Vor 75 Jahren: Einweihung des Glärnischschulhauses in Wädenswil

Quelle: «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 24./25. April 1984 von Peter Ziegler

Die Eidmattschulhäuser

Die Neuordnung des Schulwesens durch die Kantonsverfassung von 1831 verlieh auch der Wädenswiler Dorfschule frische Impulse. Sichtbarer Ausdruck der neuen Zeit war das mit sechs hellen Klassenzimmern ausgestattete Schulhaus in der Eidmatt – das heutige Alte Eidmattschulhaus –, das in den Jahren 1834/35 auf dem Pfarrmattli gebaut wurde. Lange Zeit galt das grossartige Schulgebäude als Musterschulhaus, «dem an Umfang im Kanton wohl keines gleichkomme», wie 1835 der «Pädagogische Beobachter» schrieb. Nicht alle Einwohner waren jedoch zu jener Zeit mit dem Neubau einverstanden. Erst die Einweihung vom 9. November 1835 brachte eine gewisse Versöhnung. So heisst es in einem Bericht von damals: «Alle Zweifel, alle abweichenden Meinungen hatten sich aufgelöst in gemeinschaftliche Freude über das schön vollendete Werk.»
Seit den 1870er Jahren wuchs die Bevölkerung der Gemeinde Wädenswil stark an. Hatte man in den 1860er Jahren einen Zuwachs von 56 Personen gezählt, machte dieser in den 1870er Jahren 157 Personen aus und 140 Personen zwischen 1880 und 1888. 1841 hatten an der Dorfschule vier Lehrer unterrichtet. Als 1885 die siebente Lehrstelle besetzt wurde, machte sich Raumnot bemerkbar. Im Oktober 1887 bewilligte daher die Dorfschulgemeindeversammlung den Bau eines dreistöckigen Primarschulhauses mit sechs Klassenzimmern. Dieser Bau, das Neue Eidmattschulhaus, wurde am 9. September 1890 mit kirchlicher Feier eingeweiht. Mit dem Bau des Neuen Eidmattschulhauses glaubte man die Raumprobleme der Dorfschule für Jahrzehnte gelöst zu haben.

Diskussionen um den Bau des Glärnischschulhauses

Um 1900 erlebte die Industriegemeinde Wädenswil einen gewaltigen Aufschwung. Neue Betriebe, neue Quartiere entstanden, und die Einwohnerzahl stieg von 6338 im Jahre 1888 auf 9067 im Jahre 1910 an. Das Wachstum war zur Hauptsache zurückzuführen auf die Zuwanderung aus anderen Gemeinden und Kantonen sowie aus dem Ausland.
Schon im Jahre 1905 musste sich die Dorfschulpflege wieder mit Schulbaufragen befassen. Gemäss ihrem Antrag entschied sich die Schulgemeindeversammlung vom 25. Februar 1906 für den Bau eines weiteren Schulhauses und legte einen Bauplatz an der Zugerstrasse fest.
Blick auf den Bauplatz.

In der Folge wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem die Zürcher Architekten Robert Bischoff und Hermann Weideli als Sieger hervorgingen. Geplant war ein dreistöckiges Schulhaus mit angebauter Turn- und Konzerthalle sowie mit zwei grossen Pausenplätzen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 408‘000 Franken. Im Vorfeld der Dorfschulgemeindeversammlung vom 24. Februar 1907, welche den Kredit zu bewilligen hatte, kam es zu hitzigen Diskussionen und Zeitungspolemiken. Die Schulpflege hatte aus Kostengründen mit dem Bau der Turn- und Konzerthalle zuwarten wollen. Die Vereine wünschten aber dringend, die für 750 Personen berechnete Halle solle gleichzeitig erstellt werden, was auch kostengünstiger sei. Die benötigten 46‘000 Franken liessen sich wie folgt einsparen:
Trägt man weniger Terrain ab und stellt das Schulhaus 50 Zentimeter höher, werden die Erdarbeiten 5000 Franken billiger. Die Reduktion der Zimmerhöhen von 4.70 Meter auf 4.50 Meter führt zu Einsparungen von 15‘000 Franken, einfachere Innenausstattung und weniger elektrische Installationen in den Zimmern ergeben Minderausgaben von 13‘000 Franken. Weitere 13‘000 Franken lassen sich einsparen, wenn einige Räume im Untergeschoss des Schulhauses noch nicht ausgebaut werden.
Nicht nur die Kostensumme, auch die Architektur gab Diskussionsstoff. «Mehrere Schulgenossen» rügten am 22. Februar 1907 in einem Inserat im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» den altertümlichen Stil des Schulhauses sowie dessen grosse Dimensionen. Teure Dächer solle man den Privaten überlassen. Für ein Schulhaus, an das alle zahlen müssten, seien sie doch etwas gewagt. In Zürich seien Schulzimmer drei bis vier Meter hoch. Es sei daher überflüssig, in Wädenswil über vier Meter zu gehen.

