bei Schlieren und Zürich (Hohe Promenade, Katz, Kirchhügel Enge). Die zum Zürichstadium gehörende Seitenmoräne lässt sich von der Stadt bis zum Etzelhang verfolgen, in unserer Gegend von der Horgener Egg über Rinderholz, Rechberg, Stollen, Humbel, Segel, Hütten, Bergli, Schindellegi. Der Gletscher drängte die Sihl an die Flanke des Höhronen. War sie früher einmal bei Schindellegi in den Zürichsee geflossen, grub sie sich nun ein neues Bett längs des Berges, zudem sperrte die hohe Moräne bei Schindellegi nach dem Rückzug des Gletschers den Abfluss zum See.
Doch auch in den Tälchen zwischen den Wallmoränen hinterliess der Gletscher seine Spuren: die Grundmoränen. Vor der Stirne des einen oder andern unserer heutigen Gletscher finden wir weiche Lehmschichten. Das Eis schabt beim Vorrücken feinstes Material vom darunterliegenden Felsgrund, das vom Wasser weggespült, zum Teil vor dem Gletscher als Lehm abgelagert wird, zum andern die Trübung der Gletscherbäche bewirkt. So hinterlässt der Gletscher beim Rückzug eine wasserdurchlässige Lehmschicht, die Grundmoräne. Diese Schicht kann recht hoch sein, manchmal mit dazwischenliegenden dünnen Sandschichten, oft aber so rein, dass daraus Dachziegel und Ziegelsteine gebrannt werden können, wie dies lange Zeit in Richterswil und bei Naglikon in der Au der Fall war. Diese Lehmschichten überziehen auch die Hänge der Wallmoränen und bilden in unsern Gärten, nicht nur im «Leihof», den zähen Untergrund für die Humusschicht.
In manchen dieser Tälchen blieben noch lange nach dem Rückzug des Gletschers Eisreste, sogenanntes «Toteis». Waren die Mulden abflusslos, füllten sie sich nach dem Schmelzen des Eises mit Wasser, so entstanden Weiher oder kleine Seen. Walter Höhn glaubt, dass zwischen See und Sihl neun solcher Gewässer bestanden. Reste davon sind der einst bedeutend grössere Hüttnersee und der noch auf der Gygerkarte von 1667 eingezeichnete Beichlensee. Da die meisten dieser Wasserbecken nicht tief waren, verlandeten sie bald. Die undurchlässigen Lehmschichten sind die Ursache der Rieder. Diese besassen in unserer Gemeinde einst eine bedeutend grössere Ausdehnung als heute. Entwässerungen zur Gewinnung von Wies- und Ackerland bewirkten vor allem während der Kriegszeit 1939 bis 1945 (Plan Wahlen zur Sicherstellung der Ernährung) diese Abnahme. Heute messen die Riedflächen noch 27,7 Hektaren. Auf der Gemeindekarte von 1903 waren noch rund 61 Hektaren eingezeichnet, als grösste das Beichlenried und Flächen beidseits der Oberen Bergstrasse zwischen Unter-Himmeri und Mosli.
Alle noch bestehenden Riedflächen liefern heute «Schwarzstreue» für den Stall. Der Mist daraus ist sicher mindestens so wertvoll wie jener aus Getreidestroh.

Hochmoore und Flachmoore

Als Hochmoore bezeichnet der Botaniker jene Rieder, in denen das Torfmoos vorherrscht. Reisst man ein Büschel dieser Moose los und presst sie zusammen, fliesst auch bei trockenem Wetter Wasser aus wie bei einem Schwamm. Unter den grünen Pflanzen sind Schichten abgestorbener Moose. So wächst die Kolonie langsam in die Höhe, daher der Name Hochmoor. Im Laufe der Jahrhunderte entsteht aus diesen Schichten Torf, der als Brennmaterial oder als Düngtorf verwendet wird. Reste solcher Torfstiche finden wir im Chruzelenmoos Hirzel. Die Hochmoore bergen meist eine interessante Pflanzenwelt, wie den Sonnentau − der mit seinen gestielten, klebrigen Drusen kleine Insekten festhält und sie durch Verdauungssäfte als Nahrung auflöst −, Moorbeeren, breitblättriges Wollgras, verschiedene Orchideenarten. In unserem Gemeindegebiet finden wir nur geringe Hochmoorreste im Grenzgebiet gegen Hirzel und im Auried.
v.l.n.r.: Gelbe Schwertlilie. Sonntentau mit klebrigem Drüsenhaaren. Blaue Schwertlilie.

