Altersreisen und Altersferien

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1979 von Walter Angst


Die Generation, welche jetzt im AHV-Alter steht, hat es in der Zeit der aktiven Wirksamkeit nicht leicht gehabt. Viele haben eine harte Jugendzeit verbracht, wo man schmal durchkommen musste. Zwei Weltkriege, die ihre Schatten auch auf unser Land warfen, galt es durchzustehen. Kein Lohnausgleich linderte in den Jahren 1914−1918 die finanziellen Nöte. Und nachher drückte die Krisenzeit, verbunden mit Arbeitslosigkeit, schwer. Dazu kam eine rasante technische Entwicklung, wo es oft schwer hielt, geistig und seelisch mitzukommen. Wie hat sich doch die Welt in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen verändert? Was ist alles verschwunden und neu aufgekommen?
Und nun also ist man älter geworden und in den Ruhestand getreten. Auch diesen Lebensabschnitt gilt es aktiv zu gestalten. Man kann das Alter nicht einfach über sich ergehen lassen. Wir wissen, dass diese Umstellung dem einen leichter, dem andern aber schwerer fällt.
Hier gilt es einander zu helfen und zusammen die auftretenden Probleme anzugehen. Nötig ist es, den Kontakt zu pflegen. Letzteres fällt auch älteren Menschen nicht immer leicht. Wenn der Kreis derjenigen Leute sich lichtet, mit denen man zusammengelebt hat und Freude und Leid teilte, möchte man sich oftmals lieber zurückziehen. Dieser Gefahr muss begegnet werden. Es gibt dafür verschiedene Möglichkeiten. Zu ihnen gehören sicher unsere Altersreise und die Altersferien.
 

Die Altersreise

wird seit Jahrzehnten durchgeführt. Um die 300 Personen nehmen daran teil. Es ist jedes Mal ein unbeschwerter Tag, der stets in eine andere Gegend unserer Heimat führt. Das Landschaftserlebnis weckt Erinnerungen und schafft neue Impulse. Das wichtigste Erlebnis aber besteht darin, viele bekannte und unbekannte Gesichter zu sehen. Es wird einem wieder bewusst, gerade auch im Alter nicht allein zu sein. Die Reisegefährten machen einem deutlich, dass stets andere mit einem unterwegs sind. Das Erlebnis der Gemeinschaft wird durch ein gemeinsames Essen und das fröhliche Beisammensein in einem grossen Saal, wo man vielleicht auch einmal unter den besonders geehrten Jubilaren ist, noch verstärkt. Der Gedanke der Altersreise muss unserer Ansicht nach in unserer Stadt hochgehalten, ja sogar noch verstärkt werden.

Die Altersferien,

welche die reformierte Kirchgemeinde 1979 zum fünften Mal organisiert hat, vertiefen, was eben über die Altersreise gesagt wurde, in schönster Weise. Während 10 Tagen sind um die 50 Personen beieinander. Das schafft einen ganz besonders starken Zusammenhang. Man hat viel Zeit füreinander. Gespräche können in die Tiefe führen. Gemachte Erfahrungen werden ausgetauscht. Von Hoffnungen und Befürchtungen im Blick auf die Zukunft ist die Rede. Altersferien haben aber nicht nur den Sinn, Gemeinschaft mit Menschen zu pflegen, sie möchten auch eine neue Begegnung mit Gott schaffen. Täglich wird eine Besinnung über der Bibel gehalten. Fragen, die besonders im Alter auftauchen, können im Lichte des Evangeliums besprochen werden. Auch für diese wichtige Sache ist jetzt Zeit vorhanden. Als drittes Element der AItersferien nennen wir die Fröhlichkeit. Sie wird ganz besonders gepflegt. Wenn man Bilder aus der Jugendzeit miteinander betrachtet, gibt es so viel Köstliches zu erzählen. Wenn man zusammen Lieder singt oder sich einmal gelernte Gedichte vorsagt, wenn man unterwegs ist und gemeinsam die Schönheit der Natur neu entdeckt, wenn man bei Tisch die Tagesereignisse bespricht oder abends bei einem Schöpplein zusammensitzt, ist die Fröhlichkeit fast zur Selbstverständlichkeit geworden.
Altersreise und Altersferien haben ein gemeinsames Ziel. Sie wollen ins Alter hinein die Fröhlichkeit tragen. Nicht nur die Jungen haben das Recht, fröhlich zu sein. Der Mensch in allen seinen Altersstufen ist dazu bestimmt. Erst wenn die Fröhlichkeit den Menschen erfüllt, ist das Leben schön.



Pfarrer Walter Angst