Das Glärnischschulhaus wird gebaut

Die von 520 Stimmberechtigten besuchte Schulgemeindeversammlung vom 24. Februar 1907 bewilligte nach einer versöhnlichen Ansprache von Pfarrer Jakob Pfister den Kredit für den Bau des neuen Dorfschulhauses samt Turn- und Konzerthalle nach den Plänen der Baufirma Bischoff & Weideli in Zürich.
Im Sommer 1907 wurde mit dem Aushub für das Schulhaus begonnen, im Herbst mit jenem für die Turnhalle. Ende des gleichen Jahres noch kamen beide Bauten unter Dach. Im Jahre 1908 und im ersten Vierteljahr 1909 erfolgte der Innenausbau. Die Bauaufsicht besorgte Herr S. Lang von der Firma Bischoff & Weideli; es kamen fast ausschliesslich Wädenswiler Handwerker zum Zug.
Am 2. April 1909 stellte die Redaktion des «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee» den Lesern das neue Dorfschulhaus mit Turn- und Konzerthalle – der Name Glärnischschulhaus war damals noch nicht üblich und bürgerte sich erst nach und nach ein – in Wort und Bild vor. «Das neue Schulhaus ist von allen Seiten leicht zugänglich und präsentiert sich auf seiner erhöhten Lage an der Zugerstrasse vorzüglich», heisst es in diesem Bericht. «Man geniesst hier eine prächtige Rundsicht auf das Dorf, den See und in die Berge.»
In der Ausgabe vorn 5. April 1909 wurde «Das neue Dorfschulhaus an der Zugerstrasse in Wädenswil» auf der Titelseite ausführlich beschrieben. Nachstehend eine Zusammenfassung dieser
Das Schulhaus im Bau, 1907.