Die übrigen Rieder gehören zur Gruppe der Flachmoore. Wir finden sie in den Tälchen, aber auch an Hängen. Vom Naglikonerried schrieb Walter Höhn 1972 im «Anzeiger vom Zürichsee»: «Das gesamte Gelände stellt das letzte noch gut erhaltene und von der menschlichen Nutzung wenig beeinflusste Seeried des linken zürcherischen Seeufers dar.» Zu dessen schönsten Blütenpflanzen gehören die gelbe und die blauviolette Schwertlilie, die noch in den 1920er Jahren zur Blütezeit grossen Abschnitten einen bläulichen Schimmer gab. Doch traf man auf dem Seeweg Kinder und Erwachsene mit Sträussen von dreissig und mehr Blüten − kein Wunder, dass im Laufe der Jahrzehnte der Bestand stets zurückging. Höhn zählte 1972 noch rund hundert Pflanzen, Ende der siebziger Jahre waren es nur noch wenige. Seit der Kanton das Land kaufte und schützte, nahm der Bestand wieder zu. Im Juni dieses Jahres (1987) zählte ich etwa 60 Pflanzen. Beide Schwertlilien finden sich, wenn auch meist nur vereinzelt, in andern Riedern.
Weit verbreitet sind die Schlüsselblumen, ebenso rote und violette Orchideen, der giftige grossblättrige Germer mit seinen grüngelben Blüten, das breitblättrige Wollgras, an nassen Stellen der weissblühende Fieberklee, an manchen Orten der hohe Gilbweiderich mit seinen gelben Blüten, im Herbst der vielblütige Schwalbenwurzenzian, die Herbstzeitlose und neben dem Pfeifengras mit dem knotenlosen Stengel verschiedene, zum Teil seltene Seggen.
In dem den Seeriedern vorgelagerten Schilfgürtel brüten Blässhuhn, Haubentaucher, Teichhuhn, Rohrammern, Sumpfrohrsänger und Teichrohrsänger, im angrenzenden Ried oft auch Stockenten. Im grossen, von Wald umschlossenen Geristegried, das zum grössten Teil zu Hirzel gehört, findet sich eine reiche Vogelwelt: Distelfink, Fitislaubsänger, Goldammer, Gartengrasmücke, Pirol und Neuntöter, nicht selten auch die Waldohreule, dazu bunte Schmetterlinge und andere Insekten, die in den Wiesen weitgehend verschwunden sind.
Frösche, Kröten, Unken und Molche leben nur an vereinzelten Stellen in den Riedern, hingegen bieten ihnen der Chüeferweiher, der Aamühleweiher und der Bachgadenweiher in den flacheren Teilen günstige Lebensmöglichkeiten. Auch diese Gewässer stehen unter Schutz.
Fünf meist grössere Rieder sind durch den Kanton geschützt (Naglikon, Au, Vorder Au, Steinweid, Geristeg); regional geschützt sind das grosse Ried Sennweid und das Seeried unterhalb dem Scheller, durch die Stadt die übrigen mittleren und kleinem 21 Riedflächen.
Ried im Büelenebnet.

Regional oder durch die Stadt geschützt sind auch die verschiedenen Weiher: Reidbach, Eichmühle, Sennweid, Gulmen, Chüefer, Bachgaden, ob Burstel.
So mag die Welt der Rieder mit ihrer besonderen, im Gegensatz zu den Futterwiesen viel artenreicheren Pflanzenwelt und den im Herbst das Landschaftsbild auflockernden braunen Flächen unsern Nachkommen erhalten bleiben, ihnen die gleiche Freude bereiten, wie wir sie während der Jahreszeiten erleben.




Dr. Fritz Schwarzenbach