Haus Oberdorfstrasse 16 im Wandel der Zeit

Quelle: «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 12. Juni 1986 von Peter Ziegler

Vor einiger Zeit ist das markante Fabrikgebäude an der Oberdorfstrasse 16 gefällig renoviert und einem neuen Verwendungszweck zugeführt worden. Damit konnte in Wädenswil ein Zweckbau des frühen zwanzigsten Jahrhunderts erhalten werden: die 1911 erstellte ehemalige Hutfabrik Felber.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war Wädenswil führend in der Kopfbedeckungsindustrie. 1848 richtete H. J. Hochstrasser bei der reformierten Kirche als erster eine Hutmacherei ein und fabrizierte und exportierte als Spezialität Hamburger und Bremer Zimmermannshüte. 1870 machte sich Karl Felber, einst Reisender bei Hochstrasser, selbständig. 1884 folgte als drittes Unternehmen auf dem Platz Wädenswil die Mützenfabrik Fürst AG.
Auf dem Areal rechts wurde 1911 die Hutfabrik Felber gebaut.

Der Betrieb von Karl Felber nahm seinen bescheidenen Anfang im Haus «Reblaube» an der Seestrasse. Die zunehmende Nachfrage nach den einheimischen Erzeugnissen liess die in einer Wohnung eingerichteten Fabrikationsräume bald zu knapp werden. 1889 bezog das Unternehmen das dritte Stockwerk des grossen Gebäudes zur «Gerbe». Obwohl man hier den laufend modernisierten Maschinenpark mit der Zeit bis ins Parterre ausgedehnt hatte, wurden auch diese Lokalitäten mit den Jahren zu eng. Hutfabrikant Felber entschloss sich daher, einen eigenen Fabrikbau zu erstellen. Am damaligen oberen Dorfrand, an der wenige Jahre zuvor vollendeten neuen Oberdorfstrasse, entstand im Jahr 1911 ein Monumentalbau, wie es damals wenige gab in Wädenswil.
Hutfabrik Felber an der Oberdorfstrasse 16.

Hutfabrikation bei der Firma Felber.

Logo von 1914.

Der lange dreigeschossige Bau unter mächtigem Satteldach war geprägt vom modernen Architekturempfinden der Zeit, in seiner Form und wuchtigen Erscheinung durchaus vergleichbar mit dem nur zwei Jahre zuvor vollendeten Glärnischschulhaus. War das Glärnischschulhaus Ausdruck eines blühenden Gemeinwesens – Wädenswil zählte damals zu den steuerkräftigsten Ortschaften des Kantons Zürich – zeugte die neue Hut- und Mützenfabrik Felber vom Erfolg eines blühenden Unternehmens, dessen bewährte Geschäftsprinzipien lauteten: «Qualität, Sorgfalt, preiswert, Dienst am Kunden.»
Reklame von 1921.

 
 
 
 
 








Reklame von 1926.

Die Felber & Co. AG, später vom Sohn des Gründers, Ernst Felber-Rutishauser geleitet, fabrizierte vorwiegend Haar- und Wollfilzhüte für Herren und Jünglinge, Zivil- und Sportmützen aller Art. Stoffhüte für den Strand und für Bergwanderungen. Eine besondere Spezialität waren Uniformmützen für Verwaltung, Hotellerie und Polizei. Auch historische Kopfbedeckungen wurden angefertigt. Nach dem Tode des Fabrikanten Ernst Felber im Mai 1954 wurde der Fabrikbetrieb stillgelegt; die Liegenschaft an der Oberdorfstrasse ging im folgenden Jahr durch Kauf an die Aufzüge-Fabrik A.K. Gebauer & Cie. in Zürich über. Diese richtete hier die Abteilung Schlosserei und elektrische Apparate ein und beschäftigte rund 50 Personen. Nachdem das Unternehmen im Jahre 1979 in Affoltern am Albis einen Neubau eingeweiht hatte, konzentrierte es dort die gesamte Produktion und hob darum zur gleichen Zeit den Zweigbetrieb Wädenswil auf. Die frei gewordenen Räume in der ehemaligen Hutfabrik Felber an der Oberdorfstrasse wurden zunächst vermietet und nach dem Umbau des Gebäudes im Jahr 1985 neuen Zwecken zugeführt.
 
Fabrikant Ernst Felber.
Das Gebäude nach der Umnutzung.




Peter Ziegler