Baubeschreibung

Von der Zugerstrasse her betreten wir den Eingangspavillon. In diesen ist die grosse Treppe eingebaut, die zum vorderen Spielplatz und zum Haupteingang führt. Dieser Pavillon ist ein Schutz gegen Vereisung der langen Treppe im Winter. Einen weiteren Aufgang zu diesem Platz bilden eine offene Treppe an der Südecke der Glärnischstrasse und eine Zufahrtsstrasse, welche an der Zugerstrasse beginnt, längs der Glärnischstrasse auf dem Plateau an Schulhaus und Turnhalle vorbeiführt und in der Nordostecke in die Glärnischstrasse mündet.
Treten wir aus dem Pavillon, haben wir die ganze Südostfassade des grossen Schulhauses vor uns. Begehen wir über einige Stufen die äussere Vorhalle und von da den Haupteingang und den Windfang, so sind wir im grossen Vestibül des Erdgeschosses angelangt, das eine Grösse von etwa 9,6 x 10,5 Meter hat. In der Mitte des Vestibüls steht eine grosse, steinerne Säule, die zugleich als Widerlager dient für die Scheidebogen der beiden Kreuztonnengewölbe. Direkt vor uns sehen wir das grosse, 5 Meter breite Treppenhaus, das zu den Etagen und zum Keller führt. Links vom Betrachter steht eine Abschlusswand mit durchbrochenen Öffnungen und davor ein steinerner Wandbrunnen mit graublau gekachelter Wandfläche. Hinter der Abschlusswand liegt ein gegenüber dem Hauptvestibül um 60 Zentimeter erhöhter Korridor. Er führt zur Schulküche und deren Nebenräumen (Speisekammer, Kohlen- und Holzraum) und zu zwei Zimmern für Handfertigkeitsunterricht. Die Schulküche, 8.5 x 9.8 Meter gross, ist weiss gekachelt und ausgerüstet mit Kästen, drei Schüttsteinen, Tischen und Stühlen, Wandtafel und vier Kochherden. Zwei haben Gas- und zwei Holzfeuerung.
Rechts vom Vestibül führt ein Korridor zu zwei grossen Schulzimmern sowie zum Lehrer- und Sammlungszimmer. Durch den Korridor gelangt man zum erhöhten Verbindungsbau.
Im ersten und zweiten Stock befinden sich je vier Schulzimmer von 8,6 x 10 Meter Grösse sowie zwei kleinere im Ausmass von 8,5 x 8,7 Meter. Drei dieser kleineren Zimmer werden für den Nähschulunterricht benützt, das vierte ist Unterrichtsraum für die 7. und 8. Klasse. Die grossen Unterrichtszimmer sind ausgerüstet mit je einem Wandkasten, einem Podium mit Pult, zwei Wormatina-Doppelwandtafeln und einer Aufhängevorrichtung für Landkarten und Tabellen. Auf jedem Stock liegt ein 9,5 x 15 Meter messender Vorplatz. Er ist durch zwei tragende Pfeiler mit vierteiligem Steinbrunnen unterteilt. Der Dachboden ist vorläufig nicht ausgebaut. Hier können zwei bis vier grosse Zimmer mit kleineren Nebenräumen eingerichtet werden (1943 verwirklicht).
Das Schulhaus ist nur zur Hälfte unterkellert. Hier liegen die Bäder, zwei Ankleideräume, die Heizung und das Archiv. Im Baderaum mit Plättliboden befinden sich zwei Bassins von 5 x 2 Meter Ausmass und 30 Zentimetern Tiefe. »Über die Mitte eines jeden Bassins geht an der Decke die Warmwasserleitung mit Abzweigung von 10 Duschen. So ist den Kindern Gelegenheit geboten, um die Bassins herumzusitzen und während der Dusche gleich Fussbäder zu nehmen.» Im Heizraum, der 1,8 Meter tiefer liegt als die übrigen Kellerräume, sind vier Heizkessel und ein Boiler untergebracht. Drei dieser Kessel sind für Warmwasser für das Schulhaus bestimmt, der vierte für Niederdruckdampf für die Turnhalle und die Zubereitung von Warmwasser.
Das Innere des Schulhauses ist einfach gehalten. Die Wände der Unterrichtszimmer sind bis auf zwei Meter Höhe mit Ölfarbe gestrichen, jene in den Korridoren getupft und teilweise mit Ornamenten verziert. Sämtliche Böden haben einen Linoleumbelag. Die Fenster der Unterrichtszimmer sind in Doppelverglasung ausgeführt, die breiten, bis zum Dachstock führenden Granittreppen mit eisernem Geländer versehen. Im Dachstock befindet sich das Werk für je eine gegen das Dorf und gegen den Berg zeigende Uhr an der Aussenfassade. Das Uhrwerk schaltet auch die elektrischen Pausenglocken ein.
Die 25 Meter lange und 15 Meter breite Turnhalle ist durch einen 11 Meter langen Bau mit dem Schulhaus verbunden. Die Turnhalle, die auch als Konzertsaal dient, hat eine seitliche Höhe von 5 und eine mittlere Höhe von 7 Metern. Unter der Galerie mit zwei seitlichen Logen liegen die Garderobe- und Geräteräume. Gegenüber befindet sich die um einen Meter erhöhte Bühne mit rotem Seidenplüschvorhang, der seitlich in einen vor Verstaubung schützenden Holzkasten zurückgezogen werden kann. Beidseits der Bühne führen Treppen zum Turnhallenkeller mit Ankleideräumen, Ring- und Schwingplatz hinunter.
Die Turnhallendecke besteht aus dem sichtbaren Holzwerk des Dachstuhls; in die Zwischenfelder sind Eternitplatten eingelegt. Deckenbemalung sowie Ornamente an Wänden, Galerien und Fensterleibungen «wirken recht angenehm auf das Auge des Beschauers».
Zehn Leuchter erhellen den Raum. «Turnsaal» und Galerie bieten bei Konzertbestuhlung Platz für 750 Personen. Das Stuhlmagazin befindet sich im Keller. Die Turnhalle hat drei Doppeltüren. Eine führt auf den Spielplatz hinaus, zwei münden in den Zwischenbau. An Turngeräten sind vorhanden: sechs Recke, vier verstellbare Kurzbarren, Kletterstangen, Leitern, ein zweiteiliger Stemmbalken, ein Rundlauf an der Decke sowie vier Paar Schaukelringe.
Nun noch ein Gang um das Schulhaus herum. Sämtliche Mauerteile, auch die Fenstereinfassungen, sind verputzt und mit Ornamenten bemalt. Bemalt sind auch die beiden Giebel gegen die Zugerstrasse und die Glärnischstrasse. Die Vorhalle beim Haupteingang ist durch einfache Bildhauerarbeit verschönert. «Die Umgebung, welche in zwei Spielplätze zerfällt, wird sich durch die vorgesehenen Kies- und Rasenplätze, Baumbepflanzungen sowie durch die Terrainverschiedenheiten recht malerisch ausnehmen.» Soweit die Baubeschreibung aus dem Einweihungsjahr 1909.

Die Einweihung des Glärnischschulhauses

Am Montag, 26. April 1909, wurde das neue Schulhaus mit kirchlicher Feier, Festbankett, Kinderumzug und Jugendfest eingeweiht. Das Festprogramm sah folgenden Ablauf vor:
07.00 Ankündigung des Festes durch 22 Schüsse
09.00 Besammlung der Schüler bei den Eidmattschulhäusern
09.15 Glockengeläute, Zug zur Kirche
09.30 Öffentliche kirchliche Feier
10.30 Offizielle Übergabe des neuen Schulhauses und der Turnhalle in Anwesenheit der Behördevertreter, anschliessend Besichtigung des Neubaus
11.45 Bankett der Ehrengäste und der Behörde im Hotel Engel
13.00 Besammlung der Schüler auf den angewiesenen Plätzen. Aufstellung des Umzuges an der Eintracht- und Oberdorfstrasse
14.00 Kostümierter Umzug mit Marschroute Zugerstrasse – Zentral – Seestrasse bis Sagenrain – Florhofstrasse – Gerbestrasse – Seestrasse bis Sust – Bahnhofstrasse – Engel – Zugerstrasse – neues Schulhaus
16.00 Erfrischung für die Schüler
16.45 Beginn der freien Spiele
18.30 Entlassung der Schüler
19.00 Freie Vereinigung mit Musik und Gesang für Erwachsene im Hotel Engel
Die Einweihung, 1909.

Das Schulhaus von Osten, 1909.

Die kirchliche Feier

Orgelmusik von Musikdirektor Stüssi und ein Liedervortrag der Schüler der 5. und 6. Klasse eröffneten die kirchliche Feier, an der rund 1300 Schülerinnen und Schüler sowie 900 Erwachsene teilnahmen. Pfarrer Albert Schreiber hielt die Festansprache und führte mit verschiedenen Beispielen aus, dass vor allem drei Häuser Segensstätten für die Jugendlichen sein sollten: das Elternhaus, das Schulhaus und die Kirche. Ein gemeinsamer Lied­vortrag der Sekundarschüler und der Schüler der 7./8. Klasse schloss Feier ab.
 

Die Übergabe des Schulhauses und der Turnhalle

Die Übergabefeier fand auf dem Pausenplatz Süd statt. Nach dem Liedvortrag des Männerchors Eintracht ergriff Architekt Weideli das Wort. Er hob lobend hervor, dass die Wädenswiler bodenständige Architektur gewünscht hatten. Dies sei 1906 noch keineswegs selbstverständlich gewesen. Seither habe aber die Heimatschutzbestrebung die Anschauungen über Architektur in diesem Sinne gewandelt. Das neue Schulhaus passe in keine Schablone, sondern orientiere sich an den örtlichen Bedürfnissen und Verhältnissen. Mit Gratulationen an die Handwerker und Dank an die Bevölkerung und die Schulbehörden übergab der Redner dem Präsidenten der Primarschulpflege, Heinrich Blattmann-Ziegler, den Schlüssel zum neuen Bau. Hierauf wandte sich Schulpräsident Blattmann an die Festversammlung.
Er lobte den aus den Häusern des Dorfes aufragenden, massigen Schulhausbau als Wahrzeichen der grossen Opfer, welche die Gemeinde der Jugend gebracht habe. Oft höre man gewiss mit Recht darüber klagen, dass sich heute Materialismus und Egoismus breitmachen. Die vier Schulbauten, welche innert weniger Jahre im Gemeindebann von Wädenswil entstanden seien (Schulhäuser Langrüti, Stocken, Ort, Glärnisch) seien ein schönes Zeichen der Solidarität und des Pflichtgefühls des Volkes seiner Jugend gegenüber. Nun sei es nicht mehr nötig, bis 90 Kinder in einem einzigen Schulzimmer zu unterrichten. Blattmann lobte dann einzelne Einrichtungen im Neubau: Die Töchterfortbildungsschule wird eine Schulküche beziehen, die gewiss den Neid jeder Hausfrau hervorrufen wird. An weckmässigkeit lässt die Badeeinrichtung nichts zu wünschen übrig. «Freudig will ich die Turnhalle erwähnen, die mit den neusten Geräten ausgerüstet ist und in ihrer Anlage, Dimension und Ausstattung wohl eine der schönsten und sehenswertesten Turnsäle unseres Landes bilden wird.»
Als dritter Redner wandte sich National- und Erziehungsrat Friedrich Fritschi an die Behörden, Lehrer, Schüler und Einwohner und entbot ihnen Gruss und Glückwunsch des Erziehungsrates. Die wirtschaftliche Konkurrenz verlange, dass der Landwirt, der Industrielle, der Kaufmann die Faktoren kenne, unter denen sich das Leben der Gegenwart gestaltet: Freude an der Arbeit und Pflichtbewusstsein gegenüber Familie, Gemeinde und Staat. «Ein schönes Schulhaus ist's, vor dem wir stehen. Hell, geräumig die Lehrsäle, hygienisch und praktisch die Einrichtung, der künstlerische Schmuck fehlt nicht, edler Gemeinsinn macht die Turnhalle zu einem Tempel des Mimenspiels, die Aussicht ist prachtvoll. Sicher muss es hier eine Freude sein zu lehren und zu lernen. Das Beste an einer guten Schuleinrichtung ist immer der gute Lehrer. Die Gemeinde Wädenswil erkannte dies, als sie je und je die ökonomische Stellung der Lehrer verbesserte; dieser Schulbau ist ein neuer Zeuge ihrer Schulfreundlichkeit.»
Erziehungsrat Fritschi wandte sich dann an die Schuljugend: «Ihr wisst, dies schöne Haus ist für euch gebaut. Drum ist heute Jugendfest. Aber das ganze Jahr ist nicht Jugendfest. Sonntage hat das Jahr 52; hie und da noch einen Festtag, dann gibt es noch Ferien. Die übrigen Tage heisst es in die Schule gehen und fleissig lernen. Wer etwas Rechtes werden will, muss heutzutage viel können. Lernen muss der Mensch, solange er jung ist. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, oder dann mühsam und schwer.

Das Bankett im Hotel Engel

Nach dem Festakt trafen sich Behörden, Ehrengäste, Lehrer und alle Handwerksmeister, die am Bau mitgewirkt hatten, insgesamt 117 Personen, im Hotel Engel zu einem «lukullischen Essen, gewürzt durch einen auserlesenen Tropfen Rebensaft». Pfarrer Jakob Pfister, Ehrenpräsident an diesem Bankett, wandte sich an die Eingeladenen. Er hoffte, das noch nicht völlig ausgebaute Haus genüge mit den übrigen Schulhäusern wieder für einige Jahrzehnte. «Das Haus, wie es nun dasteht, ist nach Gestalt und Lage ein Symbol. In seiner äusseren Erscheinung kommt altes Wädenswiler Gut zur Geltung: Der Zürigiebel, der uns noch an manchem stattlichen Haus am See und im Berg grüsst. In seiner schlichten, soliden Art ist er ein Charakteristikum unserer ursprünglichen Wädenswiler Bevölkerung. Das Innere des Hauses aber repräsentiert das Neue, das Moderne, das heutzutage von der inneren Einrichtung eines Schulhauses gefordert wird. … Nicht ein sklavisches Hangen am Alten, nicht ein stürmisches Jagen nach lauter Neuern, sondern ein weises und harmonisches Verbinden dessen, was wir ererbt haben und was erprobt ist, mit dem, was den Besten unter den Lebenden als Bestes erscheint: das war das Ziel … Ich freue mich, dass wir diesen Platz, den man schon öfter einen idealen Schulplatz nannte, erworben haben, trotzdem er in der Tiefe Tücke zeigte, die mancherlei Sorgen brachte. Jetzt ist's überwunden. Auf seinem erhabenen Podest schaut das Haus froh und frei über das stattliche Dorf hin und wird neben den Gotteshäusern ein charakteristisches Zeichen desselben sein …»
Auch Gemeindepräsident Fritz Weber sprach beim Mittagsbankett im «Engel» einen Toast aus. Er dankte der Schulgemeinde für das grosse Werk, freute sich besonders darüber, dass die Dorfvereine nun zur längst ersehnten Konzerthalle gekommen seien, und wünschte, aus dem neuen Schulhaus möchten stets wackere Gemeindebürger heranwachsen. Das Hoch des Gemeindepräsidenten galt ferner dem Fortschritt im Bildungswesen der Gemeinde Wädenswil.

Der Kinderumzug

Kurz nach 14 Uhr setzte sich der Kinderumzug in Bewegung. Auf eine Abteilung Feuerwehr, welche die von Zuschauern dicht umsäumten Strassen freihalten musste, folgte mit klingendem Spiel die «Harmonie» Lachen. Dann erschienen die ersten der insgesamt 17 Kindergruppen: Rübezahl mit Gnomen, Schneewittchen mit den sieben Zwergen, Dornröschen, weissgekleidete Mädchen; allerlei Handwerker mit ihren Geräten: Metzger, Maler, Bäcker, Kaminfeger, Schlosser, Küfer; Touristen mit Rucksäcken; Winzerinnen und Winzer mit Gelten und Tansen; Schnitter und Schnitterinnen; Sennen, Gärtner, Gärtnerinnen und Fischer. Im Schiff, zu Fuss und auf Wagen kam eine Schulreise daher. Dann folgte die Musikgesellschaft Richterswil.
Kinderumzug an der Zugerstrasse, 1909.

Kinderumzug am Bahnhof, 1909.

Nach ihr zogen die historischen Gruppen vorbei: mit Fellen bekleidete Pfahlbauer, römische Legionäre, die Glaubensboten. Gruppe 9 zeigte den Rütlischwur, die Landvögte und Wilhelm Tell mit seinem Knaben. Kriegerisch muteten die folgenden Bilder an: Eidgenossen bei Morgarten, Laupen, Sempach, Näfels und im Alten Zürichkrieg. Karl der Kühne zog vorüber und Niklaus von Flüe. Gruppe 12 veranschaulichte den Schwabenkrieg, Gruppe 13 die KappeIer Milchsuppe, Gruppe 14 den Untergang der Alten Eidgenossenschaft im Jahre 1798. Den Abschluss des historischen Teils machte Heinrich Pestalozzi mit seiner Schule von damals.
Von neuem erklang Musik. Die «Harmonie Wädenswil» marschierte vorbei. Auf sie folgten Knaben und Mädchen in Trachten der verschiedenen Kantone. Den Schluss des farbenprächtigen Umzugs bildete der Prunkwagen mit der Helvetia in schillerndem Schuppenpanzer.

Mit Zvieri und Spielen klang der 26. April 1909 für die Schüler aus, mit Fest im Hotel Engel für die Erwachsenen. Einheimischen und Auswärtigen, welche diesen denkwürdigen Tag miterlebt hatten, blieb er zeitlebens in tiefer Erinnerung.
 




Peter Ziegler


Das Schulhaus von Westen.